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Vollständige Version anzeigen : Da fasse ich mir echt an den Kopf…


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qbz
05.05.2019, 08:31
(Hänge mit der Lektüre des Threads noch etwas zurück und bitte dementsprechend im Falle der Redundanz um Nachsicht)

Klar, jeder wie er mag ... ;)

Ich unterstelle mal (korrigiere bitte im Zweifel) :
Du selbst hast dir ebenso z.B. die Frage nach der Existenz Gottes gestellt, diese auf Grund naturwissenschaftlicher Ansichten und persönlicher Plausbilitätsempfindungen für dich mit "nicht existent" beantwortet, und diese Antwort, mehr oder weniger bewußt, in deine "Konzeption der Welt" integriert. Damit hast du dich nach meinem Verständnis ganz klar "metaphysisch betätigt". Ebenso wenn du dir ein Bild der Psyche machst, was als Psychologe ja nahezu zwingend ist ... ;

Nun frage ich mich natürlich, was du oder man allgemein unter Metaphysikkritik verstehen will.
Ist es die kritische Auseinandersetzung mit bestimmten metaphysischen Systemen, Ansichten oder Antworten, so betreibt man damit in meinen Augen ja selbst wiederum Metaphysik.
Ist es das Infragestellen der Metaphysik als solcher, dann bewegt man sich womöglich wiederum auf dem Terrain der theoretischen Philosophie, wenn man sich z.B. fragt "Was kann man wissen/erkennen" m Bereich der Epistemologie. Oder man schwingt sich auf zur dreisten Gedankenpolizei, wenn man anderen vorschreiben will, worüber sie (nicht) nachdenken dürfen ... :Lachen2:

Allgemein scheint mir, du rückst die Metaphysik sehr nahe zur Religion, und verstehst daher womöglich darunter, wie gerade im ersten Fall angedeutet, tatsächlich bestimmte Anschauungen, die dir auf Grund (d)eines naturwissenschaftlichen Weltbildes unsinnig oder absurd erscheinen.

Wie auch immer, ums mit Arne zu sagen, danke für den Diskurs ... :Huhu:

Sagen wir es so, flow: Ich nahm in diesem Thread diesen Begriff in den letzten Kommentaren von anderen Diskutanten auf, mal ernst, mal leicht ironisch, weil in Diksussionen über Religion von anderen als mir, Zarathustra z.B., oft allgemein auf philospophische Fragen und die Metaphysik verwiesen wurde, natürlich auch im Zusammenhang von Kant.

Ich selbst nannte in den vorhergehenden Debatten, zumindest bemühte ich mich, meistens konkrete Namen und konkrete Inhalte wie von Rousseau, Montesquieu, Hume, Darwin, Feuerbach, Marx, Freud, wenn ich davon erzählte, weshalb ich schon in der Schulzeit eine atheistische Überzeugung gewann und mit 18 aus der Kirche austrat. Neben der Aufklärung und neuzeitlichen Philosophie (Wittgenstein, Frankfurter Schule, kritische Theorie, Strukturalismus) spielte natürlich auch die Reformationsgeschiche des Christentums eine Rolle. Schliesslich bin ich in der Stadt von Zwingli aufgewachsen und sah neben dem Grundbesitz der Klöster (Kloster Einsiedeln z.B.), des Vatikans und der vergangenen Militärmacht der alten Kirche, dass leider auch die papstkritischen Reformatoren das Christentum mit dem Schwert verbreiteten, was als Pazifist meine Kritik herausforderte.

Ich antwortete Dir eigentlich nur auf Deine Frage (in der Du dein Interesse nach Metaphysik ausgedrückt hast) und auf der von Dir und anderen gewählten Ebene, dass ich eben eher an Autoren der Metaphysikkritik interesssiert wäre. Darunter subsumieren sich nach meinem Verständnis in der Phisophiegeschichte sowohl materialistische wie idealistische Philosophen, von denen ich aus beiden Strömungen bestimmte Beiträge vor allem zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sehr schätze. Dass man jetzt wiederum auf einer Meta-Meta-Meta;) - Ebene feststellt, Metaphysikkritik = Metaphysik, finde ich jetzt nicht so besonders originell. :Blumen:

Mich interessieren in erster Linie ideologiekritische, historische, soziologische, psychologische Betrachtungen / Analysen religiöser und philosophischer Themen, wie man ja vielleicht auch an meiner Auffasssung in der Seelendiskussion mit Trimichi sieht, wo ich für ein kulturell-ethnisches Verständnis der Hunderten von Seelenbegriffen plädierte. Versuche, einen Seelen-Begriff mit universellem Wahrheitsanspruch zu finden (wie ihn z.B. die Christen behaupten), sehe ich zum Scheitern verurteilt, weshalb ich diese Herangehensweise im Denken nicht pflege bzw. bevorzuge.

Flow
05.05.2019, 09:02
Ich antwortete Dir eigentlich nur auf Deine Frage (in der Du dein Interesse nach Metaphysik ausgedrückt hast) und auf der von Dir und anderen gewählten Ebene, dass ich eben eher an Autoren der Metaphysikkritik interesssiert wäre. [...] Dass man jetzt wiederum auf einer Meta-Meta-Meta;) - Ebene feststellt, Metaphysikkritik = Metaphysik, finde ich jetzt nicht so besonders originell. :Blumen:
Nanana, du hast anggefangen ... ! :Lachen2:

Den Ursprung unseres diesbezüglichen Gesprächsstranges sehe ich hier (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?p=1449372#post1449372), wo du mich ansprichst :
ich glaube, wir sind uns doch sicher einig, dass Erkenntnisse aus der Biologie, Physik, Anthropologie, Politökonomie die Welt- und Menschenbilder des vergangenen Jahrtausends grundlegend änderten und keine aus dem Gebiet der Metaphysik. Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.
(Hvm)
Das klingt oder klang mir eben etwas unnötig polarisierend, so wie mir allgemein hier eine gewisse Fundamentalablehnung gegenüber einer gesamten philosophischen Disziplin durchscheint, die mich mitunter doch etwas verwundert.
Deine restlichen Ausführungen lese ich, wie meist, mit Interesse, wobei meines wohl eher den (persönlichen) Anschauungen gilt, als der "Revolte".

Einen schönen Sonntag ... :Huhu:

Trimichi
05.05.2019, 09:37
Aber wenn es nicht analysiert werden kann, wieso weiß man dann, dass eine Seele eingezogen ist? Scheint mir eine Schachmatt-Situation zu sein.


In dem Moment der Befruchtung der Eizelle durch den Samen ist ein neues Leben, ein unverwechselbares, einzigartiges und in seiner Komplexität nicht zu analysierendes Individuum entstanden, durch den sog. UiU, dem Urknall im Uterus, eine nicht zu analysierende Komplexität und Einzigartigkeit, ein menschliches Wesen mit freiem Willen ausstaffiert auch wenn Jahre später Facebook dessen Gehirn kopiert. ;) Nix Schachmatt. :)

Und genau das ist ja das Tolle. Wir alle, und das betrifft uns alle, jedes Individuum, wissen heute noch nicht, was in 10 Tagen oder in 1 Jahr oder was - eine beliebte Frage Klienten gegenüber - in 20 Jahren sein wird.

(at) m.: genau so ist es :Blumen: , die Schöpfung hat weder einen Anfang noch ein Ende. Und das wussten schon die alten Griechen.

qbz
05.05.2019, 09:49
........
Nanana, du hast anggefangen ... ! :Lachen2:

Den Ursprung unseres diesbezüglichen Gesprächsstranges sehe ich hier (https://www.triathlon-szene.de/forum/showthread.php?p=1449372#post1449372), wo du mich ansprichst :
...........


Die Verwendung und Einführung der "Metaphysik" als Teil der Philosophie hing, wie ich schrieb, mit einer vorigen Diskussion mit Zarathustra zusammen, falls es Dich interessiert:
https://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=1446584&postcount=14207

Flow
05.05.2019, 09:54
Die Verwendung und Einführung der "Metaphysik" als Teil der Philosophie hing, wie ich schrieb, mit einer vorigen Diskussion mit Zarathustra zusammen, falls es Dich interessiert:
https://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=1446584&postcount=14207
Ok, dann hängen wir an dieser Stelle :
"Erfahrung von metaphysischem Wissen", einem gewählten Wort für "Hokuspokus".
... wohl fest ... :Lachen2:

Womöglich liegt es an den Beifügungen "Erfahrung" und "Wissen".
Ich würde wohl eher von "Theorien", "Ansichten", "Interpretationen", "Systemen", "Konzepten" ... sprechen ...

qbz
05.05.2019, 10:23
In dem Moment der Befruchtung der Eizelle durch den Samen ist ein neues Leben, ein unverwechselbares, einzigartiges und in seiner Komplexität nicht zu analysierendes Individuum entstanden, durch den sog. UiU, dem Urknall im Uterus, eine nicht zu analysierende Komplexität und Einzigartigkeit, ein menschliches Wesen mit freiem Willen ausstaffiert auch wenn Jahre später Facebook dessen Gehirn kopiert. ;) Nix Schachmatt. :)

Und genau das ist ja das Tolle. Wir alle, und das betrifft uns alle, jedes Individuum, wissen heute noch nicht, was in 10 Tagen oder in 1 Jahr oder was - eine beliebte Frage Klienten gegenüber - in 20 Jahren sein wird.

(at) m.: genau so ist es :Blumen: , die Schöpfung hat weder einen Anfang noch ein Ende. Und das wussten schon die alten Griechen.

Hi Trimichi,

ich hatte Dich ja nach der konkreten Seelenvorstellung gefragt, nachdem Du desöfteren allgemein auf ein L-S-Problem hingewiesen hattest. Danke für die Antwort und Erläuterung! Du erklärst das Vorhandensein einer menschlichen Seele mit dem Beginn des Lebens eines späteren Individuums inform einer lebenden, befruchteten Eizelle, dessen Komplexität nicht analysierbar sei.
Mir fällt nur zweierlei auf: dass ein göttliches Wirken (Schöpfer) in Deiner Erklärung nicht vorkommt und das Ganze als ein rein biologisch-humaner Prozess beschrieben ist sowie zweitens Du wegen Erkenntnisgrenzen einen Seelenbegriff annimmst.

qbz
05.05.2019, 10:41
Ok, dann hängen wir an dieser Stelle :

... wohl fest ... :Lachen2:

Womöglich liegt es an den Beifügungen "Erfahrung" und "Wissen".
Ich würde wohl eher von "Theorien", "Ansichten", "Interpretationen", "Systemen", "Konzepten" ... sprechen ...

Das war nur etwas zugespitzt, ironisierend zwischen ".." formuliert, weil eben der Papst aus subjektiv erlebter göttlicher Offenbarung allgemeingültig formulierte Gewissheiten und Wissen ableitet und universelle Wahrheiten behauptet und Zarathustra von "Metaphysik oder Religion" sprach, die den Einzelwissenschaften einen Rahmen setzen würden. Da bin ich halt der Ansicht, und es gab bisher kein inhaltliches Gegenargument, dass stattdessen die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften die Weltbilder des Christentums änderten.

Helmut S
05.05.2019, 12:17
weil eben der Papst aus subjektiv erlebter göttlicher Offenbarung allgemeingültig formulierte Gewissheiten und Wissen ableitet


Wer sagt, dass die allgemeingültig sind? Die Antwort ist wahrscheinlich etwas in der Art wie etwa "Na, der Papst!" Dann frage ich, wo bzw von wem hat er die Legitimation in einem (nahezu) säkularisierten Rechtsstaat für seine Aussagen Allgemeingültigkeit zu fordern? Die Antwort könnte sein: "Ja von Gott!" An der Stelle spätestens muss es jedem klar werden: Gott spielt als gesetzgebende Instanz in einem Rechtsstaat keine Rolle. Das mag im Iran anders sein, aber da hat der Papst auch nix zu sagen.

und Zarathustra von "Metaphysik oder Religion" sprach, die den Einzelwissenschaften einen Rahmen setzen würden.


Ich bin jetzt nicht auf dem Laufenden, ob er das wirklich so gesagt hat. Vielmehr ist es doch so, dass Metaphysik (was auch immer das genau ist - im Zweifel sowas wie der laufende Keiler der Philosophie) über den Rahmen der Einzelwissenschaften im Sinne von Möglichkeiten nachdenkt. Wenn überhaupt, dann kann man fragen, ob die möglich erreichbaren Ergebnisse ggf. einen Rahmen haben (was soll das überhaupt genau sein, ein Rahmen?). Aber das die Metaphysik den Einzelwissenschaften einen "Rahmen" setzen würden, in dem Sinne, dass sie sich darin bewegen dürfen (und nicht darüber hinaus), dass sehe ich nicht. Die metaphysik ist nicht diktatorisch oder oktroyierend. Im Gegenteil: Die Einzelwissenschaften können im Rahmen des Rechtsstaates machen was sie wollen. Auch methodisch im Übrigen. Explizit hat das der Wissenschaftsphilosoph Feyerabend mit seiner "anything goes" These formuliert (genauer in dem Aufsatz "Against method" aus den 70ern).

:Blumen:

qbz
05.05.2019, 13:19
........
Ich bin jetzt nicht auf dem Laufenden, ob er das wirklich so gesagt hat. Vielmehr ist es doch so, dass Metaphysik (was auch immer das genau ist - im Zweifel sowas wie der laufende Keiler der Philosophie) über den Rahmen der Einzelwissenschaften im Sinne von Möglichkeiten nachdenkt. Wenn überhaupt, dann kann man fragen, ob die möglich erreichbaren Ergebnisse ggf. einen Rahmen haben (was soll das überhaupt genau sein, ein Rahmen?). Aber das die Metaphysik den Einzelwissenschaften einen "Rahmen" setzen würden, in dem Sinne, dass sie sich darin bewegen dürfen (und nicht darüber hinaus), dass sehe ich nicht. Die metaphysik ist nicht diktatorisch oder oktroyierend. Im Gegenteil: Die Einzelwissenschaften können im Rahmen des Rechtsstaates machen was sie wollen. Auch methodisch im Übrigen. Explizit hat das der Wissenschaftsphilosoph Feyerabend mit seiner "anything goes" These formuliert (genauer in dem Aufsatz "Against method" aus den 70ern).

:Blumen:

also, ich zitierte frei aus dem Gedächtnis: "einen Rahmen setzen" statt "einen Rahmen liefern". Das möchte ich gerne korrigieren, präzisieren, bevor jetzt unnötige Missverständnisse entstehen. Wir hatten das ja zusammen diskutiert, und das Thema kam im Gespräch mit Flow jetzt nur wieder auf.
https://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=1446584&postcount=14207
Ps.: Feyerabend ist mir noch ein Begriff aus der Unizeit. ;) Bestimmte Namen begegnen einem immer wieder .....

Trimichi
05.05.2019, 13:52
also, ich zitierte frei aus dem Gedächtnis: "einen Rahmen setzen" statt "einen Rahmen liefern". Das möchte ich gerne korrigieren, präzisieren, bevor jetzt unnötige Missverständnisse entstehen. Wir hatten das ja zusammen diskutiert, und das Thema kam im Gespräch mit Flow jetzt nur wieder auf.
https://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=1446584&postcount=14207
Ps.: Feyerabend ist mir noch ein Begriff aus der Unizeit. ;) Bestimmte Namen begegnen einem immer wieder .....

Jupp, musste ich auch lesen, Herrn Feyerabends Werk "Wider dem Methodenzwang".:Lachen2: Wir mussten auch in Philo lernen, dass wegen des Freiheitsproblems alle Gegenstände durch die modernen Wissenschaften erforscht werden dürfen.

Das heißt aber nicht das über Nacht aus einem Juristen ein Astrophysiker wird und aus dem Astrophysiker ein Philosoph wird. Das hat sogar Prof. Harry Lesch erkennen müssen und sich David Precht ins Boot geholt. Oder war es umgekehrt? Eigentlich egal, denn

hier https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/precht-186.html reden die beiden über Verschwörungstheorien. Ganz lustig, "Märchenonkel" Lesch im Jaja-Modus und Precht gibt Gas:

"Deswegen haben eigentlich Physiker und Philosophen heute das Problem, dass sie über ein Gehirn verfügen, das für die Erkenntnis der Wahrheit ziemlich schlecht ausgerüstet ist,..."
(ab 14:30 min sec)

Jörn
05.05.2019, 15:35
dass Metaphysik (...) über den Rahmen der Einzelwissenschaften im Sinne von Möglichkeiten nachdenkt.

Dieses "Nachdenken über Möglichkeiten" ist natürlich nützlich und willkommen.

Ich gebe zwei Dinge zu bedenken:

Welche Rolle spielt eine bestimmte Motivation bei diesem Nachdenken? Bei der Physik, deren Hypothesen irgendwann experimentell geprüft werden, ist die Motivation bedeutungslos. Entweder stellt sich die Hypothese als korrekt heraus oder nicht. Falls nicht, hat das Konsequenzen. Physiker hüten sich deswegen davor, falsch zu liegen und korrigieren sich ggfs. selbst, bevor es andere tun.

Bei rein geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist die Lage nicht ganz so eindeutig. Hier kann man Widersprüche einfach durch "unterschiedliche Denkschulen" bestehen lassen. Selbst offensichtliche Widersprüche oder Fehlschlüsse können mühelos Jahrhunderte, teilweise Jahrtausende, überstehen -- vorausgesetzt, es gibt ein Interesse daran. Dieses Interesse kann auch religiös motiviert sein.

Deswegen gehört die Prüfung, ob eine bestimmte Motivation verfolgt wird, zur geisteswissenschaftlichen Debatte dazu. Neutralität kann nicht einfach vorausgesetzt werden. Besonders wichtig finde ich eine solche Prüfung dann, wenn die Thesen nur als Steigbügel für religiöse Argumente benötigt werden, oder wenn sie alle in diese eine Richtung zeigen.

Ich frage mich, ob zumindest manche Vertreter der Meta-Physik diese nur dazu benutzen, um sich über jede Wissenschaft zu stellen, ohne selbst über wissenschaftliches Wissen verfügen zu müssen? Ist es das Ziel, Wissenschaft quasi "unschädlich" zu machen? Religion hätte daran ein offensichtliches Interesse. Es wäre beinahe verdächtig, wenn man solche Versuche nicht finden würde.

----

Zweitens: Das "Nachdenken über die Möglichkeiten" ist ganz normaler Teil einer jeden wissenschaftlichen Disziplin. Jeder Physiker denkt darüber nach, ob bestimmte Projekte überhaupt eine Aussicht auf Erfolg haben. Gleichzeitig ist es aber auch die Fähigkeit der Wissenschaft, diese Grenzen immer wieder einzureißen.

Beispielsweise kommt man gerade der dunklen Materie auf die Spur, die nicht wechselwirkt. Wenn sie nicht wechselwirkt, ist sie jeder Messung entzogen. Hier wäre also eine prinzipielle Grenze der Erkenntnis. Dennoch können wir ihre Masse mittlerweile genau berechnen. Die Grenze hat sich als falsch herausgestellt.

Ich frage mich, wie ernst "die Physiker" überhaupt die Meinung "der Meta-Physiker" nehmen, ob irgendwas erforscht werden könne? Ich könnte mir vorstellen, dass "die Physiker" sich lieber auf ihr eigenes Urteil verlassen.

qbz
05.05.2019, 18:40
.........
Ich frage mich, ob zumindest manche Vertreter der Meta-Physik diese nur dazu benutzen, um sich über jede Wissenschaft zu stellen, ohne selbst über wissenschaftliches Wissen verfügen zu müssen? Ist es das Ziel, Wissenschaft quasi "unschädlich" zu machen? Religion hätte daran ein offensichtliches Interesse. Es wäre beinahe verdächtig, wenn man solche Versuche nicht finden würde.
.........


Ludwig Feuerbach veröffentlichte seine erste religionskritische Arbeit "Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" anonym, 1830. Sie wurde anschliessend verboten, der Verfasser polizeilich ermittelt und er musste seine Vorlesungstätigkeit abbrechen und den akademischen Beruf aufgeben. Er finanzierte seine weiteren religionskritischen Schriften und sein Hauptwerk (Zum Wesen des Christentums) über die Porzellanmanufaktur seiner Frau als Privatier. Karl Marx bekam nach seiner Dissertation (über Demokrit und Epikur) natürlich auch keine Professur und arbeitete als freier Journalist. Er musste seinen Wohnsitz mit der Familie wegen staatlicher Ausweisungen / Internierungen zwischen Frankreich, Belgien, Deutschland wechseln, wurde staatenlos und arbeitete zum Schluss im Exil in London, wo er finanziell von Engels unterstützt wurde.

Flow
05.05.2019, 22:41
Das war nur etwas zugespitzt, ironisierend zwischen ".." formuliert, weil [...]
Ok.

Da bin ich halt der Ansicht, und es gab bisher kein inhaltliches Gegenargument, dass stattdessen die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften die Weltbilder des Christentums änderten. (Hvm)
Ich finde dies polarisierende Gegeneinanderstellen etwas überflüssig ... :Blumen:

Ansonsten würde ich persönlich den Blick auch etwas erweitern und mich, über das des hier im Fokus stehenden Christentums, allgemein für Weltbilder, oder wie ich es gerne nenne "Konzeptionen der Welt" interessieren.

qbz
05.05.2019, 23:20
Ok.

(Hvm)
Ich finde dies polarisierende Gegeneinanderstellen etwas überflüssig ... :Blumen:


Ich finde die Gegenüberstellung angesichts der Formulierungen, welche die kath. Kirche manchmal wählt, schon sehr sachlich ausgedrückt. Ich habe mir gestern mal die Enzyklika "Humani generis, über einige falsche Ansichten, die die Grundlagen der katholischen Lehre zu untergraben drohen (12. August 1950)" wegen der Evolutionstheorie angeschaut und mir fielen echt die Augen aus dem Kopf über das, was da teilweise steht, sowohl zum Verhältnis Philosophie-Religion wie auch zum Verhältnis "Einzelwissenschaft-Religion-Philosophie. Nur zwei kleine Kostproben dazu:

"2. Die positiven Wissenschaften betreffend

"Es ist jetzt noch zu den Fragen Stellung zu nehmen, die aus den positiven Wissenschaften entspringen und mehr oder weniger mit den Wahrheiten des christlichen Glaubens zusammenhängen. Nicht wenige bitten ja dringend darum, die katholische Religion möge mit dieser Wissenschaft möglichst stark Rechnung halten. Es ist das lobenswert, soweit es sich um bewiesene Tatsachen handelt; es heißt aber, vorsichtig voranzugehen, wenn es sich mehr um Hypothesen handelt – auch wenn sie irgendwie wissenschaftlich begründet sind –, mit denen Lehren der Heiligen Schrift oder der Tradition in Berührung stehen. Wenn diese Hypothesen sich direkt oder indirekt gegen die Offenbarung wenden, so können sie in keiner Weise zugelassen werden."

a) Biologische und anthropologische Fragen

36 Aus diesem Grund verbietet das Lehramt der Kirche nicht, dass in Übereinstimmung mit dem augenblicklichen Stand der menschlichen Wissenschaften und der Theologie die Entwicklungslehre Gegenstand der Untersuchungen und Besprechungen der Fachleute beider Gebiete sei, insoweit sie Forschungen anstellt über den Ursprung des menschlichen Körpers aus einer bereits bestehenden, lebenden Materie, während der katholische Glaube uns verpflichtet, daran festzuhalten, dass die Seelen unmittelbar von Gott geschaffen sind. Es sollen diese Verhandlungen in der Weise geschehen, dass die Gründe für beide Ansichten, also dieser, die der Entwicklungslehre zustimmt, wie jener, die ihr entgegensteht, mit nötigen Ernst abgewogen und beurteilt, vorausgesetzt, dass alle bereit sind, das Urteil der Kirche anzunehmen, der Christus das Amt anvertraut hat, die Heilige Schrift authentisch zu erklären und die Grundsätze des Glaubens zu schützen[11]. Einige überschreiten nun verwegen diese Freiheit der Meinungsäußerung, da sie so tun, als sei der Ursprung des menschlichen Körpers aus einer bereits bestehenden und lebenden Materie durch bis jetzt gefundene Hinweise und durch Schlussfolgerungen aus diesen bereits mit vollständiger Sicherheit bewiesen; ebenso tun sie, als ob aus den Quellen der Offenbarung kein Grund vorliege, der auf diesem Gebiet nicht die allergrößte Mäßigung und Vorsicht geböte.

37 Wenn es sich aber um eine andere Hypothese handelt, den so genannten Polygenismus, lässt die Kirche nicht die gleiche Freiheit. Darum können Gläubige sich nicht der Meinung anschließen, nach der es entweder nach Adam hier auf Erden wirkliche Menschen gegeben habe, die nicht von ihm, als dem Stammvater aller auf natürliche Weise abstammen, oder dass Adam eine Menge von Stammvätern bezeichne, weil auf keine Weise klar wird, wie diese Ansicht in Übereinstimmung gebracht werden kann mit dem, was die Quellen der Offenbarung und die Akten des kirchlichen Lehramts über die Erbsünde sagen; diese geht hervor aus der wirklich begangenen Sünde Adams, die durch die Geburt auf alle überging und jedem einzelnen zu eigen ist Humani Generis (https://www.stjosef.at/dokumente/humani_generis.htm)

Flow
06.05.2019, 00:12
Ich finde die Gegenüberstellung angesichts der Formulierungen, welche die kath. Kirche manchmal wählt, schon sehr sachlich ausgedrückt.
Ja, "die katholische Kirche" ist eine Geschichte ... eine andere z.B. die Frage ob Physik oder Philosophie die bessere Physik ist ...

Zarathustra
06.05.2019, 00:34
...

Wo ich ein Problem habe ist das hier



Ich denke streng genommen muss das heißen "...deren Sein zu behaupten..."

Leider habe ich gerade 30min wie blöd meinen Eisler gesucht - finde ihn nicht. Wahrscheinlich jemandem geliehen und nicht zurück gekriegt. :Traurig: Hast du selbst einen? Dann schau doch mal bei "als ob". Bin recht sicher darüber steht einiges drin. :Blumen:

Den Eisler habe ich leider gerade nicht zur Hand, würde mich aber auf die Kritik der praktischen Vernunft, S. 134ff. berufen, wo z.B. Folgendes in Bezug auf die Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu lesen ist:


„ ... Also wird durchs praktische Gesetz, welches die Existenz des höchsten in einer Welt möglichen Guts gebietet, die Möglichkeit jener Objecte der reinen speculativen Vernunft, die objective Realität, welche diese ihnen nicht sichern konnte, postulirt; wodurch denn die theoretische Erkenntniß der reinen Vernunft allerdings einen Zuwachs bekommt, der aber blos darin besteht, daß jene für sie sonst problematische (blos denkbare) Begriffe jetzt assertorisch für solche erklärt werden, denen wirklich Objecte zukommen, weil praktische Vernunft die Existenz derselben zur Möglichkeit ihres und zwar praktisch schlechthin nothwendigen Objects, des höchsten Guts, unvermeidlich bedarf, und die theoretische dadurch berechtigt wird, sie vorauszusetzen. ... “

Zarathustra
06.05.2019, 00:55
... Meine Fragen auf diesen Seiten hast Du stets ignoriert. Ich würde mich aber weiter dafür interessieren, was Deine Ansichten zu Gott und Theodizee sind, d.h. Du kannst die versäumten Antworten gerne nachholen. Ich bin interessiert -- vor allem an den Belegen. ...


Ich hatte Dir ja angeboten, auf Deine Fragen zu antworten, sofern Du Dir erkennbare Mühe gibst meine Postion richtig zu verstehen und davon absiehst dieselbe nachweislich falsch darzustellen. Doch es geht genauso weiter wie zuvor:



...
Deine Stellungnahme zur Theodizee (warum gibt es Leid?) bestand vorwiegend darin, ...
...



So ist es mir, wie gesagt, zu viel Arbeit gleichzeitig Deine Falschaussagen richtigzustellen und Deine Unkenntnisse über Fragestellungen der Philosophie zu beheben.

Zarathustra
06.05.2019, 01:42
Was sagt denn die christliche Religion, wie aus Nichts ein "Etwas" geschaffen wird?

Über das 'Wie', soweit ich weiß, nichts.


Aus christlicher Sicht gibt es kein Nichts. Sondern Gott ist stets vorhanden. Er ist der Verursacher von allem, was anschließend geschaffen wurde.


Ja, Gott schöpft die Welt aus nichts.


... die physikalische Sichtweise (die durchaus etwas über die Erschaffung der Welt aus dem Nichts aussagt)

Ach ja, was denn? (Irgendwelche hypothetischen physikalischen Anfangsbedingungen, Gesetzmäßigkeiten oder dergleichen zu einem hypothetischen Zeitpunkt Null oder sehr kurz danach sind übrigens nicht nichts.)


Weiter sagst Du, die physikalische Sichtweise (...) sei Ausdruck einer begrifflichen Verwirrung.

Nein, das sagte ich nicht. Was ich sagte war, daß eine Verwechslung oder Vermischung der Beiden (Physik u. Religion) Ausdruck einer begrifflichen Verwirrung ist, schon angefangen mit dem Begriff 'nichts'.

Jörn
06.05.2019, 04:56
So ist es mir, wie gesagt, zu viel Arbeit gleichzeitig Deine Falschaussagen richtigzustellen und Deine Unkenntnisse über Fragestellungen der Philosophie zu beheben.

Nach meiner Auffassung ist das eine Mühe, die im Rahmen jeder üblichen Debatte liegt und die auf Gegenseitigkeit beruht.

Es ist ja nicht so, dass Du über das Weltall oder die Götter mehr wüsstest als alle anderen Teilnehmer, und dass es Dir deshalb nicht zuzumuten wäre, all die ungebildeten Irrtümer zu korrigieren.

Ganz im Gegenteil stehen Deine Thesen ja im krassen Widerspruch zu allem, was bisher an Fakten belegt werden konnte. Götter wurden dabei nicht gefunden. Es ist also gut möglich, dass (Zitat) "Falschaussagen" und "Unkenntnisse" auf Deiner Seite liegen.

Jörn
06.05.2019, 05:46
Ja, Gott schöpft die Welt aus nichts.

Steht wo? In der Bibel?

Dass Du Dich da mal nicht täuschst.

Klugschnacker
06.05.2019, 07:22
Ja, Gott schöpft die Welt aus nichts.

Mir scheint, dass Du hier unpräzise argumentierst. Am Beginn der Welt ist nach christlicher Auffassung nicht Nichts, sondern es existiert Gott.

Das ist alles andere als Nichts. Denn Gott ist nach christlicher Vorstellung ein äußert komplexes Wesen, immerhin kann er die Welt erschaffen, am Laufen halten und gleichzeitig eine persönliche Beziehung zu Milliarden Menschen unterhalten. Das Vorhandensein von Gott am Beginn der Welt ist eine spektakulär weitreichende Anfangsbedingung.

Ich erwähne es, da auch die physikalische Erklärung für die Entstehung unseres sichtbaren Universums nicht ohne Anfangsbedingungen auskommt. Mir scheint, dass Du auf dieses Argument zusteuerst. Im Moment ist die Physik so weit, dass die Entstehung des sichtbaren Universums aus Nichts möglich und plausibel ist, sofern hier bereits fundamentale, einfache Naturgesetze gelten.

Der Anfangszustand des physikalischen Nichts ist sehr einfach in Sinne von: wenig komplex. Hingegen ist der Anfangszustand nach christlicher Vorstellung äußerst komplex, da es die Existenz eines allmächtigen Gottes voraussetzt.

Flow
06.05.2019, 08:29
Ich erwähne es, da auch die physikalische Erklärung für die Entstehung unseres sichtbaren Universums nicht ohne Anfangsbedingungen auskommt. Mir scheint, dass Du auf dieses Argument zusteuerst. Im Moment ist die Physik so weit, dass die Entstehung des sichtbaren Universums aus Nichts möglich und plausibel ist, sofern hier bereits fundamentale, einfache Naturgesetze gelten.

Der Anfangszustand des physikalischen Nichts ist sehr einfach in Sinne von: wenig komplex. Hingegen ist der Anfangszustand nach christlicher Vorstellung äußerst komplex, da es die Existenz eines allmächtigen Gottes voraussetzt.
Wie ich weiter oben schon anführte, postulierst du damit jedoch quasi eine bereits existierende physikalische Welt, innerhalb derer dann das (sichtbare) Universum entsteht.
Die Frage vom Ursprung ist damit verschoben. Vom Ursprung des Universums (der damit tatsächlich rein physikalisch faßbar wird) hin zum Ursprung dieser übergeordneten Welt.


Grüße ... :Huhu:

Flow
06.05.2019, 08:43
. Das Vorhandensein von Gott am Beginn der Welt ist eine spektakulär weitreichende Anfangsbedingung.
Sicherlich ist es das ... :Lachen2:

Am Beginn der Welt ist nach christlicher Auffassung nicht Nichts, sondern es existiert Gott.

Das ist alles andere als Nichts. Denn Gott ist nach christlicher Vorstellung ein äußert komplexes Wesen, immerhin kann er die Welt erschaffen, am Laufen halten und gleichzeitig eine persönliche Beziehung zu Milliarden Menschen unterhalten Die Frage ist eben, was man unter "Gott" verstehen will, sowie unter einem "Existenz"-Begriff in Bezug auf "Gott".
Mit einer physikalisch/naturwissenschaftlichen Behandlung dieser Frage greift man damit wohl ins Leere ...

Da der Mißgriff hier bereits im Ansatz steckt, scheint mir auch ein Spott über das Ergebnis eher wenig Überlegenheit zu demonstrieren ... :)

Klugschnacker
06.05.2019, 10:11
„ ... Also wird durchs praktische Gesetz, welches die Existenz des höchsten in einer Welt möglichen Guts gebietet, die Möglichkeit jener Objecte der reinen speculativen Vernunft, die objective Realität, welche diese ihnen nicht sichern konnte, postulirt; wodurch denn die theoretische Erkenntniß der reinen Vernunft allerdings einen Zuwachs bekommt, der aber blos darin besteht, daß jene für sie sonst problematische (blos denkbare) Begriffe jetzt assertorisch für solche erklärt werden, denen wirklich Objecte zukommen, weil praktische Vernunft die Existenz derselben zur Möglichkeit ihres und zwar praktisch schlechthin nothwendigen Objects, des höchsten Guts, unvermeidlich bedarf, und die theoretische dadurch berechtigt wird, sie vorauszusetzen. ... “

Das ist kein Argument für die tatsächliche Existenz eines Gottes. Was Kant hier als "schlechthin notwendiges Objekt" voraussetzt, ist keineswegs notwendig. Kants praktische Vernunft hat darüber hinaus nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Es sind Hirngespinste, oder freundlicher formuliert: es sind kluge, aber leicht zu durchschauende Irrtümer. Kant "beweist" nur das, was er bereits in den Voraussetzungen postuliert.

Klugschnacker
06.05.2019, 10:19
Wie ich weiter oben schon anführte, postulierst du damit jedoch quasi eine bereits existierende physikalische Welt, innerhalb derer dann das (sichtbare) Universum entsteht.

Das ist richtig. So ist der gegenwärtige Wissensstand.

Von diesen ganz simplen physikalischen Grundvoraussetzungen ausgehend, passt alles Weitere sehr gut zusammen. Das verleiht der physikalischen Sichtweise eine große Überzeugungskraft.

Nach der christlichen Vorstellung müssen extrem komplexe und unverständliche Grundannahmen vorausgesetzt werden. Trotzdem passt das sich daraus ergebende Weltbild hinten und vorne nicht zusammen.

----

Man kennt ähnliche Phänomene von anderen Theorien, die sich in ihrem Endstadium befinden, weil sich mehr und mehr Ungereimtheiten finden. Immer mehr Zusatzannahmen und Regeln werden aufgestellt, um die Theorie in Einklang mit den Beobachtungen zu bringen. Irgendwann bricht die Theorie zusammen, und wird durch eine einfachere, stimmigere Theorie ersetzt. So war das beispielsweise bei der Äthertheorie oder bei der Annahme, die Sonne und Planeten kreisten um die Erde. Die Vorstellung einer absichtlich geschaffenen Welt durch einen Gott geht erkennbar diesen Weg.
:Blumen:

Flow
06.05.2019, 10:37
Das ist richtig. So ist der gegenwärtige Wissensstand.
Gut.
Damit wird diese Aussage :
Wie das Universum entstanden ist, ist eine rein naturwissenschaftliche Frage, ebenso wie die Frage nach der Entstehung der Alpen.
... aber schnell irreführend.

Da die hierin angeführte "Entstehung des Universums" ist von einer "Schöpfung der Welt" zu unterscheiden ist, insofern ersteres lediglich Bestandteil innerhalb letzterer ist.
Von diesen ganz simplen physikalischen Grundvoraussetzungen ausgehend, passt alles Weitere sehr gut zusammen. Das verleiht der physikalischen Sichtweise eine große Überzeugungskraft.Selbstverständlich und natürlich auch hoch interessant ... :Blumen:

Zur Entstehung, zum Ursprung der Welt ist damit nur weiterhin nichts gesagt.

Nun könnte man selbstverständlich weiter anführen, diese Frage nach der "Schöpfung der Welt" in diesem Sinne oder auch dem Ursprung der Physik/Naturgesetze wäre unsinnig/irrelevant oder sie mit "war(en) einfach schon immer da beantworten.
Ja, vom naturwissenschaftlich/physikalischen Standpunkt aus wäre oder ist das auch völlig legitim und plausibel.
Denn, es handelt sich hierbei nicht um eine naturwissenschaftliche/physikalische Frage, sondern um eine philosophische/metaphysische.

Insofern stimme ich in diesem Zusammenhang diesem hier :
Die Vorstellung einer absichtlich geschaffenen Welt durch einen Gott geht erkennbar diesen Weg.... auch kein bißchen zu ...

Jörn
06.05.2019, 11:25
Die Frage ist eben, was man unter "Gott" verstehen will, sowie unter einem "Existenz"-Begriff in Bezug auf "Gott".

Jeder versteht unter "Gott" das, was er darunter verstehen möchte.

Dadurch kann man Gott so definieren, dass es zur eigenen Hypothese passt. Man definiert quasi, dass man recht hat.

Denn, es handelt sich hierbei [bei der Schöpfung der Welt] nicht um eine naturwissenschaftliche/physikalische Frage, sondern um eine philosophische/metaphysische.

Auch hier hängt alles an einer Definition. Du definierst es so, dass Du am Ende recht hast. Du definierst einfach, dass die Wissenschaft nichts dazu beitragen kann, basta.

