Vollständige Version anzeigen : Da fasse ich mir echt an den Kopf…
@ Zarathustra: Vielen Dank für deine tollen Beiträge hier! :Blumen:
Klugschnacker
22.04.2017, 08:28
Nur noch soviel: Die Sündenvergebung (was immer man davon halten mag) ist eine rituelle Handlung, sie hat nichts zu tun mit irgendeiner Wirkung auf irgendein imaginäres Objekt, sie hat alles zu tun mit der Durchführung der Handlung selbst und einem damit verbundenen menschlichen Bedürfnis.
Nehmen wir als Beispiel die Sünde des vorehelichen Geschlechtsverkehrs. Dass dies eine Sünde sei, geht auf das Wirken eines imaginären Objekts zurück, nämlich auf einen Gott, der das zu einer Sünde erklärt. Zudem ist der Begriff der Sünde an sich etwas Imaginäres. Er existiert nur in unseren Köpfen. Die Möglichkeit, von diesen Sünden wieder befreit zu werden, ist ebenfalls rein imaginär, denn er wird durch Gebetsformeln durchgeführt. Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben. Das Jenseits und die dortigen Konsequenzen sind ebenfalls rein imaginär.
Wie kommst Du zu der Auffassung, all das habe nichts mit einer Wirkung auf imaginäre Objekte zu tun, sondern entspringe einem menschlichen Bedürfnis, welches unabhängig von den imaginären Objekten existiert?
Klugschnacker
22.04.2017, 09:06
Religion und Wissenschaft haben insofern den gleichen Gegenstand, als dass sie den Anspruch haben, sich mit der Wahrheit zu befassen. Die Religionen haben dabei einen umfassenderen Wahrheitsanspruch als die Wissenschaften.
Dass die Religionen sich dabei mit imaginären Dingen beschäftigen wie zum Beispiel "Sünden" tut nichts zur Sache. Der Wert einer Aktie ist ebenso imaginär wie die Schwere einer Sünde. Die Rechtswissenschaften beschäftigen sich mit imaginären Konstrukten wie "juristischen Personen" und Gesetzen. Es ist also ein Missverständnis, festzusetzen, dass die Wissenschaft im Reich der imaginären Objekte nichts verloren habe.
Dass sich die Religion mit rein imaginären Objekten beschäftigt, wird in erster Linie von den Religionen selbst bestritten. Es ist beispielsweise ein katholisches Dogma, dass Maria nicht symbolisch und imaginär, sondern ganz konkret mitsamt ihrem Leib in den Himmel aufgestiegen sei. Sie hinterließ angeblich keine Leiche.
Wissenschaft und Wissen ist für den Glauben sehr wichtig, denn das Wissen trennt Glaube von Aberglaube. Ruht die Erde auf dem Rücken einer Schildkröte? Können wir uns Adam und Eva tatsächlich als die ersten Menschen vorstellen? Wurde das Universum in 7 Tagen erschaffen?
Die Antwort auf jede dieser Fragen lautet "Nein" und befindet sich aus der Perspektive des heutigen Wissens im Reich des Aberglaubens. Indem man versucht, die Religion gegen das voranschreitende Wissen und alle Wissenschaft zu immunisieren, wird der Glaube zwangsläufig immer mehr zum Aberglaube. Er verliert an Glaubwürdigkeit und Relevanz.
Ich sehe keinen vernünftigen Grund, warum man Daseinsfragen oder ethische Fragen nach unserem Zusammenleben vom voranschreitenden Wissensstand abkoppeln sollte. Wissenschaft ist keine Bedrohung für unsere Spiritualität, sondern eine ihrer Hauptschlagadern.
Ist es erlaubt, auf die heutigen (22. April) Kundgebungen hinzuweisen, die weltweit für mehr Wissenschaft eintreten?