Wie bei religiösen Argumenten üblich, ist das zugleich eine Immunisierung gegen jedes denkbare Argument. Ebenso typisch ist das Verschieben ins Unerreichbare, am besten jenseits des Urknalls. Das ist der Zweck der Argumentation. Der Zweck ist nicht, die Schaffung der Welt zu erklären, sonst hätten wir inzwischen davon gehört.

Selbst wenn es eine rein philosophische Frage wäre, hätten wir dennoch keine Antwort. Es lassen sich beliebig viele philosophische Theorien aufstellen, die ohne Gott auskommen. Die Forderung, es müsse unbedingt eine philosophische Antwort sein, nützt der Götterhypothese überhaupt nichts. Der einzige Zweck ist, sich gegen die Wissenschaft zu immunisieren. Es ist ein Nicht-wahrhaben-wollen wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Jörn
06.05.2019, 11:54
Da die hierin angeführte "Entstehung des Universums" ist von einer "Schöpfung der Welt" zu unterscheiden ist, insofern ersteres lediglich Bestandteil innerhalb letzterer ist.

Das weißt Du nicht.

Es ist bereits bewiesen, dass diese simplen Denkmodelle (innerhalb/außerhalb, vorher/nachher) zwar intuitiv sind, jedoch beim Urknall nicht anwendbar sind. Die Quantentheorie belegt das.

Zur Entstehung, zum Ursprung der Welt ist damit nur weiterhin nichts gesagt.

Wie wäre es, wenn Du etwas dazu sagen würdest? Wie ist die Welt entstanden?

Ich verstehe nicht, warum Du Deine Theorie dazu niemals nennst.

qbz
06.05.2019, 12:01
Genausowenig wie die Entdeckung der Ursachen der Pest, welche im Glauben der Menschen Gott als Strafe sandte, am Gottesglauben etwas änderte oder Darwin´s Theorie, werden aktuelle und künftige physikalische Theorien zum Urknall, "nichts" ;) an der Einstellung im Vatikan zu Gott bewirken. Dewegen verstehe ich persönlich nicht, weshalb Gottesgläubige auf die Idee kommen, man könne Erkenntnislücken mit Annahmen über einen Gott schliessen bzw. diese mit solchen begründen.
https://www.tagesspiegel.de/wissen/physik-und-theologie-gott-als-anfang-von-allem/19877190.html

Zarathustra
06.05.2019, 13:33
Mir scheint, dass Du hier unpräzise argumentierst. Am Beginn der Welt ist nach christlicher Auffassung nicht Nichts, sondern es existiert Gott.
...

Das ist ja mal wieder ausgesporchen aufmerksam gelesen. Wo hätte ich denn etwas anderes behauptet?

Mit dieser Leseverständnisleistung kommt man natürlich auch bei Kant nicht weit. Muß man aber ja auch nicht...



... Gott ist nach christlicher Vorstellung ein äußert komplexes Wesen ...

Nein, nach christl. Vorstellung ist Gott einfach. Warum genau sollte er komplex sein?


... sofern hier bereits fundamentale, einfache Naturgesetze gelten.

Der Anfangszustand des physikalischen Nichts ...

Das ist nicht nichts. Hier herrscht begriffliche Verwirrung.

Zarathustra
06.05.2019, 13:43
Das ist kein Argument für die tatsächliche Existenz eines Gottes. ...
Kant "beweist" nur das, was er bereits in den Voraussetzungen postuliert.

Für Kants "Beweis" müßte man natürlich sein ganzes System akzeptieren. Dafür wollte ich hier natürlich nicht argumentieren, sondern nur mit Helmut einige Begrifflichkeiten von Kants System zu klären versuchen.




... Kants praktische Vernunft hat darüber hinaus nichts mit der Wirklichkeit zu tun. ...

An dieser Stelle wäre es interressant zu wissen, was Du unter Wirklichkeit verstanden haben willst. (Vorsicht, eine metaphysische Fragestellung!)

Jörn
06.05.2019, 13:55
Mit dieser Leseverständnisleistung

Komm' mal wieder runter von Deinem hohen Ross.

trithos
06.05.2019, 14:05
Genausowenig wie die Entdeckung der Ursachen der Pest, welche im Glauben der Menschen Gott als Strafe sandte, am Gottesglauben etwas änderte oder Darwin´s Theorie, werden aktuelle und künftige physikalische Theorien zum Urknall, "nichts" ;) an der Einstellung im Vatikan zu Gott bewirken. Dewegen verstehe ich persönlich nicht, weshalb Gottesgläubige auf die Idee kommen, man könne Erkenntnislücken mit Annahmen über einen Gott schliessen bzw. diese mit solchen begründen.
https://www.tagesspiegel.de/wissen/physik-und-theologie-gott-als-anfang-von-allem/19877190.html

Ich stimme Dir zu, wenn Du schreibst:
"Deswegen verstehe ich persönlich nicht, weshalb Gottesgläubige auf die Idee kommen, man könne Erkenntnislücken mit Annahmen über einen Gott schliessen bzw. diesen mit solchen begründen."

Möchte aber gerne fortsetzen:
Deswegen verstehe ich persönlich auch nicht, wie Atheisten auf die Idee kommen, man könne mit naturwissenschaftlichen Argumenten einen Gläubigen davon überzeugen, dass er falsch liegt. Wie Du ja selbst schreibst, werden aktuelle und künftige physikalische Theorien ... nichts ... an der Einstellung ... zu Gott ändern.

Das kann man als Naturwissenschaftler bedauern, kritisieren oder was auch immer. Aber es ist wohl so.

Trimichi
06.05.2019, 14:06
Komm' mal wieder runter von Deinem hohen Ross.

Sic et non, Kant zu lesen ist wirklich nicht so einfach. Kostet Zeit und Mühe. Das zu lesen was Kant ausgebrütet hatte im Original. Hatte ja schon Helmut gezeigt. Und wenn sich dann schon mal wer die Mühe macht und diese geistigen Leistungen mit viel Zeitaufwand hier verständlich(er) eintippt und es dann nicht wirklich gelesen wird...

Jörn
06.05.2019, 14:10
Wenn Z. einfach mal ein paar zusammenhängende Sätze schreiben könnte, müsste man ihm nicht durch ein Dutzend Rückfragen alles mühsam aus der Nase ziehen. Die Debatte würde dann auch nicht so stark in Nebensächlichkeiten zerfleddern.

Kant weiß nichts über Götter. Dieses kurze Statement fasst die Lage übersichtlich zusammen.

Jörn
06.05.2019, 14:24
Deswegen verstehe ich persönlich auch nicht, wie Atheisten auf die Idee kommen, man könne mit naturwissenschaftlichen Argumenten einen Gläubigen davon überzeugen, dass er falsch liegt.

Hallo trithos, diese Frage stelle ich mir natürlich auch.

Vielleicht kann man im Gefecht einer Debatte niemanden dazu bewegen, seinen Glauben komplett aufzugeben. Aber es gibt durchaus viele Beispiele von Menschen, die ihren Glauben durch ein paar dieser Argumente zuerst infrage gestellt und schließlich abgelegt haben. Das ist jedoch ein Prozess, der eine gewisse Zeit dauert. Oft mehrere Jahre, je nachdem, wie stark man sich im Glauben verheddert hatte.

Mein Eindruck ist, dass die Argumente umso unwirksamer sind, je spitzfindiger sie klingen. Stattdessen sehen immer mehr Leute, dass der Kaiser keine Kleider hat, und dass die ganzen Geschichten vorne und hinten nicht passen. Es ist eher ein Gesamteindruck als ein bestimmtes Argument. Auch der Umstand, dass die Kirchen in einer Märchenwelt leben, mit all den Engeln und Teufeln und Heiligenfiguren und magischen Gegenständen auf dem Altar... es fällt wohl immer schwerer, dies ernst zu nehmen.

Glaube muss eben auch von glaubwürdigen Menschen verkündet und gelebt werden, und da haben die Kirchen mit ihren zahlreichen Witzfiguren ein echtes Problem. Auch ihre weltfremde Botschaft will fast keiner mehr hören. Ich glaube, die Argumentation geht eher in diese vulgäre Richtung als zu einer feinen Analyse über Kant.

trithos
06.05.2019, 15:07
Hallo trithos, diese Frage stelle ich mir natürlich auch.

...

Glaube muss eben auch von glaubwürdigen Menschen verkündet und gelebt werden, und da haben die Kirchen mit ihren zahlreichen Witzfiguren ein echtes Problem. Auch ihre weltfremde Botschaft will fast keiner mehr hören. Ich glaube, die Argumentation geht eher in diese vulgäre Richtung als zu einer feinen Analyse über Kant.

Ja und Nein. Die Frage dabei ist meiner Beobachtung nach, wer genau als Vertreter der Kirche wahrgenommen wird - und mit welcher Botschaft? Also die von Dir als "Witzfiguren" bezeichneten - aus vorherigen Postings von Dir vermute ich, Du meinst den Papst, diverse Kardinäle mit pompösen Umhängen, Kopfbedeckungen, Schuhen , usw...

Oder Menschen wie ...

... der Jesuitenpater Georg Sporschill, der sich in Rumänien um Straßenkinder kümmert: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Sporschill

... der (Ex)-Bischof Erwin Kräutler, der sich unter Lebensgefahr für Indios am Amazonas einsetzt: https://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Kr%C3%A4utler

... oder Franz Jägerstätter, der aus religiösen Gründen den Kriegsdienst verweigert hat und deswegen 1943 hingerichtet worden ist: https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_J%C3%A4gerst%C3%A4tter

Ich hab die Biographien verlinkt, weil ich vermute, dass die drei in Deutschland nicht so bekannt sind. Ich weiß aber, dass viele Katholiken in Österreich diese drei Persönlichkeiten viel eher als "Glaubensvorbilder" ansehen, als irgendwelche wichtige bzw. wichtigtuerische Kirchenfunktionäre.

Ich gebe Dir hundertprozentig Recht damit, dass Glaube von glaubwürdigen Menschen verkündet und gelebt werden muss. Darunter fallen meiner Beobachtung nach dieses drei Menschen.

Ich will keine Diskussion darüber anzetteln, was in der Gesamtbeurteilung der Kirche mehr wiegt: Kirchliche Witzfiguren oder die oben erwähnten Menschen. Da muss und soll sich jeder seine eigene Meinung bilden. Ich will hier nur berichten, dass es eben nicht nur kirchliche Witzfiguren gibt, sondern auch Menschen in der Kirche, die für Gläubige sehr wohl als Vorbild dienen können.

Flow
06.05.2019, 15:21
... Kants praktische Vernunft hat darüber hinaus nichts mit der Wirklichkeit zu tun. ...
An dieser Stelle wäre es interressant zu wissen, was Du unter Wirklichkeit verstanden haben willst. Dieser Frage möchte ich mich, allgemein, auch (mal wieder) anschließen ... :Huhu:

Klugschnacker
06.05.2019, 15:24
Mit dieser Leseverständnisleistung kommt man natürlich auch bei Kant nicht weit. Muß man aber ja auch nicht...

Mir scheint, dass Kant sich dagegen wehren würde, wenn man seine Spekulationen zugunsten eines christlichen Gottesbildes anführt.

Nein, nach christl. Vorstellung ist Gott einfach. Warum genau sollte er komplex sein?

Er scheint doch einen Willen zu haben, oder nicht? Beispielsweise beschloss er an einem "Tag" vor 13700 Millionen Jahren, ein Universum zu erschaffen. Also muss er zumindest so komplex sein, dass er einen Willen hat, dass er diesen Willen ausführt und sein Werk anschließend beurteilt, denn er sah, dass es gut war. Später änderte er seine Meinung und ersäufte seine Schöpfung mit Ausnahme weniger Individuen.

Das ist doch schon recht komplex, finde ich, wenn man es mit den einfachen Anfangsbedingungen des Urknalls vergleicht. Hier haben wir nur ein Feld sowie einige wenige, fundamentale Naturgesetze.

Das ist nicht nichts. Hier herrscht begriffliche Verwirrung.
Ja. Ich habe deshalb oben präzisiert, was die beiden Parteien unter "Nichts" verstehen. Bei der christlichen Vorstellung bedeutet "Nichts" immerhin noch die Anwesenheit eines allmächtigen und allwissenden Wesens, das einen Willen hat. Das ist alles andere als Nichts.

Es ist aber auch müßig. Falls alles eine Ursache benötigt, um Existieren zu können, braucht auch Gott eine solche Ursache. Falls Gott keine Ursache braucht, kann das grundsätzlich auch für das Universum zutreffen, sodass es ohne Ursache existieren könnte. Das Argument der ersten Ursache als Beweis für einen göttlichen Schöpfungsakt taugt nichts.

Helmut S
06.05.2019, 15:29
Zunächst würde ich aus meiner Sicht gerne zwei persönliche Ansichten "postulieren" a) Ich bin kein Freund davon, darüber zu diskutieren, was denn nun Metaphysik ist und was nicht. Das kostet mir zuviel Zeit und ich fürchte es ist am Ende der Diskussion nicht mehrwertig; aus meiner Sicht ist es auch nicht nötig. Kategorien mögen ihren Zweck haben - ich habe sie in dem diskutierten Zusammenhang noch nie vermisst.

Mir ist das am Ende zu kompliziert, denn wenn man sich historisch Literatur anschaut, so bekomme zumindest ich den Eindruck, dass hier a) im schlimmsten Fall eine extreme Wandlung der Inhalte aber wenigstens b) im besten Fall lediglich eine extreme Wandlung der Bewertung stattgefunden hat. Deshalb weiter oben die Bemerkung des "Schießens auf den laufenden Keiler". Das mag freilich für einen Philosophiehistoriker interessant sein. Ich persönlich spreche lieber konkret von Logik, Erkenntnistheorie, Ethik und was weiß ich noch alles - schlicht konkreter halt. Metaphysik ist mir persönlich zu nebulös ehrlich gesagt. Wenn ich Religionsphilosophie meine, schreibe ich halt auch Religionsphilosophie. Wenn ich Theologie meine, chreibe ich halt auch Theologie. Und wenn ich "warme Leberkässemmel meine" schreibe ich halt auch das und nicht "bayerische Spezialität vom Metzger" :cool:

Und b): Wenn ich in meiner Beschäftigung mit Philosophie eines gelernt habe, dann dass, das in der Philosophie recht vieles kontrovers ist. Also gefühlt wirklich jedes Fuzel. Zumindest mein Eindruck ist so. Anyways ...


Welche Rolle spielt eine bestimmte Motivation bei diesem Nachdenken?


Das ist ein wichtiger Satz, weil er eines deutlich macht, wo man in Philosophie (aber nicht nur da) genau aufpassen muss: Der Unterschied zw. Genese und Geltung. Die Genese sind die Erkenntnisumstände, die Geltung meint die Rechtfertigung. Erkenntnisumstände wie etwa Motivation sind immer unerheblich. Es geht darum, ob die gewonnen Erkenntnis, die Behauptung, wahr ist. Ob - wie man in der Erkenntnistheorie sagt - der Satz eine "gerechtfertigte, wahre Meinung" (eng. "justified true belive") darstellt.E in Beispiel (qbz möge es mir verzeihen ;) ): Wenn qbz behaupten würde: "Es gibt keinen Gott, weil man seine Existenz nicht beweisen kann". Und ich darauf antworten würde: "Du behuptest das ja nur, weil du politisch so links bist, dass du aufpassen musst, in Kalifornien nicht von der Erdscheibe zu fallen." :Cheese: dann ist das kein Gegenargument, weil es sich nicht auf die Geltung, sondern auf die Genese bezieht. Ich unterstelle dass seine politische Gesinnung der Grund für seine Behauptung ist ohne die Rechtfertigung selbst zu hinterfragen. Die Antwort auf die Frage ("Welche Rolle spielt eine bestimmte Motivation ...") ist also: Keine.


Das "Nachdenken über die Möglichkeiten" ist ganz normaler Teil einer jeden wissenschaftlichen Disziplin. Jeder Physiker denkt darüber nach, ob bestimmte Projekte überhaupt eine Aussicht auf Erfolg haben.

Diese Art der Möglichkeiten meint die Philosophie nicht. Sie meint erkentnistheoretische Möglichkeiten. Z.B. ist so ein Nachdenken über die Frage, "Kann eine empirische Wissenschaft (z.B. die Physik) für unbeobachtbare Dinge die absolute Wahrheit erkennen?" Und genau hier liegt die Wurzel allen interdisziplinären Streits. :Cheese: Während die Philosophen hier eine vollkommen Allgemeine Frage stellen, argumentieren die Physiker im für einen konkreten Fall. Die Physiker sind dann genervt, weil:"Wir haben aber doch in dem konkreten Fall alle Indizien geprüft und alle Möglichkeiten betrachtet und alle Daten berücksichtigt, was stellst du jetzt hier so blöde Fragen. Hast du nix zu tun?". Und die Philosophen sind dann auch genervt, weil: "Aber das meinen wir doch gar nicht, sondern wir meines es ganz allgemein." usw. und so fort - blabla. Aber am Ende sind es halt einfach zwei völlig verschiedene Fragestellungen. Wenn man Glück hat, trifft ein theoretischer Physiker (der was von approximativer Wahrheit erzählt) auf einen Philosophen (der versteht, dass Empirik eine gute, erfolgreiche und zur Erkenntnis notwendige Sache ist) und die bringen sich nicht gleich um und gehen hinterher auf ein Bier. Aber sonst :( Das ganze Gegockle nervt mich persönlich enorm, denn am Ende steht sehr oft: Wir wissen es nicht genau.

Die ganze Diskussion die dahin führt geht ungefähr so: Die Philosophen ziehen die beiden Argumente "pessimistische Metainduktion" und "Unterbestimmtheit von Theorien durch endliche Datenmengen" hervor. Die Physiker antworten dann mit dem sog. "Wunderargument" und der "Konvergenztheorie". Worauf die Philosophen ebenfalls mit dem "Wunderargument" genau dieses wiederlegen und auf das systemische Argument der Konvergenz antworten sie mit der "Sackgassentheorie". Alles recht plausible Argumente, das Ergebnis ist (s.o.) "Wir wissen es nicht." und trotzdem gehen wie gesagt - zumindest gefühlt - die wenigstens Abends zusammen ein Bier trinken. Leider. Dabei wäre ein Zusammenarbeit wie man bei Prof. Metzinger mit der Hirnforschung und Neurobiologen etc. sehen kann sehr fruchtbar. D'rum is mir praktisch verwendbare Philosophie halt einfach lieber.

:Blumen:

Jörn
06.05.2019, 15:30
Ich will hier nur berichten, dass es eben nicht nur kirchliche Witzfiguren gibt, sondern auch Menschen in der Kirche, die für Gläubige sehr wohl als Vorbild dienen können.

Ja, natürlich. Ich hoffe, mir bleibt eine Debatte darüber erspart, ob ich behauptet hätte, alle Kirchenvertreter (oder gleich alle Gläubigen) wären Witzfiguren. Das habe ich nicht behauptet.

Mit "Witzfiguren" meine ich einen guten Teil (also nicht alle) der ganz normalen Pfarrer oder sonstige Dienstgrade. Es sind doch sehr oft etwas komische Leute, die in ihrer ganzen Art seltsam wirken, weil sie ein bestimmtes "Getue" an den Tag legen. Das ist natürlich kein besonders nobles Argument meinerseits, sondern eher Stammtisch-Niveau, aber, nur zur Erinnerung, ich wollte ja darlegen, dass die funktionierenden Argumente eher etwas vulgärer oder intuitiver Natur sind, und sich weniger an Kant oder Thomas von Aquin orientieren. (Gilt also nicht für diesen Thread.)

Zu Deinen vorbildlichen Bischöfen: Das kann ich gut nachvollziehen. Etwas merkwürdig ist, dass man erst nach Rumänien oder in den Urwald fahren muss, um einen vorbildlichen Bischof zu finden, und dort findet man dann auch nur einen einzigen.

Ich gebe zu: Mutter Teresa war für mich mal ein Vorbild, auch mitsamt ihres Glaubens. Genauer gesagt, dass sie die Kraft gefunden hat, scheinbar übermenschliche Dinge zu leisten. Das fand ich anspornend und herausfordernd.

Aber es kam, wie es kommen musste, und irgendwann fand ich die Wahrheit über den "Todesengel von Kalkutta" heraus. Seitdem ist die Dame ein abschreckendes Beispiel für mich, wie viel Schaden man mit genügend Verblendung anrichten kann.

Die eigentliche Frage ist doch: Braucht man wirklich irgendwelche Götter, um Gutes zu tun?

Flow
06.05.2019, 15:38
Es ist aber auch müßig. Falls alles eine Ursache benötigt, um Existieren zu können, braucht auch Gott eine solche Ursache. Falls Gott keine Ursache braucht, kann das grundsätzlich auch für das Universum zutreffen, sodass es ohne Ursache existieren könnte.
Damit schleichst du nach meinem Empfinden die Prämisse mit ein, "Gott" wäre von derselben Qualität wie "das Universum".

trithos
06.05.2019, 15:56
Ja, natürlich. Ich hoffe, mir bleibt eine Debatte darüber erspart, ob ich behauptet hätte, alle Kirchenvertreter (oder gleich alle Gläubigen) wären Witzfiguren. Das habe ich nicht behauptet.

Mit "Witzfiguren" meine ich einen guten Teil (also nicht alle) der ganz normalen Pfarrer oder sonstige Dienstgrade. Es sind doch sehr oft etwas komische Leute, die in ihrer ganzen Art seltsam wirken, weil sie ein bestimmtes "Getue" an den Tag legen. Das ist natürlich kein besonders nobles Argument meinerseits, sondern eher Stammtisch-Niveau, aber, nur zur Erinnerung, ich wollte ja darlegen, dass die funktionierenden Argumente eher etwas vulgärer oder intuitiver Natur sind, und sich weniger an Kant oder Thomas von Aquin orientieren. (Gilt also nicht für diesen Thread.)

Zu Deinen vorbildlichen Bischöfen: Das kann ich gut nachvollziehen. Etwas merkwürdig ist, dass man erst nach Rumänien oder in den Urwald fahren muss, um einen vorbildlichen Bischof zu finden, und dort findet man dann auch nur einen einzigen.

Ich gebe zu: Mutter Teresa war für mich mal ein Vorbild, auch mitsamt ihres Glaubens. Genauer gesagt, dass sie die Kraft gefunden hat, scheinbar übermenschliche Dinge zu leisten. Das fand ich anspornend und herausfordernd.

Aber es kam, wie es kommen musste, und irgendwann fand ich die Wahrheit über den "Todesengel von Kalkutta" heraus. Seitdem ist die Dame ein abschreckendes Beispiel für mich, wie viel Schaden man mit genügend Verblendung anrichten kann.

Braucht man wirklich irgendwelche Götter, um Gutes zu tun?

Nein! Ist zumindest meine Meinung, und Deine ja offenbar auch :Huhu: .

Aber ist Gutes weniger gut, wenn es jemand unter Berufung auf einen Gott tut? Oder allgemeiner formuliert: kann man Gutes aus den "falschen" Gründen tun? Und zählt dann das Gute mehr? Oder die "falschen" Gründe? (diese Fragen sind als rhetorische Fragen gemeint - ich denke einfach, es lohnt sich darüber nachzudenken.)

Ich teile Deine Einschätzung zu Mutter Teresa, will jetzt aber nicht in Einzelkritik einsteigen.

Und ich wollte und will Dir auch nicht vorwerfen, dass Du behauptest hättest, alle Vertreter der Kirche seien Witzfiguren. So habe ich Dich auch nicht verstanden. Aber Du hast halt immer wieder in Wort und Bild auf genau diese Witzfiguren hingewiesen und darauf, dass die Kirche Deiner Meinung nach ein Problem mit den betreffenden hat.

Und deshalb habe ich mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass es auch andere Menschen gibt, die als Kirche wahrgenommen werden. Und dass daher aus Sicht von Gläubigen die Witzfiguren kein so großes Problem darstellen, weil sich die Gläubigen ihre Vorbilder durchaus selbst suchen und dann einfach andere Vorbilder wählen, die sie in ihrem Glauben bestärken.

Helmut S
06.05.2019, 16:11
Dankeschön! :Blumen:

Ich versuche das mal zu kommentieren, so wie ich es verstehe. :Lachen2:

„ ... Also wird durchs praktische Gesetz, welches die Existenz des höchsten in einer Welt möglichen Guts gebietet,


Das praktische Gesetz (grammatikalische Reflexion durch den Begriff "welches" auf eben jenes praktische Gesetz) verlangt also logisch ("gebietet") die Existenz des "summum bonum" (höchstes Gut)


die Möglichkeit jener Objecte der reinen speculativen Vernunft, die objective Realität, welche diese ihnen nicht sichern konnte, postulirt;


Das praktische Gesetz ("also wird durch das praktische Gesetz ...") ist also dasjenige Seiende, dass denjenigen Objekten der "speculativen Vernunft" (aka Ideen) die denkmöglich sind, eine objektive Realität durch ein Postulat zuordnet obwohl sie denklogisch nicht gesichert werden können.

Anm.: "Postulat" bestimme ich als "aufgrund bestimmter Umstände Notwendiges".
Anm.: speculativ meint hier "rein denkend, über die Beobachtung hinaus"


wodurch denn die theoretische Erkenntniß der reinen Vernunft allerdings einen Zuwachs bekommt, der aber blos darin besteht, daß jene für sie sonst problematische (blos denkbare) Begriffe jetzt assertorisch für solche erklärt werden, denen wirklich Objecte zukommen, weil praktische Vernunft die Existenz derselben zur Möglichkeit ihres und zwar praktisch schlechthin nothwendigen Objects, des höchsten Guts, unvermeidlich bedarf, und die theoretische dadurch berechtigt wird, sie vorauszusetzen. ... “

Die Menge an Erkenntnissen die von der reinen Vernunft (also die Prinzipien der Urteile a Priori) geliefert werden, bekommt dadurch (durch das Postulat) zuwachs. Die Einschränkung Kants "der [Zuwachs] besteht aber blos darin ..." ist nach meinem Verständnis genau meine Erläuterung, nur auf "Kantisch" :Cheese:

Kant sagt also nicht: Das höchste Gut existiert, sondern er sagt, dass das praktische Gesetz diese Existenz gebietet deshalb und den Ideen der Vernunft die objektiven Realitäten zuordnet, obwohl die reine Vernunft selbst diese Realitäten nicht belegen kann. Das ist doch genau der Kunstgriff, der bei Kant kritisiert wird, dass er eben genau dies von der praktischen Vernunft gebieten lässt (und dieses "gebietet" nicht hinterfragt) um eine "höchste Instanz" zu haben, die den Menschen motiviert überhaupt moralisch zu handeln.

Wie auch immer: Kurzum sehe ich, dass Kant den Begriff "Gott" als summum bonum braucht um wenigstens seine Moralphilosophie zu stützen. Wahrscheinlich könnten wir da ewig diskutieren. Wie gesagt: Irgendwie ist alles kontrovers ;)

Kant war ein unglaublich scharfer Denker, aber halt auch nicht fehlerlos. Zweifelsohne ist er trotzdem einer der wichtigsten Philosophen der Aufklärung und gerade das Stellen des Subjekts in das Zentrum der Erkenntnis ist schon tatsächlich - auch wenn es heute Selbstverständlich erscheint - großartig.

:Blumen:

Jörn
06.05.2019, 16:22
Die Antwort auf die Frage ("Welche Rolle spielt eine bestimmte Motivation ...") ist also: Keine.

Hallo und danke für das ausführliche Posting.

Eins vorab, mir sind diese philosophischen Betrachtungen durchaus bekannt, allerdings verwende ich sie nicht in meiner Argumentation, weil sie nach meiner Ansicht mehr verwirren als klären; weil sie die Leser oft mit Haarspaltereien ermüden; und weil sie letztlich über einen enorm langen Umweg keinen erkennbaren Nutzen für die eigentliche Frage bringen.

Stattdessen verhakt man sich in Fragen, die prinzipiell nicht beantwortbar sind, obwohl andere Fragen durchaus zu Erkenntnissen führen würden. Die Frage beispielsweise, ob Gott beweisbar ist, ist eine solche Frage, die weder lösbar noch nützlich ist. Ich kann gerne zugestehen, dass es Götter gibt. Von mir aus gibt es Jahwe, bitteschön. Das ändert die Debatte keinen Millimeter, weil wir nicht wissen können (prinzipiell nicht), was die Götter denken oder wollen, und deswegen ist es mir einerlei. Die Erkenntnistheorie kann sich von mir aus damit befassen. Jahwe kümmert sich aber nicht um die Erkenntnistheorie. Das weiß ich aufgrund meiner Jahwe-Theorie.

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Ich möchte gerne meinen Haupt-Kritikpunkt an der Philosophie/Meta-Physik im religiösen Kontext vortragen.

Religion ist nach meiner Einschätzung, die ich sehr detailliert begründet habe, ein großer Betrug. Es geht mir hier nicht um eine Abgrenzung, wer Täter und wer Opfer ist, und wer sich jetzt angegriffen fühlen soll. Lassen wir das mal beiseite. Aber am Ende aller meiner Abwägungen ist es nach meiner Auffassung ein riesiger Schwindel, egal von wem. Das ist also mein Ausgangspunkt.

Wer oder was gehört zu diesem Betrug? Sind es die Schriften, etwa die Bibel? Natürlich, sie gehört dazu. Sind es die Predigten? Auch diese. Ist es eine bestimmte Rhetorik, etwa schwer zu durchschauende Zirkelschlüsse? All das gehört dazu. Aber es gehört auch die Philosophie dazu, zumindest potenziell, und bezogen auf religiöse Themen. Theologen geben sich einen philosophischen Anstrich oder spannen die Philosophie vor ihren religiösen Karren. Nicht überall, wo "Philosophie" draufsteht, ist auch Philosophie drin.

Ich habe eine hübsche Sammlung an theologischer Literatur, verfasst von offiziellen Universitätsprofessoren der jeweiligen Konfessionen, die man als "Geschwurbel" bezeichnen darf. Es ist ein unbeschreiblicher Unsinn, aber so verschwurbelt formuliert, dass der ganze Quatsch tatsächlich gedruckt wurde. Damit betrügen sich die Herren Professoren untereinander, aber auch die Studenten, die daraus lernen sollen. Die Studenten werden später zu Pfarrern oder Bischöfen. (Ich beziehe mich auf die Dogmatiken bzw. die "Systematische Theologie" der Universitäten.)

Wenn man ein bisschen daran kratzt, fallen alle diese Kartenhäuser (manchmal sind es ganze Wolkenkratzer) in sich zusammen. Das ahnt aber der "normale Gläubige" nicht, sondern lässt sich von dem ganzen Wortgeklingel beeindrucken. Oft haben diese Worte keinerlei Inhalt.

Ein kurzer Griff ins Regal fördert spontan dies zutage, völlig zufällig:

"Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist bedeutet für Jüngel so viel wie: "Gott kommt von Gott, Gott kommt zu Gott, Gott kommt als Gott. Als Gott der Vater ist Gott der Ursprung seiner selbst." Gott "tritt" aber "aus diesem Ursprung sich selbst so gegenüber, dass er sich selbst Partner ist" -- im Sohn.

"Gott ist sich auch Ziel. Gott kommt zwar von Gott. Gerade so kommt er aber auch zu sich selbst, kommt Gott zu Gott." "Er ist sich selbst Ziel, weil [??] er sich selber Ursprung ist. Doch als Ziel ist er von sich als Ursprung unterschieden. Er kommt wirklich zu sich selbst." "Er zeugt nicht nur. Er ist auch der ewig gezeugte Sohn."

Oder dies:

"Der Heilige Geist lässt sich nicht definieren... Der Heilige Geist verweigert sich, unverrückbares konstruktives Element einer Systematischen Theologie zu sein; er will sie vielmehr durchwehen und durchdringen, ohne ein für allemal festgelegt zu werden."

Weder haben diese wirren Zeilen irgendeine Bedeutung, noch überstehen sie die berechtigte Frage nach einem Beleg -- oder zumindest nach einer plausiblen Methode, wie die Erkenntnis erlangt wurde. Es ist schlicht und einfach ein großer Schwindel, und die verschachtelten Sätze haben nur den Zweck, die Leute für dumm zu verkaufen.

Leider muss sich "die Philosophie" damit arrangieren, dass sie zumindest bei religiösen Themen im Verdacht der Komplizenschaft steht. Diesen Verdacht kann man ja ausräumen, und dann ist alles gut.

Lieber Helmut, wir sind unterschiedlicher Meinung bei der Frage, ob Motivation eine Rolle spielt. Nach meiner Meinung ist das bei theologischen Themen automatisch der Fall, denn das Ergebnis wird vorab festgelegt und ist nicht ergebnisoffen. Folglich muss es motiviert sein. Die Motivation wäre (oder könnte sein), irgendwelchen Unsinn unters Volk zu bringen und diesen möglichst undurchschaubar zu machen.

Helmut S
06.05.2019, 16:39
Von diesen ganz simplen physikalischen Grundvoraussetzungen ausgehend, passt alles Weitere sehr gut zusammen. Das verleiht der physikalischen Sichtweise eine große Überzeugungskraft.


Das haben die Physiker beim Äther auch gesagt: Die am Besten Evidienz gesicherte Theorie aller Zeiten und ein grandioses Zeugnis der Überlegenheit empirischer Wissenschaft. :Cheese:

So war das beispielsweise bei der Äthertheorie

Danke für den Hinweis ;) :Blumen:

Fazit: Wir wissen es nicht.

Jörn
06.05.2019, 16:44
Nein, nach christl. Vorstellung ist Gott einfach. Warum genau sollte er komplex sein?

Glücklicherweise haben Theologen dazu konkrete Antworten notiert.

Im 16. und 17. Jahrhundert unterschied man absolute Eigenschaften Gottes (attributa aboluta) von der relativen Eigenschaften (attribute relativa).

• Absolute Eigenschaften waren auch ohne Bibel und Bekenntnis denkbar. Zu ihnen zählten man die Ewigkeit Gottes, seine Allgegenwart, seine Unveränderlichkeit oder seine Unendlichkeit.

• Relative Eigenschaften kamen Gott zu in Bezug auf Schöpfung und Heilswerk. Zu ihnen zählten man seine Heiligkeit und Liebe, seine Barmherzigkeit und seine Weisheit.

Der Theologe Quenstedt bestimmte die Eigenschaften Gottes als

- Vollkommenheit
- Glückseligkeit
- Einheit
- Unkörperlichkeit
- Wahrheit
- Unabhängigkeit
- Ewigkeit
- Unermesslichkeit
- Unveränderlichkeit
- Unfassbarkeit
- Lebendigkeit
- Unsterblichkeit
- als Wille
- als Verstand
- als Allwissenheit,
- Freiheit
- Güte
- Liebe
- Gnade
- Barmherzigkeit
- Geduld
- Heiligkeit
- Gerechtigkeit
- Macht
- Wahrhaftigkeit.

Das Erste Vatikanische Konzil betonte, "...dass ein wahrer und lebendiger Gott ist, Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde, allmächtig, ewig, unermesslich, unbegreiflich, an Vernunft und Willen sowie jeglicher Vollkommenheit unendlich".

(Alles zitiert aus "Der Dogmenwahn" von Heinz-Werner Kubitza.)

Dieser Gott ist also einfach? Dann müssen wir feststellen, dass das Wort "einfach" plötzlich das Gegenteil bedeutet.

Helmut S
06.05.2019, 17:00
Lieber Helmut, wir sind unterschiedlicher Meinung bei der Frage, ob Motivation eine Rolle spielt.

Ich verstehe den Punkt und korrigiere mich: Motivation - als Erkentnissumstand - sollte und darf - in einer sauberen philosophischen Diskussion keine Rolle spielen. Das is es im religiösen Kontext tut, kann ich mir sehr gut Vorstellen. :Blumen:

Deine Bemerkung: "Nicht überall wo Philosophie drauf steht ist auch Philosophie drin." unterstütze ich. Was auch immer genau Philosophie ist. :Cheese:

Was Religion betrifft weiß ich nichts bzw kaum was. Ich bin hier quasi über Kant, Moral und Erkenntnistheorie "reingerutscht" (aktiv - ich will keine Umstände für das "rutschen" verantwortlich machen).

Ich lese die Beiträge aber mit Interesse, auch um Argumente für ein Vorantreiben der Säkularisierung zu sammeln. Die Befürwortung der vollständige Trennung von Staat und Kirche ist eine Position die ich vertrete. Weniger aus Überlegungen der Wahrheit o.ä. heraus, sondern mehr aus meinem Verständnis von Gesellschaft, Staat und Staatsgewalt heraus. Was mich auch interessiert ist, wie man z.B. mit Systemen wie im Iran ("Gottestaat") umgehen könnte.

Schönen Tag :Blumen:

Klugschnacker
06.05.2019, 17:07
Das haben die Physiker beim Äther auch gesagt: Die am Besten Evidienz gesicherte Theorie aller Zeiten und ein grandioses Zeugnis der Überlegenheit empirischer Wissenschaft. :Cheese:

Genau genommen hat das ein (1) Physiker gesagt. Und die Ätherhypothese wurde nicht alt. Einstein hat sie beerdigt.

Kurzer Einschub in Physik, wer jetzt nur Bahnhof versteht:

James Clark Maxwell formulierte Mitte des 19. Jahrhunderts jene nach ihm benannten Gleichungen. Sie beschreiben, wie elektrische und magnetische Felder sich verhalten. Alles was mit elektrischem Strom oder Magnetismus zu tun hat, lässt sich mit diesen eleganten Gleichungen beschreiben.

Das Problem war, dass in diesen Gleichungen eine Geschwindigkeit auftaucht. Es ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen. Die Frage war nun, wie soll man diese verstehen? Ist sie relativ zur Erde gemeint? Oder relativ zum Mars oder zu etwas anderem?

Man postiulierte hilfsweise einen Äther. Das war eine gedachte Substanz, welche die elektromagnetischen Wellen durch den Raum trägt. Sie füllt das gesamte Universum aus und befindet sich definitiionsgemäß in Ruhe, bewegt sich also nicht. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von elektromagnetischen Wellen sei relativ zu diesem ruhenden Äther zu verstehen.

Schon kurz darauf widerlegten äußert überzeugende Messungen von Michelson und Morley die Existenz dieses Äthers. Sie entdeckten die Tatsache, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Situationen und für alle Beobachter immer den gleichen Wert hat, selbst wenn diese sich bewegen. Das war äußert mysteriös.

Der junge Albert Einstein löste diese Schwierigkeiten 1905 mit seiner (speziellen) Relativitätstheorie. Weil es dabei eigentlich um die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen geht, überschrieb Einstein seinen Aufsatz mit den Worten: "Zur Elektrodynamik bewegter Körper".