MARCH FOR SCIENCE
»Eine internationale Kundgebung, die am 22. April in 514 Städten auf der ganzen Welt für den Wert von Wissenschaft, Fakten und Evidenzbasiertheit in Zeiten von “alternativen Fakten” (= Lügen) eintritt. Wissenschaft ist etwas, was alle angeht. Insofern gehen am 22.4. nicht nur Wissenschaftler/innen auf die Straße, sondern alle, denen diese Dinge ebenfalls wichtig sind.«
Berlin / Potsdam: 13:00 Uhr, Humboldt-Universität
Bonn / Köln: 12:00 Uhr, Hofgartenwiese
Dresden: 13:30 Uhr, Theaterplatz
Espelkamp: 14:00 Uhr am Atrium
Frankfurt / Rhein-Main: 13:00 Uhr, Bockenheimer Warte
Freiburg: 11:00 Uhr, Platz der Weißen Rose
Göttingen: 11:00 Uhr (Warm-up ab 10:00 Uhr), Gänseliesel
Greifswald: 15:00 Uhr, Marktplatz
Hamburg: 14:00 Uhr, Rathausmarkt
Heidelberg: 15:00 Uhr, Friedrich-Ebert-Platz
Helgoland: 13:30 Uhr, Südhafen
Jena: 10:00 Uhr, Universitätshauptgebäude
Kassel: 14:00 Uhr, Bebelplatz
Koblenz: 12:00 Uhr, Zentralplatz
Kiel: Vorabendveranstaltung am 21.4. ab 20:30 Uhr, Audimax (ab 21:00 Uhr Lightshow am Uni-Hochhaus)
Leipzig: 13 Uhr, Naturkundemuseum (Lortzingstraße 3)
München: 10:30 Uhr Karlsplatz/Stachus
Münster: 15:00 Uhr, Domplatz
Rostock: 13:00 Uhr, Rathaus/Neuer Markt
Stuttgart: 10:30 Uhr, Schlossplatz
Trier: 13:00 Uhr, Porta Nigra
Tübingen: 13:00 Uhr, Neckarinsel
Infos zu den jeweiligen Städten (Programm, Rednerliste) gibt es hier:
http://marchforscience.de/auch-in-deiner-stadt/
Homepage:
http://marchforscience.de
Zarathustra
22.04.2017, 10:29
Wie kommst Du zu der Auffassung, all das habe nichts mit einer Wirkung auf imaginäre Objekte zu tun, sondern entspringe einem menschlichen Bedürfnis, welches unabhängig von den imaginären Objekten existiert?
Menschen handeln mitunter schuldhaft, was daher kommt, daß sie in sozialen Gemeinschaften leben und sich damit jeweils bestimmten Regeln unterwerfen. Wenn sie diese brechen, fühlen sie sich schuldig und es entsteht gegebenenfalls das Bedürfnis sich dieses Schuldgefühls zu entledigen. Das ist das zugrundeliegende Phänomen.
Um dies äußerlich zu vollziehen, bieten Religionen symbolische Handlungen, Rituale an, die auch bestimmte sprachliche Ausdrücke wie Sünde und Vergebung beinhalten können. Mysteriöse Objekte und Wirkungen kommen nur bei dem in Betracht, der die Sprachlogik mißversteht und zwanghaft hinter jedem Satzsubjekt ein Objekt und und hinter jedem Satzprädikat eine Wirkung suchen muß.
Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben.
Ich denke hier liegst du falsch. Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.
Noch ne Frage: Der Jörn und du: Seid ihr eigentlich Vulkanier?;) :Blumen:
Für die Kirchen ist es nicht nur ein symbolischer Akt. Für die Kirchen sind die Sünde und deren Konsequenzen so konkret wie eine Brezel. Man kann das in den Schriften der jeweiligen Kirchen nachlesen.
Ich war letztes Jahr im Petersdom, um durch die "Heilige Pforte" zu schreiten, wodurch angeblich alle Sünden vergeben werden. Dort herrschte Mord- und Totschlag, weil es den Menschen existenziell (!) wichtig war, die richtige Tür zu erwischen. Es gab Geschrei und es flossen Tränen. Die Stadt war voll von Pilgern, viele aus den USA und aus Asien, und es herrschte eine religiöse Raserei. Diesen Leuten mitzuteilen, es sei alles nur symbolisch, wäre vermutlich ungesund.
Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.
Wäre dann eine Beichte, die von einem Wissenschaftler abgenommen wird, der sich zufällig in einer Kirche aufhält, ebenso wirksam wie die Beichte gegenüber einem Priester, der sich zufällig in einem Atom-Institut aufhält?
Zarathustra
22.04.2017, 10:50
Religion und Wissenschaft haben insofern den gleichen Gegenstand, als dass sie den Anspruch haben, sich mit der Wahrheit zu befassen. Die Religionen haben dabei einen umfassenderen Wahrheitsanspruch als die Wissenschaften.
...