Jörn
06.05.2019, 17:09
Und dass daher aus Sicht von Gläubigen die Witzfiguren kein so großes Problem darstellen, weil sich die Gläubigen ihre Vorbilder durchaus selbst suchen und dann einfach andere Vorbilder wählen, die sie in ihrem Glauben bestärken.

Das stimmt wohl. Gläubige suchen sich Vorbilder (oder generell Argumente), die ihren Glauben bestätigen oder gar verstärken. Man nennt das den "Bestätigungsfehler", bei dem man vor allem jene Dinge sucht und berücksichtigt, die einem erwünschten Ergebnis entsprechen -- und sei es ein Bischof im Urwald.

Dem Bestätigungsfehler unterliegen natürlich nicht nur Gläubige, sondern vermutlich jeder -- jedoch sollte man lernen, ihn zu vermeiden.

Um Deine Frage zu beantworten: Ich finde schon, dass es falsche Gründe gibt, Gutes zu tun. Und dass gute Gründe durchaus vorhanden wären.

Wenn jemand nur bei einer Erdbeben-Katastrophe spendet, weil er sich vor der Strafe seines Gottes fürchtet -- naja. Man kann auch einfach Mitgefühl für die Betroffenen haben. Ich vermute, dass Gläubige ihren Gott eigentlich nicht brauchen. Falls doch, fände ich das nicht besonders schön.

Du sagst ja, dass wir uns hier einig sind.

Mich inspiriert eine Zeile aus dem Film/Buch "Contact": "Alles, was wir je gefunden haben, um dem Ganzen irgendwie einen Sinn zu geben -- ist Einander". Ich finde, das steckt viel Weisheit drin. Wenn "Dein" Bischof den Leuten im Urwald hilft, ist das gut.

MattF
06.05.2019, 17:15
Das haben die Physiker beim Äther auch gesagt: Die am Besten Evidienz gesicherte Theorie aller Zeiten und ein grandioses Zeugnis der Überlegenheit empirischer Wissenschaft. :Cheese:




Solange bis es nicht mehr gepasst hat und verworfen wurde.

Die katholische Kirche erzählt seit fast 2000 Jahren praktisch dasselbe.

Klugschnacker
06.05.2019, 18:46
Das praktische Gesetz (grammatikalische Reflexion durch den Begriff "welches" auf eben jenes praktische Gesetz) verlangt also logisch ("gebietet") die Existenz des "summum bonum" (höchstes Gut).

Genau das ist der Irrtum Kants. Es bedarf eben nicht eines höchsten Guts irgendwo im Himmel, um eine Moral zu definieren. Stattdessen kann ich ganz simpel ein guter Mensch sein, wenn ich versuche, mit meinen Mitmenschen und -tieren klarzukommen.

Klugschnacker
06.05.2019, 18:58
An dieser Stelle wäre es interressant zu wissen, was Du unter Wirklichkeit verstanden haben willst. (Vorsicht, eine metaphysische Fragestellung!)

Das habe ich bereits zigmal ausgeführt. Es gibt unterschiedliche Realitätsbegriffe. Beispielsweise ist die Figur von Winnetou eine literarische Realität. Winnetou existiert unter Zugrundelegung des literarischen Wahrheitsbegriffs. Er existiert nicht unter Zugrundelegung des faktischen Wahrheitsbegriffs.

Kant hat sich zu der lebensanschaulichen Haltung geäußert, wenn Menschen leben, als ob es einen bestimmten Gott gäbe. Wir haben es mit einer fiktionalen, also nur gedachten und vorgestellten Realität zu tun. Daraus lässt sich keine Behauptung einer tatsächlichen Existenz dieses Gottes ableiten.

qbz
06.05.2019, 19:12
Ich stimme Dir zu, wenn Du schreibst:
"Deswegen verstehe ich persönlich nicht, weshalb Gottesgläubige auf die Idee kommen, man könne Erkenntnislücken mit Annahmen über einen Gott schliessen bzw. diesen mit solchen begründen."

Möchte aber gerne fortsetzen:
Deswegen verstehe ich persönlich auch nicht, wie Atheisten auf die Idee kommen, man könne mit naturwissenschaftlichen Argumenten einen Gläubigen davon überzeugen, dass er falsch liegt. Wie Du ja selbst schreibst, werden aktuelle und künftige physikalische Theorien ... nichts ... an der Einstellung ... zu Gott ändern.

Das kann man als Naturwissenschaftler bedauern, kritisieren oder was auch immer. Aber es ist wohl so.

Trotz der schon längeren Diskussion mit Jörn dazu, würde ich gerne noch mal kurz antworten.

Ich finde, es ergaben sich halt in der Geschichte bekannte Konflikte zwischen Naturwissenschaftlern und religiösen Institutionen, weil letztere bestimmte Erkenntnisse manchmal nicht akzeptierten und das Recht auf freie Forschung und freie Publikation erst erkämpft werden musste. Die Religionen mussten historisch ihren Primat- und Herrschaftsanspruch abtreten, was nicht freiwillig geschah, damit sich die Situation änderte. Heute beschränken sich solche Konflikte zum Glück deswegen nur noch auf wenige Bereiche, wie z.B. Stammzellenforschung.

Beim Kinderschutz erlebte ich in Einzelfällen Konflikte mit Eltern, die aus religiöser Überzeugung eine bestimmte medizinische Behandlung für ihr Kind ablehnten, und es bis zu Gerichtsentscheidungen kam. In den meisten Fällen fand man zum Glück aber einen geschickten Kompromiss, der sowohl die Glaubensbedürfnisse der Eltern wie die Gesundheit des Kindes sicherstellte. Ohne staatliche, gesetzliche Unterstützung würden in solchen Einzelfällen die Kinder allerdings ohne Behandlung bleiben.

Helmut S
06.05.2019, 19:19
Genau genommen hat das ein (1) Physiker gesagt.

Da ich kein echter Kenner der Wissenschaftsgeschichte bin, aber dein Argument in guter Tradition dennoch wenigstens einer ersten Prüfung unterziehen wollte, um es auch mit gebührendem Respekt zu würdigen, schlug ich, entgegen meiner üblichen Vorgehensweise in Wiki nach. :Blumen:

Dort lese ich, folgendes

Während britische Forscher relativ schnell die Theorie Maxwells übernahmen und weiterentwickelten (wie Joseph John Thomson, Oliver Heaviside, George Francis FitzGerald, John Henry Poynting, Joseph Larmor), verblieb man im deutschsprachigen Raum bei Fernwirkungstheorien im Sinne Webers und Neumanns. Das änderte sich erst 1888, als Heinrich Hertz die von Maxwell vorausgesagte endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Kräfte direkt nachwies. Er brachte die zeitgenössische Ansicht über den Äther auf den Punkt:[17]

„Nehmt aus der Welt die Elektrizität, und das Licht verschwindet; nehmt aus der Welt den lichttragenden Äther, und die elektrischen und magnetischen Kräfte können nicht mehr den Raum überschreiten.“

Hertz entwickelte dabei zwischen 1887 und 1890 seine Elektrodynamik bewegter Körper. Vor bzw. gleichzeitig mit Hertz war eine ähnliche Theorie auch von Oliver Heaviside entwickelt worden.[18] Wichtig war dabei die Formulierung der Maxwellschen Gleichungen, welche Hertz seiner Theorie als Postulat zugrunde gelegt hatte, und die später in der Form der „Maxwell-Hertzschen Gleichungen“ großen Einfluss hatten – wobei die Gleichungen ihre moderne Form schließlich durch Heaviside erhielten.

Die Modelle gingen auch in die Biophysik über, so in Mesmers Annahme eines Animalischen Magnetismus (Mesmerismus).
Quelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/%C3%84ther_(Physik)

Die Anzahl der dort genannten Physiker, die die Äthertheorie übernahmen, die ich mit >1 feststelle und die Aussage bzgl. Zeitgeist lassen mir keine andere Wahl als deine Behauptung für‘s erste als falsch zurück zu weisen. :Blumen:

Helmut S
06.05.2019, 19:52
Genau das ist der Irrtum Kants. Es bedarf eben nicht eines höchsten Guts irgendwo im Himmel, um eine Moral zu definieren. Stattdessen kann ich ganz simpel ein guter Mensch sein, wenn ich versuche, mit meinen Mitmenschen und -tieren klarzukommen.

Ich stimme dir vollkommen zu, dass es kein höchstes Gut benötigt um moralisch zu handeln.

Er hat aber nicht gesagt, dass das Summum bonum notwendig ist, um eine Moral zu definieren. Kant hat nie(!) versucht eine wie auch immer geartete Moral zu definieren. Was er diesbezüglich tat war, dass er ein Prüfkriterium für Handlungen herleitete: den kategorischen Imperativ. Alleine der Begriff definieren ist hoch problematisch in einem philosophischen Kontext. Kant postulierte das höchste Gut als Begriff, weil er - vereinfacht gesagt - irgendeine Motivation für das moralisches Handeln brauchte, welches er versucht a priori zu argumentieren. Er hat aber mWn nie gesagt: Es gibt dieses höchste Gut im Sinne von: Es existiert ein Gott im Sinne des Dings an sich.

Ich bin ja auch der Meinung, dass Kant am Ende es nicht geschafft hat seine Theorie voraussetzungsfrei, fehlerlos und konsistent zu Begründen. Allerdings möchte ich schon anmerken, dass es hinsichtlich Kant wohl ein Lebenswerk ist, dessen Werke zu verstehen und zu analysieren. Es gibt an der Uni Siegen ein „Zentrum für Kommentarische Interpretationen zu Kant“. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe die gesamte Kritik und die GMS bestimmt dreimal komplett gelesen. Dazu spezielle Kant Lexika gewälzt. Ich würde aber nicht sagen, dass ich mehr Ahnung von Kant habe als Grundlagen. Das ist zwar kein Argument für etwas, kann aber vielleicht andeuten wie schwer Kant ist.

Kant hat sich zu der lebensanschaulichen Haltung geäußert, wenn Menschen leben, als ob es einen bestimmten Gott gäbe. Wir haben es mit einer fiktionalen, also nur gedachten und vorgestellten Realität zu tun. Daraus lässt sich keine Behauptung einer tatsächlichen Existenz dieses Gottes ableiten.

Das sich Kant zur lebensanschaulichen Haltung geäußert hätte, wenn Menschen leben als ob es einen Gott gäbe Ist mir unbekannt.

Er hat in seiner Theorie dieses „als ob“ es einen Gott gäbe eingeführt, dass stimmt, dem stimme ich zu, auch das dies kein Beweis der Existenz Gottes ist, stimme ich zu. Darüber hinaus, hat er nicht mal die Existenz eines Gottes behauptet. Das hab ich aber bestimmt schon zwei oder dreimal geschrieben und auf den Unterschied zum Begriff hingeführt.

An der Stelle möchte ich mich aber aus der Interpretation der Kantschen Philosophie zurückziehen. Ich empfinde das als sehr anstrengend und (zu) aufwendig. Außerdem glaube ich, kann ich nichts mehr beisteuern. Man kann die Kritik und auch die GMS ja kaufen, dazu den Eisler und selbst sein Glück versuchen :Blumen:

merz
06.05.2019, 21:44
schön das dieser Umweg über Kant jetzt beerdigt ist, den Weg wollen wir nicht gehen, er ist zu steinig und führt auch zu nichts.

Ein Nackklapp zur Ehrenrettung sei gestattet: die christliche Überformung des antiken summum bonum darf hier nicht in die Irre führen. Das "höchste Gut" ist ein technischer Ausdruck bei Kant und bedeute nichts irgendwie religiös "Außerweltliches", das ist nicht im Himmel (na ja nun, 2nd thought, auch das wäre nochmal Gegenstand einer Interpretation, die zu nichts führt)

m.

Flow
06.05.2019, 22:24
Das habe ich bereits zigmal ausgeführt. Es gibt unterschiedliche Realitätsbegriffe. Beispielsweise ist die Figur von Winnetou eine literarische Realität. Winnetou existiert unter Zugrundelegung des literarischen Wahrheitsbegriffs. Er existiert nicht unter Zugrundelegung des faktischen Wahrheitsbegriffs.
Kann man irgendwo nachlesen, was du persönlich unter Wirklichkeit verstehst ... ? :Blumen:

trithos
06.05.2019, 23:19
Um Deine Frage zu beantworten: Ich finde schon, dass es falsche Gründe gibt, Gutes zu tun. Und dass gute Gründe durchaus vorhanden wären.

Wenn jemand nur bei einer Erdbeben-Katastrophe spendet, weil er sich vor der Strafe seines Gottes fürchtet -- naja. Man kann auch einfach Mitgefühl für die Betroffenen haben. Ich vermute, dass Gläubige ihren Gott eigentlich nicht brauchen. Falls doch, fände ich das nicht besonders schön.

Du sagst ja, dass wir uns hier einig sind.



Ja, wir sind uns einig. Allerdings ist das meiner Meinung nach in der Praxis dann nicht so einfach, wie Du es formulierst.

Ich nähere mich der Frage ja auch von der anderen Seite, also aus der Opferperspektive: Wenn jemand einem anderen mit einer Spende nach einem Erdbeben das Überleben sichert - ist das nur gut, wenn er es aus Mitgefühl für den Betroffenen tut?

Wäre es verwerflich, wenn er es aus religiösen Gründen täte?

Müsste ich dann als Mitarbeiter einer atheistischen Hilfsorganisation seine Spende zurückweisen und ihm erklären, er soll sich seine Spende behalten, weil Spenden aus religiösen Gründen sind falsch?

Und dem Erdbebenopfer erkläre ich dann, ich könne leider nichts für ihn tun, weil eine Spende aus religiösen Gründen anzunehmen, das geht gar nicht. Da muss das arme Opfer halt dran glauben (was für eine schöne Doppeldeutigkeit :Cheese: ).

Und wer würde überhaupt die tatsächlichen Beweggründe des Spenders ermitteln und dann bewerten?


ODER:
Darf ich hier einfach dankbar die Spende annehmen und den Erbebenopfern damit helfen - und gar nicht nach seiner Motivation fragen?

Wie gesagt, ich finde auch, dass man keinen Gott braucht, um Gutes zu tun. Aber wie konsequent sollen wir tatsächlich sein, wenn Gutes aus (wie wir meinen) "falschen" Gründen getan wird?

Wie konsequent können wir im Einzelfall dann überhaupt sein, ohne uns ins Unrecht zu setzen?

Jörn
07.05.2019, 02:36
(...) Wäre es verwerflich, wenn er es aus religiösen Gründen täte? (...) wie konsequent sollen wir tatsächlich sein, wenn Gutes aus (wie wir meinen) "falschen" Gründen getan wird?

Hallo trithos, danke für die Erläuterungen und die neuen Fragestellungen. Ich antworte Dir mal ausführlicher. Vielleicht müsste man die Frage anders stellen.

Ich gebe mal ein Beispiel: Eine Neonazi-Partei spendet eine Million Euro für die Erhaltung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Soll man die Spende annehmen oder nicht? Hier findet vermutlich eine Abwägung statt, welche Nachteile eine Abweisung der Spende hätte. Ich persönlich würde die Spende zurückweisen.

Hingegen: Ginge die Spende an die Rettung von ertrinkenden Flüchtlingen, würde ich das Geld auf jeden Fall annehmen.

Du sagst, den Opfern/Empfängern ist die Motivation des Spenders egal. Bei den Flüchtlingen stimme ich dieser Betrachtung zu. Denen wäre es egal. Bei den noch lebenden Opfern von Auschwitz-Birkenau würde ich mal vermuten, dass der Spender durchaus eine Rolle spielt.

------

Ich würde die Frage insgesamt anders angehen.

Menschen sollten in der Lage sein, das Richtige zu erkennen und zu tun, auch wenn die entsprechende Situation völlig neu und unbekannt wäre. Nehmen wir an, es hätte noch nie irgendwo eine Flüchtlingskrise oder eine Hungersnot gegeben: Würden die Menschen dann trotzdem wissen, was zu tun wäre? Oder würden sie völlig hilflos in irgendwelchen Büchern nachsehen?

Diesen Kompass für unvorhergesehene Ereignisse erwarten wir von Politikern. Deswegen ist uns ihre Grundhaltung wichtig. Wir wollen, dass sie das Herz "am richtigen Fleck" haben.

Ein mögliches Kriterium für diesen Kompass wäre: Vermeide unnötiges Leid. Oder: "Was Du nicht willst, was man Dir tu', ..." Dieser simple Kompass sagt mir, was ich von ertrinkenden Kindern im Mittelmeer zu halten habe. Es sagt mir auch, was ich von 50.000 Hühnern halten soll, die zeitlebens in ihrer eigenen Scheiße herumlaufen. Ich käme nicht auf die Idee, in alten Schriftrollen nach einem versteckten Hinweis zu suchen.

Ein anderes Kriterium für diesen Kompass könnte sein: Gefalle Deinem Gott. Hier ist schon weniger leicht vorhersagbar, wie sich die entsprechende Person verhalten wird. Ich gebe Dir dazu ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis.

Ein Bekannter von mir, ein gläubiger Christ (man könnte ihn direkt als unterwürfig bezeichnen), lehnt jede Spende kategorisch ab. Begründung: Man soll sich nicht selbst erhöhen; wer aber spendet, findet sich dabei selber gut, und dieses Sich-selbst-gut-finden sei eine Sünde.

Man beachte, dass dieser Bekannte nicht seinen Kompass verloren hat. Sondern im Gegenteil, er folgt einem sehr exakt abgestimmten Kompass. Weil der Kompass nicht auf das Leid ausgerichtet war, kam dieses in seiner Abwägung nicht vor. Sondern der Kompass war auf den Willen seiner Götter ausgerichtet, daher wog er sein Seelenheil gegen den Willen der Götter ab. Deswegen waren auch meine Gegenargumente erfolglos, als ich anlässlich einer Katastrophe sagte: "Ist doch egal jetzt, schmeiß die lumpigen zehn Euro auf den Tisch und fertig!" Nein -- dem Kompass muss strikt gefolgt werden.

Was lehrt uns dieses wundersame Gleichnis?

Es lehrt uns, dass zwar im Einzelfall jeder Euro nützlich ist, wenn er denn gespendet wird. Es lehrt uns aber auch, dass die Beurteilung, ob eine Spende erfolgen sollte, fatal fehlschlagen kann, wenn der Kompass defekt ist. Deswegen kommt es zuerst darauf an, dass der Kompass funktioniert. Der Rest ergibt sich dann automatisch.

Ein Kompass, der in Richtung einer Götterwelt zeigt, ist vermutlich defekt, zumindest aber verschoben. (Begründungen habe ich ausreichend gegeben, hilfsweise reicht ein Blick in die Bibel.) Das kann mal gute, mal neutrale, und mal schlechte Auswirkungen haben. Wie ein Kompass, der orientierungslos ist. Warum also repariert man nicht zuerst den Kompass?

trithos
07.05.2019, 13:15
Hallo trithos, danke für die Erläuterungen und die neuen Fragestellungen. Ich antworte Dir mal ausführlicher. Vielleicht müsste man die Frage anders stellen.

Ich gebe mal ein Beispiel: Eine Neonazi-Partei spendet eine Million Euro für die Erhaltung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Soll man die Spende annehmen oder nicht? Hier findet vermutlich eine Abwägung statt, welche Nachteile eine Abweisung der Spende hätte. Ich persönlich würde die Spende zurückweisen.

Hingegen: Ginge die Spende an die Rettung von ertrinkenden Flüchtlingen, würde ich das Geld auf jeden Fall annehmen.

Du sagst, den Opfern/Empfängern ist die Motivation des Spenders egal. Bei den Flüchtlingen stimme ich dieser Betrachtung zu. Denen wäre es egal. Bei den noch lebenden Opfern von Auschwitz-Birkenau würde ich mal vermuten, dass der Spender durchaus eine Rolle spielt.

------

Ich würde die Frage insgesamt anders angehen.

Menschen sollten in der Lage sein, das Richtige zu erkennen und zu tun, auch wenn die entsprechende Situation völlig neu und unbekannt wäre. Nehmen wir an, es hätte noch nie irgendwo eine Flüchtlingskrise oder eine Hungersnot gegeben: Würden die Menschen dann trotzdem wissen, was zu tun wäre? Oder würden sie völlig hilflos in irgendwelchen Büchern nachsehen?

Diesen Kompass für unvorhergesehene Ereignisse erwarten wir von Politikern. Deswegen ist uns ihre Grundhaltung wichtig. Wir wollen, dass sie das Herz "am richtigen Fleck" haben.

Ein mögliches Kriterium für diesen Kompass wäre: Vermeide unnötiges Leid. Oder: "Was Du nicht willst, was man Dir tu', ..." Dieser simple Kompass sagt mir, was ich von ertrinkenden Kindern im Mittelmeer zu halten habe. Es sagt mir auch, was ich von 50.000 Hühnern halten soll, die zeitlebens in ihrer eigenen Scheiße herumlaufen. Ich käme nicht auf die Idee, in alten Schriftrollen nach einem versteckten Hinweis zu suchen.

Ein anderes Kriterium für diesen Kompass könnte sein: Gefalle Deinem Gott. Hier ist schon weniger leicht vorhersagbar, wie sich die entsprechende Person verhalten wird. Ich gebe Dir dazu ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis.

Ein Bekannter von mir, ein gläubiger Christ (man könnte ihn direkt als unterwürfig bezeichnen), lehnt jede Spende kategorisch ab. Begründung: Man soll sich nicht selbst erhöhen; wer aber spendet, findet sich dabei selber gut, und dieses Sich-selbst-gut-finden sei eine Sünde.

Man beachte, dass dieser Bekannte nicht seinen Kompass verloren hat. Sondern im Gegenteil, er folgt einem sehr exakt abgestimmten Kompass. Weil der Kompass nicht auf das Leid ausgerichtet war, kam dieses in seiner Abwägung nicht vor. Sondern der Kompass war auf den Willen seiner Götter ausgerichtet, daher wog er sein Seelenheil gegen den Willen der Götter ab. Deswegen waren auch meine Gegenargumente erfolglos, als ich anlässlich einer Katastrophe sagte: "Ist doch egal jetzt, schmeiß die lumpigen zehn Euro auf den Tisch und fertig!" Nein -- dem Kompass muss strikt gefolgt werden.

Was lehrt uns dieses wundersame Gleichnis?

Es lehrt uns, dass zwar im Einzelfall jeder Euro nützlich ist, wenn er denn gespendet wird. Es lehrt uns aber auch, dass die Beurteilung, ob eine Spende erfolgen sollte, fatal fehlschlagen kann, wenn der Kompass defekt ist. Deswegen kommt es zuerst darauf an, dass der Kompass funktioniert. Der Rest ergibt sich dann automatisch.

Ein Kompass, der in Richtung einer Götterwelt zeigt, ist vermutlich defekt, zumindest aber verschoben. (Begründungen habe ich ausreichend gegeben, hilfsweise reicht ein Blick in die Bibel.) Das kann mal gute, mal neutrale, und mal schlechte Auswirkungen haben. Wie ein Kompass, der orientierungslos ist. Warum also repariert man nicht zuerst den Kompass?

Hallo Jörn, Deinen grundsätzlichen Überlegungen zum Kompass stimme ich durchaus zu. Wobei ich mich frage, wer dann die Instanz ist, die festlegt, ob der Kompass kaputt ist und in welche Richtung er repariert werden muss?

Wenn ich Dein Beispiel vom "Spendenverweigerer" aufgreifen darf: seine Haltung halten wir wohl beide für einen Unsinn. Das Beispiel passt aber nicht zur Ausgangsposition der Diskussion. Da habe ich ja die Frage gestellt, was davon zu halten ist, wenn jemand Gutes aus "falschen" Gründen tut? In diesem Fall tut ja jemand Schlechtes (nämlich nicht spenden) und das aus falschen Gründen. Da sehe ich für mich wenig Raum für Interpretationen. Das ist aus meiner Sicht einfach schlecht.

Interessanter finde ich Dein zweites Beispiel: "Eine Neonazi-Partei spendet eine Million Euro für die Erhaltung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau."

Du sagst, Du würdest die Spenden ablehnen und ich gebe zu, das wäre auch mein erster Gedanke. Aber: Was wäre, wenn durch diese Spende im KZ etwas errichtet oder gestaltet werden könnte, das nur einen einzigen jugendlichen Besucher zu der Einstellung bringt, dass ein solch unfassbares Verbrechen nie mehr wieder geschehen darf. Gebe ich der Neonazi-Partei aber die Million zurück, investiert diese das Geld vielleicht in Parteipropaganda und holt sich damit zehn neue Mitglieder, die dann viel Schaden anrichten.

Ich weiß schon, dass das hypothetisch ist. Aber bis Du Dir hundertprozentig sicher, dass angesichts eines solchen möglichen Szenarios die Ablehnung der Spende tatsächlich besser ist als die Annahme?

Helmut S
07.05.2019, 13:22
Ein mögliches Kriterium für diesen Kompass wäre: Vermeide unnötiges Leid. Oder: "Was Du nicht willst, was man Dir tu', ..."

Ja, das könnten Kriterien sein. Wie sieht es mit "Der Zweck heiligt die Mittel" aus? (in Anlehnung an trithos letztes Post) :Blumen:

Klugschnacker
07.05.2019, 15:09
Kann man irgendwo nachlesen, was du persönlich unter Wirklichkeit verstehst ... ? :Blumen:

Dein Interesse freut mich. :Blumen:

Ich weiß jedoch nicht, was ein persönlicher, individueller Wirklichkeitsbegriff sein soll. Ich erkenne fiktionale Wirklichkeiten an, außerdem natürlich reale Wirklichkeiten.

Fiktionale Wirklichkeiten sind Vorstellungen wie Winnetou, eine Staatsbürgerschaft, Wertpapiere, eine juristische Person, eine Ehe, heilige Geister oder Teufel. Reale Wirklichkeiten würde ich nach kurzem Nachdenken als etwas verstehen, das Physiker grundsätzlich messen können, also in irgend einer Form messbare Auswirkungen hat.
:Blumen:

Jörn
07.05.2019, 15:37
Da habe ich ja die Frage gestellt, was davon zu halten ist, wenn jemand Gutes aus "falschen" Gründen tut?

Dagegen ist nichts einzuwenden.

Jedoch ist es nach meiner Meinung ein Irrtum, wenn man die falschen Gründe einfach bestehen lässt. Denn irgendwann kommt eine Situation, bei der die falschen Gründe sich plötzlich fatal auswirken. Daher mein Hinweis auf Politiker, bei denen wir bevorzugen, wenn sie auch bei neuen, unbekannten Situationen richtig reagieren.

Jemand, der aus "falschen" Gründen Gutes tut, ist nicht nur im Irrtum darüber, warum er es tut, sondern vor allem, was überhaupt "gut" ist. Man kann das leicht daran erkennen, dass das, was Christen für "gut" halten, völlig beliebig ist. Man findet jede nur denkbare Position und deren Gegenteil. Natürlich findet man dazwischen auch Christen, die etwas Gutes tun. Aber es wäre doch eine Fehleinschätzung, dieses ganze Durcheinander als ein passables Rezept für eine möglichst gute Gesellschaft zu werten.

Ein entscheidendes Kriterium ist für mich, ob man Irrtümer erkennen und korrigieren kann. Das ist bei religiösen Positionen extrem schwierig. Die katholischen Christen könnten innerhalb eines sonnigen Nachmittags herausfinden, dass Frauen gleichberechtigt sein müssen, und dass die Geringschätzung von Homosexuellen auf Hirngespinsten basiert. Aber statt eines sonnigen Nachmittags dauert das Elend nun schon ein paar tausend Jahre. Das relativiert die guten Taten mancher Christen deutlich.

Ich bin davon überzeugt, dass eine Gesellschaft schrittweise klüger und "besser" wird, je mehr und je schneller sie bereit ist, Irrtümer als solche zu erkennen und zu korrigieren. Hier macht es dann eben doch einen Unterschied, ob man sich für die objektiven Fakten interessiert, die der Welt und dem eigenen Handeln zugrunde liegen.

Jörn
07.05.2019, 15:46
Wobei ich mich frage, wer dann die Instanz ist, die festlegt, ob der Kompass kaputt ist und in welche Richtung er repariert werden muss?

Andere Formulierung: Wessen Sklave soll ich sein?

Die Instanz kann nach meiner Meinung nur unser Verstand sein, mit dem wir schrittweise unsere Irrtümer als solche erkennen und ersetzen.

Die Instanz sind wir untereinander, indem wir unsere gleichberechtigten Interessen respektieren und unsere Freiräume entsprechen austarieren.

Die Instanz sind unsere gesammelten Erfahrungen.

Ich würde sagen, dass jemand, der wider seinen Verstand handelt, WEIL er sich einem göttlichen Gebot fügt, tatsächlich sehr intensiv über sich nachdenken sollte. Man erinnere sich an die Geschichte mit Abraham und seinem Sohn Isaak, bei der Folgsamkeit über den Verstand gestellt wurde.

Jörn
07.05.2019, 15:51
Ja, das könnten Kriterien sein. Wie sieht es mit "Der Zweck heiligt die Mittel" aus? (in Anlehnung an trithos letztes Post)

Das klingt nach einer mit Augenzwinkern aufgestellten Falle... :Lachen2:

Zarathustra
08.05.2019, 02:05
Dankeschön! :Blumen:

Ich versuche das mal zu kommentieren, so wie ich es verstehe. :Lachen2:

...

Danke für die ausführliche Kommentierung! Du hattest ja geäußerst nicht weiter über Kant diskutieren zu wollen. Dennoch erlaube ich mir noch eine kurze Anmerkung zum Schluß.

Du sagst:

...
Das ist doch genau der Kunstgriff, der bei Kant kritisiert wird, dass er eben genau dies von der praktischen Vernunft gebieten lässt (und dieses "gebietet" nicht hinterfragt) ...


und etwas später:

... gerade das Stellen des Subjekts in das Zentrum der Erkenntnis ist schon tatsächlich [...] großartig.

:Blumen:

Der von Dir und anderen kritisierte 'Kunstgriff', also der Vorrang der prakt. vor der theoret. Vernunft, gehört meiner Ansicht (und der namhafter Kant-Forscher wie Willaschek, Ameriks, u.a.) nach unbedingt zum 'Stellen des Subjekts in das Zentrum der Erkenntnis'.

Zarathustra
08.05.2019, 02:06
...
Dieser Gott ist also einfach? ...

An dritter Stelle der Liste des Theologen lesen wir:


...
- Einheit
...


Unter Einheit (unitas) ist in diesem Zusammenhang für gewöhnlich die Einfachheit (simplicitas) als unitas simplicitatis subsumiert. Wie diese natürlich mit der Vielfalt der Attribute vereinbar ist, bleibt eine andere Frage, die z.B. von Thomas von Aquin ausführlich beantwortet wird (Summa Theologiae, Prima Pars, Quaestio 3).

Zarathustra
08.05.2019, 02:12
Mir scheint, dass Kant sich dagegen wehren würde, wenn man seine Spekulationen zugunsten eines christlichen Gottesbildes anführt.
...

Du hast recht, der von ihm vertretene Vernunftglaube hat zwar wichtige Gemeinsamkeiten mit der christl. Lehre, aber eigentlich war er sicher Buddhist; nicht umsonst nennt man ihn den 'Chinesen vom Königsberge'.




Er scheint doch einen Willen zu haben, oder nicht?...


Ja, anders als beim Menschen sind bei ihm allerdings Wille, Ausführung und Beurteilung identisch, sowie er selbst mit diesen.



... Bei der christlichen Vorstellung bedeutet "Nichts" immerhin noch die Anwesenheit eines allmächtigen und allwissenden Wesens, das einen Willen hat. Das ist alles andere als Nichts.


Nein, das ist nicht richtig. Das "Nichts" in der christlichen Vorstellung bezieht sich auf das Nichtvorhandensein eines "Baumaterials" für die Welt, wozu auch (physikalische) Anfangsbedingungen gehören würden.


...
Das Argument der ersten Ursache als Beweis für einen göttlichen Schöpfungsakt taugt nichts.

Nur weil ein Argument eine Schlußfolgerung nicht unausweichlich erzwingt, heißt das noch lange nicht, daß es nichts taugen muß.


... Ich erkenne fiktionale Wirklichkeiten an, außerdem natürlich reale Wirklichkeiten.

Fiktionale Wirklichkeiten sind Vorstellungen wie Winnetou, [...]. Reale Wirklichkeiten würde ich nach kurzem Nachdenken als etwas verstehen, das Physiker grundsätzlich messen können, also in irgend einer Form messbare Auswirkungen hat.
:Blumen:

Danke für diese Ausführungen! Eine Frage und eine Anmerkung dazu: 1. Wie glaubst Du zu dieser (m. E. radikalen und etwas kategoriearmen) Einteilung gekommen zu sein? 2. Wenn nur was 'Physiker grundsätzlich messen können' wirklich sein soll, dann zählt Gott trivialerweise nicht dazu und alle Diskussion erübrigt sich schon allein aufgrund Deiner (metaphysischen) Vorannahme.

Klugschnacker
08.05.2019, 07:39
Ja, anders als beim Menschen sind bei [Gott] allerdings Wille, Ausführung und Beurteilung identisch, sowie er selbst mit diesen.

Winnetou war der Blutsbruder von Old Shatterhand; seine Schwester hieß Ntschotschi. Das sind fiktive Wirklichkeiten. Ich habe überhaupt nichts dagegen, auf der Basis des fiktionalen Wahrheitsbegriffs über Vorstellungen von Gott oder Göttern zu diskutieren. Allerdings darf man das meiner Meinung nach nicht mit dem faktischen Wahrheitsbegriff vermischen. Was Du oben schreibst, ist reine Fiktion.

Nein, das ist nicht richtig. Das "Nichts" in der christlichen Vorstellung bezieht sich auf das Nichtvorhandensein eines "Baumaterials" für die Welt, wozu auch (physikalische) Anfangsbedingungen gehören würden.

Das sage ich ja: Die religiöse Vorstellung von der Erschaffung der Welt setzt an den Anfang einen Gott. Sie erklärt nicht die Erschaffung der Welt aus dem Nichts heraus. Gleichzeitig wird es aber als eine Schwäche der physikalischen Urknalltheorie dargestellt, dass sie den Beginn der Welt aus dem Nichts derzeit noch nicht komplett erklären kann. Jedoch kommt die physikalische Erklärung mit sehr einfachen Grundannahmen aus, aus denen sich ein komplexes Universum entwickelt. Bei religiösen Vorstellungen ist es umgekehrt: Am Anfang steht ein perfektes Wesen, das alles kann und weiß; daraus entwickelt sich eine Welt, die in allen Qualitäten hinter seinem Schöpfer zurückbleibt.

Danke für diese Ausführungen! Eine Frage und eine Anmerkung dazu: 1. Wie glaubst Du zu dieser (m. E. radikalen und etwas kategoriearmen) Einteilung gekommen zu sein? 2. Wenn nur was 'Physiker grundsätzlich messen können' wirklich sein soll, dann zählt Gott trivialerweise nicht dazu und alle Diskussion erübrigt sich schon allein aufgrund Deiner (metaphysischen) Vorannahme.

1. Durch nachdenken und beobachten. Was ist daran radikal? Es gibt Dinge, die wirklich existieren, und solche, die wir uns nur vorstellen. Ein Mensch ist real, aber ein König ist eine Fiktion, eine abstrakte Wirklichkeit.

2. Gott selbst muss keineswegs messbar sein, aber seine Auswirkungen. Entweder hat Gott Auswirkungen auf die Welt, oder er hat keine Auswirkungen auf die Welt. Falls er welche hat, kann ich sie in irgend einer Form feststellen ("messen"). Falls Gott keine Auswirkungen auf die Welt hat, dann ist diese Welt nicht unterscheidbar von einer, in der Gott nicht existiert. Es ist daher legitim, nach den Auswirkungen Gottes zu fragen.

Außerdem: Warum gehört Gott nach Deiner Meinung trivialerweise zur Welt des nicht Messbaren? Das versteht sich keineswegs von selbst, sondern Du legst das willkürlich fest. Es könnte ebenso gut sein, dass wir einen Gott, der ständig in die Welt eingreift und existiert, sehr leicht beobachten ("messen") könnten.

Du sagtest vor einigen Seiten, die Welt selbst sei eine Auswirkung Gottes. Ich halte das für ein schwaches Argument. Denn die Welt sieht keineswegs so aus, als sei sie von einem perfekten Gott christlicher Vorstellung erschaffen worden. Oder warum schuf Gott Milliarden Menschen mit einem Blinddarm, an dem sie zum Teil sterben?
:Blumen:

Helmut S
08.05.2019, 07:43
Servus Z.

Der von Dir und anderen kritisierte 'Kunstgriff', also der Vorrang der prakt. vor der theoret. Vernunft, gehört meiner Ansicht (und der namhafter Kant-Forscher wie Willaschek, Ameriks, u.a.) nach unbedingt zum 'Stellen des Subjekts in das Zentrum der Erkenntnis'.

Herzlichen Dank, für diesen wirklich sehr interessanten Gedanken. :Blumen: Das ist für mich genügend Denkstoff, wahrscheinlich für Wochen und Monate. ;)

Ja, ich will im Thread nix mehr zu Kant sagen. Einerseits habe ich den Eindruck, es nervt die anderen und das möchte ich auch nicht. Andererseits stimme ich dir völlig zu: Nicht immer ist Leseschärfe und Formulierungsschärfe in der Ausprägung vorhanden, dass eine Basis für eine Diskussion überhaupt gegeben ist.

Letztlich ist mir dann das Thema Kant über Grundlagen hinaus auch zu schwer. Ich bin gelernter Informatiker mit NF Mathematik und kein Philosoph; allerdings „stets bemüht“:Cheese:

Du scheinst aber tatsächlich wenigstens eine philosophische Grundausbildung zu haben? Bist du gelernter Nachdenker? ;)

In diesem Sinne
LG H. :Blumen:

Klugschnacker
08.05.2019, 08:30
Unter Einheit (unitas) ist in diesem Zusammenhang für gewöhnlich die Einfachheit (simplicitas) als unitas simplicitatis subsumiert. Wie diese natürlich mit der Vielfalt der Attribute vereinbar ist, bleibt eine andere Frage, die z.B. von Thomas von Aquin ausführlich beantwortet wird (Summa Theologiae, Prima Pars, Quaestio 3).

Meiner Meinung nach hat er das nicht beantwortet. Er hat zwar eine Menge darüber geschrieben. Eine überzeugende Antwort im Sinne einer Erklärung hat er jedoch nicht gegeben. Wie sollte er auch? Sein Wissen über die Götter war schließlich exakt Null.

qbz
08.05.2019, 09:10
.......
2. Wenn nur was 'Physiker grundsätzlich messen können' wirklich sein soll, dann zählt Gott trivialerweise nicht dazu und alle Diskussion erübrigt sich schon allein aufgrund Deiner (metaphysischen) Vorannahme.