Alle streben nach Wahrheit. Aber haben denn alle Disziplinen - Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Philosophie, Theologie, Kunst, usw. - diesselbe Methode der Wahrheitsfindung? Beruhen alle menschlichen Handlungsweisen und Überlegungen, die nicht die naturwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung den Vorrang einräumen, auf einem Irrtum? Oder auf einem anderen Interesse? Sind solche per se unberechtigt?
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.
Welche Glaubenssätze, die im 17. Jahrhundert galten, gelten heute nicht mehr? Ich kann Dir versichern, dass der Katechismus der rk-Kirche praktisch unverändert ist.
Der folgende Link führt zur "Kurzfassung" des Katechismus, herausgegeben von Papst Benedikt. Es ist also sehr aktuell. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa (bekannt durch Kaiser Konstantin) ist wörtlich enthalten. Es stammt aus dem Jahr 451.
http://www.vatican.va/archive/compendium_ccc/documents/archive_2005_compendium-ccc_ge.html
Hinzu kamen nach dem 17. Jahrhundert unter anderem folgende Dogmen:
- 1854: Dogma der unbefleckten Empfängnis
- 1871: Unfehlbarkeit des Papstes
- 1950 (!!!) : leibliche Himmelfahrt Marias
»Wir haben durch gemeinsames Urteil die Lehren des Irrtums verjagt und den irrtumslosen Glauben erneuert« (Nicäa-Konstantinopolitanum)
Deine These, dass die Kirche seit dem 17. Jahrhundert weniger abergläubisch-verquaste Inhalte lehren würde als davor, ist nicht zutreffend.
captainbeefheart
22.04.2017, 11:15
Menschen handeln mitunter schuldhaft, was daher kommt, daß sie in sozialen Gemeinschaften leben und sich damit jeweils bestimmten Regeln unterwerfen. Wenn sie diese brechen, fühlen sie sich schuldig und es entsteht gegebenenfalls das Bedürfnis sich dieses Schuldgefühls zu entledigen. Das ist das zugrundeliegende Phänomen.
Um dies äußerlich zu vollziehen, bieten Religionen symbolische Handlungen, Rituale an, die auch bestimmte sprachliche Ausdrücke wie Sünde und Vergebung beinhalten können. Mysteriöse Objekte und Wirkungen kommen nur bei dem in Betracht, der die Sprachlogik mißversteht und zwanghaft hinter jedem Satzsubjekt ein Objekt und und hinter jedem Satzprädikat eine Wirkung suchen muß.
+1, besser kann es nicht beschrieben werden.
Klugschnacker
22.04.2017, 11:15
Alle streben nach Wahrheit. Aber haben denn alle Disziplinen - Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Philosophie, Theologie, Kunst, usw. - diesselbe Methode der Wahrheitsfindung? Beruhen alle menschlichen Handlungsweisen und Überlegungen, die nicht die naturwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung den Vorrang einräumen, auf einem Irrtum? Oder auf einem anderen Interesse? Sind solche per se unberechtigt?
Mache bitte mal ein Beispiel für eine nichtwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung. Ich weiß sonst nicht, wovon Du redest.
:Blumen:
Den Aberglauben, der hier immer untergeschoben wird, vertritt doch heute überhaupt kaum noch jemand. Warum wird das immer wieder aufgewärmt? Das ist auf dem Diskussionsstand des 17. Jahrhunderts.
Du sagst, den Aberglauben habe man im 17. Jahrhundert hinter sich gelassen. Ohnehin würde er den heutigen Religionen nur untergeschoben. Dürfte ich Dich auch hier um ein Beispiel für einen zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen bitten, den Du frei vom Aberglauben hältst?
Klugschnacker
22.04.2017, 11:33
Ein menschliches Bedürfnis nach Reinigung von diesen imaginären Sünden existiert nur insofern, als dass die Sünden Konsequenzen im Jenseits haben.
Ich denke hier liegst du falsch. Es gibt durchaus rein menschliche Gründe, und sei es bei einer Beichte stellvertretend, um Verzeichnung zu bitten, ohne dies aus Furcht vor dem Fegefeuer zu tun.
Ich meinte das so: Es gibt per se kein menschliches Bedürfnis, freitags kein Fleisch zu essen oder am Sabbat nicht staubzusaugen. Wer freitags Fleisch isst oder am Sabbat die Wohnung putzt, verspürt kein Bedürfnis nach innerer Läuterung. Das kommt erst durch ein von außen zugesetztes System von Regeln und Normen zustande. Erst dadurch werden Handlungen zur "Sünde" und erst dadurch entsteht das Bedürfnis nach deren Vergebung.