Mir ist schon klar: Es ging um die Frage: Gott schafft die Welt aus dem Nichts versus die Welt entsteht aus Naturgesetzen und um die Frage von Wirklichkeitsdefinitionen.

Ich nutze die Gelegenheit nur für eine assoziative Randbemerkung, die mir dazu halt einfällt:
Das Christentum selbst sieht in meinen Augen vor allem im Messias den Beweis für Gottes Existenz: Der christlichen Erzählung (Lehre) nach erschien Gott der Welt real als Messias. Er soll real durch den Heiligen Geist gezeugt und als einziger Mensch ganheitlich nach dem Tode wieder auferstanden und mit Gott vereinigt sein. (Trinität). Damit zeigte sich Gott der Welt real, behauptet das Christentum. (Die kath. Kirche nimmt bis heute heute die Realpräsenz des Leib-Christi in der Monstranz an.).

Jörn
08.05.2019, 09:45
Unter Einheit (unitas) ist in diesem Zusammenhang für gewöhnlich die Einfachheit (simplicitas) als unitas simplicitatis subsumiert. Wie diese natürlich mit der Vielfalt der Attribute vereinbar ist, bleibt eine andere Frage, die z.B. von Thomas von Aquin ausführlich beantwortet wird (Summa Theologiae, Prima Pars, Quaestio 3).

Danke, jetzt verstehe ich besser, aus welcher Richtung Du argumentierst. Hättest Du Thomas von Aquin früher erwähnt, hätten wir die Debatte abkürzen können. Ich sag's Dir ganz unverblümt: Thomas von Aquin schreibt einen dermaßen monumentalen Unsinn zusammen, dass Raum und Zeit nicht ausreichen, um es angemessen zu diskutieren. Die Menge an frei erfundenen Definitionen, Zirkelschlüssen und simplen Hirngespinsten ist zu gewaltig.

Du sprichst seine "3. Frage" an, also Questio 3. (http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel4-1.htm) Dort geht es um die Eigenschaften Gottes. Unter anderem erfahren wir dort, dass Gott sitzt (und nicht steht).

Was ist mit Frage 50 und folgenden? Dort geht es über "die stoffliche Substanz der Engel". In Frage 53 geht es darum, wie Engel sich von Ort zu Ort bewegen. (http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel54-1.htm) In Frage 56 geht es darum, was Engel über das "Unstoffliche" wissen. Frage 58 klärt, wie sie zu diesem Wissen gelangt sind.

Frage 107 beantwortet, welche Sprache die Engel sprechen. (http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel108-1.htm) Das wollten wir schon immer mal wissen.

Das ist hanebüchener Unsinn aus dem Mittelalter.

-----

Tipp für die Mitleser: Wer die Texte nebeneinander auf Latein und Deutsch lesen möchte, kann dies auf folgender Webseite tun (Navigation auf der rechten Seite beachten, da die einzelnen Thesen/Fragen in mehrere "Artikel" aufgeteilt sind. Langatmige Einleitungen/Überleitungen kann man dort überspringen):
http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel2.htm

Jörn
08.05.2019, 09:59
Ja, anders als beim Menschen sind bei ihm [Gott] allerdings Wille, Ausführung und Beurteilung identisch, sowie er selbst mit diesen.

Übersetzung: Ich definiere einfach, dass ich recht habe. Belege werden nicht benötigt.


Das "Nichts" in der christlichen Vorstellung bezieht sich auf das Nichtvorhandensein eines "Baumaterials" für die Welt, wozu auch (physikalische) Anfangsbedingungen gehören würden.

Die Bibel (Genesis) sagt keineswegs, ob vor der göttlichen Schöpfung bereits etwas existierte, beispielsweise ein Baumaterial oder ein physikalisches Gesetz. Es kann vorhanden gewesen sein oder nicht.

Es gibt in der Genesis zwei Schöpfungsberichte. Im einen davon (https://www.bibleserver.com/text/ELB/1.Mose2,4-7) wird die Schaffung der Erde nur beiläufig erwähnt. Der Bericht bezieht sich vielmehr auf die Gestaltung der Erde, nachdem sie vorhanden war. Es geht um die Schaffung des Lebens auf der Erde.

Genesis, Kapitel 2: "Dies ist die Entstehungsgeschichte2 des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden. An dem Tag, als Gott, der HERR, Erde und Himmel machte 5 - noch war all das Gesträuch des Feldes nicht auf der Erde, und noch war all das Kraut des Feldes nicht gesprosst, denn Gott, der HERR, hatte es noch nicht auf die Erde regnen lassen, und noch gab es keinen Menschen, den Erdboden zu bebauen; 6 ein Dunst3 aber stieg von der Erde auf und bewässerte die ganze Oberfläche des Erdbodens -, 7 da bildete Gott, der HERR, den Menschen, aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele."

Im anderen Bericht (https://www.bibleserver.com/text/ELB/1.Mose1,1-10)wird die Schöpfung der Erde und des Himmelszelts beschrieben. Kein Wort steht davon, ob die Zutaten dafür bereits existierten. Wasser beispielsweise wurde explizit nicht von Gott geschaffen, sondern war bereits vorhanden. Gottes Leistung bestand darin, zwischen "den Wassern" einen Bereich (eine Art Blase) zu schaffen, um darin die Erde und das Firmament zu platzieren.

Genesis, Kapitel 1: "Im Anfang schuf Gott den Himmel1 und die Erde. 2 Und die Erde war wüst2 und leer3, und Finsternis war über der4 Tiefe5; und der Geist6 Gottes schwebte über dem Wasser7. 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. 4 Und Gott sah das Licht, dass es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis. 5 Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein Tag. 6 Und Gott sprach: Es werde eine Wölbung8 mitten im Wasser, und es sei eine Scheidung zwischen dem Wasser und dem Wasser! 7 Und Gott machte die Wölbung und schied das Wasser, das unterhalb der Wölbung9, von dem Wasser, das oberhalb der Wölbung war. Und es geschah so. 8 Und Gott nannte die Wölbung10 Himmel. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein zweiter Tag. 9 Und Gott sprach: Es soll sich das Wasser unterhalb des Himmels an einen Ort sammeln, und es werde das Trockene sichtbar! Und es geschah so. 10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Ansammlung des Wassers nannte er Meere. Und Gott sah, dass es gut war."

Über (Zitat von Zarathustra) "physikalische Anfangsbedingungen", und ob diese vorhanden waren oder nicht, sagt die Bibel nicht eine einzige Silbe. Es ist einfach nicht wahr. Jeder kann es nachlesen.

waden
08.05.2019, 12:47
Ja, ich will im Thread nix mehr zu Kant sagen. Einerseits habe ich den Eindruck, es nervt die anderen und das möchte ich auch nicht. Andererseits stimme ich dir völlig zu: Nicht immer ist Leseschärfe und Formulierungsschärfe in der Ausprägung vorhanden, dass eine Basis für eine Diskussion überhaupt gegeben ist.


Ich bin den Ausführungen zu Kant zumindest bisher gerne gefolgt, selbst wenn mich meine biographisch bedingt weniger ausgeprägte Lese- und Formulierungsschärfe natürlich nicht die volle Dimension der Kant´schen Werke verstehen lässt.

Allerdings erkenne ich dabei auch überhaupt nicht, wo die Diskussion in diesem Bereich zu übermenschlichen Erkenntnissen über Gott führen kann. Wenn es um den Kern der angenommenen Eigenschaften eines Gottes geht, stehen hier nach wie vor apodiktische Aussagen, deren Wahrheitsgehalt ebenso hoch ist wie der Wahrheitsgehalt des Glaubens an Hunderte anderer Götter.

Zarathustra hat offensichtlich eine gründliche philosophische Ausbildung; gleichwohl sind seine Beiträge zu den Eigenschaften Gottes, auch wenn sie in einem metaphysisch geschulten Sprachduktus eingebettet sind, menschlich gesetzt.

Helmut S
08.05.2019, 13:19
Allerdings erkenne ich dabei auch überhaupt nicht, wo die Diskussion in diesem Bereich zu übermenschlichen Erkenntnissen über Gott führen kann.

Auch wenn ich nicht weiß, was du mit übermenschlichen Erkenntnissen meinst: Der gesamte subFaden "Kant" kam zustande, weil ich Z. auf eine Schrift Kant zur Theodizee (es wurde zu dem Zeitpunkt gerade darüber diskutiert) aufmerksam gemacht habe. Meine Motivation war zu zeigen, dass Kant meines Verständnisses nach eben gerade nicht die Position vertrat, dass es eine gute Begründung gäbe, die vor dem Hintergrund eines u.a. allgütigen Gottes das Leid und Übel in der Welt rechtfertigen würde.

Zumidest was mich betrifft, bin ich überhaupt nicht der Meinung, dass man Erkenntnisse über einen real existierenden Gott durch das Verstehen von Kant gewinnen kann. Ggf. kann man durch das Verstehen von Kant Erkenntnisse gewinnen wie Kant das sieht - und mit ihm einer Meinung sein oder nicht oder halt nur Teile seiner Positionen für sich übernehmen. Ich tendiere dazu mit Kant einer Meinung zu sein, denn m. E. vertritt er eine agnostische Position, die ich auch einnehme.

Z. sieht die Dinge etwas anders (womöglich hinsichtlich seiner Ausbildung) und zieht wohl deshalb auch andere Schlüsse. Das war alles. :Blumen:

Jörn
08.05.2019, 13:37
Hinter der Religionsphilosophie steckt womöglich eine unbegründete Annahme?

Nämlich die Annahme, die Geschichte von Maria-und-Josef, die mit einem Esel irgendwohin geritten sind, wäre derart feinsinnig, dass sie nur mit den feinsinnigen Argumenten eines Kant oder Leibnitz zu verstehen wären. Aber ist die Geschichte tatsächlich feinsinnig? Ebenso könnte ich behaupten, die ganze Geschichte wäre albern, und folglich wären eher Schmunzeln oder Spott angebracht.

Warum kommt niemand auf die Idee, Aussagen über ägyptische Unterwelt-Götter anhand von Kant oder Leibnitz zu prüfen? Oder griechische Wettergötter? Auf die Idee kommt niemand, weil allen klar ist, dass es sich hier um alberne Mythen handelt. Warum behandeln wir das Christentum anders? Diese Geschichten sind nicht weniger albern.

Ist es vorauseilender Gehorsam, diese Geschichten für seriös zu halten?

Es kann ja jeder dazu stehen, wie er will. Ich finde Maria-und-Josef albern, wenn man bedenkt, was wir inzwischen über Urknall, Photonen, Quarks und schwarze Löcher herausgefunden haben. Deswegen halte auch die extrem aufwendige und feinsinnige Analyse dieser albernen Geschichte durch die Philosophie für albern.

Ebenso das Wehklagen über ungenügende Lesestärke, denn, falls es noch nicht klar geworden sein sollte, es geht um Maria und Josef auf einem Esel.

Den hohen Respekt, den die Philosophie aufgrund ihrer komplexen Form genießt, rechtfertigt sie im religiösen Bereich nicht inhaltlich. Inhaltlich geht's um Maria-und-Josef, daran führt leider kein Weg vorbei.

Helmut S
08.05.2019, 13:58
Ich denke, dass Religionsphilosophie nicht zwingend als religionsverteitigende oder gar als Christentum verteidigende Philosophie daher kommt bzw kommen muss. Sie kann auch als religionskritische Philosophie daher kommen meine ich.

Ich denke aber auch, dass das Einerlei ist. Es muss - Entschuldigung: es sollte - die Geltung (Erkenntnisrechtfertigung) zählen und nicht die Genese (Erkenntnisumstand). :Blumen:

Zarathustra
08.05.2019, 14:05
Servus Z.



Herzlichen Dank, für diesen wirklich sehr interessanten Gedanken. :Blumen: Das ist für mich genügend Denkstoff, wahrscheinlich für Wochen und Monate. ;)
...


Hallo Helmut, das freut mich. Falls doch irgendwann nochmal Gesprächsbedarf über Kant oder Ähnliches bei Dir aufkommen sollte, stehe ich gerne bereit.



Du scheinst aber tatsächlich wenigstens eine philosophische Grundausbildung zu haben? Bist du gelernter Nachdenker? ;)
...

Ja, das bin ich; war vor längerer Zeit sogar mal an einer Kant-Forschungsstelle.

Beste Grüße!

Zarathustra
08.05.2019, 14:07
... Am Anfang steht ein perfektes Wesen, das alles kann und weiß; daraus entwickelt sich eine Welt, die in allen Qualitäten hinter seinem Schöpfer zurückbleibt.
...

"Daraus entwickelt sich" ist in diesem Zusammenhang falsch. Aber ich glaube, Du willst den Unterschied gar nicht einsehen.



1. Durch nachdenken und beobachten. Was ist daran radikal? Es gibt Dinge, die wirklich existieren, und solche, die wir uns nur vorstellen. Ein Mensch ist real, aber ein König ist eine Fiktion, eine abstrakte Wirklichkeit.
...

Deine Einteilung ist also selbst bloß Fiktion, damit faktisch unwahr, und ein König ist kein Mensch. Siehst Du: darum Philosophie! Denn da würde man schon im ersten Semester gelernt haben solchen groben Unfug zu vermeiden.
Abgesehen davon ist es radikal, weil zu viele Dinge, die Menschen für gewöhnlich als wirklich erachten würden, einfach in den Bereich der Fiktion verschoben werden.



...
2. ... Entweder hat Gott Auswirkungen auf die Welt, oder er hat keine Auswirkungen auf die Welt. Falls er welche hat, kann ich sie in irgend einer Form feststellen ("messen"). Falls Gott keine Auswirkungen auf die Welt hat, dann ist diese Welt nicht unterscheidbar von einer, in der Gott nicht existiert.
...

Du hast eine Möglichkeit vergessen: daß das 'in irgeneiner Form Festgestellte' selbst die Auswirkungen Gottes sein könnten.



... Außerdem: Warum gehört Gott nach Deiner Meinung trivialerweise zur Welt des nicht Messbaren?
...

Weil wir keine Messmethoden und- geräte für rein geistige Wesen haben.



... Oder warum schuf Gott Milliarden Menschen mit einem Blinddarm, an dem sie zum Teil sterben?
:Blumen:

Wollen wir jetzt wieder über die Unvollkommenheit der Welt zum Bösen und damit zurück zur Theodizee kommen?

qbz
08.05.2019, 14:08
........
Warum kommt niemand auf die Idee, Aussagen über ägyptische Unterwelt-Götter anhand von Kant oder Leibnitz zu prüfen? Oder griechische Wettergötter? Auf die Idee kommt niemand, weil allen klar ist, dass es sich hier um alberne Mythen handelt. Warum behandeln wir das Christentum anders? Diese Geschichten sind nicht weniger albern.

......


ich denke, das hat einfach historische Gründe, die in der philosophischen Epoche der Aufklärung liegen, wo die (meistens) Univergelehrten, die bisherigen Ideen von Gott aus dem Mittelalter mit Ideen der griechischen Antike und neuen Ideen über die Natur des Menschen und der Vernunft auf Widersprüche und Übereinstimmungen untersuchten.

Zarathustra
08.05.2019, 14:09
... Damit zeigte sich Gott der Welt real, behauptet das Christentum. ...

Danke qbz für den Hinweis! Das ist die wichtige Ausnahme im Christentum. Mit dem Messen ist es da aber trotzdem schwierig...

Zarathustra
08.05.2019, 14:15
... Thomas von Aquin schreibt einen dermaßen monumentalen Unsinn zusammen...

Mit der Weltweisheit eines Jörn könnte er natürlich nicht mithalten.


... Dort geht es um die Eigenschaften Gottes. Unter anderem erfahren wir dort, dass Gott sitzt (und nicht steht).
...

Mit Deinem Leseverständnis ist es allerdings, wie schon öfter beobachtet, nicht weit her. Zwar ist die deutsche Übersetzung in der verlinkten Version nicht sehr exakt, das hier Behauptete steht aber dennoch nicht dort. Der entscheidende Ausdruck im Original heißt: non attribuuntur Deo nisi secundum quandam similitudinem.


... Belege werden nicht benötigt.


Warum sollte ich Belege anführen, die Du dann sofort versuchst ins Lächerliche zu ziehen, obwohl Du sie, wohl aufgrund Deiner Leseschwäche, offensichtlich nichteinmal verstanden hast?




Die Bibel (Genesis) sagt keineswegs...


Der ganze lange Text wäre uns erspart geblieben, wenn Du endlich zur Kenntnis genommen hättest, daß die christl. Lehre nicht allein auf der Bibel beruht.

Jörn
08.05.2019, 14:16
Weil wir keine Messmethoden und- geräte für rein geistige Wesen haben.

Es hat ja auch niemand vorgeschlagen, Gott oder "geistige Wesen" (was für eine alberne These!) zu messen. Vorgeschlagen wurde, deren Wechselwirkungen mit uns oder der Welt zu messen.

Wollen wir jetzt wieder über die Unvollkommenheit der Welt zum Bösen und damit zurück zur Theodizee kommen?

Ja, bitte. Denn der Widerspruch der Theodizee (warum gibt es Leid) bringt am Ende die konkrete christliche Gotteshypothese zu Fall, oder man gibt sich eben mit dem Widerspruch zufrieden. Ergebnis: "Tja... man muss halt glauben".

Jörn
08.05.2019, 14:20
Mit der Weltweisheit eines Jörn könnte er natürlich nicht mithalten.

Natürlich könnte er da nicht mithalten. Jeder von uns hat ein bei weitem exakteres und weiteres Verständnis über "die Welt" als es Thomas von Aquin hatte (oder haben konnte).

Tatsächlich hat niemand von uns auch nur einen Menschen getroffen, der ein so falsches und beschränktes Weltbild wie das des Thomas von Aquin hat. Er lehrte, dass Jungs bei Nordwind geboren werden, und Mädchen bei Südwind. Ich darf wohl für mich in Anspruch nehmen, dass ich das besser weiß.

Selbst Zwölfjährige wissen heute mehr über die Welt als Thomas von Aquin.

waden
08.05.2019, 14:26
Das war alles. :Blumen:

Ich hatte Dich auch nicht anders verstanden.:Blumen:
-
Zarathustra,
welche Ausbildung muss man absolviert haben, um über Gottes Eigenschaften Bescheid zu wissen?
Oder anders gefragt, welches ist nach Deiner Ansicht der Weg, der zu gesicherten Erkenntnissen beispielsweise über "rein geistige Wesen" führt?

Klugschnacker
08.05.2019, 17:02
... Am Anfang steht ein perfektes Wesen, das alles kann und weiß; daraus entwickelt sich eine Welt, die in allen Qualitäten hinter seinem Schöpfer zurückbleibt.

"Daraus entwickelt sich" ist in diesem Zusammenhang falsch. Aber ich glaube, Du willst den Unterschied gar nicht einsehen.


Ich verstehe nicht, worauf Du hier hinaus willst. Die Entwicklung der Welt ist doch eine Tatsache, die wir gemeinsam anerkennen, oder nicht?

Vielleicht verstehe ich Dich besser, wenn Du erläuterst, wo Deiner Meinung nach keine Entwicklung, sondern die spontane göttliche Schöpfung sich vollzogen hat:

• War die gesamte Welt mit allen Galaxien, der Erde und allen Lebewesen spontan da?

• Hat sich das Leben in Milliarden Jahren entwickelt, aber die Erde und der Kosmos waren spontan da?

• Waren lediglich Energie und Naturgesetze spontan da, während sich der Kosmus und das Leben sich naturgesetzlich entwickelt hat?

Kurz: Was genau hat Gott Deiner Meinung nach spontan aus dem Nichts erschaffen?

Klugschnacker
08.05.2019, 17:33
Deine Einteilung ist also selbst bloß Fiktion, damit faktisch unwahr, und ein König ist kein Mensch. Siehst Du: darum Philosophie! Denn da würde man schon im ersten Semester gelernt haben solchen groben Unfug zu vermeiden.
Abgesehen davon ist es radikal, weil zu viele Dinge, die Menschen für gewöhnlich als wirklich erachten würden, einfach in den Bereich der Fiktion verschoben werden.

Ein König ist ein Mensch. Dass er ein Mensch ist, ist real. Seine Eigenschaft, König zu sein, ist eine Verabredung; sie existiert in den Köpfen der Menschen. Das ist doch nicht schwer zu verstehen.

Liegt es an mir, dass wir uns mit so läppischen Argumenten herumschlagen? Dann bitte ich um Verzeihung. Du hast doch die Werke bedeutender Denker über den christlichen Gott genau studiert und hast jede Menge Argumente im Köcher. Warum legst Du nicht mal etwas Handfestes auf den Tisch?

Klugschnacker
08.05.2019, 17:39
Warum sollte ich Belege anführen, die Du dann sofort versuchst ins Lächerliche zu ziehen, obwohl Du sie, wohl aufgrund Deiner Leseschwäche, offensichtlich nichteinmal verstanden hast?

An der Leseschwäche eines einzelnen Teilnehmers soll es nicht scheitern. Wir können mit vereinten Kräften versuchen, Deine Belege zu verstehen, außerdem könntest Du bei Rückfragen nachhelfen. Wenn ich es richtig verstanden habe, waren wir bei den Eigenschaften Gottes, die Du benennen und belegen kannst? Mich würde das sehr interessieren.
:Blumen:

qbz
08.05.2019, 18:13
.......
Abgesehen davon ist es radikal, weil zu viele Dinge, die Menschen für gewöhnlich als wirklich erachten würden, einfach in den Bereich der Fiktion verschoben werden.
......


da würde ich als Threadteilnehmer auch deutlich widersprecchen.

Weil halt bestimmte soziale Verhältnisse den Menschen so fest wie Dinge erscheinen, bedeutet nicht, dass es sich um Dinge handelt, auch wenn sie sogar zählbar sind. Geld z.B. ist eine Mystifikation von geselllschaftlichen Verhältnissen. Arne hat diese Ansicht (Geld als fiktive Übereinkunft) im Laufe des Threads schon häufig betont, keine Überraschung für mich seine Def.

qbz
08.05.2019, 18:35
Danke qbz für den Hinweis! Das ist die wichtige Ausnahme im Christentum. Mit dem Messen ist es da aber trotzdem schwierig...

Ich persönlich sehe in Jesus von Nazareth wahrscheinlich (mit historisch umstrittener Existenz) einen unter zahlreichen Wanderpredigern der damaligen Zeit, aus dem vor allem andere nach seiner Hinrichtung einen Messias und Sohn Gottes machten, auf dem Hintergrund der schon länger bestehenden Prophezeiungen im Judentum. Man braucht als Historiker keine "reale Gottesannahme", um die Erzählungen und Schriften zu verstehen, die geeignet waren, eine neue Religionsbewegung zu gründen.

merz
08.05.2019, 19:19
darf ich eine Klarstellung versuchen?

(a) "Patrick Lange ist Ironman-Weltmeister."

Wahr, und wahr aufgrund eines komplexen Zusammenspiels von geteilten Überzeugungen, Rechtfertigungen, Ereignissen, Intentionen, Regeln, Sprechakten - kurz das, was man so ein "soziale Tatsache" nennt. Keine Fiktion

(b) "Hamlet ist Prinz von Dänemark"

wahr (im Sinne von strikt fiktionaler Wahrheit), Fiktion, der Wahrmacher ist ein realer Theatertext.

Wenn es sinnvoll erscheint: dies dann mal rüberzuwälzen auf religiöse Tatsachenbehauptungen überlasse ich anderen :)
m.

phonofreund
08.05.2019, 19:29
Der Vorsitzende des Bibelbundes hat allen ernstes behauptet, das der ein oder andere Homosexualitätskranke (für den Bibelbund ist schwul eine Krankheit) die durch Therapie auf den Weg in die "Normalität" gebracht werden kann. :dresche :dresche Sind die denn noch alle ganz dicht?

Bin grad etwas sensibilisiert, weil ich gerade einen Roman lese, in dem ständig absurde Bibelferse zitiert werden.

Zarathustra
10.05.2019, 01:17
...
Zarathustra,
welche Ausbildung muss man absolviert haben, um über Gottes Eigenschaften Bescheid zu wissen?
Oder anders gefragt, welches ist nach Deiner Ansicht der Weg, der zu gesicherten Erkenntnissen beispielsweise über "rein geistige Wesen" führt?

Ich bestehe weiterhin darauf, daß in einer solchen Diskussion die korrekte Bezeichnung der epistemischen Haltung 'glauben' heißen muß, um Verwirrung zu vermeiden. Daher hilft keine Ausbildung zum Bescheidwissen und es gibt auch keinen Weg zu gesicherten Erkenntnissen.
Man kann allerdings sehr wohl wissen, was der Glaubensinhalt einer bestimmten Religion ist und man kann über philosophische Hintergründe etwas herausfinden und nachdenken. Dabei hilft es mal das eine oder andere entsprechende Buch der Primärliteratur mit Verstand gelesen zu haben.

Zarathustra
10.05.2019, 01:18
Ja, bitte. Denn der Widerspruch der Theodizee ...

Dazu hatte ich ja bereits etwas geschrieben. Statt darauf konkret einzugehen, hast Du wie üblich daran meilenweit vorbeifabuliert. Falls es Dir einmal gelingen sollte zu dem tatsächlich von mir Geschriebenen Stellung zu beziehen, wäre ich an logisch-sachlichen Argumenten interessiert.

Zarathustra
10.05.2019, 01:19
... Warum legst Du nicht mal etwas Handfestes auf den Tisch?

Was würdest Du Dir denn darunter vorstellen? Nur zur Erinnerung: Ich habe kein Interesse daran hier einen Beweis für das Dasein Gottes zu vertreten; sondern ich beabsichtige bloß die Untauglichkeit aller vermeintlichen Beweise gegen sein Dasein aufzuzeigen.


... Wenn ich es richtig verstanden habe, waren wir bei den Eigenschaften Gottes, die Du benennen und belegen kannst? Mich würde das sehr interessieren.
:Blumen:

Genaugenommen waren wir bei der Frage nach der Vereinbarkeit der Vielheit der göttlichen Attribute mit seiner Einfachheit. Da mir das als ein ziemliches Spezialproblem erscheint, hatte ich angeregt bei wirklichem Interesse an einer Stelle bei Thomas von Aquin nachzulesen; bisher habe ich noch keine adäquate Stellungnahme dazu vernommen...


...

Vielleicht verstehe ich Dich besser, wenn Du erläuterst, wo Deiner Meinung nach keine Entwicklung, sondern die spontane göttliche Schöpfung sich vollzogen hat:

....

Kurz: Was genau hat Gott Deiner Meinung nach spontan aus dem Nichts erschaffen?

Gott ist die Ursache der Welt (zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens). Genaueres über die Welt selbst erfahren wir aus dieser Lehre nicht; dazu können wir u.a. Physik betreiben.

Zarathustra
10.05.2019, 01:20
da würde ich als Threadteilnehmer auch deutlich widersprecchen.

Weil halt bestimmte soziale Verhältnisse den Menschen so fest wie Dinge erscheinen, bedeutet nicht, dass es sich um Dinge handelt...

Auch wenn ich das Wort 'Ding' verwendet habe, ging es ja weniger um die Dinghaftigkeit als um die Wirklichkeit. Es überrascht mich wiederum, daß gerade Du in diesem Zusammenhang eine Position zu verteidigen scheinst, die der des 'alten, anschauenden Materialismus' gleichkommt.

Zarathustra
10.05.2019, 01:21
... Klarstellung ...


Danke! So oder so ähnlich könnte eine differenziertere Betrachtung beginnen.

LidlRacer
10.05.2019, 01:58
Ich habe kein Interesse daran hier einen Beweis für das Dasein Gottes zu vertreten ...

Ok, kannst Du auch nicht. Aber

Gott ist die Ursache der Welt (zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens).

Du scheinst ja doch von seiner Existenz sehr überzeugt zu sein.

Worauf gründet sich diese Überzeugung?

Ich wäre Dir dankbar, wenn Deine Antwort allgemeinverständlich und philosophiefrei ausfiele!

qbz
10.05.2019, 07:41
Auch wenn ich das Wort 'Ding' verwendet habe, ging es ja weniger um die Dinghaftigkeit als um die Wirklichkeit. Es überrascht mich wiederum, daß gerade Du in diesem Zusammenhang eine Position zu verteidigen scheinst, die der des 'alten, anschauenden Materialismus' gleichkommt.
Ich dachte, es ginge um die physikalisch-messbare Wirklichkeit, also eben auch dingliche, im Unterschied zur fiktiven.

Im Zusammenhang mit neuzeitlicher Religionskritik habe ich bekanntlich regelmässig auf Ludwig Feuerbach verwiesen, weil er sich intensiv mit dem "Wesen des Christentums" beschäftigte. Marx bezeichnet Feuerbachs Auffassung in der Tat als "Anschauender Materialismus" (http://www.inkrit.de/e_inkritpedia/e_maincode/doku.php?id=a:anschauender_materialismus), die er mit seiner Auffassung von "praktisch-menschlicher Tätigkeit" überwindet, in der er die "materielle" Grundlage von Gesellschaften sieht. Der (undogmatisch verstandene, praktisch jeweils neu anzuwendende, zu entwickelnde) Geschichtsmaterialismus in Verbindung mit anderen Philosophen liegt mir insofern näher. Da analysiert man Staat und Religionen in ihrer Entwicklung als Teil des (ideellen) Überbaus von Gesellschaften und versteht die Produktivkräfte der Gesellschaft, die Einwirkung der Menschen auf die Natur mittels Arbeit, als "materielle" Verhältnisse, mit denen der Überbau in Wechselwirkung steht. Deswegen erwähnte ich das Beispiel, Geld als Mystifikation. Ich dachte, das würde vielleicht an die Ableitung des Geldes bei Marx als allgemeinste Form der abstrakten Arbeit erinnern.

"In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt." Karl Marx. (damit auch dasjenige der Religionen)

qbz
10.05.2019, 08:01
Gott ist die Ursache der Welt (zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens). Genaueres über die Welt selbst erfahren wir aus dieser Lehre nicht; dazu können wir u.a. Physik betreiben.

Und wie ist der Begriff "Ursache" zu verstehen? Deterministisch. Alle Vorgänge auf der Welt sind durch Gott mittelbar verursacht und würden ohne ihn nicht geschehen? Mir fallen assoziativ dazu Teilhard de Chardin und darauf basierende Anschauungen ein?

Klugschnacker
10.05.2019, 10:16
Man kann allerdings sehr wohl wissen, was der Glaubensinhalt einer bestimmten Religion ist und man kann über philosophische Hintergründe etwas herausfinden und nachdenken. Dabei hilft es mal das eine oder andere entsprechende Buch der Primärliteratur mit Verstand gelesen zu haben.

Wo könnte ich denn beispielsweise nachlesen, welches der Glaubensinhalt des Christentums ist? Soweit ich weiß, gibt es im Christentum zu praktisch jedem Detail unterschiedliche Auffassungen was der Inhalt des Glaubens sei. Welches Buch würde deiner Meinung nach den Inhalt des Christentums korrekt wiedergeben? Oder welche Bücher, falls mehrere nötig sind? Gehören die Bücher von Thomas von Aquin dazu? Ganz oder nur teilweise?

Jörn
10.05.2019, 10:57
daß in einer solchen Diskussion die korrekte Bezeichnung (...) 'glauben' heißen muß (...) . Daher hilft keine Ausbildung zum Bescheidwissen und es gibt auch keinen Weg zu gesicherten Erkenntnissen.

Ergebnis: "Tja... man muss halt glauben".

Da sind wir genau am Kern der Sache. Die ganze angebliche Gelehrtheit und die komplizierten Formeln dienen nur dazu, die Leute einzuschüchtern und ihnen vorzugaukeln, sie wären einfach zu dumm, um die Götterwelt zu verstehen.

Aber sobald man etwas daran kratzt, stellt sich heraus, dass es sich es um nichts weiter handelt als eine kritiklose Konfirmanden-Gläubigkeit: Man muss halt glauben.

Jörn
10.05.2019, 11:08
Ich habe kein Interesse daran hier einen Beweis für das Dasein Gottes zu vertreten; sondern ich beabsichtige bloß die Untauglichkeit aller vermeintlichen Beweise gegen sein Dasein aufzuzeigen.

Das ist ein Strohmann-Argument, denn niemand aus der atheistischen Abteilung hat je behauptet, er könne die Nicht-Existenz der Götter beweisen. Im Gegenteil: Es zählt zu den wichtigsten Argumenten der Wissenschaft und des Atheismus, dass ein "Beweis der Existenz oder Nicht-Existenz" logisch unsinnig ist bei Dingen, die nicht vorhanden sind. (Russels Teekane: Man kann nicht beweisen oder widerlegen, dass eine winzige Teekanne um den Mars herum fliegt.)

Niemand wollte je beweisen, dass Gott nicht existiert. Deswegen kannst Du auch nicht die Untauglichkeit dieser Beweise aufzeigen.

Zudem nimmst Du hier eine Haltung der Immunisierung ein: Du möchtest Deine Annahme über die Existenz von Göttern nicht weiter untersuchen; es reicht Dir aus, wenn die Zweifler ins Leere laufen. Du möchtest Deinen Glauben nicht kritisch hinterfragen, sondern lediglich die Kritiker unschädlich machen.

LidlRacer
10.05.2019, 11:09
Aber sobald man etwas daran kratzt, stellt sich heraus, dass es sich es um nichts weiter handelt als eine kritiklose Konfirmanden-Gläubigkeit: Man muss halt glauben.

Nur kurz nebenbei:
Die Konfirmation hab ich zwar über mich ergehen lassen, geglaubt habe ich aber auch damals schon nix mehr. (Öffentlich kritisiert aber auch nicht.)

Jörn
10.05.2019, 11:50
bei der Frage nach der Vereinbarkeit der Vielheit der göttlichen Attribute mit seiner Einfachheit. (...) bei wirklichem Interesse an einer Stelle bei Thomas von Aquin nachzulesen; bisher habe ich noch keine adäquate Stellungnahme dazu vernommen...

Warum? Warum soll ausgerechnet Thomas von Aquin eine zutreffende Einsicht in die göttlichen Eigenschaften haben? Solange das nicht überzeugend geklärt ist, ist völlig irrelevant, was er schreibt.

Wenn Du wirklich an einer Debatte interessiert wärest, dann würdest Du den betreffenden Kerngedanken zitieren und darauf Dein Argument aufbauen. Stattdessen nennst Du einfach ein ganzes Kapitel (!) in einem lateinischem (!) Buch und wehklagst anschließend, Du hättest bisher (Zitat) "noch keine adäquate Stellungnahme dazu vernommen".

----

Meine adäquate Stellungnahme zu Thomas von Aquin ist, dass seine Prämissen, auf die er seine Argumente aufbaut, falsch sind. Als Prämissen verwendet er erstens die felsenfeste Überzeugung, dass Gott in allen Attributen/Eigenschaften stets das Größte und Vollkommenste darstellt; dies ist sein Ankerpunkt. Zweitens kleidet er diese Überzeugung in formale Konstrukte/Argumentationsmuster der griechischen Philosophie und orientiert sich dabei vor allem an Aristoteles und dessen Idee von "unbewegten Beweger".

Seine Schlüsse sind Zirkelschlüsse, weil er das Ergebnis bereits in seine Prämissen packt. Er gibt lediglich vor, die verschiedenen großartigen Eigenschaften von Gott aufzudecken oder zu erklären; stattdessen setzt er die Großartigkeit bereits voraus und gelangt so zu seinen Eigenschaften.

Insofern missinterpretiert er auch die Idee von "unbewegten Beweger". Denn dass dies ausgerechnet Gott sein müsse, legt er einfach fest. Aber selbst wenn es einen ersten "unbewegten Beweger" gegeben hat, bestünde die Argumentationsleistung darin, herauszufinden, ob es sich dabei um Gott handelt. Dies "erklärt" er einfach anhand seiner Prämissen bzw. er macht es zu einer Definition:

Thomas von Aquin (Gottesbeweise):

1. Der unbewegte Beweger. Nichts bewegt sich, ohne dass es zuvor einen Beweger gibt. Das führt zu einer Regression (einem "Rückgriff"), und Gott ist der einzige Ausweg. Irgendetwas muss die erste Bewegung veranlasst haben, und dieses Etwas nennen wir Gott.

2. Die Ursache ohne Ursache. Nichts wird von sich selbst verursacht. Jede Wirkung hat eine vorausgehende Ursache, und wieder landen wir in der Regression. Diese muss durch eine erste Ursache beendet werden, die wir Gott nennen.

3. Das kosmologische Argument. Es muss eine Zeit gegeben haben, in der keine physikalischen Objekte existierten. Da heute aber physikalische Gegenstände vorhanden sind, muss irgendetwas Nichtphysikalisches sie ins Dasein gebracht haben, und dieses Etwas nennen wir Gott.

----

Thomas von Aquin war ein Mensch des Mittelalters, und er wusste nicht mehr als andere Menschen im Mittelalter. Er war abergläubisch und wundergläubig, vor allem war er jedoch fanatisch. Davon kann auch seine trockene und mathematisch wirkende Sprache nicht ablenken. Er hat sich völlig in hanebüchene Fehlschlüsse verheddert und deswegen vor allem viel Unsinn aufgeschrieben.

Das mag für die damalige Zeit ein adäquater (wenn auch falscher) Diskussionsbeitrag gewesen sein. Er bediente damit die Sehnsucht des Klerus, auch ein paar logische Argumente vorweisen zu können (und nicht nur den plumpen Volksglauben).

Für die heutige Zeit sind seine Thesen (und wie er dazu kam) völlig abstrus. Es hat in einer intellektuellen Debatte nichts verloren, außer vielleicht aus historischem Interesse. Aber wer sich seine Argumentation heute noch zu eigen macht, schadet sich in der Debatte nur selbst.

Ich habe in einem früheren Posting dargelegt, dass Thomas von Aquin sogar behauptet, er wisse, aus welchem Material die Engel bestehen, wie sie sich fortbewegen und in welcher Sprache sie kommunizieren. Auf diesen Unsinn bist Du nicht weiter eingegangen. Warum nicht? Es steht in genau jenem lateinischen Buch, dass Du besprochen haben wolltest.

Jörn
10.05.2019, 12:10
[Theodizee, die Frage nach dem Leid:] Dazu hatte ich ja bereits etwas geschrieben. Statt darauf konkret einzugehen, hast Du wie üblich daran meilenweit vorbeifabuliert. Falls es Dir einmal gelingen sollte zu dem tatsächlich von mir Geschriebenen Stellung zu beziehen, wäre ich an logisch-sachlichen Argumenten interessiert.

Ich habe Dich so verstanden, dass Du vor allem daran interessiert warst, die "Allgüte" von Gott zu retten, indem Du orakelt hast, dass das Leid aus göttlicher Perspektive eventuell gar kein Leid wäre, oder dass man schließlich nicht sicher wüsste was "gut" im "göttlichen Kontext" überhaupt bedeutet.

Ich hatte auf den Zynismus hingewiesen, der in dieser Argumentation steckt.

Wir finden uns wieder in einer Welt, in der die meisten Tiere lebendig aufgefressen werden. Eine Welt, in der es den Menschen während 99% ihrer Geschichte äußerst mies ging. Eine Welt, in der eine angebliche Gottheit für ein paar Jahre als Mensch auftauchte und ein paar geschwollene Reden hielt, ohne die Menschen auf Bakterien, Karies oder drohende Naturkatastrophen hinzuweisen.

Ich halte das für zynisch; umso mehr, wenn dieses Leid den Leuten als "allgütig" untergejubelt und den Menschen (!) die Schuld dafür zugeschoben wird.

waden
10.05.2019, 13:33
darf ich eine Klarstellung versuchen?

(a) "Patrick Lange ist Ironman-Weltmeister."

Wahr, und wahr aufgrund eines komplexen Zusammenspiels von geteilten Überzeugungen, Rechtfertigungen, Ereignissen, Intentionen, Regeln, Sprechakten - kurz das, was man so ein "soziale Tatsache" nennt. Keine Fiktion

(b) "Hamlet ist Prinz von Dänemark"

wahr (im Sinne von strikt fiktionaler Wahrheit), Fiktion, der Wahrmacher ist ein realer Theatertext.

Wenn es sinnvoll erscheint: dies dann mal rüberzuwälzen auf religiöse Tatsachenbehauptungen überlasse ich anderen :)
m.


Danke! So oder so ähnlich könnte eine differenziertere Betrachtung beginnen.

Würdest Du Deinen Glauben an Gott (a) oder (b) zuordnen?



Ich bestehe weiterhin darauf, daß in einer solchen Diskussion die korrekte Bezeichnung der epistemischen Haltung 'glauben' heißen muß, um Verwirrung zu vermeiden. Daher hilft keine Ausbildung zum Bescheidwissen und es gibt auch keinen Weg zu gesicherten Erkenntnissen.
.

Eine Anwort in dieser Richtung hatte ich erwartet. Dennoch hatte ich das Wort Erkenntnis gewählt, weil Du Dich über Gott und seine Eigenschaften recht detailliert äußerst. Du möchtest also eine solche Feststellung nicht als Erkenntnis, sondern als Glauben verstanden wissen:


Ja, anders als beim Menschen sind bei ihm allerdings Wille, Ausführung und Beurteilung identisch, sowie er selbst mit diesen.
.

Dann sind wir uns ja einig: dies ist Ausdruck eines Glaubens, der für Dich die gleiche Wirklichkeit beinhaltet wie für Ägypter seinerzeit Isis und Osiris.

-

und wenn ich Dich im weiteren richtig verstehe, kann die Basis Deines Glaubens nur ermessen, wer philosophische Texte früherer Zeiten mit Verstand gelesen hat


Man kann allerdings sehr wohl wissen, was der Glaubensinhalt einer bestimmten Religion ist und man kann über philosophische Hintergründe etwas herausfinden und nachdenken. Dabei hilft es mal das eine oder andere entsprechende Buch der Primärliteratur mit Verstand gelesen zu haben.

Wusste Thomas von Aquin mehr über Gott als Du? Oder ist das nicht lediglich eine historische Quelle des Nachdenkens über Gott aus Basis des damals verfügbaren Wissens?

Ich könnte mit dem gleichen Interesse und Aussicht auf zutreffende Aussagen über das Wesen der Welt über Schriften zu Isis und Osiris lesen, oder nicht?

qbz
11.05.2019, 00:58
.....

Thomas von Aquin war ein Mensch des Mittelalters, und er wusste nicht mehr als andere Menschen im Mittelalter. Er war abergläubisch und wundergläubig, vor allem war er jedoch fanatisch. Davon kann auch seine trockene und mathematisch wirkende Sprache nicht ablenken. Er hat sich völlig in hanebüchene Fehlschlüsse verheddert und deswegen vor allem viel Unsinn aufgeschrieben.

Das mag für die damalige Zeit ein adäquater (wenn auch falscher) Diskussionsbeitrag gewesen sein. Er bediente damit die Sehnsucht des Klerus, auch ein paar logische Argumente vorweisen zu können (und nicht nur den plumpen Volksglauben).
........


Thomas von Aquin´s Schriften wurden das einheitliche ideologische Fundament der kath. Kirche, dessen Gültigkeit z.T. übrigens auf Konzilen bis heute bekräftigt wurde. Es sollte damals vor allem dazu beitragen, den weltlichen Herrschaftsanspruch des Papstes mit einer einheitlichen Lehre zu festigen, der im 13. Jahrhundert abweichende religiöse Bewegungen mithilfe der Dominikaner ideologisch und mit weltlichen Verbündeten blutig bekämpfen und die Abweichler hinrichten liess (wie die Katharer, Albigenser, die z.B. keinen Zehnten als Abgabe forderten, christlich-antiklerikal eingestellt waren und im Volk regional mehr Ansehen genossen wie die mächtige Römische Kirche und die Dominikaner.). Thomas von Aquin forderte für Häretiker die Exkommunikation und die Todesstrafe.

Erst 1965 korrigierte die kath. Kirche in einer Erklärung zur Würde des Menschen einen Absolutheitsanspruch Thomas von Aquin´s, indem sie die Gewissens- und Religionsfreiheit als Menschenrecht anerkannte.

Hier werden Bücher vom Heiligen Dominikus und von Albigensern ins Feuer geworfen, wobei die des ersteren das Feuer überstehen.
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/59/Pedro_Berruguete_-_St_Dominic_and_the_Albigenses_-_WGA02083.jpg/800px-Pedro_Berruguete_-_St_Dominic_and_the_Albigenses_-_WGA02083.jpg

Jörn
11.05.2019, 12:25
@Mirko

Es gibt Neuigkeiten von der "Deutschen Evangelischen Allianz". Der Kindergarten Deiner Tochter ist dort Mitglied und vertritt deren Ansichten und Werte.

Die "Allianz" wehrt sich gegen ein geplantes Gesetz, demzufolge die sog. "Homo-Heilung" verboten werden soll, also Angebote, die von sich behaupten, sie könnten Homosexuelle quasi "umpolen". Derzeit ist ein Gesetz in Vorbereitung, mit dem diese "Heilungen" verboten werden sollen, weil es Scharlatanerie ist.

Die "Allianz" besteht in einem offenen Brief an alle Bundestags-Abgeordneten darauf, weiterhin solche Konversions-Therapien zuzulassen.

Sie äußerten zudem die Sorge, dass die Angebote der "Allianz" in Zukunft das Ziel von Denunzierung werden könnten, wenn die Mitglieder der "Allianz" mit ihrer derzeitigen Beratung und Seelsorge fortführen. Man müsse befürchten, wegen bestimmter seelsorgerischer Tätigkeiten angezeigt zu werden. Das könne den vertraulichen Charakter der seelsorgerischen Gespräche gefährden. Man fordere daher, dass die Seelsorge von frei Beschränkungen bleiben müsse.

Zum Schluß des Briefs forderte die "Allianz", das Gesetz solle allein schon deswegen nicht verwirklicht werden, um nicht bestimmte religiöse Gruppen unter einen Generalverdacht zu stellen, weil bekannt sei, dass diese vermutlich nicht mit dem Gesetz konform gingen.

Bereits vor ein paar Jahren hatte der damalige Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, in einem Brief an die Kanzlerin mitgeteilt, Homosexualität wäre schädlich für das Land und würde das politische System gefährden.

Zum Vergleich: Der Weltärztebund hat zu dem Thema bereits 2013 Stellung bezogen. Dabei verwarf er die Notwendigkeit wie auch die Wirksamkeit dieser Therapien und folgerte, dass diese "die Menschenrechte verletzen und nicht zu rechtfertigen" seien.

----

Dies nur als aktuelles Update darüber, was in dem lustigen Kindergarten so vor sich geht.

Klugschnacker
13.05.2019, 12:02
Gott ist die Ursache der Welt (zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens). Genaueres über die Welt selbst erfahren wir aus dieser Lehre nicht; dazu können wir u.a. Physik betreiben.

Du sagst, Gott sei die Ursache der Welt. Nicht nur am Anfang, sondern zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens. Ich verstehe Dich hier so, dass Gott nicht nur die Existenz, das Vorhandensein, der Welt verursachte, beispielsweise im Urknall. Sondern er verursacht über diesen einmaligen Schöpfungsakt hinaus sämtliche Vorgänge innerhalb der Welt zu jedem Zeitpunkt.

Anders gesagt, Gott verursacht permanent nicht nur das Vorhandensein der Welt, sondern auch alle Vorgänge in ihr. Dabei hält er sich an bestimmte Regeln, die wir in Form von Naturgesetzen erforschen können.

Ist das so korrekt wiedergegeben?

Jörn
13.05.2019, 13:01
https://3.bp.blogspot.com/-1e_u6t0VOAM/XLhRlPwT-wI/AAAAAAAAHqs/oOg-KdBuWugF63zUpMRQ9zZ1MppQZuhVgCLcBGAs/s640/Karfreitag%2B-%2BGood%2BFriday%2B%25281a%2529.gif

trithos
14.05.2019, 01:48
Melde mich hier wieder einmal mit einer praxisnahen Geschichte, die ausgezeichnete Diskussionsmöglichkeiten bietet:

https://derstandard.at/2000103052814/Strom-fuer-450-Obdachlose-Ziviler-Ungehorsam-durch-des-Papstes-Almosenmeister

Ich finde die Aktion trotz des zweifellos ernsten Hintergrunds recht witzig. Und sie bringt das wichtige Thema Armut in die öffentliche Diskussion.

Ich höre aber schon, wie die Kritiker in die Tasten hauen: lächerliche PR-Aktion werden sie sagen, die Kirche ist doch eh so reich, hat immer alle Menschen ausgeraubt und ihre hinterhältigen "Pfaffen" belügen und betrügen, usw...

Viel Spaß bei dieser Diskussion ;) :Huhu:

qbz
14.05.2019, 08:01
Melde mich hier wieder einmal mit einer praxisnahen Geschichte, die ausgezeichnete Diskussionsmöglichkeiten bietet:

https://derstandard.at/2000103052814/Strom-fuer-450-Obdachlose-Ziviler-Ungehorsam-durch-des-Papstes-Almosenmeister

Ich finde die Aktion trotz des zweifellos ernsten Hintergrunds recht witzig. Und sie bringt das wichtige Thema Armut in die öffentliche Diskussion.

Ich höre aber schon, wie die Kritiker in die Tasten hauen: lächerliche PR-Aktion werden sie sagen, die Kirche ist doch eh so reich, hat immer alle Menschen ausgeraubt und ihre hinterhältigen "Pfaffen" belügen und betrügen, usw...

Viel Spaß bei dieser Diskussion ;) :Huhu:

Na, dann mal einen literarischen Tip für´s Feuilleton: ;)

Bertholt Brecht befasste sich mit diesem Thema in einem ganzen Theaterstück, das er während der Weltwirtschaftskrise 1929 schrieb: Die heilige Johanna der Schlachthöfe (https://de.wikipedia.org/wiki/Die_heilige_Johanna_der_Schlachth%C3%B6fe), inspiriert von der Jeanne d´Arc und Schiller´s Jungfrau von Orleans.

anlot
14.05.2019, 08:13
Stand heute morgen in der Zeitung. Unfassbar, das Gleichberechtigung für die RKK im 21. Jahrhundert immer noch nicht selbstverständlich ist. Gleichzeitig ein schöner Beleg dafür, das manche Menschen die Auswirkungen immer zu spüren bekommen. Manche hatten hier ja schon behauptet, dass mittlerweile keiner mehr Nachteile durch die Kirche hätte.

anlot
14.05.2019, 08:20
Bild kommt gleich. Ist wieder zu groß

merz
14.05.2019, 08:52
Kant würde Kardinal Krajewski streng tadeln.

:dresche

m.

anlot
14.05.2019, 09:10
Bild kommt gleich. Ist wieder zu groß

Bild klappt nicht. Daher hier der Link:

https://www.schwaebische.de/landkreis/landkreis-ravensburg/weingarten_artikel,-frauen-beim-blutritt-ehe-für-priester-bischof-äußert-sich-klar-_arid,11052616.html

Helmut S
14.05.2019, 09:22
Kant würde Kardinal Krajewski streng tadeln.


Der war ja überhaupt recht spaßbefreit sagt man. :Cheese:

Im Ernst: Du meinst, weil er pflichtgemäß aber nicht aus Pflicht gehandelt hat? („Als Almosenmeister bin ich verpflichtet...“)

Edit fragt noch: Oder denkst du, würde er die Handlung gar als unmoralisch einstufen?
LG H.

merz
14.05.2019, 10:09
das ist eine spannenden Frage, klar unmoralisch und verboten nach Kant, keine gute Tat.

Ich würde auf Bruch des Rechts und Verletzung des Eigentums entscheiden; ganz klar , geht nicht, - auch nicht aus "Menschenliebe"

m.

P.S.: Spannende deswegen, weil es m.E. nicht wirklich trivial ist, mal einen konkreten Fall mit dem kat. Imperativ durchzubuchstabieren und abzuleiten.

trithos
14.05.2019, 13:55
Na, dann mal einen literarischen Tip für´s Feuilleton: ;)

Bertholt Brecht befasste sich mit diesem Thema in einem ganzen Theaterstück, das er während der Weltwirtschaftskrise 1929 schrieb: Die heilige Johanna der Schlachthöfe (https://de.wikipedia.org/wiki/Die_heilige_Johanna_der_Schlachth%C3%B6fe), inspiriert von der Jeanne d´Arc und Schiller´s Jungfrau von Orleans.

Ja, das ist eine spannende Geschichte - diese Johanna. Ich denke da vor allem über eine Frage nach:

Wie viele Menschenleben darf eine Revolution/ein Aufstand/ein Systemwandel ... kosten?

Und daraus abgeleitet die praktischen Fragen:
+) Wenn konkrete Hilfe das schlechte System stabilisiert - darf man dann überhaupt noch jemandem helfen?
+) müsste der Kardinal nicht ganz im Gegenteil schauen, dass die Situation für alle immer schlimmer wird, um das System zu destabilisieren?
+) darf er das auf Kosten derer machen, die dann halt in der Destabilisierungsphase drauf gehen?
+) oder müsste er vielleicht sogar differenzieren: Revolution mit den Kampfeswilligen aber denen helfen, die nur die aktuelle Ausformung der Krise überleben wollen?

Ich finde, dass genau das die wichtigen Fragen sind, und sie begegnen uns heutzutage auf Schritt und Tritt.

Zum Beispiel in der Frage der Seenot-Rettung im Mittelmeer. Da wird doch ganz ähnlich argumentiert: "Lassen wir die Menschen doch ersaufen, dann kommen weniger! Die Seenotretter arbeiten mit ihrer konkreten Hilfe den Schleppern in die Hand, liefern ihnen doch geradezu erst eine gute Geschäftsgrundlage, ... kurz: sie stabilisieren ein schlechtes ausbeuterisches System."

Aber wie viele Menschen darf ich auf dem Weg zu einem besseren System "opfern" für das große Ziel?

Ich kann und will als (selbsternannter ;) ) "gefestigter Nicht-Ideologe" (=Pragmatiker) diese Fragen nicht grundsätzlich beantworten. Wie sagte einst ein sehr kluger aber damals gerne unterschätzter österreichischer Bundeskanzler völlig richtig: "es ist alles sehr kompliziert!"

PS: dieses Zitat ist nicht ganz richtig, es lautet im Original: "es klingt alles sehr kompliziert". Aber ich habe die Variante genommen, die im kollektiven Gedächtnis Österreichs verankert ist und hier immer wieder gerne verwendet wird.

qbz
14.05.2019, 17:16
........
Ich kann und will als (selbsternannter ;) ) "gefestigter Nicht-Ideologe" (=Pragmatiker) diese Fragen nicht grundsätzlich beantworten. Wie sagte einst ein sehr kluger aber damals gerne unterschätzter österreichischer Bundeskanzler völlig richtig: "es ist alles sehr kompliziert!"

PS: dieses Zitat ist nicht ganz richtig, es lautet im Original: "es klingt alles sehr kompliziert". Aber ich habe die Variante genommen, die im kollektiven Gedächtnis Österreichs verankert ist und hier immer wieder gerne verwendet wird.

ich hatte als studentischer Tutor schon im Personalrat und später in gewerkschaftlichen Betriebsgruppen jeweils mitgearbeitet, weil ich eher so denke: Wer keine aktuellen realistischen Nahziele für gemeinsame Interessen erstreiten kann, schafft es auch nicht, fernere Ziele zu erreichen. Dabei ist die Weltanschaung, Religion (mir) erstmal egal. Norbert Blüm als IG-Metaller und Katholik leistete als Minister mehr für den Erhalt des Renten- und Sozialsystems in Deutschland als alle nachfolgenden Arbeits-/Sozialminister.

Allerdings sollten man sich mit freiwilligen Almosen nicht zufrieden geben, sondern garantierte Rechte erstreiten. Wer hingegen in unseren Ländern obachlos oder arbeitslos lebt, hat kaum die Kraft und Möglichkeit für eine eigene organisierte wirkungsvolle Interessensvertretung, weswegen andere das übernehmen müssen (kirchliche und nichtkirchliche Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften).

Eine Einschätzung, dass es erst vielen Menschen ganz schlecht gehen muss, bis sie sich für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen, würde ich persönlich nicht teilen. Ich sehe keine solche "Zwangsläufigkeit". Im Gegenteil: Aufgrund von Armut und Hunger entstehen Kriege, Diktaturen (die Arbeitslosigkeit war ein Faktor für den Hitlerfaschismus z.B.) und mehr Zulauf für Religionen, die auf ein besseres Jenseits vertrösten.

Zarathustra
15.05.2019, 15:12
Ok, kannst Du auch nicht. Aber



Du scheinst ja doch von seiner Existenz sehr überzeugt zu sein.

Worauf gründet sich diese Überzeugung?

Ich wäre Dir dankbar, wenn Deine Antwort allgemeinverständlich und philosophiefrei ausfiele!

1. Wie kommt es, daß Du zu wissen meinst, welche Positionen ich vertreten kann und welche nicht?

2. Meine persönlichen Überzeugungen sind für die Sache irrelevant. Mir geht es um die allgemeine Argumentation und da auch nur darum die negative Seite, also die Mangelhaftigkeit der hier vorgetragenen Argumente gegen den christl. Glauben aufzuzeigen.

3, Philosophische Fragen können nicht „philosophiefrei“ beantwortet werden.

Zarathustra
15.05.2019, 15:13
Ich dachte, es ginge um die physikalisch-messbare Wirklichkeit, also eben auch dingliche, im Unterschied zur fiktiven.
...


Mir ging es eher darum, ob zur Wirklichkeit ausschließlich das physikalisch Messbare zählt, wie Klugschnacker behauptete, oder ob die Wirklichkeit mehr umfaßt, z.B. wie bei Marx auch die "praktisch-menschliche Tätigkeit" oder das "gesellschaftliche Sein". Ansonsten danke für Deine ausführlichen Erläuterungen.


Und wie ist der Begriff "Ursache" zu verstehen? Deterministisch. Alle Vorgänge auf der Welt sind durch Gott mittelbar verursacht und würden ohne ihn nicht geschehen? Mir fallen assoziativ dazu Teilhard de Chardin und darauf basierende Anschauungen ein?

Ursächlichkeit impliziert keinen Determinismus, denn Gott kann Ursache sowohl von Notwendigem als auch von Kontingentem sein.
Mit Teilhard de Chardin kenne ich mich nicht aus.

Zarathustra
15.05.2019, 15:15
Wo könnte ich denn beispielsweise nachlesen, welches der Glaubensinhalt des Christentums ist? Soweit ich weiß, gibt es im Christentum zu praktisch jedem Detail unterschiedliche Auffassungen ...

Klar gibt es unterschiedliche Auffassungen zu Detailfragen, aber auch genügend Einigkeit in den Grundfragen. Sofern es sich um die kath. Lehre handelt sind die relevantesten Autoren: Augustinus, Anselm, Thomas. Welche Bücher, hängt von Deinem speziellen Interesse ab...


... er verursacht über diesen einmaligen Schöpfungsakt hinaus sämtliche Vorgänge innerhalb der Welt zu jedem Zeitpunkt.

Anders gesagt, Gott verursacht permanent nicht nur das Vorhandensein der Welt, sondern auch alle Vorgänge in ihr. Dabei hält er sich an bestimmte Regeln, die wir in Form von Naturgesetzen erforschen können.

Ist das so korrekt wiedergegeben?

Er verursacht das Vorhandensein der Welt, ihr Weiterbestehen und sowohl mittelbar als auch unmittelbar Vorgänge in ihr. Die Naturwissenschaften erforschen Vorgänge in der Welt, sofern in ihnen Gesetzmäßigkeiten zu entdecken sind.

Zarathustra
15.05.2019, 15:16
... denn niemand aus der atheistischen Abteilung hat je behauptet, er könne die Nicht-Existenz der Götter beweisen. ...

... Denn der Widerspruch der Theodizee (warum gibt es Leid) bringt am Ende die konkrete christliche Gotteshypothese zu Fall...

Gehörst Du also nicht mehr zur „atheistischen Abteilung“?



... Thomas von Aquin... Auf diesen Unsinn bist Du nicht weiter eingegangen. Warum nicht?

Weil Du wie üblich nicht mehr beweist als Deine Unfähigkeit des genauen Lesens und der korrekten Wiedergabe von Gedankengängen anderer.

Ich habe Dich so verstanden...

Das habe ich nicht geschrieben. Oder anders gesagt: Mit Flamingo als Schläger und Igel als Ball spielt es sich schlecht Croquet.

Zarathustra
15.05.2019, 15:18
Würdest Du Deinen Glauben an Gott (a) oder (b) zuordnen?
...

Weder noch.



Dann sind wir uns ja einig: dies ist Ausdruck eines Glaubens, der für Dich die gleiche Wirklichkeit beinhaltet wie für Ägypter seinerzeit Isis und Osiris.
...

Was die subjektive Seite der Wirklichkeit betrifft vielleicht schon, absolut betrachtet aber nicht. Über Isis und Osiris weiß ich allerdings zu wenig.



... Wusste Thomas von Aquin mehr über Gott als Du? Oder ist das nicht lediglich eine historische Quelle des Nachdenkens über Gott aus Basis des damals verfügbaren Wissens?


Nein, er glaubte mehr... Er wußte also mehr als ich über den Glaubensinhalt, u.a. da er tiefer darüber nachgedacht hat.



Ich könnte mit dem gleichen Interesse und Aussicht auf zutreffende Aussagen über das Wesen der Welt über Schriften zu Isis und Osiris lesen, oder nicht?

Ich denke, man kann auch aus Schriften zu Isis und Osiris etwas über das Wesen der Welt lernen, schätze die Aussicht auf zutreffende Aussagen aber allgemein als geringer ein.

Jörn
15.05.2019, 15:57
Hallo Zarathustra, mal ganz unverblümt gefragt mit der Bitte um eine ehrliche Antwort: Macht die Debatte mit Dir überhaupt einen Sinn?

In Deinen letzten paar Postings machst Du deutlich, dass Du Deine eigene Position nicht darlegen wirst (siehe Deine Antwort auf LidlRacer), sondern dass es Dir nur darum geht, die Argumente der anderen Teilnehmer zu neutralisieren. Rückfragen von mir beantwortest Du generell nicht, anderen weichst Du oft aus oder stellst Gegenfragen. Ist das nicht ein destruktiver Ansatz?

Die Neutralisation der Gegenargumente gelingt Dir jedoch nicht, und zwar unter anderem deshalb nicht, weil Deine paar Halbsätze bei weitem nicht clever genug sind, um die säkulare/wissenschaftliche Argumentation aus den Angeln zu heben. Ich finde, Du überschätzt Dich hier sehr deutlich.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass Du mit exaktem Kalkül Deine eigene Position nicht nennen möchtest, weil Du die Erfahrung gemacht hast, dass Deine Glaubwürdigkeit dadurch vermindert würde. Grund: Deine Antwort an Klugschnacker, Gott würde zu jedem Zeitpunkt alle Vorgänge in der Welt verursachen, erinnert doch sehr stark an fanatische Positionen aus dem erzkatholischen Randbereich. Eigentlich hatte ich Dich ja als evangelikal vermutet, weil man radikale Positionen meist dort vorfindet, und weil ich manche Deiner Argumentationen in diesem Umfeld angetroffen habe.

Wenn Du Dich in Deinem Glauben tatsächlich auf Augustinus und Thomas von Aquin beziehen solltest, fände ich das sehr bemerkenswert bzw. erschreckend.

Ich habe in einem früheren Posting dargelegt, dass Thomas von Aquin sogar behauptet, er wisse, aus welchem Material die Engel bestehen, wie sie sich fortbewegen und in welcher Sprache sie kommunizieren. Auf diesen Unsinn bist Du nicht weiter eingegangen. Warum nicht?

Was ist mit der Auffassung von Thomas von Aquin, die Verfolgung und das Töten von Ungläubigen wäre statthaft?

Jörn
15.05.2019, 16:00
aber auch genügend Einigkeit in den Grundfragen.

Also das ist nun wirklich blühender Unsinn. Sorry.

Wenn Du möchtest, kannst Du zwei oder drei solcher Grundfragen nennen und jene Position skizzieren, über die angeblich Einigkeit herrscht. Ich werde Dir dann namhafte Theologen oder Kirchenfunktionäre nennen, die dieser Position widersprechen.

Klugschnacker
15.05.2019, 19:56
Er [Gott] verursacht das Vorhandensein der Welt, ihr Weiterbestehen und sowohl mittelbar als auch unmittelbar Vorgänge in ihr. Die Naturwissenschaften erforschen Vorgänge in der Welt, sofern in ihnen Gesetzmäßigkeiten zu entdecken sind.

Ich habe es noch nicht ganz verstanden. Hättest Du zwei Beispiele parat, jeweils für einen unmittelbar und mittelbar von Gott verursachten Vorgang?
:Blumen:

waden
15.05.2019, 19:59
Nein, er glaubte mehr... Er wußte also mehr als ich über den Glaubensinhalt, u.a. da er tiefer darüber nachgedacht hat.
..

Ich denke, man kann auch aus Schriften zu Isis und Osiris etwas über das Wesen der Welt lernen, schätze die Aussicht auf zutreffende Aussagen aber allgemein als geringer ein.

Warum? Meinst Du, dass die die Ägypter nicht ausreichend tief über den Glaubensinhalt ihres Götterglaubens nachdachten?
Und weshalb sollte deren Glaubensinhalt weniger über die Welt aussagen können als der von Th.v.Aquin?
Weil es die falschen Götter sind?
Oder weil der Glaube noch älter ist und noch weniger zu dem seither gewonnenen Wissen über unsere Welt passt?

qbz
15.05.2019, 20:11
Ich habe es noch nicht ganz verstanden. Hättest Du zwei Beispiele parat, jeweils für einen unmittelbar und mittelbar von Gott verursachten Vorgang?
:Blumen:

also, ich bin auch neugierig auf die Antwort.

Vorgänge für ein göttliches Wirken, die Zarathustra vielleicht meint, könnten z.B. die Ausstattung des Homo Sapiens mit Bewusstsein, die Menschwerdung vom Sohn Gottes, Jungfrauen Zeugung von Jesus, die Auferstehung von Jesus u.a. darstellen. Was davon "mittelbar" oder "unmittelbar" ist? Mittelbar: Evolution, Auferstehung: unmittelbar.

Jörn
15.05.2019, 21:08
Mir wären Beispiele angenehm, die in der Gegenwart angesiedelt sind und nicht auf Hörensagen basieren.

Klugschnacker
15.05.2019, 21:20
Mir ging es eher darum, ob zur Wirklichkeit ausschließlich das physikalisch Messbare zählt, wie Klugschnacker behauptete, oder ob die Wirklichkeit mehr umfaßt, z.B. wie bei Marx auch die "praktisch-menschliche Tätigkeit" oder das "gesellschaftliche Sein".

Hier verstehst Du mich vermutlich falsch. Einer praktisch-menschlichen Tätigkeit würde ich sehr wohl eine konkrete Existenz zusprechen, ebenso dem gesellschaftlichen Sein. Ich sehe da keinerlei Schwierigkeiten. Vielleicht müsstest Du, falls Du darauf eingehen möchtest, verdeutlichen, wo Dein Problem damit liegt.

Mir ging es eher um die Frage, ob Gott Auswirkungen auf die Welt hat, die wir feststellen können. Denn man will ja eine Welt, in der Gott existiert, unterscheiden können von einer Welt, in der er nicht existiert. Also frage ich nach den Auswirkungen seiner Existenz auf die Welt, die wir feststellen können. Das ist doch ein ganz vernünftiger Ansatz, wie mir scheint.

Ich finde den Standpunkt plausibel, dass eine Welt, die von einem vollkommenen Wesen erschaffen wurde, anders aussehen müsste als eine, die sich blind aus Zufall und Selektion entwickelt hat. Warum habe ich einen Blinddarm?
:Blumen:

Klugschnacker
15.05.2019, 21:41
also, ich bin auch neugierig auf die Antwort.

Vorgänge für ein göttliches Wirken, die Zarathustra vielleicht meint, könnten z.B. die Ausstattung des Homo Sapiens mit Bewusstsein, die Menschwerdung vom Sohn Gottes, Jungfrauen Zeugung von Jesus, die Auferstehung von Jesus u.a. darstellen. Was davon "mittelbar" oder "unmittelbar" ist? Mittelbar: Evolution, Auferstehung: unmittelbar.

Mir ist vor allem die mittelbare Verursachung eines Vorgangs durch Gott nicht klar. Ich erläutere im nächsten Absatz meine Schwierigkeiten damit. Gott als unmittelbare Ursache ist für mich klarer: Wenn beispielsweise ein Tröpfchen Flüssiggas verdampft und Feuer fängt, dann wäre dies ein von Gott unmittelbar verursachter Vorgang, und zwar Atom für Atom. Naturgesetze beschreiben diesen Vorgang, sind aber nicht selbst die Ursache.

Wenn nun ein Mensch ein Feuerzeug in der Hand hält, und kraft seines Willens beschließt, ein Tröpfchen Flüssiggas zu entzünden: Dann ist dies ebenfalls von Gott verursacht, aber nur mittelbar. Das Mittel zur Umsetzung der göttlichen Ursache ist der Mensch. Der Mensch drückt die Taste des Feuerzeugs.

So verstehe ich den Unterschied zwischen mittelbar und unmittelbaren Wirkungen Gottes, bis es mir jemand besser erklärt.

Mein Problem ist dabei folgendes. Wenn ich ein Feuerzeug entzünde, wirkt Gott sowohl mittelbar als auch unmittelbar: Mittelbar wirkt er über meinen Willen, den er als allmächtiges Wesen jederzeit voraussah. Ich drücke die Taste des Feuerzeugs. Anschließend wirkt Gott unmittelbar, indem er auf jedes einzelne Gasatom ursächlich einwirkt, damit Feuer bewirkt wird. Diese nachgeschaltete unmittelbare Wirkung Gottes hat es in sich.

Beispielsweise, wenn man sich vorstellt, dass das Feuerzeug an einen Holzstapel gehalten wird, auf dem ein Mensch lebendig verbrannt werden soll. Oder in Auschwitz ein Ofen entzündet wird. Gott wirkt hier mittelbar, aber auch unmittelbar. Am Feuerzeug die Taste zu drücken, tut der Mensch; dass daraus Feuer entsteht, verursacht Gott. Ist das nicht eine schreckliche Vorstellung?

qbz
15.05.2019, 22:44
.......
Beispielsweise, wenn man sich vorstellt, dass das Feuerzeug an einen Holzstapel gehalten wird, auf dem ein Mensch lebendig verbrannt werden soll. Oder in Auschwitz ein Ofen entzündet wird. Gott wirkt hier mittelbar, aber auch unmittelbar. Am Feuerzeug die Taste zu drücken, tut der Mensch; dass daraus Feuer entsteht, verursacht Gott. Ist das nicht eine schreckliche Vorstellung?

Ein ähnliches Menschenbild ergibt sich meines Erachtens schon aus der Erzählung von Adam und Eva und der Erbsünde für alle Menschen. Ich habe als Kind schon nie verstanden, weshalb Gott friedliche Menschen geschaffen haben soll, den Sündenfall nicht verhindert habe und aus den Menschen Mörder (Kain) werden liess. Als bösen Gegenspieler erdachte man sich in der Erzählung den Teufel, um den Sündenfall und die Erbsünde zu erklären. Die Religion trennt damit streng "gut" und "böse" auf, in Gott und den Teufel, eine dualistische Ethik.

Es gibt ja in der Theologie gerade bei der Prädestinationslehre (Erbsünde) von Anfang der Kirchengeschichte an schon unterschiedliche Auffassungen.

Jörn
15.05.2019, 22:45
Am Feuerzeug die Taste zu drücken, tut der Mensch; dass daraus Feuer entsteht, verursacht Gott. Ist das nicht eine schreckliche Vorstellung?

Klingt nach "schachmatt".

Ähnliche Probleme werden in der Theologie schon länger debattiert (natürlich ohne Ergebnis). Und zwar geht es dabei meist um das "Herbeirufen" von Gott, Jesus oder dem Heiligen Geist.

Beispiel: Das Herbeirufen von Jesus während dem Verzehr von Wein und Oblate bei der Eucharistie-Feier ("Realpräsenz"). Das vom Menschen gemachte Ritual wäre das Feuerzeug, und die tatsächliche Präsenz von Gott wäre die Flamme.

Die Frage ist: Kann man Gottes Präsenz durch ein bestimmtes Ritual erzwingen? Dann würde man ihm seine Freiheit und Souveränität rauben. Der Mensch würde dann nicht mehr mittelbar (als "Rufer") agieren, sondern quasi-unmittelbar, weil Gott sich wie eine Handpuppe in der Hand des Priesters verhalten würde.

Ein weiteres Beispiel wäre die Taufe. Ist der Heilige Geist hier nur die Handpuppe in der Hand des Priesters? Oder kommt er, wann er will?

Oder das Vergeben von Sünden durch den Priester.

Für die Theologen ist unverzichtbar, dass Gott im letzten Schritt souverän bleibt. Gott allein entscheidet also über die Realpräsenz, über die Taufwirkung, und letztlich auch, ob das Feuerzeug zündet.

Trimichi
15.05.2019, 23:19
Sieht so aus, als ob manche der hier im Thread Anwesenden im Reli-Unterricht ein Nickerchen gemacht haben.

Tja.

Geschichte ist auch viel wichtiger. Da darf man sich keinen Fünfer leisten, so wie in Reli. Deswegen: es ist ein weit verbreiterter Irrtum, dass Kaiser Nero nicht dieser Schwarzenegger, sondern Peter Ustinov ist !

Jörn
15.05.2019, 23:23
Immerhin sind sie nach dem Reli-Unterricht wieder aufgewacht, was ihnen in diesem Thread einen gewissen Vorsprung verschafft.

Trimichi
15.05.2019, 23:31
Falsch, weil das Nickerchen ja eine Bildungslücke impliziert. Riecht nach "Schachmatt"? Wären Reli-Lehrer böse, so würden sie Sechser vergeben. Und das bedeutete: sitzen geblieben. Da hilfte dann auch das Aufwachen nachher nichts mehr. Sitzengeblieben ist Sitzengeblieben. Ob wach oder schlafened interessiert in den Sommerferien niemanden. Damit will ich nur andeuten, dass Gott mittelbar gut ist. Weil Reli-Lehrer keine Sechser vergeben in aller Regel.

Jörn
15.05.2019, 23:34
Damit will ich nur andeuten, dass Gott mittelbar gut ist. Weil Reli-Lehrer keine Sechser vergeben in aller Regel.

Wie verhält sich die Sache, wenn der Reli-Lehrer sich einem Schüler ungebührlich nähert? Ist Gott dann ebenfalls "mittelbar gut"?

Trimichi
15.05.2019, 23:37
Wie verhält sich die Sache, wenn der Reli-Lehrer sich einem Schüler ungebührlich nähert? Ist Gott dann ebenfalls "mittelbar gut"?

Nein. Er landete in diesem Fall mit Jochbeinbruch im Krankenhaus. Die Schulleitung hat den Schüler freigesprochen, zumal der Lehrer unglücklich mit dem Kopf auf dem Lehrerpult aufgeschlagen ist. Dumm gelaufen, könnte man sagen.

Heute muss man keine Selbstjustiz üben, weil die Kirche einlenkt, insofern, dass die Opferverbände eine strafrechtliche Verfolgung fordern. Zu Recht.

Klugschnacker
16.05.2019, 07:10
Klar gibt es unterschiedliche Auffassungen zu Detailfragen, aber auch genügend Einigkeit in den Grundfragen. Sofern es sich um die kath. Lehre handelt sind die relevantesten Autoren: Augustinus, Anselm, Thomas. Welche Bücher, hängt von Deinem speziellen Interesse ab...

Du sagst, bei Augustinus, Anselm und Thomas von Aquin könne ich nachlesen, was die katholische Glaubenslehre sei. Ich möchte gerne näher darauf eingehen. Um es nicht ausufern zu lassen, würde ich mich auf einen der drei beschränken, wenn Du einverstanden bist. Welchen der drei wollen wir nehmen?

Entspricht alles, was dieser Autor geschrieben hat, der katholischen Glaubenslehre? Oder nur Teile davon, andere aber nicht?

qbz
17.05.2019, 20:33
Heute wurde gemeldet, dass die Opfer der christlichen Sekte Colonia Dignidad in Chile, die von einem Deutschen gegründet und faschistisch geleitet wurde, eine Entschädigung erhalten sollen. Die Sektenführer quälten und missbrauchten Kinder, sie arbeiteten mit dem Pinochet-Regime zusammen und es fanden Folterungen, medizinische Experimente, Morde von Chilenen auf dem gesicherten Gelände der Colonia Dignidad statt. Damals bestritten die Deutsche Botschaft in Chile und die deutsche Regierung die unmenschlichen Taten in der Colonia Dignidad und unterstützten die Sekte. Die Entschädigung bedeutet IMHO wenigstens eine (viel zu) späte Anerkennung für die Opfer. colonia-dignidad-sekte-chile-opfer-entschaedigung (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-05/colonia-dignidad-sekte-chile-opfer-entschaedigung)

Wikipedia bietet einen detaillierten Überblick über die Geschichte der Colonia Dignidad und das Verhalten der Politik. Colonia_Dignidad (https://de.wikipedia.org/wiki/Colonia_Dignidad)

Jörn
17.05.2019, 21:52
Danker für die Infos und den Wikkipedia-Link.

Es ist erstaunlich, wie stabil sich solche Systeme über lange Zeit halten können.

Daran kann man sehen, dass nicht solche Systeme lange bestehen bleiben, die nützlich sind, sondern jene, die einen guten Mechanismus zur Selbsterhaltung gefunden haben.

merz
17.05.2019, 22:47
Evolutionär widersprüchlich, oder?

m.

Jörn
17.05.2019, 22:52
Im Gegenteil. Die Evolutionslehre erklärt u.a. dieses Phänomen.

Ein Grippevirus verbreitet sich nicht, weil er für den Organismus nützlich wäre, sondern weil er einen guten Mechanismus zu seiner eigenen Verbreitung gefunden hat. Er verbreitet sich, weil er gut ist im Verbreiten.

Religionen, die es geschafft haben, sich über den Globus auszubreiten, sind gut in der eigenen Verbreitung -- das ist alles, was letztlich dahintersteckt. Der Rest ist nebensächlich.

Das gilt übrigens auch für Augustinus, Anselm und Thomas von Aquin. Was sie gesagt und geschrieben haben, ist inhaltlich völlig nebensächlich. Entscheidend ist, ob ihre Thesen förderlich oder hemmend für die Ausbreitung/Festigung ihrer Konfession waren. Wären ihre Thesen hemmend oder gar zerstörerisch für ihre Konfession gewesen, würde heute niemand mehr ihre Namen kennen (und, je nach Erfolg, auch ihre Konfession nicht).

qbz
17.05.2019, 23:29
Danker für die Infos und den Wikkipedia-Link.

Es ist erstaunlich, wie stabil sich solche Systeme über lange Zeit halten können.

Daran kann man sehen, dass nicht solche Systeme lange bestehen bleiben, die nützlich sind, sondern jene, die einen guten Mechanismus zur Selbsterhaltung gefunden haben.

Ein Grund für die lange Existenz dieser furchtbaren Gewaltsekte liegt natürlich in der Zusammenarbeit mit dem chilenischen Regime und dem Geheimdienst. Nach dem Sturz des Pinochet-Regimes erhielt die Sekte weiter Unterstützung durch ehemalige Pinochet-Anhänger und aus Deutschland. Für den chilenischen Geheimdienst war die Colonia Dignidad schon sehr nützlich als Tarnung.

Man muss sich das mal vorstellen: Paul Schäfer, Ermittlungsverfahren wegen sex. Kindesmissbrauch und angeklagt, ein Pädosexueller, durfte mit 150 (!) Heimkindern, wo er Heimgründer war, aus Deutschland nach Chile auswandern und dort die Colonia Dignidad, zuerst ein Jugendheim, gründen und den Jugendämtern und Eltern in DE Bilder einer fröhlichen, musizierenden, bayrisch-christlichen harmonischen Gemeinschaft aus Chile senden. Ich bin kein Verschwörungsanhänger, aber ohne Kontakte und Mithilfe von entscheidungsbefugten Instanzen in DE war die Ausreise von 150 Kindern mit einem Charterflugzeug nach Chile nicht möglich.

Jörn
17.05.2019, 23:36
@qbz

Ja, aber eine andere Sache ist, warum die "Insassen" sich so schwer lösen konnten, obwohl sie offenbar gelitten haben (oder haben sie das nicht?). Das hat ja mit der Regierung und all dem nichts zu tun.

qbz
17.05.2019, 23:41
Danker für die Infos und den Wikkipedia-Link.
........


Es gibt einen ca. 1h Dokumentarfilm (https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLWQwZmNmMTA4LWE0OTItND RmYi1iMWNkLTJiMzZkOWQyMjI3OQ/) der ARD mit einer Frau, Gudrun Müller, die 37 Jahre in dieser Sekte gelebt hat bzw. gefangen war.

Ausserdem einen Kinofilm mit Emma Watson, der auch die Verflechtungen mit dem Pinochet-Regime behandelt.

qbz
17.05.2019, 23:44
@qbz

Ja, aber eine andere Sache ist, warum die "Insassen" sich so schwer lösen konnten, obwohl sie offenbar gelitten haben (oder haben sie das nicht?). Das hat ja mit der Regierung und all dem nichts zu tun.

Faschistische Gewaltherrschaft und Ausbeutung nach innen: Einerseits ideologische, religiöse Bindung an ein geschlossenes System und Führer, andererseits totale Herrschaftskontrollen und für Abweichler harte Strafen, Elektroschocks, Psychopharmaka und keine Fluchtmöglichkeit (gesicherter Elektrozaun, Mauer). Die deutsche Botschaft soll sogar Flüchtlinge wieder zurück in die Kolonie geschickt haben.

Von innen heraus folgte kein Aufstand oder Putsch, die Gehirnwäsche und Unterdrückung war zu stark. Es musste sich das Umfeld ändern, damit der "Führer" floh und die Sekte sich veränderte zur heutigen "Colonia Bavaria", in der wieder die demokratischen Grundrechte und Normen gelten.

qbz
19.05.2019, 20:07
"Ein Dokumentarfilm zeigt auf eindrückliche Weise die Opfer von pädophilen Priestern in Polen und wirft damit hohe Wellen. Das Werk ritzt am nationalen Selbstverständnis.
"15 Millionen. So viele Menschen haben sich auf Youtube seit Samstag «Sag es nur niemandem» angeschaut. Es ist keine leichte Unterhaltung, welche die Gebrüder Sekielski bieten: In dem zweistündigen Dokumentarfilm geht es um den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Polens katholischer Kirche. Das Thema ist politisch derart heiss, dass weder öffentlichrechtliche noch private Fernsehsender Geld sprechen wollten. Am Ende bezahlten 2500 Kleinspender für den Film – über Crowdfunding."
https://www.nzz.ch/international/polen-dokumentarfilm-loest-debatte-ueber-missbrauch-in-kirche-aus-ld.1481349

Den Dokumentarfilm gibt es meines Wissens noch nicht mit Untertiteln in anderen Sprachen.

Zarathustra
25.05.2019, 01:44
... Macht die Debatte mit Dir überhaupt einen Sinn?


Wenn die Diskussion zwischen Dir und mir gemeint ist, lautet die Antwort eindeutig: Nein! Hauptgründe dafür sind, daß Du ständig Positionen falsch wiedergibst, Dir selbst widersprichst und bei Dir das wenige, was an Argumentation kommt, von zuviel Polemik und Empörung überdeckt wird.




... dass Thomas von Aquin sogar behauptet... Auf diesen Unsinn bist Du nicht weiter eingegangen. Warum nicht?
...

Wenn Du eine Auffasung egal von wem diskutieren willst, ist die Mindestanforderung immer, daß Du diese nicht von vornherein falsch oder entstellend wiedergibst, was Dir natürlich auch im Folgenden wieder nicht gelingt:


Was ist mit der Auffassung von Thomas von Aquin, die Verfolgung und das Töten von Ungläubigen wäre statthaft?

_____________



Wenn Du möchtest, kannst Du zwei oder drei solcher Grundfragen nennen und jene Position skizzieren, über die angeblich Einigkeit herrscht. Ich werde Dir dann namhafte Theologen oder Kirchenfunktionäre nennen, die dieser Position widersprechen.

1. Es gibt einen allmächtigen Gott, der der Schöpfer der Welt ist.
2. Jesus Christus ist der menschgewordene Sohn Gottes.

Theologen oder Kirchenfunktionäre, die diesen Minimalthesen widersprechen, können nicht für die christl. Lehre sprechen und sind damit für die Diskussion irrelevant.

Zarathustra
25.05.2019, 01:46
Warum? Meinst Du, dass die die Ägypter nicht ausreichend tief über den Glaubensinhalt ihres Götterglaubens nachdachten?
Und weshalb sollte deren Glaubensinhalt weniger über die Welt aussagen können als der von Th.v.Aquin?
...

Um das zu beantworten, weiß ich zu wenig über die ägyptische Religion. Ich hatte nur meine Vermutung geäußert.



Weil es die falschen Götter sind?

Vermutlich ja, und zu viele.



Oder weil der Glaube noch älter ist und noch weniger zu dem seither gewonnenen Wissen über unsere Welt passt?

Der eigentlich religiöse Glaubensinhalt ist unabhängig von inzwischen gewonnenem Wissen.

Zarathustra
25.05.2019, 01:47
... Einer praktisch-menschlichen Tätigkeit würde ich sehr wohl eine konkrete Existenz zusprechen, ebenso dem gesellschaftlichen Sein. Ich sehe da keinerlei Schwierigkeiten. Vielleicht müsstest Du, falls Du darauf eingehen möchtest, verdeutlichen, wo Dein Problem damit liegt.


Du sagtest, wirklich ist, was physikalisch messbar ist. Dazu zählt weder praktisch-menschliche Tätigkeit noch gesellschaftliches Sein.



Mir ging es eher um die Frage, ob Gott Auswirkungen auf die Welt hat, die wir feststellen können. Denn man will ja eine Welt, in der Gott existiert, unterscheiden können von einer Welt, in der er nicht existiert. Also frage ich nach den Auswirkungen seiner Existenz auf die Welt, die wir feststellen können. Das ist doch ein ganz vernünftiger Ansatz, wie mir scheint.
...

Es ist verständlich, daß Du diese Unterscheidung gerne treffen können wolltest. Vielleicht ist das aber gar nicht möglich.



Ich finde den Standpunkt plausibel, dass eine Welt, die von einem vollkommenen Wesen erschaffen wurde, anders aussehen müsste als eine, die sich blind aus Zufall und Selektion entwickelt hat. Warum habe ich einen Blinddarm?
:Blumen:

Die Existenz Deines Blinddarms gegen die Existenz Gottes zu stellen, ist bestenfalls genauso plausibel wie in der Erhabenheit des Sternenhimmels ein Argument für ihn zu sehen.

Zarathustra
25.05.2019, 01:50
... Hättest Du zwei Beispiele parat, jeweils für einen unmittelbar und mittelbar von Gott verursachten Vorgang?
:Blumen:

...
Vorgänge für ein göttliches Wirken, die Zarathustra vielleicht meint, könnten z.B. die Ausstattung des Homo Sapiens mit Bewusstsein, die Menschwerdung vom Sohn Gottes, Jungfrauen Zeugung von Jesus, die Auferstehung von Jesus u.a. darstellen. Was davon "mittelbar" oder "unmittelbar" ist? Mittelbar: Evolution, Auferstehung: unmittelbar.

Ja, das kommt hin. Allerdings würde ich 'mit rationaler Seele' anstelle von 'mit Bewußtsein' setzen.


... Gott als unmittelbare Ursache ist für mich klarer: Wenn beispielsweise ein Tröpfchen Flüssiggas verdampft und Feuer fängt, dann wäre dies ein von Gott unmittelbar verursachter Vorgang, und zwar Atom für Atom. Naturgesetze beschreiben diesen Vorgang, sind aber nicht selbst die Ursache.
...

Nein, die gesetzmäßen Vorgänge in der Natur zählen zu den mittelbar verursachten Vorgängen. Da Gott den Naturdingen eigene Ursächlichkeiten mitgegeben hat, sind jene untereinander jeweils ihre unmittelbaren Ursachen und Gott nur mittelbare Ursache. Die von Dir dargestellte Position nennt sich übrigens Okkasionalismus.

Zarathustra
25.05.2019, 01:52
Du sagst, bei Augustinus, Anselm und Thomas von Aquin könne ich nachlesen, was die katholische Glaubenslehre sei. ...

Wenn Du nach Voraussetzungen und Begründungen der Glaubenslehre suchst.

... Welchen der drei wollen wir nehmen?
...

Die Empfehlung hängt wohl von der spezifischen Fragestellung ab, die Dich interessiert.


Entspricht alles, was dieser Autor geschrieben hat, der katholischen Glaubenslehre? Oder nur Teile davon, andere aber nicht?

Alles? Weiß ich nicht. Für den Anfang ist aber ohnehin die Konzentration auf das Grundlegende angebracht.

Jörn
25.05.2019, 05:29
Wenn die Diskussion zwischen Dir und mir gemeint ist, lautet die Antwort eindeutig: Nein! Hauptgründe dafür sind, daß Du ständig Positionen falsch wiedergibst, Dir selbst widersprichst und bei Dir das wenige, was an Argumentation kommt, von zuviel Polemik und Empörung überdeckt wird.

Das soll ein Argument sein?

Ich finde schon, dass sich die Diskussion lohnt. Öffentliche Debatten sind nicht nur für jene interessant, die direkt an ihnen beteiligt sind. Es ist oft schwierig, die eigene Position zu überdenken oder gar zu ändern, wenn man selbst mitten in der Debatte steckt; gerade bei religiösen Überzeugungen. Aber für die Leser oder Zuhörer kann es dennoch aufschlussreich sein, Rede und Gegenrede abzuwägen.

Meine Position lässt sich kurz zu zwei Punkten zusammenfassen:

1. Die von Dir vorgebrachte Theologie, soweit man sie aus Deinen Halbsätzen und Andeutungen destillieren kann, ist nach meiner Einschätzung ziemlich substanzlos.

Dabei verwendest Du einen großen Teil Deiner Mühen darauf, eine besondere geistige Tiefe zu suggerieren. Aber mein bisheriger Eindruck ist, dass bei der näheren Untersuchung Deiner Thesen nicht viel Greifbares herausgekommen ist. Es liegt an Dir, irgendwann mal substantielle Erkenntnisse, Argumente oder Fakten auf den Tisch zu legen. Du wurdest oft darum gebeten, aber Du weichst stets aus und benötigst dafür sehr viel Zeit, sehr viele Umwege und sehr viele Rückfragen.

2. Inhaltlich befindest Du Dich nach meinem bisherigen Eindruck in der Nähe des christlichen Fundamentalismus. Liege ich damit falsch? Mit Augustinus und Thomas von Aquin zu argumentieren ist "hardcore" und hat mit dem üblichen "Was hätte Jesus getan?"-Volksglauben nichts mehr zu tun. Ich kenne solche Haltungen sonst nur von kath.net und ähnlichen fundamentalistischen Webseiten.

Dabei sollte man bedenken, dass die (oft tödliche) Verfolgung von Nichtchristen mit diesen beiden Herren "argumentativ abgesichert" wurde.

qbz
25.05.2019, 08:50
Wenn Du eine Auffasung egal von wem diskutieren willst, ist die Mindestanforderung immer, daß Du diese nicht von vornherein falsch oder entstellend wiedergibst, was Dir natürlich auch im Folgenden wieder nicht gelingt:
Jörn: "Was ist mit der Auffassung von Thomas von Aquin, die Verfolgung und das Töten von Ungläubigen wäre statthaft?"




Diesen Einwand gegenüber Jörn verstehe ich nicht. Der Text von Thomas von Aquin in der Summa theologica zum Thema "Häresie" erscheint mir kaum eine andere Interpretation wie die von Jörn zuzulassen. Gegen die Hinrichtung von Häretikern spricht nach Th. von Aquin, dass man damit den Häretikern die Chance verwehrt, Busse zu tun und sich zu bessern, das Fehlen von Rückkehrmöglichkeiten zum rechten Glauben sowie dass Häretiker selber indirekt und ungewollt zur Festigung des richtigen Glaubens beitragen, für die Hinrichtung spricht der Schweregrad der Schuld und das Festhalten am Ketzertum nach zwei Verweisen.

" a) Die Häretiker müssen geduldet werden. Denn:

I. Der Apostel (2. Tim. 2.) sagt: „Der Diener Gottes soll sanftmütig sein, mit Bescheidenheit bessern jene, die der Wahrheit widerstehen; daß doch Gott ihnen Reue einflöße, um die Wahrheit zu erkennen und daß sie sich befreien aus den Fallstricken der Sünder.“ Werden aber die Häretiker nicht geduldet oder gar dem Tode überliefert, so nimmt man ihnen die Möglichkeit, Buße zu thun. Also ist dies gegen das Apostolische Gebot.

II. Was notwendig ist in der Kirche, das soll man ertragen. Der Apostel aber sagt: „Es müssen Häresien sein, damit die erprobt sind in euch offenbar werden.“(1. Kor. 11.)

III. Matth. 13. ermahnt der Herr, man solle das Unkraut lassen bis zur Ernte d. h. bis zum Ende der Welt. Das Unkraut aber sind die Häretiker.

Auf der anderen Seite heißt es Tit. 3.: „Den häretischen Menschen vermeide nach dem ersten und zweiten Verweise; denn wisse, daß ein derartiger verkehrt ist.“

b) Ich antworte; rücksichtlich der Häretiker muß etwas berücksichtigt werden von seiten der Häretiker und etwas von seiten der Kirche.

Auf seiten der Häretiker steht ihre Sünde, kraft deren sie verdient haben, nicht nur von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen zu werden, sondern auch aus der Welt zu scheiden durch den Tod. Denn weit schwerere [S. 89] Schuld ist es, den Glauben zu fälschen, welcher der Seele das Leben gewährt, wie Geld zu fälschen, das nur zum Unterhalte des zeitlichen Lebens dient. Wenn also die Falschmünzer und dergleichen Übelthäter seitens der weltlichen Fürsten mit dem Tode bestraft werden und zwar gerechterweise, so verdienen dies um so mehr die Häretiker, sobald sie überführt werden der Häresie.

Auf seiten der Kirche aber besteht Erbarmen, damit die Häretiker sich bekehren. Und deshalb verurteilt sie nicht allsogleich, sondern „nach dem ersten und zweiten Verweise.“ Nachher aber, dauert die Hartnäckigkeit fort und kann die Kirche eine Bekehrung nicht mehr hoffen, sorgt sie für das Seelenheil der anderen, trennt „den häretischen Menschen“ von der Kirchengemeinschaft und überläßt ihn dem bürgerlichen Gerichte, daß er durch den Tod von der Welt geschieden werde. Denn Hieronymus sagt (ad Gal. 5. modicum fermentum): „Abgeschnitten muß werden das faule Fleisch; das räudige Schaf muß aus dem Schafstalle getrieben werden, damit nicht das ganze Haus, die ganze Masse, Leib und Seele brennen, verderbt werden, faulen, zu Grunde gehen. In Alexandrien war Arius ein Feuerfunke; weil man ihn aber nicht sogleich unterdrückt hat, ward von ihm der ganze Erdkreis in Flammen gesetzt."

Das gesamte Kapitel zur Häresie: Summa theologica (http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel527-3.htm)

Ich selber würde einen Theologen wie Thomas von Aquin immer nur historisch einordnen und verstehen wollen, nämlich im Kontext seiner Zeit, als einflussreicher Angehöriger eines ganz bestimmten Ordens und eines mächtigen und reichen Kirchenreiches, der er eine umfassende (göttliche, kirchliche, weltliche Fragen betreffende) einheitliche und geschlossene Lehre geben wollte.

Ps: Aber vielleichst kritisierst Du nur, dass Jörn von "Ungläubigen" statt Ketzern / Häretikern schrieb?

welfe
25.05.2019, 09:00
Dabei sollte man bedenken, dass die (oft tödliche) Verfolgung von Nichtchristen mit diesen beiden Herren "argumentativ abgesichert" wurde.

Hihi, was ist das für ein Argument? Es trifft wohl auf fast jeden Autor zu, dass er missbräuchlich/gegen seine Intention benutzt wurde. Wer eine Rechtfertigung für sein Vorhaben sucht, wird sie finden. - übrigens auch für eine „(oft tödliche) Verfolgung“ jedes Andersdenkenden/-gläubigen. Ich spreche da aus Erfahrung mit Drohbriefen und „Hassschreiben“ (ging zum Glück nicht tödlich aus :Lachen2: ).

merz
25.05.2019, 09:08
Mir wird hier übrigens rechts oben im Banner aktuell das angeboten:

https://www.aktion-kig.eu/umfrage-christliche-wurzeln_m/?gclid=EAIaIQobChMIyanY0I624gIV6YCDBx1i0ghiEAEYASA AEgLERPD_BwE

Wenn man zu oft Thomas erwähnt schlägt der Algorithmus zu :cool:

m.

Jörn
25.05.2019, 15:49
2. Jesus Christus ist der menschgewordene Sohn Gottes.

Dies ist Deine Antwort auf meine Bitte, eine These zu nennen, zu der es keine verschiedenen Meinungen innerhalb des Christentums geben würde. Denn ich hatte argumentiert, man würde zu praktisch jedem Standpunkt immer auch die gegenteilige Position innerhalb des Christentums finden.

Ich lasse Deine Bemerkung mal beiseite, dass abweichende Positionen eben nicht christlich wären und von vornherein keine Rolle spielten. (So kann man natürlich jeden Einwand entkräften.)

Ist Jesus der menschgewordene Sohn Gottes?

Bevor ich zu meinem Punkt komme, möchte ich den Mitlesern eine kurze Zusammenfassung geben, um was es geht. Es geht um zwei Fragen:

• Erstens, wie kann ein ewiger, unveränderlicher (weil bereits vollkommener) Gott überhaupt etwas "werden"? Wenn er etwas "wird": Wäre er dann noch unveränderlich, ewig und vollkommen? Dieses Problem (und einige andere) werden meist unter dem Stichwort "Präexistenz" debattiert.

• Zweitens, wie kann Gott/Jesus gleichzeitig Gott und Mensch sein? Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Jesus am Kreuz gelitten hat wie ein Mensch, oder ob es ihm aufgrund seiner Göttlichkeit und seines Wissens um seine baldige Erlösung leichter fiel. Daran hängt die "Gültigkeit" seines Opfers (und damit der Loskauf der Menschen von ihren Sünden). Dieses Problem wird unter dem Stichwort "Zwei-Naturen-Lehre" (Dyophysitismus) debattiert.

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Die Frage der "Menschwerdung" von Jesus ist eine der umstrittensten Thesen des Christentums. Es stimmt zwar, dass die These der "Menschwerdung" anhand eines päpstlichen Dogmas entschieden (aber nicht inhaltlich geklärt) wurde, und zwar auf dem "Konzil von Chalcedon" im Jahr 451. Aber bis dahin war die These hoch umstritten -- und sie war es erneut, als es nicht mehr lebensgefährlich war, dies zu äußern.

Ich hatte versprochen, dass ich moderne Kritiker nennen würde, und hier sind sie: Adolf von Harnack und Paul Althaus, beides sehr bekannte Theologen. Sie beziehen sich in ihrer Kritik hauptsächlich auf das Problem der Präexistenz.

Auch zeitgenössische Kritik um/nach dem Jahr 451 ist leicht zu finden. Es führte gar zur Spaltung der Kirche: Der altorientalische Teil der Kirche spaltete sich von der Reichskirche (katholisch und orthodox), später kam es zum Bruch mit den akakianischen und miaphysitischen Christen. In dieser Folge gab es wahre Massaker zwischen miaphysitischen und orthodoxen Gruppen innerhalb des Christentums.

Die Frage der "Menschwerdung" von Jesus streift einen sehr umfangreichen Bereich der Christologie, den ich hier nicht im Detail darstellen kann (außer, es wäre gewünscht). Wer Näheres erfahren möchte, schlage nach bei Wikipedia unter den Stichworten

- Präexistenz Christi (https://de.wikipedia.org/wiki/Präexistenz_Christi)
- Menschwerdung (https://de.wikipedia.org/wiki/Menschwerdung_Gottes)
- Konzil von Chalcedon (https://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Chalcedon)
- und "Zwei-Naturen-Lehre" (Dyophysitismus).

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Fazit

Ob Jesus ein Wundertäter, eine von Gott herausgehobene Person, oder tatsächlich selbst Gott war, ist umstritten und war es zu jeder Zeit. Selbst die vier Evangelien in der Bibel zeichnen ein unterschiedliches Bild. Je später sie geschrieben wurden, desto göttlicher wurde Jesus, bis er im späten Johannes-Evangelium schließlich selbst Gott war (während er beim früh geschriebenen Markus-Evangelium noch jede Göttlichkeit empört von sich wies, weil dies nach jüdischem Glauben eine große Gotteslästerung gewesen wäre).

Auch unter Theologen war und ist umstritten, was diese ganzen Begriffe überhaupt bedeuten sollen. War Jesus halb Mensch, halb Gott? War er ein Gott, der ein Gastspiel als Mensch gab?

Wann begann seine (Jesus) Existenz? Begann sie mit Maria, oder gab es überhaupt keinen Beginn, weil er ewig existierte? Wenn Jesus schon ewig existierte, wieso kann man dann sagen, er wäre von Gott gezeugt worden?

Gab es während seines irdischen Gastspiels keinen Unterschied zu einem Menschen? Falls doch: War er dann wirklich ein Mensch oder eher ein "Gottmensch"? Aber was unterschied einen solchen "Gottmenschen" von Gott selbst? Fehlten ihm bestimmte Kenntnisse oder Fähigkeiten? War er nur "halb-allmächtig"?

Wenn Jesus selbst Gott war, warum spricht er dann von Gott in der dritten Person und stellt ihm Fragen: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" (Mk 15,34; Mt 27,46) Wieso kann Jesus von Gott verlassen werden, wenn Jesus selbst Gott war?

Anhand dieser Fragen lässt sich leicht ablesen, warum es hier alle nur denkbaren Positionen gibt und geben muss. Die Darstellung, hier herrsche eine grundsätzliche Einigkeit unter Theologen, ist nicht plausibel und lässt sich leicht widerlegen.

Jörn
25.05.2019, 20:13
Ich habe in einem früheren Posting dargelegt, dass Thomas von Aquin sogar behauptet, er wisse, aus welchem Material die Engel bestehen, wie sie sich fortbewegen und in welcher Sprache sie kommunizieren. Auf diesen Unsinn bist Du nicht weiter eingegangen. Warum nicht?

Dritter Versuch @Zarathustra

Klugschnacker
25.05.2019, 21:02
Die Existenz Deines Blinddarms gegen die Existenz Gottes zu stellen, ist bestenfalls genauso plausibel wie in der Erhabenheit des Sternenhimmels ein Argument für ihn zu sehen.

Warum? Die Existenz meines Blinddarms ist eine Tatsache. Darin sind wir uns beide einig.

Das Vorhandensein dieses nutzlosen Organs wirft die Frage auf, ob ich damit das Erzeugnis eines vollkommenen Schöpfers sein kann. Denn es ist ein Beweis meiner Unvollkommenheit. Diese geht nicht auf irgendwelche Verfehlungen der Menschen (also von mir, von meinen Eltern oder von Adam und Eva) zurück. Sondern ich wurde unvollkommen erschaffen.

Ob es einen Gott gibt, weiß ich nicht und kann ich nicht wissen. Mein Argument zielt daher nicht auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Gottes, sondern auf seine konkreten Eigenschaften gemäß der christlichen Gottesvorstellung. Behauptet wird seine Vollkommenheit. Wie passt da mein Blinddarm ins Bild?
:Blumen:

Stefan
25.05.2019, 21:10
Das Vorhandensein dieses nutzlosen Organs wirft die Frage auf, ob ich damit das Erzeugnis eines vollkommenen Schöpfers sein kann.
In Eure Diskussion mische ich mich nicht ein, aber der Blinddarm ist kein "nutzloses Organ".

Jörn
25.05.2019, 21:13
Ersatzweise: Warum haben Menschen Gene zur Produktion von Vitamin C, diese sind jedoch defekt? (Bei Affen sind sie funktionstüchtig.)

Klugschnacker
25.05.2019, 21:20
Nein, die gesetzmäßen Vorgänge in der Natur zählen zu den mittelbar verursachten Vorgängen. Da Gott den Naturdingen eigene Ursächlichkeiten mitgegeben hat, sind jene untereinander jeweils ihre unmittelbaren Ursachen und Gott nur mittelbare Ursache. Die von Dir dargestellte Position nennt sich übrigens Okkasionalismus.

Nein, ich meine nicht den Okkasionalismus. Dieser Begriff meint etwas anderes, nämlich die Behauptung, der Geist könne nicht auf die Materie wirken. Etwa könne ein Willensakt (psychisch) keine Muskelkontraktion (physisch) bewirken. Folglich müsse jedesmal Gott eingreifen, um von einem Willen zu einer Handlung zu kommen.

Mir ging es um etwas anderes: Nämlich um Deine Behauptung, Gott sei nicht nur anfänglich, sondern fortwährend, in jedem Moment, die Ursache der Welt. Jetzt ist mir dieser Standpunkt insofern klarer geworden, als dass Du die physikalische Welt damit nicht meinst. Denn hier würden sich die Dinge gegenseitig unmittelbar verursachen. Gott sei hier nur eine "mittelbare" Ursache.

Kann sein oder auch nicht. Denn Gott bleibt ja, wenn ich Dich richtig verstehe, als mittelbarer Verursacher unsichtbar. Es handelt sich um ein rein gedankliches Konstrukt. Es ist nicht von seinem Gegenteil zu unterscheiden.

Klugschnacker
25.05.2019, 21:22
Ersatzweise: Warum haben Menschen Gene zur Produktion von Vitamin C, diese sind jedoch defekt? (Bei Affen sind sie funktionstüchtig.)

Oder: Warum haben manche Tierarten, die unterirdisch in völliger Dunkelheit leben, Augenhöhlen?

Oder: Warum habe ich die Wirbelsäule eines Vierbeiners?

Jörn
25.05.2019, 21:46
Oder: Warum hat Dieter Bohlen ein Gehirn?

Zarathustra
27.05.2019, 00:43
Das soll ein Argument sein?

...

Ja. Und mit Deiner Antwort bestätigst Du es in jedem Punkt auf's Neue.


Dies ist Deine Antwort auf meine Bitte, eine These zu nennen, zu der es keine verschiedenen Meinungen innerhalb des Christentums geben würde....

Nein. Da Du diese Bitte nicht vorgetragen hast, kann es gar nicht meine Antwort darauf sein.
Die Rede war von 'genügend Einigkeit' innerhalb des Christentums bezüglich gewisser Grundfragen. Das sehe ich aufgrund dessen, daß die Lehren der drei größten christl. Kirchen diese Aussage enthalten, als erfüllt an.
(Das Vorhandensein irgendwelcher Sekten aus dem vierten Jahrhundert oder zweitklassiger Theologen ändert daran nichts.)



Dritter Versuch @Zarathustra

'XYZ hat mal irgendetwas Beliebiges gesagt, das ich zwar nicht verstanden habe, aber unbedingt für Unsinn halte' ist keine Diskussionsgrundlage für mich (vielleicht aber für andere). Aber versuch doch mal in Deiner Frage ohne Falschaussage auszukommen und Dein Problem etwas spezifischer zu formulieren. Zudem wäre der Zusammenhang zur Frage nach 'Grundlagen des Christentums' interessant.

Zarathustra
27.05.2019, 00:47
Diesen Einwand gegenüber Jörn verstehe ich nicht....

1. spricht Jörn, wie Du selbst anmerkst, fälschlicherweise ganz allgemein von Ungläubigen.
2. erwähnt Jörn nicht die wichtigen Einschränkungen, die im Text gemacht werden.

Aus solcher Ungenauigkeit ergibt sich eine klare Falschaussage von Jörn, die zusammen mit seiner höchst unspezifisch, in einer Reihe anderer hingeworfenen Frage ('Was ist mit... ?') bei mir nicht gerade den Eindruck eines wirklichen Interesses an der Sache erwecken. Da dieses Thema auch nicht unbedingt mein hauptsächliches Interesse ist, sehe ich mich jedenfalls nicht veranlasst, darauf näher einzugehen. Allerdings möchte ich noch anmerken, daß auch ich die historische Einordung in dieser Frage für sehr wichtig halte.

Zarathustra
27.05.2019, 00:49
Nein, ich meine nicht den Okkasionalismus. Dieser Begriff meint etwas anderes, nämlich die Behauptung, der Geist könne nicht auf die Materie wirken. Etwa könne ein Willensakt (psychisch) keine Muskelkontraktion (physisch) bewirken. Folglich müsse jedesmal Gott eingreifen, um von einem Willen zu einer Handlung zu kommen.
...

Die Beziehung zwischen Geist und Materie ist nur ein Spezialfall des Okkasionalismus, der grundsätzlich alle Kausalbeziehungen betreffen kann (beispielsweise nachzulesen in: Sandkühler (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Zweiter Band, Kap. Okkasionalismus).



... Denn Gott bleibt ja, wenn ich Dich richtig verstehe, als mittelbarer Verursacher unsichtbar. Es handelt sich um ein rein gedankliches Konstrukt. Es ist nicht von seinem Gegenteil zu unterscheiden.

Das macht Gott noch immer nicht zu einem 'rein gedankliches Konstrukt'. (Hier sind wir wieder beim Problem Deiner allzu spärlichen Ontologie angelangt.) Und selbst ein solches wäre doch sehr wohl von seinem Gegenteil zu unterscheiden.

____________


...
Das Vorhandensein dieses nutzlosen Organs ...
es ist ein Beweis meiner Unvollkommenheit. ...
Behauptet wird seine Vollkommenheit. ...
:Blumen:

Gott ist vollkommen, Du unvollkommen. Wo ist der Widerspruch?

Jörn
27.05.2019, 03:00
Hallo Zarathustra, ein Boxer, der nie in den Ring steigt, mit der dauernden Begründung, dass alle seine Gegner sowieso zu blöd wären, macht sich irgendwann unglaubwürdig. Man kann diese Finte ein oder zweimal verwenden, aber danach verliert es seine Wirkung.

Meine große Dummheit steht ja nicht zur Debatte. Wie Du bemerkst, wehre ich mich auch gar nicht dagegen. Es ist einerlei. Zur Debatte steht, ob Du Deine Thesen mit plausiblen Argumenten belegen kannst. Umso mehr, als Deine Thesen jeglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen und aus dem Mittelalter stammen. Die Beweislast liegt bei Dir.

Deine Darstellung, ich würde kein (Zitat) "wirkliches Interesse" haben, finde ich nicht besonders glaubwürdig und zudem unfair, da ich mich sehr ausführlich mit Deinen Postings beschäftigt habe.

Ich verstehe nicht, warum Du nicht Deine Position darstellst und so gut wie möglich begründest. Ich sehe Dich immer nur ausweichen. Was hast Du davon?

Jörn
27.05.2019, 05:37
'XYZ hat mal irgendetwas Beliebiges gesagt, das ich zwar nicht verstanden habe, aber unbedingt für Unsinn halte' ist keine Diskussionsgrundlage für mich (vielleicht aber für andere). Aber versuch doch mal in Deiner Frage ohne Falschaussage auszukommen und Dein Problem etwas spezifischer zu formulieren. Zudem wäre der Zusammenhang zur Frage nach 'Grundlagen des Christentums' interessant.

Ich würde gerne von Dir wissen, ob nach Deiner Ansicht Thomas von Aquin zutreffende Aussagen macht über materielle Eigenschaften von Engeln (woraus sie bestehen), ihre Art der Fortbewegung und ihrer Art der Kommunikation untereinander, sowie ob Thomas wissen konnte, was Engel über "das Stoffliche" wissen (Questio 57).

Diese Frage ist wie von Dir gewünscht frei von Aussagen meinerseits und zudem spezifisch.

Da Thomas von Aquin über dieses Thema schreibt und Du seine Schriften (und speziell dieses Buch) empfohlen hast, halte ich das für eine berechtigte Frage. Was soll an der Frage so schlimm sein? Ich würde Dich gerne weiterhin um eine Antwort bitten.

Versuch Nummer 4!

Trimichi
27.05.2019, 07:48
Versuch Nummer 4!

Nummer 5 lebt!

Übrigens: D. Bohlen besitzt Hirn. Weil: der Castings-Shows heimliches Ziel ist es, Gehirnbesitzer Bohlen als Gehirnbenutzer zu entlarven. ;)

Ich wünsche Dir einen guten Start in die neue Woche. :Blumen:

Klugschnacker
27.05.2019, 09:02
Die Beziehung zwischen Geist und Materie ist nur ein Spezialfall des Okkasionalismus, der grundsätzlich alle Kausalbeziehungen betreffen kann (beispielsweise nachzulesen in: Sandkühler (Hg.), Enzyklopädie Philosophie, Zweiter Band, Kap. Okkasionalismus).

Mag sein, aber Du hast ja eine andere Sichtweise vertreten. Auf diese bin ich eingegangen. Du hast die Kausalbeziehungen in mittelbare und unmittelbare eingeteilt und festgestellt, dass die Wechselwirkungen der Materie "unmittelbar" durch die Materie selbst verursacht seien (Mond und Erde ziehen sich unmittelbar an, ohne unmittelbaren göttlichen Eingriff). Wenn Du nun Deinen Standpunkt verfeinerst, indem Du gemeinsam mit Herrn Sandkühler behauptest, sämtliche Kausalbeziehungen könnten von Gott direkt beeinflusst sein, habe ich nichts dagegen.

Mich würde interessieren, ob Herr Sandkühler in seiner Enzyklopädie der Philosophie, Zweiter Band, ein Beispiel für einen solchen Vorgang parat hat, bei welchem Gott selbst einen naturgesetzlichen Vorgang direkt bewirkt, sodass wir Menschen der Täuschung erliegen, er sei aufgrund eines Naturgesetzes geschehen?

---

Meine offenbar schwachen Kenntnisse der Ontologie bitte ich zu entschuldigen. Vielleicht könntest Du kurz erklären, worin genau sie bestehen? Aus meiner Laiensicht ist eine Natur, in der ein Gott die Naturgesetze zuverlässig simuliert und ansonsten in keiner Weise sichtbar wird, nicht zu unterscheiden von einer Natur, in der allein die Naturgesetze gelten.
:Blumen:

qbz
27.05.2019, 09:27
........
Da dieses Thema auch nicht unbedingt mein hauptsächliches Interesse ist, sehe ich mich jedenfalls nicht veranlasst, darauf näher einzugehen.
......


Schade.

Kennst Du oder jemand anders eine offizielle Stellungnahme des Vatikans, in der dieser die Inquisition und die Folgen für die Opfer explizit bedauert?

Ich habe nur eine Stellungnahme des deutschen Dominikanerordens aus dem Jahre 2000 gefunden. Er - dem Orden in FR u. IT gehörte Thomas von Aquin an - besass eine aktive Rolle bei der Inquisition ab dem 13. Jahrhundert.
http://www.dominikaner.de/fileadmin/documents/themen/dominikaner_und_inquisition/Erklaerung_des_Provinzkapitels_2000.pdf

Klugschnacker
27.05.2019, 09:47
Entspricht alles, was dieser Autor geschrieben hat, der katholischen Glaubenslehre? Oder nur Teile davon, andere aber nicht?
Alles? Weiß ich nicht. Für den Anfang ist aber ohnehin die Konzentration auf das Grundlegende angebracht.

Siehst Du, das meinte ich: Du weißt es nicht. Ob Augustinus, Anselm oder Thomas von Aquin die Glaubensinhalte des Christentums korrekt wiedergeben, weißt Du nicht. Du wärst ebenso außerstande, anzugeben, was "die Konzentration auf das Grundlegende" enthalten soll. Wer legt fest, was grundlegend und was nebensächlich sei?

Das Problem ist doch, dass der faktische Wahrheitsbegriff hier keine Rolle spielt. Wir können nicht prüfen, ob Thomas’ Behauptungen über die Sprache der Engel zutreffen. Ein anderer Gelehrter könnte mit dem gleichen Recht etwas anderes behaupten. Allein deshalb gibt es Dogmen in den Religionen, also Denk-Gebote und Denk-Verbote. Autorität schlägt Argument.

Klugschnacker
27.05.2019, 09:53
Gott ist vollkommen, Du unvollkommen. Wo ist der Widerspruch?

Moment. :Blumen:

Bin nur ich unvollkommen, oder auch andere Bewohner der Welt? Andersherum gefragt: Gibt es ein vollkommenes, von Gott geschaffenes Lebewesen, oder schuf er sie alle unvollkommen?

schnodo
27.05.2019, 10:11
Aus meiner Laiensicht ist eine Natur, in der ein Gott die Naturgesetze zuverlässig simuliert und ansonsten in keiner Weise sichtbar wird, nicht zu unterscheiden von einer Natur, in der allein die Naturgesetze gelten.
:Blumen:

Sorry, dass ich mich mal wieder unangemessen und halb rhetorisch reinfrage. :Blumen:

Aber läuft das, was Du schreibst, nicht darauf hinaus, dass die Unterscheidbarkeit nicht immer ein geeignetes Kriterium darstellt, um herauszufinden, was real ist?

Nehmen wir einfach mal zum Spaß an, dass wir tatsächlich alle nur als Simulation in einem riesigen Quantencomputer einer Superintelligenz sitzen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die katastrophalen Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit zu untersuchen, oder einfach nur zum Zeitvertreib ein Spiel spielt. Unsere Argumentation, dass es keinen Superuser gibt, weil die Welt auch ohne ihn funktioniert, wäre doch die gleiche wie die jetzt vorgebrachte, oder nicht? Ein "Gottesbeweis" wäre in diesem Szenario lächerlich, weil es sich nicht lohnt einer Simulation etwas zu beweisen. Im Zweifelsfall dreht der Superuser den Saft ab. ;)

Ich weiß schon, dass ich zu viele Filme aus der Ecke von The Thirteenth Floor (https://www.youtube.com/watch?v=dtYdZkPmFoU) (toller Film, meiner Meinung nach), Dark City (https://www.youtube.com/watch?v=gt9HkO-cGGo) oder The Matrix gesehen habe, aber ich finde die Idee spannend.

Klugschnacker
27.05.2019, 15:41
Aber läuft das, was Du schreibst, nicht darauf hinaus, dass die Unterscheidbarkeit nicht immer ein geeignetes Kriterium darstellt, um herauszufinden, was real ist?

Das ist richtig. Wenn zwei unterschiedlichen Hypothesen zu den exakt gleichen Konsequenzen führen, können wir nicht unterscheiden, welche von beiden "wahr" ist.

Wenn wir beispielsweise entscheiden wollten, ob Einsteins oder Newtons Auffassung der Gravitation "wahr" sei, müssen wir ein Experiment ersinnen, bei dem beide Auffassungen zu unterschiedlichen Vorhersagen über das Ergebnis dieses Experiments kommen. Durch das Experiment können wir erkennen, welche Hypothese "wahr" ist.

Einsteins Hypothese beschrieb die Flugbahn des Merkur besser als die Newtons. Deswegen sagen wir heute, Einsteins Hypothese sei wahr, zumindest vorläufig. Hätten beide Hypothesen zur gleichen Vorhersage des Messergebnisses geführt, könnten wir damit nicht entscheiden, wer von den beiden recht hat.

Mit letzterem ist gemeint: Welche Hypothese die beobachteten Phänomene besser beschreibt. Man entscheidet sich damit für ein bestimmtes Modell der Welt, ohne dieses Modell mit der Wirklichkeit zu verwechseln. Wir entscheiden nicht, was wahr ist, sondern welches Modell die Beobachtungen am besten beschreibt.
:Blumen:

Klugschnacker
27.05.2019, 16:09
Nehmen wir einfach mal zum Spaß an, dass wir tatsächlich alle nur als Simulation in einem riesigen Quantencomputer einer Superintelligenz sitzen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die katastrophalen Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit zu untersuchen, oder einfach nur zum Zeitvertreib ein Spiel spielt. Unsere Argumentation, dass es keinen Superuser gibt, weil die Welt auch ohne ihn funktioniert, wäre doch die gleiche wie die jetzt vorgebrachte, oder nicht?

Falls Gott das Vorhandensein einer kosmischen Geschichte seit dem Urknall, die chemische und biologische Evolution, sowie alle Naturgesetze nur simuliert, sodass wir einer Massenfiktion erliegen, dann kann man wohl nichts machen.

Deine Parallele bleibt aber auf halbem Wege stehen. Ich diskutiere nicht darüber, ob es einen Gott gibt, welcher der Superintelligenz in Deinem Beispiel gleicht. Denn das kann ich nicht wissen. Stattdessen diskutiere ich über einen ganz bestimmten Gott, mit ganz bestimmten Eigenschaften, der ganz bestimmte Dinge tut.

Als Bewohner einer Computersimulation, mit einem simuliertem Bewusstsein, mit demselben Gefühlsspektrum wie reale Menschen, mit derselben Fähigkeit, Leid zu empfinden: Als derartiger Bewohner einer Computersimulation könnte ich darüber urteilen, ob die herrschende Superintelligenz unüberbietbar gut sei oder nicht. Falls sie mich unverschuldet ständig Schmerzen erleiden ließe; falls unschuldigen, empfindsamen Wesen ständig Leid zugeführt würde, darüber könnte ich wohl etwas sagen, findest Du nicht?

:Blumen:

schnodo
27.05.2019, 18:11
Als derartiger Bewohner einer Computersimulation könnte ich darüber urteilen, ob die herrschende Superintelligenz unüberbietbar gut sei oder nicht. Falls sie mich unverschuldet ständig Schmerzen erleiden ließe; falls unschuldigen, empfindsamen Wesen ständig Leid zugeführt würde, darüber könnte ich wohl etwas sagen, findest Du nicht?

Auf jeden Fall, denn Deine Implementierung wäre ja so designt worden, dass Du eine Meinung zur möglicherweise existierenden Superintelligenz hättest. Die Frage ist nur, ob das Urteil Deiner Instanz in diesem Szenario valide wäre.

Aus Sicht der Superintelligenz wäre das, was die von ihr selbst programmierten non-player characters (NPCs), in ihrem Computerspiel by Design fühlen, völlig unerheblich. Ist Leid echt, wenn eine Fiktion leidet, ein Romanheld? Sind Krimiautoren unmenschliche Bestien?

Und selbst der Schmerz der NPCs in ihrem kurzen Leben endet spätestens mit dem Tod; Milliarden Jahre vorher und nachher sind sie völlig frei von Schmerz. Wäre das nicht auch für einen Betrachter innerhalb der Simulation ein Zeichen nahezu unendlicher Güte?

Ich glaube, ich muss mir alsbald nochmal The Thirteenth Floor anschauen, bin gespannt wie er die Jahre überdauert hat. Danke für die Anregung! :Blumen:

Klugschnacker
27.05.2019, 18:49
Die Frage ist nur, ob das Urteil Deiner Instanz in diesem Szenario valide wäre.

Das ist sie. Mir steht über meine eigenen Empfindungen ein Urteil zu.

Aus Sicht der Superintelligenz wäre das, was die von ihr selbst programmierten non-player characters (NPCs), in ihrem Computerspiel by Design fühlen, völlig unerheblich.

Dann wäre sie nicht allgütig.


Und selbst der Schmerz der NPCs in ihrem kurzen Leben endet spätestens mit dem Tod; Milliarden Jahre vorher und nachher sind sie völlig frei von Schmerz. Wäre das nicht auch für einen Betrachter innerhalb der Simulation ein Zeichen nahezu unendlicher Güte?

Das wäre ein Zeichen endlicher, durchaus steigerbarer Güte.

schnodo
27.05.2019, 19:10
Das ist sie. Mir steht über meine eigenen Empfindungen ein Urteil zu.

Kann das, was die Implementierung eines Algorithmus empfindet, ein universeller Maßstab sein? Spontan meine ich, eher nicht.

Vielleicht ändert sich meine Meinung, wenn die Menschheit die erste ansatzweise echte Gottheit in Form einer künstlichen Intelligenz geschaffen hat. ;)

Dann wäre sie nicht allgütig.
Warum sollte die bestimmungsgemäße Benutzung einer Maschine irgendeinen Hinweis auf vorhandene oder abwesende Güte geben?

Das wäre ein Zeichen endlicher, durchaus steigerbarer Güte.

Ich meine, das wäre von außen betrachtet kein Zeichen für irgendwas.

Jörn
27.05.2019, 19:10
Gott ist vollkommen, Du unvollkommen. Wo ist der Widerspruch?

Es lohnt sich, auf den Zynismus hinzuweisen, der in dieser Aussage steckt.

Ich zeige Dir ein paar Bilder von Kindern unter 6 Jahren, denen der vollkommene, allmächtige und allgütige Gott ein paar Krankheiten geschickt hat, gegen die er nachweisbar nichts unternommen hat.

https://www.kreisbote.de/bilder/2017/02/22/7424978/1382152133-ke_161122_noma_phase5_sequelles_2nk-3fa7.jpg

https://www.cleft-kinder.de/sites/default/files/pic/durga-4.jpg

Die Krankheit, die das Gesicht in nur zwei Wochen komplett auffrisst, betrifft jedes Jahr 100.000 Kinder in Afrika. Aus einem Zeitungsartikel: (https://www.kreisbote.de/lokales/kempten/noma-krankheit-extremen-armut-7424978.html)

"Erst schwillt das Gesicht des Kindes an, dann zerfrisst die Nekrose alles weiche Gewebe. Lippen und Wangen verschwinden, klaffende Löcher tun sich auf. Die Augen hängen nach unten, da der Knochen der Augenhöhle zerstört wird. Der Kiefer wird unbeweglich. Die Narbenbildung entstellt das Gesicht. Da der Kiefer blockiert wird, kann das Kind den Mund nicht mehr öffnen. Daraufhin bricht die Mutter die Zähne an der einen Seite heraus, um dem Kind einen Hirsebrei einflößen zu können."

Hier von einem vollkommenen Gott zu sprechen und lapidar auf die Unvollkommenheit der Menschen hinzuweisen, ist zynisch und gemein. Eine Welt, in der unschuldige Geschöpfe derart leiden müssen, kann nicht das Ergebnis von Vollkommenheit sein.

Trimichi
27.05.2019, 19:16
Hier von einem vollkommenen Gott zu sprechen und lapidar auf die Unvollkommenheit der Menschen hinzuweisen, ist zynisch und gemein. Eine Welt, in der unschuldige Geschöpfe derart leiden müssen, kann nicht das Ergebnis von Vollkommenheit sein.

Ja, so ein Quatsch. Das mit dem Zynismus. Das ist so wie mit Feldhaubitzen auf Spatzen schießen.

Gemein schon gar nicht. Es sei denn Du vertrittst die Interessen dieser Menschen. Falls nicht, missbrauchst Du, Jörn, das Leid dieser Menschen, um Deine Argumente zu verstärken. Was Dir dadurch um so mehr nicht gelingt.

Jörn
27.05.2019, 19:42
missbrauchst Du, Jörn, das Leid dieser Menschen, um Deine Argumente zu verstärken. Was Dir dadurch um so mehr nicht gelingt.

Jedoch steht mein Missbrauch und mein schlechter Charakter nicht zur Debatte. Zur Debatte steht die Vollkommenheit und Allgüte von Gott. Alles andere sind nur Ablenkungsmanöver und Nebelkerzen. Entweder lässt sich das Leid der Geschöpfe in Einklang bringen mit der Vollkommenheit und Allgüte Gottes, oder nicht.

Klugschnacker
27.05.2019, 19:47
Schnodo, Du vergleichst zwei empfindungsfähige Wesen miteinander. Beiden wird Leid und Schmerz zugefügt von einer Instanz, die auch anders handeln könnte, und die Kenntnis von dem verursachten Leid hat.

Sobald feststeht, dass ein Wesen leidet, ist es doch einerlei, ob es sich dabei um einen Menschen, einen Haushund, oder, in tausend Jahren, um einen Roboter-Algorithmus handelt, der Bewusstsein und Leidensfähigkeit erreicht hat. Sobald es Leid empfinden kann, haben wir um Umgang mit ihm eine Verantwortung. Ich denke, da sind wir uns doch einig!

Ob ich ein nicht steigerbar gutes Wesen bin, zeigt sich doch auch in dem Moment, wo ich ohne Grund ein Tier quäle. Oder ein anderes, leidensfähiges Wesen.
:Blumen:

Trimichi
27.05.2019, 19:54
Jedoch steht mein Missbrauch und mein schlechter Charakter nicht zur Debatte. Zur Debatte steht die Vollkommenheit und Allgüte von Gott. Alles andere sind nur Ablenkungsmanöver und Nebelkerzen.

Hatte Dir nie und niemals einen schlechten Charakter unterstellt.
Wuerde es kein Leid geben, wozu sollten man sich dann noch Ziele setzen?

Alle Lebewesen streben danach Leid zu vermeiden und nach Glueck. Soll Buddha gesagt haben.

Gaebe es kein Leid mehr wozu Medizin und in Afrika helfen? Gaebe es nicht mehr. Alles waeren happy. Nirvana?

Weil es das Nirvana nicht gibt, so muss es einen Gott geben, der diese Sache hier erschaffen hat.

Insofern folge ich schnodos Tipp nicht die dreizehnte Etage nochmalig zu gucken, weil ich ganz sicher weiss, dass das hier keine Computersimulation ist. Das Leben mag eine Pruefung sein, schon richtig.

Weil es Leid gibt, so muss es einen Gott geben. Wie man das Leiden beenden kann, darf man in den Religionen nachlesen. Woher willst Du wissen, dass die Menschen auf den Bildern leiden? Womoeglich haben sie Trost und Glueck gefunden, im Glauben und in den Religionen? Welche Du diesen Kindern wegnehmen willst. Weil Du die Abschaffung aller Religion, insbesondere der katholischen, forderst.

Jörn
27.05.2019, 20:03
Woher willst Du wissen, dass die Menschen auf den Bildern leiden? Womoeglich haben sie Trost und Glueck gefunden, im Glauben und in den Religionen? Welche Du diesen Kindern wegnehmen willst.

Man beachte den Zynismus.

schnodo
27.05.2019, 20:43
Sobald feststeht, dass ein Wesen leidet, ist es doch einerlei, ob es sich dabei um einen Menschen, einen Haushund, oder, in tausend Jahren, um einen Roboter-Algorithmus handelt, der Bewusstsein und Leidensfähigkeit erreicht hat. Sobald es Leid empfinden kann, haben wir um Umgang mit ihm eine Verantwortung. Ich denke, da sind wir uns doch einig!

Da denkst Du falsch. Ich bin unschlüssig, aber für den Moment unterscheidet sich aus meiner Sicht ein Algorithmus nicht wesentlich von einer Romanfigur: Beide sind fiktiv und somit keine "Wesen" im herkömmlichen Sinne. Es fällt mir schwer, Frau Rowling als unmenschliche Folterknechtin zu sehen, obwohl sie Harry Potter sieben Bände lang leiden lässt.

Trimichi
27.05.2019, 20:54
Man beachte den Zynismus.

Nein, ich hatte versucht positiv zu reframen.
Ist bei solchen Entstellungen nicht so leicht. Ist mir bewusst. Allerdings habe ich mit körperlich schwerst behinderten Menschen gearbeitet und daher weiss ich, dass die durchaus happy sein können. Wenn sich wer um sie kümmert und in der Gemeinschaft. Das Schlimmste für Menschen mit solchen Erschwernissen sind Stigmatisierungen, Diskriminierungen und Unehrlichkeiten. Die wollen als normale Menschen behandelt werden, und das sind sie auch. Das reicht denen oftmals schon im Normalfall um gut drauf zu sein.

Klugschnacker
27.05.2019, 21:00
Da denkst Du falsch. Ich bin unschlüssig, aber für den Moment unterscheidet sich aus meiner Sicht ein Algorithmus nicht wesentlich von einer Romanfigur: Beide sind fiktiv und somit keine "Wesen" im herkömmlichen Sinne. Es fällt mir schwer, Frau Rowling als unmenschliche Folterknechtin zu sehen, obwohl sie Harry Potter sieben Bände lang leiden lässt.

Verwechselt Du da nicht Leid mit der Vorstellung von Leid? Harry Potter existiert und leidet nur in Deiner Vorstellung.
:Blumen:

schnodo
27.05.2019, 21:11
Verwechselt Du da nicht Leid mit der Vorstellung von Leid? Harry Potter existiert und leidet nur in Deiner Vorstellung.
:Blumen:

Das ist doch genau der "Vorwurf", den ich Dir mache. ;)

Harry Potter und der implementierte Algorithmus leben auf gedrucktem Papier, in einem E-Reader, als Bewegtbilder auf einer Festplatte, oder als Prozess in einer anderen Maschine. Harry Potters Leid stört Dich nicht, mit dem Algorithmus hast Du Mitleid. Dennoch sind beide nur Phantasiewesen, deren Leid sich beliebig beenden oder multiplizieren lässt. Das Leid existiert nur in der Vorstellung. :Blumen:

Klugschnacker
27.05.2019, 22:03
Harry Potters Leid stört Dich nicht, mit dem Algorithmus hast Du Mitleid. Dennoch sind beide nur Phantasiewesen. […].

Nein, sind sie nicht. Die rein literarisch zu verstehende "Existenz" Harry Potters ist für mein Verständnis etwas anderes als ein Computer einer möglichen Zukunft, der sich seiner selbst bewusst geworden ist, und der vielleicht zu Empfindungen wie Leid fähig ist. Anyway...

In dieser Debatte geht es doch eher um die Überlegung, ob einem Schöpfer, der für dieses Leid verantwortlich ist, eine vollkommene, nicht steigerbare Güte zugesprochen werden kann.

Ich bleibe dabei: Die real existierende Welt ist ein direkter empirischer Beweis gegen einen allmächtigen und vollkommen gütigen Schöpfer. Ein solches Wesen ist eine fiktive Idealisierung der Menschen.

schnodo
27.05.2019, 22:08
Ich bleibe dabei: Die real existierende Welt ist ein direkter empirischer Beweis gegen einen allmächtigen und vollkommen gütigen Schöpfer. Ein solches Wesen ist eine fiktive Idealisierung der Menschen.

Dem mag ich nicht widersprechen. :Lachen2:

Zarathustra
28.05.2019, 00:02
Kennst Du oder jemand anders eine offizielle Stellungnahme des Vatikans, in der dieser die Inquisition und die Folgen für die Opfer explizit bedauert?
...

Nein, dazu ist mir leider nichts bekannt.

Zarathustra
28.05.2019, 00:04
... ein Boxer, der nie in den Ring steigt, mit der dauernden Begründung, dass alle seine Gegner sowieso zu blöd wären, macht sich irgendwann unglaubwürdig.

Wenn der Gegner sich an keine Regeln des fairen Kampfes halten will oder kann, muß er sich nicht wundern, wenn der Boxer sich andere sucht.


Zur Debatte steht, ob Du Deine Thesen mit plausiblen Argumenten belegen kannst. ... Die Beweislast liegt bei Dir.


Mittlerweile hättest Du bereits zur Kenntnis nehmen können, daß ich hier ausschließlich um die korrekte Darstellung einiger Grundelemente der christl. Lehre (haupsächlich Existenz und Attribute Gottes sowie Glauben und Wissen betreffend) bemüht bin. Dies scheint mir sinnvoll insofern die hier vorgetragene Kritik neben den logischen Fehlern und der zur Schau getragenen Empörung vor allem auf Falschdarstellungen beruht.


____


Ich würde gerne von Dir wissen, ob nach Deiner Ansicht Thomas von Aquin zutreffende Aussagen macht über materielle Eigenschaften von Engeln (woraus sie bestehen)

Nein. Denn er macht darüber gar keine Aussagen, da Engel bekanntlich immateriell sind.


... ihre Art der Fortbewegung und ihrer Art der Kommunikation untereinander...

Weiß ich nicht. Ich bin ja überraschenderweise doch kein Engelexperte, würde aber bei weiterem Interesse, da einige der enthaltenen Autoren auch sonst gute Arbeit leisten, diesen Sammelband zum Thema empfehlen: Lenz, Iribarren: Angels in Medieval Philosophical Inquiry: Their Function and Significance, 2008.


... sowie ob Thomas wissen konnte, was Engel über "das Stoffliche" wissen ...

Er glaubte wohl an Engel mit bestimmten Attributen. Von diesen konnte er natürlich auch wissen, daß sie Inhalt seines Glaubens sind.

Zarathustra
28.05.2019, 00:10
... Wenn Du nun Deinen Standpunkt verfeinerst, indem Du gemeinsam mit Herrn Sandkühler behauptest, sämtliche Kausalbeziehungen könnten von Gott direkt beeinflusst sein, habe ich nichts dagegen.


Nein, das ist ein Mißverständnis. Ich wollte nur Deine Ausführung zum Begriff des Okkasionalismus richtigstellen. Mit der zuvor von mir dargestellten Position ist dieser inkompatibel.




Mich würde interessieren, ob Herr Sandkühler in seiner Enzyklopädie der Philosophie, Zweiter Band, ein Beispiel für einen solchen Vorgang parat hat, bei welchem Gott selbst einen naturgesetzlichen Vorgang direkt bewirkt, sodass wir Menschen der Täuschung erliegen, er sei aufgrund eines Naturgesetzes geschehen?


Davon können ja dem Okkasionalismus zufolge prinzipiell alle Naturvorgänge betroffen sein.



Meine offenbar schwachen Kenntnisse der Ontologie bitte ich zu entschuldigen. Vielleicht könntest Du kurz erklären, worin genau sie bestehen?

Nun, soweit Du Dich dazu geäußert hast, besteht Deine Ontologie ausschließlich aus physikalisch Messbarem und alles andere soll Fiktion sein. Das halte ich weiterhin für unzureichend. Kurz hattest Du ja immerhin in Erwägung gezogen gesellschaftlichem Sein und praktisch-menschlicher Tätigkeit auch irgendwie einen Platz einzuräumen.


Aus meiner Laiensicht ist eine Natur, in der ein Gott die Naturgesetze zuverlässig simuliert und ansonsten in keiner Weise sichtbar wird, nicht zu unterscheiden von einer Natur, in der allein die Naturgesetze gelten.
:Blumen:


Die Frage ist: ununterscheidbar für wen? Ich denke, die Identität des Ununterscheidbaren gilt nur unter der Bedingung der Allwissenheit, von der Du sicherlich nicht behaupten möchtest, daß wir Menschen über sie verfügen. Zudem gibt es im christl. Glauben ja auch noch direkte Wirkungen Gottes.

Übrigens simuliert Gott die Naturgesetze nicht, sondern sorgt für ihr Bestehen.

Zarathustra
28.05.2019, 00:14
Siehst Du, das meinte ich: Du weißt es nicht. Ob Augustinus, Anselm oder Thomas von Aquin die Glaubensinhalte des Christentums korrekt wiedergeben, weißt Du nicht.

Ich sagte, ob alles richtig sei, wüßte ich nicht. Beim Wichtigsten bin ich mir einigermaßen sicher.


Wer legt fest, was grundlegend und was nebensächlich sei?


Ich persönlich halte die Fragen nach der Existenz Gottes und seinen Attributen, die Möglichkeit der Offenbarung sowie die Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen für grundlegend, die Diskussion über Engel und Ungläubige beispielsweise für nebensächlich.



Das Problem ist doch, dass der faktische Wahrheitsbegriff hier keine Rolle spielt. Wir können nicht prüfen, ob Thomas’ Behauptungen über die Sprache der Engel zutreffen.

Selbstverständlich könnten wir das prüfen; beispielsweise auf logische Konsistenz.

____


Moment. :Blumen:

Bin nur ich unvollkommen, oder auch andere Bewohner der Welt? Andersherum gefragt: Gibt es ein vollkommenes, von Gott geschaffenes Lebewesen, oder schuf er sie alle unvollkommen?

Du kannst beruhigt sein: Alles Geschaffene, belebt oder unbelebt, ist unvollkommen.


Die real existierende Welt ist ein direkter empirischer Beweis gegen einen allmächtigen und vollkommen gütigen Schöpfer.

Der Beweis müßte beweisen, daß die unvollkommene Welt nicht von einem vollkommenen Gott erschaffen sein kann. Wie sollte der Beweis, bitte, funktionieren?

qbz
28.05.2019, 01:00
......
Ich persönlich halte die Fragen nach der Existenz Gottes und seinen Attributen, die Möglichkeit der Offenbarung sowie die Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen für grundlegend, die Diskussion über Engel und Ungläubige beispielsweise für nebensächlich.
......


Für Dich und die aktuelle Lehre mögen die erstgenannten Fragen sicher zentral sein, für das Christentum bedeutet die Missionierung Ungläubiger in meinen Augen einen wesentlichen, charakteristischen, hauptsächlichen Bestandteil dieser Religion, insbesondere wenn man die Geschichte und Ausbreitung des Christentums betrachtet, wo oft die Bekehrung durch Zwang und Gewalt erfolgte (z.B. durch die Conquistadoren und den Kolonialismus).
"Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe."

Es ist Dir ja ja bekannt, dass der Dominikaner Th. v. Aquin ein mehrbändiges Handbuch für Missionare "Summa contra gentiles" verfasste und auch alle drei Reformatoren zeichneten sich durch Bekehrungseifer aus.

Auch im Kirchenalltag spielt(e) das Thema eine Rolle. Ich erinnere mich an meine Kinderzeit, wo eine Kassette bei der Messe für die Missionskollekte herumgereicht wurde, auf der ein schwarzer Mann war, die bei einem Geldeinwurf mit dem Kopf nickte.

Jörn
28.05.2019, 01:32
Der Beweis müßte beweisen, daß die unvollkommene Welt nicht von einem vollkommenen Gott erschaffen sein kann.

Du wurdest nun wirklich oft genug darauf hingewiesen, dass die Frage der Vollkommenheit im Falle des Christentums stets zusammen mit der behaupteten Allgüte und Allmacht bewertet wird.

Natürlich kann ein vollkommener Gott eine unvollkommene Welt schaffen, sofern wir einfach per Definition festlegen, dass die Vermeidung von Leid nicht zur "Vollkommenheit" gehört. Das ist aber eine sehr seltsame Definition, die man in dieser Härte nur bei ganz besonders radikalen Randgruppen des Christentums vorfindet.

Ich verstehe Deinen Standpunkt wie folgt:

• Für Dich ist ein Gott, der Leid schafft, obwohl er es kraft seiner Allmacht vermeiden könnte, trotzdem vollkommen. Der darin liegende Zynismus fällt Dir nicht auf.

• Für Dich macht es offenbar keinen Unterschied, ob vermeidbares Leid existiert oder nicht. Gott ist in jedem Fall vollkommen. Es scheint für Dich kein Kriterium zu geben, an dem man messen könnte, ob Gott vollkommen ist oder nicht. Es hängt von nichts ab.

Falls ich Dich hier missverstehe, könntest Du uns ja ein Kriterium nennen, mit dem man unterscheiden könnte, ob Gott vollkommen wäre oder nicht.

Beispielsweise, wenn die Welt von einem bösartigen Dämon erschaffen worden wäre: Mit welchem Kriterium könntest Du dies von einem gütig-vollkommenen Gott unterscheiden?

Jörn
28.05.2019, 01:58
Mittlerweile hättest Du bereits zur Kenntnis nehmen können, daß ich hier ausschließlich um die korrekte Darstellung einiger Grundelemente der christl. Lehre (haupsächlich Existenz und Attribute Gottes sowie Glauben und Wissen betreffend) bemüht bin. Dies scheint mir sinnvoll insofern die hier vorgetragene Kritik (...) allem auf Falschdarstellungen beruht.

Wenn ich Dich hier richtig verstehe, möchtest Du die korrekte christliche Lehre darstellen. Allerdings bist Du der Frage von Klugschnacker ausgewichen, bei welchem Autor/Buch man die korrekte Lehre nachlesen könne.

Dabei sehe ich drei Probleme:

Erstens halte ich es nicht für plausibel, dass die "korrekte Darstellung der christlichen Lehre" möglich ist, da fast zu jedem einzelnen Punkt sehr unterschiedliche Auffassungen existieren, gerade unter Theologen. Am Ende landen wir bei dem alten Trick, dass jemand einfach seine eigene Meinung als "christliche Lehre" ausruft und für verbindlich erklärt.

Zweitens sehe ich nicht, was Dich dazu qualifizieren würde, die "korrekte christliche Lehre" aus all den Einzelmeinungen herauszufiltern. Ebenso könnte ich behaupten, dass ich selbst dies am besten könne. Warum also sollen wir ausgerechnet Deinen Worten folgen?

Drittens habe ich Zweifel, ob die Idee funktioniert, quasi aus wissender Position die erwachsenen Leute im Chat an den Ohren zu ziehen, sobald sie was Falsches über das Christentum sagen. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Du Dich der Debatte stellen musst.

Jörn
28.05.2019, 02:00
Wenn der Gegner sich an keine Regeln des fairen Kampfes halten will oder kann, muß er sich nicht wundern, wenn der Boxer sich andere sucht.

Ich möchte durchaus fair sein. Teile mir bitte mit, was an folgender Frage (auf die sich Dein Vorwurf bezieht) unfair sein soll:

"Ich würde gerne von Dir wissen, ob nach Deiner Ansicht Thomas von Aquin zutreffende Aussagen macht über materielle Eigenschaften von Engeln (woraus sie bestehen), ihre Art der Fortbewegung und ihrer Art der Kommunikation untereinander, sowie ob Thomas wissen konnte, was Engel über "das Stoffliche" wissen (Questio 57)."

Trimichi
28.05.2019, 06:31
Für Theologen mögen die erstgenannten Fragen sicher zentral sein, für das Christentum bedeutet die Missionierung Ungläubiger in meinen Augen einen wesentlichen, charakteristischen Bestandteil dieser Religion, insbesondere wenn man die Geschichte und Ausbreitung des Christentums betrachtet, wo oft die Bekehrung durch Zwang und Gewalt erfolgte (z.B. durch die Conquistadoren und den Kolonialismus).
"Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe."

Die Frage ist für welche Theologen. Für christliche Theologen schon möglich, ja. Mich stört bei Religionen der Missionsbefehl, den Du nun mal so schön zitiert hast. Den gibt es aber nicht in allen Religionen, ganz sicher nicht im Judentum und ich glaube im Buddhismus auch nicht.

Vielleicht könnte man eine Auflistung machen und die Religionen in zwei Gruppen einteilen. So müsste vllt nicht die Abschaffung aller Religionen proklamiert werden. By the way: Religion hat ja zudem im Lateinischen zig Bedeutungen, das Verb religare nur eine. Ein Blick in ein Lateinwörterbuch genügt (was in Wiki steht ist- mit Verlaub - Datenmüll). Mit einem Missionsbefehl ist das Wort Religion im Lateinwörterbuch (Langenscheidt) nicht konnotiert.

Wenn schon, müsste man das religare, das sich beziehen auf abschaffen. Wobei man vllt Christen mit sowas noch eher erreicht als islamische Gläubige? Hier ist ja der Missionsbefehl, ich hoffe ich gebe das richtig wieder, der heilige Krieg (gegen die Ungläubigen, also auch Atheisten denke ich und nicht nur Christen z.B.).

qbz
28.05.2019, 07:02
Die Frage ist für welche Theologen. Für christliche Theologen schon möglich, ja. Mich stört bei Religionen der Missionsbefehl, den Du nun mal so schön zitiert hast. Den gibt es aber nicht in allen Religionen, ganz sicher nicht im Judentum und ich glaube im Buddhismus auch nicht.
......


Für zeitgenössische christliche Theologen, welche die Religions- und Gewissensfreiheit mittlerweile anerkennen und garantieren, mag der christliche Missionsauftrag gegenüber Ungläubigen nebensächlich geworden sein. Th. v. Aquin hingegen verfasste noch ein mehrbändiges Handbuch für Missionare, die "Summa contra gentiles".

Man unterscheidet heute wohl zwischen den ethnischen (älteren) Religionen, die an eine Ethnie gebunden sind und in denen sich die religiösen Gebräuche dieses Volkes spiegeln, und den Religionen, die quasi supraethnisch sind, wie der Islam und das Christentum und als Religionen mit Missionsauftrag gelten. Das Christentum als Religion hat IMHO zur Voraussetzung einen bestimmten Entwicklungsgrad der Produktionsverhältnisse, nämlich des Handels- und auch Kulturaustausches zwischen den Völkern (supraethnischer Aspekt) und einen Grad von (imperialer) Hoch(Herrschafts)kultur. Ein isoliertes Volk im Amazonas hätte nie die hochabstrakte christliche Religion ausdenken und verwenden können. (deswegen kennt man bei Amazonasvölkern auch keine Offenbarung durch einen christlichen Gott oder ähnliches. )

Das Christentum "verbreitete" sich bekanntlich z.B. in Latein- und Nordamerika in der Eroberungsphase per Druck, Zwang und Gewalt und mithilfe der Kriege gegen die indigenen Kulturen.

Klugschnacker
28.05.2019, 08:54
Du kannst beruhigt sein: Alles Geschaffene, belebt oder unbelebt, ist unvollkommen.

Aha. Gott ist vollkommen, aber seine gesamte Schöpfung, alles Lebende oder Nichtlebende, unvollkommen.

Das wäre vergleichbar mit einem Bäcker, dem zeitlebens keine einzige Torte gelungen ist, und trotzdem als Bäcker Vollkommenheit beansprucht. Oder einem Mathematiker, der nicht eine einzige korrekte Gleichung niederschrieb, sondern dessen Berechnungen allesamt Fehler haben, und gleichwohl als vollkommener Mathematiker durchgehen will. Vollkommenheit bedeutet, dass keinerlei Steigerung möglich ist. Wir sollen also diesen Mathematiker, der zeitlebens keine einzige korrekte Gleichung schrieb, als besten überhaupt möglichen Mathematiker akzeptieren.

Ich halte das für Unsinn. Die Unvollkommenheit der Welt ist mit einem allmächtigen und allgütigen Schöpfer nicht in Einklang zu bringen. Das haben auch schon andere bemerkt, schließlich ist die Theodizee, die Rechtfertigung Gottes angesichts des Leids auf der Welt, ein ungelöstes Problem, seit es das Christentum gibt.

----

Gerade eben sagtest Du zudem, man könne Aussagen über Engel prüfen, indem man deren logische Konsistenz prüft. Da ich nicht viel von Engeln verstehe, war mir neu, dass diese der Logik unterworfen sind. Gelegentlich hört man ja den Einwand, dass die Wesen der himmlischen Sphäre nicht der Logik unterworfen seien, da sie über der Logik stünden. Anyway.

Theologie wird allgemein nicht als Wissenschaft anerkannt. Einer der Gründe dafür ist, dass sie nicht einem logischen Denken folgt. Theologische Behauptungen lassen sich nach eigenem Selbstverständnis mit Logik weder belegen noch widerlegen. Würde die Theologie tatsächlich die Logik anerkennen, gäbe es keine Wunder, und die Dreifaltigkeit würde als Geschwurbel identifiziert.

Gerade der Existenz von Wundern stellt die Allgüte Gottes logisch in Frage. Denn Wunder bestehen in der Vorstellung eines Gottes, der in das Weltgeschehen eingreift und sich dabei an keinerlei Naturgesetze halten muss. Das wirft die berechtigte Frage auf, warum er sich bei der Vergasung von 6.000.000 wehrlosen Männern, Frauen und Kindern nicht zu einem Wunder bequemt hat.

Die christliche Gottesvorstellung funktioniert nur unter Ausblendung logischen Denkens. Es ist das Recht jedes Menschen, auch an unlogische Dinge zu glauben und sie für wahr zu halten. Doch die strikte Anerkennung logischen Denkens führt meiner Ansicht nach weg vom christlichen Gottesbild der Theologen, sicherer noch als ein konsequent moralisches Denken.

schnodo
28.05.2019, 09:07
Aha. Gott ist vollkommen, aber seine gesamte Schöpfung, alles Lebende oder Nichtlebende, unvollkommen.

Ist es denn nicht quasi die Definition von Gott, dass er die Manifestation der Vollkommenheit ist? :confused:
Wenn es nur einen Gott gibt, folgt daraus doch, dass seine Schöpfung unvollkommen sein muss.

Das wirft die berechtigte Frage auf, warum er sich bei der Vergasung von 6.000.000 wehrlosen Männern, Frauen und Kindern nicht zu einem Wunder bequemt hat.

Zumindest diese Antwort liegt leider auf der Hand. Es geht doch immer noch um den christlichen Gott, oder?

Klugschnacker
28.05.2019, 09:22
Ist es denn nicht quasi die Definition von Gott, dass er die Manifestation der Vollkommenheit ist? :confused:
Wenn es nur einen Gott gibt, folgt daraus doch, dass seine Schöpfung unvollkommen sein muss.


Die Vollkommenheit Gottes umfasst, dass auch seine Taten auf eine nicht steigerbare Weise gut sein müssen.

Andernfalls wäre ein noch besseres Wesen denkbar. Dessen Schöpfung würde beispielsweise auf die Vergasung von 6.000.000 Menschen verzichten. Oder es gäbe in seiner Schöpfung keine Raubtiere. Oder Babys würden nicht im Mutterleib von Bakterien befallen und schwerbehindert auf die Welt kommen. Dieser andere Gott wäre dann eine bessere Version des ersten Gottes.

Das widerspricht der Definition Gottes, dessen Gut-Sein auf keine Weise übertroffen werden kann. Deshalb ist das Leid auf der Welt ein direkter empirischer Beweis gegen die Existenz eines vollkommenen Gottes.

Es geht doch immer noch um den christlichen Gott, oder?

Es geht um das gleichzeitige Vorhandensein von Allmacht, Allwissenheit und Allgüte. Diese Eigenschaften stehen im Widerspruch zum Leid auf der Welt.

qbz
28.05.2019, 11:30
Die Vollkommenheit Gottes umfasst, dass auch seine Taten auf eine nicht steigerbare Weise gut sein müssen.

Andernfalls wäre ein noch besseres Wesen denkbar. Dessen Schöpfung würde beispielsweise auf die Vergasung von 6.000.000 Menschen verzichten. Oder es gäbe in seiner Schöpfung keine Raubtiere. Oder Babys würden nicht im Mutterleib von Bakterien befallen und schwerbehindert auf die Welt kommen. Dieser andere Gott wäre dann eine bessere Version des ersten Gottes.

Das widerspricht der Definition Gottes, dessen Gut-Sein auf keine Weise übertroffen werden kann. Deshalb ist das Leid auf der Welt ein direkter empirischer Beweis gegen die Existenz eines vollkommenen Gottes.


Es geht um das gleichzeitige Vorhandensein von Allmacht, Allwissenheit und Allgüte. Diese Eigenschaften stehen im Widerspruch zum Leid auf der Welt.

Die von Dir dargelegten logischen Widersprüche, kognitiven Dissonanzen vermochte Zarathustra bisher in seinen Erwiderungen nicht aufzulösen. Ich bin neugierig, welche Antwort er anbietet. Meines Wissens bieten die christlichen Religionslehrer wie auch die jüdischen eine ganze Menge von Erzählungen zur Auswahl an, über Geheimnis, Strafe, Ursünde, Teufel usf., um das Böse und das Leid auf der Welt zu erklären.

Klugschnacker
28.05.2019, 12:02
Übrigens simuliert Gott die Naturgesetze nicht, sondern sorgt für ihr Bestehen.

Ein weiterer Beweis seiner Unvollkommenheit.

Warum sollte ein vollkommen guter und vollkommen gerechter Gott alle Abläufe in der Natur den Naturgesetzen überlassen? Die Naturgesetze sind gefühllos, gleichgültig gegenüber den Konsequenzen, unerbittlich und ungerecht. Ein herabfallender Stein macht keinen Unterschied, ob er in einen Kuhfladen schlägt, oder in den Schädel einer alleinerziehenden Mutter mit vier kleinen Kindern.

Ein vollkommener Gott bräuchte keine Naturgesetze. Er ließe es dort regnen, wo Wasser benötigt wird, und ließe nicht die einen in einer Flut ersaufen und die anderen in einer Wüste verdursten.

---

Damit möchte ich Dich selbstverständlich nicht persönlich angreifen. Mir ist schon klar, dass Du hier nur eine theologische oder philosophische Position darstellst und verteidigst, die letztlich auf Glauben beruht.
:Blumen:

Trimichi
28.05.2019, 15:04
Damit möchte ich Dich selbstverständlich nicht persönlich angreifen. Mir ist schon klar, dass Du hier nur eine theologische oder philosophische Position darstellst und verteidigst, die letztlich auf Glauben beruht.
:Blumen:

Hallo Klugschnacker,

Du glaubst also an nichts!? Wie ist es Dir dann möglich Motivation für einen Ironman zu gewinnen, wenn Du doch nicht glauben kannst, dass Du es schaffst (in einer bestimmten Zeit z.B.). Wissen kannst Du es nicht. Das fängst schon bei der Anreise zum Wettkampf an. Glaubst Du, dass es keinen Stau auf der Autobahn gibt oder weisst Du es, z.B. am Tag der Anmeldung zur Challenge in Roth? Worauf beruht Dein Glaube, dass Du bei der Challenge ins Ziel kommst. Auf Annahmen. Und nicht etwa auf Wissenschaft. Zum Beispiel könnte ein Mega-Stau auf der Staubahn sein, den Du ein Jahr im voraus nicht voraussehen kannst und Du steckst mit Deiner Karre fest.

Ich denke, und könnte es auch nach den Regeln der Wissenschaft beweisen, dass der Glaube auch eine alltägliche Komponente enthält, die mit dem Glauben den Du meinst, korreliert ist. Bitte diese Korrelation beachten.

Grüße,
Trimichi

Jörn
28.05.2019, 16:18
dass der Glaube auch eine alltägliche Komponente enthält, die mit dem Glauben den Du meinst, NICHT korreliert ist.

Ich hab's mal auf die Schnelle korrigiert, da Du auf dieses Wortspiel schon so oft hingewiesen wurdest.

Trimichi
28.05.2019, 16:29
Ich hab's mal auf die Schnelle korrigiert, da Du auf dieses Wortspiel schon so oft hingewiesen wurdest.

Ja, Jörn, nur von dir.
Natürlich ist das korreliert. Und wie schon so oft, agierst Du, wenn meine Frage an Klugschnacker adressiert ist.

Wäre es nicht korreliert, so müsste Klugschnacker den bereits erwähnten Supercomputer programmieren können, womöglich nach seinen Interessen, wollte er nicht bei der Anreise zu einem Wettkampf im Stau verharren müssen z.B. Und das kann er nicht. Oder vllt bedingt.
Und genau darum geht es.

Glauben muss jeder, auch Klugschnacker. Weil jeglicher Vorhersagehorizont (wahrscheinlichkeits-theoretischer und astrophysikalischer Fachterminus), ob am Tag der Anmeldung der Challenge in Roth vorhergesagt werden kann, ob ein Jahr später am Wettkampftag Stau ist, zusammenbricht. Würde Klugschnacker nicht glauben, dass am Wettkampftag kein Stau ist und er nicht im Stau verharren müsste, so würde er sich zum Wettkampf anmelden. Glaubt Klugschnacker das nicht, würde er sich zum Wettkampf auch nicht anmelden.

Auch Du glaubst. Zum Beispiel, dass es beim REWE um die Ecke heute rote Biopaprika gibt. Wissen kannst Du es nicht. Daher bitte diese Komponente im Begriff Glauben beachten.

Trimichi
28.05.2019, 16:38
Jörn, warum verläuft die Zeit nur in eine Richtung? Warum nicht auch mal rückwärts? Warum immer nur vorwärts? Weisst Du was in 20 Jahren ist? Falls ja, würde ich es gerne wissen. Falls nein, würde mich interessieren, was Du glaubst, das in 20 Jahren sein wird. :Blumen:

MattF
28.05.2019, 16:46
Wie ist es Dir dann möglich Motivation für einen Ironman zu gewinnen, wenn Du doch nicht glauben kannst, dass Du es schaffst (in einer bestimmten Zeit z.B.).


Die Menschen die auf den Mond geflogen sind wussten aufgrund der Physik, dass es geht. Da musste man nicht dran glauben. Es stand vorher fest dass es geht. Dass auch Unfälle passieren können ist auch klar und einkalkuliert.

Man muss dazu nicht daran glauben, wenn man weiß, dass es geht.
Und man weiß auch, dass es schief gehen kann, insbesondere die Sache zum Mond.

Wenn ich auf der Erde reise und in einen Stau gerate, dann mach ich ne Zwischenübernachtung. Wo ist da Glaube nötig bei dem ganzen Tun. Nirgends.



Wenn du deinen PC anschaltest glaubst du dann dass er z.b. Textverarbeitung ermöglicht oder weißt du es, Also ich weiß, dass mein PC das kann.

waden
28.05.2019, 18:19
Hallo Klugschnacker,

Du glaubst also an nichts!? ...i

Das wurde hier aber wirklich schon wiederholt thematisiert und besprochen. An dieser Stelle der Diskussion empfinde ich das als Themenwechsel, und weil schon mal besprochen, auch als Rennen im Kreis.

merz
28.05.2019, 21:05
ich hab beim Laufen gerade mal über diesen thread nachgedacht: Seit längerer Zeit scheint mit hier was man nunmal "Theodizee" nennt das Thema zu sein und das ist nun auch gut heraus präperiert:

ungefährt so:

Die "Nicht-Perfektheit" der Welt, manifestiert z.Bsp. in sinnlosem Leiden, steht im starken Gegensatz oder Widerspruch zu Eigenschaften, die sich (schon fast begrifflich) aus der Annahme eines Schöpfer-Gottes ergeben.

Das ist nun wirklich und wahrhaftig nicht so einfach vom Tisch zu wischen.

Warum meint ihr, hat dieser Punkt historisch nie die Sprengkraft entwickelt, die er eigentlich hat?

Ideen?

m.

Jörn
28.05.2019, 21:18
Die Antwort darauf lässt sich vermutlich am besten mit einem Bild illustrieren:

https://katholisches.info/tawato/uploads/2018/08/Inquisition.jpg

merz
28.05.2019, 22:21
auf den Punkt, ich mag das (glaube, dass ich das verstehe), aber lass uns die Perspektive wechseln und auf die Gegenwart (also vielleicht etwa die letzten 100-50 Jahren gehen),
Was sind die Hauptgründe, die Atheisten für ihre Position persönlich angeben würden:

- Darwin (!) und Newton (!) haben uns diesen Zahn gezogen
- die historische Belegen sind einfach zu schwach
- ich habe Freud und Marx gelesen, Sache ist klar
- das Credo ist einfach für mich nicht glaubhaft
- ich brauch das alles nicht
- ich glaub es, wenn ich es sehe, aber ich sehe nichts
- die Beweislast ist logisch nicht bei mir, sondern bei den Glaubenden
- ich habe keine religiösen Erfahrungen, also ist es für mich gegenstandslos
- & die Theodizee ist ein nicht hinnehmbarer Widerspruch, Ablehnung aus rein begrifflichen Gründen und einem Blickauf die Welt

- .... und so weiter, ich war jetzt nicht sehr seriös mit meinen Ideen, sorry, und wie immer hier: diskutiert wird das Christentum in seinen Hauptformen (es sei denn, wir haben zusammen genug Kompetenz für andere Richtungen...)

m.

qbz
28.05.2019, 22:32
ich hab beim Laufen gerade mal über diesen thread nachgedacht: Seit längerer Zeit scheint mit hier was man nunmal "Theodizee" nennt das Thema zu sein und das ist nun auch gut heraus präperiert:

ungefährt so:

Die "Nicht-Perfektheit" der Welt, manifestiert z.Bsp. in sinnlosem Leiden, steht im starken Gegensatz oder Widerspruch zu Eigenschaften, die sich (schon fast begrifflich) aus der Annahme eines Schöpfer-Gottes ergeben.

Das ist nun wirklich und wahrhaftig nicht so einfach vom Tisch zu wischen.

Warum meint ihr, hat dieser Punkt historisch nie die Sprengkraft entwickelt, die er eigentlich hat?

Ideen?

m.

Meine Ansicht:
Bis heute leben die Menschen in sozialen Verhältnissen, die sie selbst nicht beherrschen und bewusst gestalten, was halt die Sehnsucht nach einem idealen Wesen nährt, das genau über solche Fähigkeiten verfügt. Erst wenn die Menschen über ihre Verhältnisse wirklich herrschen, verschwindet die Sehnsucht nach einem solchen Wesen.

Jörn
28.05.2019, 23:19
Was sind die Hauptgründe, die Atheisten für ihre Position persönlich angeben würden

Meine Ansicht:

- alle religiösen Behauptungen, Beweise usw. haben sich bislang als falsch oder unsinnig herausgestellt, keine konnte je als wahr bewiesen werden, nicht mal bei den trivialsten Dingen

- die religiösen Verkünder haben sich als Scharlatane herausgestellt -- dies sagen alle Religionen über alle anderen Religionen

- die religiösen Schriften sind eine Fälschung, außerdem purer Unsinn

- die Gläubigen wurden über diese Tatsachen getäuscht; sie sind die Opfer, nicht die Täter.

LidlRacer
28.05.2019, 23:47
Ja, all das und 1000e aktuelle und ehemalige Religionen widersprechen sich ganz erheblich. Da offensichtlich fast alle falsch sein müssen, ist es nur noch ein klitzekleiner Schritt zur Erkenntnis, dass höchstwahrscheinlich alle falsch sind.

Trimichi
29.05.2019, 06:47
Ja, all das und 1000e aktuelle und ehemalige Religionen widersprechen sich ganz erheblich. Da offensichtlich fast alle falsch sein müssen, ist es nur noch ein klitzekleiner Schritt zur Erkenntnis, dass höchstwahrscheinlich alle falsch sind.

In Anbetracht dessen, wie die Menschheit sich verhält, also den Planeten zumüllen (z.B. siehe Mikroplastik), steht außer Frage entgegen der Natur. Alle Lebensformen haben eine Art natürliches Gleichgewicht zur Natur entwickelt. So auch die Natives (Indianer). Man nimmt sich was man braucht und hinterlässt keine Spuren. Unberührte Natur. Leben in Einklang mit den Naturgesetzen. Und wer hat's kaputt gemacht? Der Materialismus, der hier, wie gesagt, rigoros verfochten wird.

Da in diesem Thread das Lager der Atheisten eine Hegemonialstellung innehat, und diese mit Rigorismus verteidigt, ist es müßig, diese festgefahrenen und breitgetrumpelten Strukturen aufzuweichen.

Höchstwahrscheinlich haben sich die Götter abgewendet. Wenn man den Nordmännern zum Beispiel glaubt ("Mittelalterfreaks") kommen die auch nicht wieder. Auch Jesus wurde von Gott verlassen. »Eli, Eli, lama asabtani?«, das bedeutet: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«“.Matthäus 26,47.

Aber wer weiss das schon mit Sicherheit? Das Welthaus ist dank NASA, ESA, Hubble usw. größer geworden. Wer weiss was wir da draußen noch so alles finden werden? Vermutlich nichts. Bleibt uns nichts weiter als hier auf unserer "Läuterungsinsel", so Esoteriker, auf dem Raumschiff Erde, auszuharren. Und dem Ende entgegenfieben?

Meine Meinung: den Menschen geht es noch nicht schlecht genug, als dass sie Zuflucht bei Gott suchen müssten. Nicht alle freilich. Ich meine die Materialisten. Vllt geht dem einen oder anderen auch ein Licht auf. Insofern, dass ein gefüllter Magen nicht das Wichtigste ist. Der Tod ist ein unbarmherziger Jäger. Be prepared.

Jörn
29.05.2019, 07:02
Meine Meinung: den Menschen geht es noch nicht schlecht genug, als dass sie Zuflucht bei Gott suchen müssten.

Als die Menschen noch Zuflucht bei den Göttern suchten, ging's ihnen am schlechtesten.

Trimichi
29.05.2019, 07:41
Als die Menschen noch Zuflucht bei den Göttern suchten, ging's ihnen am schlechtesten.


Eben. Den Menschen geht es noch nicht schlecht genug. Es muss ihnen schlechter gehen, damit die Müllproduktion und die Overpopulation gedrosselt wird.

qbz
29.05.2019, 08:13
In Anbetracht dessen, wie die Menschheit sich verhält, also den Planeten zumüllen (z.B. siehe Mikroplastik), steht außer Frage entgegen der Natur. Alle Lebensformen haben eine Art natürliches Gleichgewicht zur Natur entwickelt. So auch die Natives (Indianer). Man nimmt sich was man braucht und hinterlässt keine Spuren. Unberührte Natur. Leben in Einklang mit den Naturgesetzen. Und wer hat's kaputt gemacht? Der Materialismus, der hier, wie gesagt, rigoros verfochten wird.

Überleg mal Trimichi, haben Philosophen wie Demokrit, Feuerbach, Marx und ihre Nachfolger die Industrialisierung und den Kapitalismus hervorgebracht, eine Gesellschaft, in welcher die Maximierung des Profits alles andere bestimmt und in welcher die Gesetzmässigkeiten hinter dem Rücken der Menschen wie automatisch weitgehend ausserhalb ihrer Kontrolle ablaufen?

Oder verwechselt Du etwa den Materialismus und Atheismus als Philosophie mit Donald Duck, mit reinen geld- und profitgetriebenen Verhaltensweisen und Einstellungen, welche unser Wirtschaftssystem den Menschen über soziale, wirtschaftliche Rollen (als Kapitalist, Warenbesitzer, Marktteilnehmer, usf.) zwangsweise auferlegt. Dass alles Menschliche in Waren mit einem bestimmten Tauschwert verwandelt wird, auch unsere Fähigkeiten und Wissen(schaft)(incl. Sex), nämlich in käufliche Arbeitskraft, hat glaube ich mit Marx und den Atheisten nur soviel zu tun, dass letzere in ihrer politischen Ökonomie analysieren, wie diese Prozesse gesetzmässig funktionieren und entstanden sind. So wie Einstein nicht das Universum, so haben Marx und der Materialismus / Atheismus nicht den Kapitalismus geschaffen. ;)

Du befindest Dich aber in guter Gesellschaft, auch der Papst und der Vatikan schreibt gerne mal Ähnliches über "Materialisten" und diesen die Schuld für alles Böse zu. :Blumen:

Darauf, dass im Mittelalter die römische Kirche mit dem Zehnten die Bauern in ihrem Reich ausbeutete und als feudaler Grossgrundbesitzer agierte, gehen wir mal besser gar nicht mehr weiter ein. Und die Vatikanbank steht bekanntlich der Deutschen Bank in Skandalen in rein gar nichts nach. Wie sollte sie, der Kapitalismus diktiert auch dem Vatikanstaat die Regeln, da helfen alle Sonntagsreden nicht weiter. vatikanbank-wer-s-glaubt (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vatikanbank-wer-s-glaubt-1.2257290)


Höchstwahrscheinlich haben sich die Götter abgewendet. Wenn man den Nordmännern zum Beispiel glaubt ("Mittelalterfreaks") kommen die auch nicht wieder. Auch Jesus wurde von Gott verlassen. »Eli, Eli, lama asabtani?«, das bedeutet: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«“.Matthäus 26,47.

Das ist eine verbreitete Antwort der Theisten auf das Theodizee-Problem. Quasi Vertreibung aus dem Paradies, die Menschen müssen sich Gott erst würdig erweisen.

Jörn
29.05.2019, 08:28
Man beachte den Unterschied zwischen "Materie" (das "Stoffliche") und einer auf Besitz und Gewinn bedachten Einstellung dem Leben gegenüber. Atheismus hat mit dem einen zu tun, nicht jedoch mit dem anderen.

Gestern ging es kurz um die Verwirrung zwischen "Götterglaube" und "begründeter Alltagserwartung" -- diese Debatte haben wir zum Glück nicht weitergeführt. Heute scheint eine ähnliche Verwirrung rund um den Begriff "Materie" und "Materialismus" auf der Tagesordnung zu stehen.

Aber warum?

Helmut S
29.05.2019, 08:45
[...]reinen geld- und profitgetriebenen Verhaltensweisen und Einstellungen, welche unser Wirtschaftssystem den Menschen über soziale, wirtschaftliche Rollen (als Kapitalist, Warenbesitzer, Marktteilnehmer, usf.) zwangsweise auferlegt.

Wer hat denn die Verhaltensweisen, Einstellungen, Wirtschaftssysteme und Rollen erdacht, die sich uns zwangsweise auferlegen? Homo homini lupus, oder? ;)

MattF
29.05.2019, 09:32
Meine Meinung: den Menschen geht es noch nicht schlecht genug, als dass sie Zuflucht bei Gott suchen müssten. Nicht alle freilich. Ich meine die Materialisten. Vllt geht dem einen oder anderen auch ein Licht auf. Insofern, dass ein gefüllter Magen nicht das Wichtigste ist. Der Tod ist ein unbarmherziger Jäger. Be prepared.

Was würde es dem Mensch helfen, wenn er sich in größter Not Gott zu wenden würde?

Würde es einem Bewohner Tuvalus irgend was helfen, wenn er sich währen er absäuft Gott zuwendet?

Was hat es den Hexen oder den Natives gebracht, dass sie im Namen Gottes getötet wurden? Ging es ihnen dabei besser?

Wieso fordert die katholische Kirche im Angesicht des Bevölkerungswachstums nicht massive Geburtenkontrolle?

Sollten wir uns nicht eher mit Lösungen beschäftigen, die tatsächlich Aussicht auf Erfolg hätten? Statt etwas nachzulaufen was seit 2000 Jahren nicht funktioniert?

Klugschnacker
29.05.2019, 09:33
Warum ist man ein Materialist, wenn man nicht an Götter, Geister, Teufel und Engel glaubt? Man kann auch als nichtreligiöser Mensch Ideale haben, sowie nichtmateriellen Dingen eine Existenz zusprechen.

Mich persönlich haben Ideale wie Wahrheit und Gerechtigkeit dazu geführt, mich kritisch mit dem Christentum auseinanderzusetzen. Andere sind vielleicht aus ebendiesen Gründen zum Christentum gekommen.

Als rigoros empfinde ich meinen Standpunkt nicht. Ich bin vielleicht standhaft darin, den absoluten Wahrheitsanspruch des Christentums und seiner offiziellen Vertreter in Frage zu stellen, sowie die, aus meiner Sicht, moralischen Mängel dieser Ideologie zu diskutieren. Ich akzeptiere aber, wenn jemand anderer Meinung ist.
:Blumen:

tandem65
29.05.2019, 09:39
Hi Arne,

Warum ist man ein Materialist, wenn man nicht an Götter, Geister, Teufel und Engel glaubt?

aus welcher Aussage liest Du diesen Vorwurf heraus?

Klugschnacker
29.05.2019, 09:44
Hi Arne,
aus welcher Aussage liest Du diesen Vorwurf heraus?

Ich hatte Michis Posting (https://www.triathlon-szene.de/forum/showpost.php?p=1455029&postcount=14728) in dieser Weise aufgefasst. Erster Absatz. Das kann auch ein Missverständnis sein.
:Blumen:

qbz
29.05.2019, 09:47
Wer hat denn die Verhaltensweisen, Einstellungen, Wirtschaftssysteme und Rollen erdacht, die sich uns zwangsweise auferlegen? Homo homini lupus, oder? ;)

ja, aber nicht kollektiv, in gemeinsamer, freier Diskussion und Abstimmung auf dem Hintergrund gleicher Chancen und Machtmöglichkeiten. :Lachen2: Als sich die Bauern in DE mal gegen Ende des Mittelalters gemeinsam etwas anderes ausgedacht hatten und die Fürsten vertrieben, wurden sie alle in Gottes Namen blutig hingerichtet. Diese Massenmorde blieben Jahrhunderte im Gedächtnis der Bauern. Auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in De wurden liquidiert, weil sie Bücher für etwas anderes als Kapitalismus schrieben.

Wir kennen doch die wichtigsten Motoren für die Anfänge des Kapitalismus: die ursprüngliche Akkumulation, die Industrialisierung, die Arbeitsteilung sowie die massenhafte Freisetzung der Bauern und Handwerker für den Arbeitsmarkt des Kapitals. Dem Thomas Hobbes mag das kriegerische Agieren der Staaten im Interesse des Profits und Besitzes für die Mächtigen wohl als wölfische Natur des Menschen erschienen sein, weil er das Funktionieren einer Gesellschaft nicht als Ganzes und in seinen unterschiedlichen Teilen zusammen analysierte, sondern einfach als Summe von Individuen mit einer ihnen innewohnenden, festen Natur verstand.

Trimichi
29.05.2019, 15:39
Man beachte den Unterschied zwischen "Materie" (das "Stoffliche") und einer auf Besitz und Gewinn bedachten Einstellung dem Leben gegenüber. Atheismus hat mit dem einen zu tun, nicht jedoch mit dem anderen.


Und was meint dann Madonna, wenn sie vom "material girl" singt (immerhin singt sie noch ;) ).

MATERIAL GIRL SONGTEXT ÜBERSETZUNG

Manche Männer küssen mich, manche Männer umarmen mich
Ich denke sie sind OK
Wenn sie mir nicht genug Geld geben
Gehe ich einfach weg

Sie können betteln und sie können bitten
Aber sie können das Licht nicht sehen, so ist das eben
Denn der Mann mit der echten Kohle
Ist immer Mr Right

Refrain:
Denn wir leben in einer materiellen Welt
Und ich bin ein materielles Mädchen
Du weisst, dass wir in einer materiellen Welt leben
Und dass ich ein materielles Mädchen bin


Fazit: Umwelt egal, Hauptsache Geld und noch vielmehr, nämlich sündhaft teure Sachen, Luxus und alle bewundern mich, schauen zu mir auf. Solches Verhalten impliziert, dass es keine Strafe gibt. Gibt keinen Theismus, keine Spiritualität, material girl in einer material world eben, Materialismus, Anhäufung von Gütern, Egoismus soweit man es eben treiben kann. Weil die strafende Instanz (Gewissen) fehlt. Und das was in Form von Kirche noch übrig ist willst Du abschaffen?

Wohin führt das? Die Jugendlichen scheinen irgendwie angefressen zu sein. Generation no future? Wie außen, so innen." (Hermes Trismegistos). Das wäre nun dann aber doch wieder spirituell argumentiert und das gilt nicht. Weil man ja nicht von der ausgebeuteten, vergifteten und vollgemüllten Umwelt auf das was dahintersteckt schließen kann. Wie fühlt sich das an, wenn man mit dem Bachelor an der Uni zum Prekariat gehört, einkommensmäßig? Womöglich liegt im qualitativen Paradigma (Spiritualismus, res cogitans nach Descartes, die denkende Substanz) und nicht so sehr im quantitativen Paradigma (res extensa, die ausgedehnte Subtanz nach Descartes, Materialismus) die Lösung?

at MattF: Kollektivismus statt Egoismus. Zusammenlegen statt spalten. Der Kapitalismus spaltet, weil es besser ist vier Küchen an vier Personen zu verkaufen, anstatt eine Küche an einen Haushalt, in dem vier Personen leben. Übrig bleibt dann nur noch das "Stoffliche". Materialismus eben. Nur das Stoffliche verleiht Sinn. Es gibt keine Spiritualität?! Und darum haben ja auch alle ein Auto, eine Küche, eine Stereoanlage, einen Hund, ein Reitpferd, einen tollen Urlaub usw. Aber ein Instrument spielen? Lieder singen? Spieleabende? Straßenfeste? Oder mal selbst ne Hose nähen, müsste man ja zu Omi nebenan gehen und um Nadel und Faden bitten und fragen wie Nähen geht? Alles Fehlanzeigen bzw. Totalausfälle.

Z. hatte hier das soziale Miteinander eingebracht (Gemeinwesen), wurde aber nicht aufgegriffen, wenn ich mich richtig entsinne. Bitte gerne berichtigen, ergänzen und/oder zu recht weisen.

Zarathustra
04.06.2019, 22:00
...
Es ist Dir ja ja bekannt, dass der Dominikaner Th. v. Aquin ein mehrbändiges Handbuch für Missionare "Summa contra gentiles" verfasste und auch alle drei Reformatoren zeichneten sich durch Bekehrungseifer aus.
...

Da es sich bei der "Summa contra gentiles" um eine philosophisch-argumentative Darstellung der christlichen Lehre handelt, kann man in ihrem Fall m. E. von 'Bekehrungseifer' nur im Sinne von 'Bekehrung zum besseren Argument' sprechen. Im Übrigen ist der Autor der Ansicht, daß der Glaube nur freiwillig angenommen werden kann.

Zarathustra
04.06.2019, 22:02
...
Natürlich kann ein vollkommener Gott eine unvollkommene Welt schaffen, sofern wir einfach per Definition festlegen, dass die Vermeidung von Leid nicht zur "Vollkommenheit" gehört.

Genau. Es ist nicht das oberste Prinzip eines vollkommen guten Löwen Leid zu vermeiden; und auch nicht der Moral, ganz unabhängig von Gott.




Es scheint für Dich kein Kriterium zu geben, an dem man messen könnte, ob Gott vollkommen ist oder nicht. Es hängt von nichts ab.[/INDENT]

Falls ich Dich hier missverstehe, könntest Du uns ja ein Kriterium nennen, mit dem man unterscheiden könnte, ob Gott vollkommen wäre oder nicht.


Wir haben in diesem Leben kein (genügend sicheres) Kriterium zur Beurteilung der Vollkommenheit Gottes.

Zarathustra
04.06.2019, 22:03
... Allerdings bist Du der Frage von Klugschnacker ausgewichen, bei welchem Autor/Buch man die korrekte Lehre nachlesen könne.


Ich habe drei Autoren vorgeschlagen.



Erstens halte ich es nicht für plausibel, dass die "korrekte Darstellung der christlichen Lehre" möglich ist...

Gut. Wenn Dein Gegner so unidentifizierbar ist, wogegen genau richtest Du dann Deine Kritik?



Warum also sollen wir ausgerechnet Deinen Worten folgen?


Es soll, von mir aus, niemand. Aber es kann, wer sie interessant oder plausibel findet.




Drittens habe ich Zweifel, ob die Idee funktioniert, quasi aus wissender Position die erwachsenen Leute im Chat an den Ohren zu ziehen, sobald sie was Falsches über das Christentum sagen. ...

Wer angibt das Christentum zu kritisieren, muß schon das Christentum kritisieren und nicht etwas anderes.

Zarathustra
04.06.2019, 22:04
Ich möchte durchaus fair sein. Teile mir bitte mit, was an folgender Frage (auf die sich Dein Vorwurf bezieht) unfair sein soll:

Unfair ist die falsche Unterstellung, Thomas von Aquin sage etwas über materielle Eigenschaften von Engeln aus.

Zarathustra
04.06.2019, 22:06
Aha. Gott ist vollkommen, aber seine gesamte Schöpfung, alles Lebende oder Nichtlebende, unvollkommen.

Das wäre vergleichbar mit einem Bäcker, dem zeitlebens keine einzige Torte gelungen ist, und trotzdem als Bäcker Vollkommenheit beansprucht. Oder einem Mathematiker, der nicht eine einzige korrekte Gleichung niederschrieb,...

Nein, das wäre insofern nicht vergleichbar, da es dem Bäcker als Bäcker zukommt zu backen und dem Mathematiker als M. korrekte Gleichungen aufzustellen; Gott dagegen kommt es aber nicht notwendig zu die Welt zu erschaffen. (Er hätte sie auch nicht erschaffen können. Es reicht, wenn die Existenz der Welt besser ist als ihre Nichtexistenz.) Davon abgesehen haben wir sicherlich keinen zuverlässigen Maßstab für gelungene oder nicht gelungene Welten.



Ich halte das für Unsinn. Die Unvollkommenheit der Welt ist mit einem allmächtigen und allgütigen Schöpfer nicht in Einklang zu bringen. Das haben auch schon andere bemerkt, schließlich ist die Theodizee, die Rechtfertigung Gottes angesichts des Leids auf der Welt, ein ungelöstes Problem, seit es das Christentum gibt.


Daß die Theodizee ein ungelöstes Problem ist, bedeutet noch immer nicht, daß damit irgendetwas in die entgegengesetzte Richtung bewiesen wäre. Dieser Beweis wäre erst zu führen und m.E. nicht weniger schwierig.



Gelegentlich hört man ja den Einwand, dass die Wesen der himmlischen Sphäre nicht der Logik unterworfen seien, da sie über der Logik stünden. Anyway.


Das mag beispielsweise Descartes so sehen, entspricht aber zumindest nicht der katholischen Lehre.




Würde die Theologie tatsächlich die Logik anerkennen, gäbe es keine Wunder, und die Dreifaltigkeit würde als Geschwurbel identifiziert.


Gegen welches Gesetz der Logik verstoßen Wunder, gegen welches die Dreifaltigkeit?



... Doch die strikte Anerkennung logischen Denkens führt meiner Ansicht nach weg vom christlichen Gottesbild der Theologen, sicherer noch als ein konsequent moralisches Denken.

Solange Du keinen einzigen Widerspruch (in der Form 'A und nicht-A') benennen kannst, bleibt das bloße Meinung.
(Daß etwas nicht Deinen persönlichen Vorstellungen einer perfekten Welt entspricht, stellt noch keinen logischen Widerspruch dar.)

Zarathustra
04.06.2019, 22:07
Was sind die Hauptgründe, die Atheisten für ihre Position persönlich angeben würden:

- Darwin (!) und Newton (!) haben uns diesen Zahn gezogen


Der historische Newton sicherlich nicht.




- & die Theodizee ist ein nicht hinnehmbarer Widerspruch, Ablehnung aus rein begrifflichen Gründen und einem Blickauf die Welt



Ich lese hier immer von 'Widerspruch', niemand macht sich aber die Mühe diesen einmal als solchen formal klar und deutlich darzustellen...

Klugschnacker
04.06.2019, 22:13
Ich lese hier immer von 'Widerspruch', niemand macht sich aber die Mühe diesen einmal als solchen formal klar und deutlich darzustellen...

Ich denke, wir wissen alle sehr gut, welcher Widerspruch gemeint ist, denn das ist ja auch nicht schwer zu verstehen. Falls Du es nicht weißt, kannst Du nachfragen und wirst eine Antwort bekommen.

Die Welt, welche wir konkret um uns vorfinden, ist alles andere als vollkommen. Das ist ein Widerspruch zur behaupteten Allgüte und Allmacht des christlichen Gottesbildes.

LidlRacer
04.06.2019, 23:51
@Zarathustra
Ich weiß nicht, ob Du das schon mal gefragt wurdest:
Hast Du irgendeine Verbindung zum Triathlon?

Falls nein (mir scheint es so):
Wie bist Du auf dieses Forum gestoßen?

qbz
05.06.2019, 07:06
Unfair ist die falsche Unterstellung, Thomas von Aquin sage etwas über materielle Eigenschaften von Engeln aus.

Das ist schon sehr spitzfindig Jörn gegenüber formuliert, um die zum X-Male gestellte Frage nach dem Engelsglauben in der kath. Lehre zu umgehen.

Th. von Aquin beschäftigt sich wie Du ja weisst über mehrere Seiten mit den Eigenschaften von Engeln und der Frage, ob sie materielle oder immaterielle Eigenschaften haben. Er charekterisiert sie als stofflose, immaterielle, geistige Wesen, denen es aber möglich sein soll, einen Köper ohne Lebendtätigkeit annehmen zu können. Auf diese Weise erkärt er, wie es möglich ist, dass Engel als geistige Wesen den Menschen in den Bibelerzählungen als körperliche, menschenähnliche Wesen erschienen sein sollen.

Im Prinzip sind die abgeleiteten Engels-Eigenschaften IMHO sowieso unerheblich, da man mit der scholastischen Methodik in einem weissen Einhorn sowohl eine göttliche wie teuflische Erscheinung wohlbegründet ableiten kann, über dessen wahre Gestalt dann am Ende der Papst entscheidet. ;)

Klugschnacker
05.06.2019, 08:51
Nein, das wäre insofern nicht vergleichbar, da es dem Bäcker als Bäcker zukommt zu backen und dem Mathematiker als M. korrekte Gleichungen aufzustellen; Gott dagegen kommt es aber nicht notwendig zu die Welt zu erschaffen. (Er hätte sie auch nicht erschaffen können. Es reicht, wenn die Existenz der Welt besser ist als ihre Nichtexistenz.) Davon abgesehen haben wir sicherlich keinen zuverlässigen Maßstab für gelungene oder nicht gelungene Welten.

"Es kommt Gott nicht notwendig zu die Welt zu erschaffen" – er hat sie nach christlicher Auffassung aber nunmal geschaffen. Ganz gleich, ob ihm das notwendig zukommt, was immer das genau heißen mag. Er ist der Schöpfer.

Da er allmächtig und gleichzeitig allwissend ist, sah er im Moment der Schöpfung alles Leid der Welt präzise voraus. Er sah den Holocaust ebenso voraus wie die Tatsache, dass die Tiere sich gegenseitig bei lebendigem Leibe auffressen müssen und gefressen werden. Er sah voraus, dass guten Menschen unverschuldet schlimme Dinge passieren; dass Babies ohne eigene Schuld schwerbehindert auf die Welt kommen. Trotzdem schuf er die Welt genau so. Kraft seiner Allmacht hätte es ihn keinerlei Anstrengung gekostet, alles Leid zu vermeiden. Das hat er jedoch nicht getan. Deshalb können wir ihn nicht als allgütiges Wesen, mit anderen Worten: als ein nicht steigerbar gutes Wesen betrachten.

Der Maßstab für dieses Urteil ist unter anderem unser eigenes, selbst empfundenes Leid. Wir benötigen keinen objektiven, abstrakten Maßstab, um Gottes Schöpfung zu bewerten. Sondern es genügt, wenn wir selbst Leid empfinden. Damit steht fest, dass das Leid auf der Welt existiert.

Der Widerspruch zwischen dem nicht steigerbaren Gutsein des christlichen Gottesbildes und dem vorhandenen Leid ist offensichtlich.

Klugschnacker
05.06.2019, 09:12
Daß die Theodizee ein ungelöstes Problem ist, bedeutet noch immer nicht, daß damit irgendetwas in die entgegengesetzte Richtung bewiesen wäre. Dieser Beweis wäre erst zu führen und m.E. nicht weniger schwierig.

Wie meinst Du das? Die Theodizee, also das Vorhandensein des Leids in der Schöpfung eines allmächtigen und allgütigen Wesens, stellt nicht mich vor ein logisches Problem, sondern Dich.

Allmacht und Allgüte sind zwei Eigenschaften, die nicht gleichzeitig vorhanden sein können, sobald unverschuldetes Leid existiert.

Aus meiner Position ist die Existenz des Leids ganz einfach zu erklären.

Klugschnacker
05.06.2019, 12:14
Gegen welches Gesetz der Logik verstoßen Wunder, gegen welches die Dreifaltigkeit?

Man kann nicht gleichzeitig der Vater und dessen Sohn sein. Ebensowenig wie Baron von Münchhausen sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann. Jeder merkt sofort, dass da etwas nicht stimmt.

Der "Heilige Geist" ist eine religionsgeschichtlich spätere Erfindung. Jesus selbst hielt sich weder für einen Gott (das wäre für ihn als Juden eine höchst gotteslästerliche Vorstellung gewesen), noch wusste er etwas von einem Heiligen Geist.

MattF
05.06.2019, 12:28
at MattF: Kollektivismus statt Egoismus. Zusammenlegen statt spalten. Der Kapitalismus spaltet, weil es besser ist vier Küchen an vier Personen zu verkaufen, anstatt eine Küche an einen Haushalt, in dem vier Personen leben. Übrig bleibt dann nur noch das "Stoffliche". Materialismus eben. Nur das Stoffliche verleiht Sinn. Es gibt keine Spiritualität?! Und darum haben ja auch alle ein Auto, eine Küche, eine Stereoanlage, einen Hund, ein Reitpferd, einen tollen Urlaub usw. Aber ein Instrument spielen? Lieder singen? Spieleabende? Straßenfeste? Oder mal selbst ne Hose nähen, müsste man ja zu Omi nebenan gehen und um Nadel und Faden bitten und fragen wie Nähen geht? Alles Fehlanzeigen bzw. Totalausfälle.


Und wenn wir alle gläubig würden, würde das wieder besser?