Im Christentum ist die Normenkontrolle durch Gott ein sehr zentrales Motiv. Gott richtet nicht nur über Deine Taten, sondern auch über falsche Gedanken. Zum Beispiel sollst Du nicht Deines Nächsten Haus, Esel oder Weib begehren. Nicht der Diebstahl oder der Ehebruch ist hier angesprochen, sondern bereits der rein geistige Akt des Begehrens wird zur Sünde erklärt. Diese gilt es anschließend durch Beichte oder Buße zu sühnen.
Zarathustra
22.04.2017, 12:07
Mache bitte mal ein Beispiel für eine nichtwissenschaftliche Methode der Wahrheitsfindung. Ich weiß sonst nicht, wovon Du redest.
:Blumen:
Du sagst, den Aberglauben habe man im 17. Jahrhundert hinter sich gelassen. Ohnehin würde er den heutigen Religionen nur untergeschoben. Dürfte ich Dich auch hier um ein Beispiel für einen zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen bitten, den Du frei vom Aberglauben hältst?
Wir sprechen hier über den Unterschied zwischen der empirisch-experimentellen Methode der Naturwissenschaft und anderen Gebieten. Denn wer sich Wissenschaft nennt und wer nicht ist oft unklar.
Zwei Beispiele:
Ein Mathematiker entwickelt ein neues Symbolsystem, um etwas ausdrücken zu können, das sich vorher der mathematischen Darstellung entzog (z.B. Gottlob Frege, Begriffsschrift 1879).
Ein Musiker drückt in seiner Komposition eine bestimmte Stimmung aus. Der Hörer stellt fest: Er hat es genau getroffen.
Beide gehen nicht empirisch-experimentell vor. Die Wahrheit ihrer Erzeugnisse ist dennoch objektiv nachvollziehbar.
Die Frage nach einem zentralen Glaubensinhalt der heutigen Christen frei vom Aberglauben, geht doch schon wieder an der Sache vorbei. Ich sage:
Rituelle symbolische Handlungen lassen sich aus menschlich sozialen Bedürfnissen verstehen.
Daß irgendjemand Außenstehendes und auch die Beteiligten, diese Handlungen mit einem Aberglauben verbinden können, ist doch eine ganz andere Fragestellung.
Zarathustra
22.04.2017, 12:15
Ich meinte das so: Es gibt per se kein menschliches Bedürfnis, freitags kein Fleisch zu essen oder am Sabbat nicht staubzusaugen. Wer freitags Fleisch isst oder am Sabbat die Wohnung putzt, verspürt kein Bedürfnis nach innerer Läuterung. Das kommt erst durch ein von außen zugesetztes System von Regeln und Normen zustande. Erst dadurch werden Handlungen zur "Sünde" und erst dadurch entsteht das Bedürfnis nach deren Vergebung.
...
Hier sehen wir das wahre und meiner Meinung nach auch berechtige Feld, auf dem sich Religionskritik abspielen kann: Die Kritik einer sozialen Ordnung, von Regeln und Normen sowie deren jeweiliger Anwendung (Diskussionsstand: 18./19. Jahrhundert). Der Versuch einen vermeintlichen Erkenntnisfehler nachzuweisen rückt hierbei immer mehr in den Hintergrund.
Jedoch wird die christliche Religion nicht mit einem menschlichen Bedürfnis begründet. Sondern damit, dass bestimmte Ereignisse sich tatsächlich ereignet haben.
Du beschreibst psychologische Effekte, eine Art Wellness. Das Christentum spricht von realen Ereignissen, von denen sie auch Zeugen behauptet. In Rom habe ich den angeblichen Fußabdruck von Maria besucht; es handelt sich hier nicht um Symbolik, sondern um den empirischen Beweis einer tatsächlich stattgefundenen Begebenheit. Der Fußabdruck stammt aus der angeblichen Grabhöhle -- wiederum eine empirische Behauptung.
Im Petersdom wird ein Splitter aus dem Jesuskreuz aufbewahrt; außerdem ein Schweißtuch, welches er auf dem Gang zu seiner Kreuzigung gereicht bekam; sowie ein Splitter aus der Lanze, mit dem ein Römer ihm in die Seite stach, um den Tod festzustellen. Das sind empirische Beweisstücke (natürlich alle gefälscht), und nicht nur gedankliche Symolik. Hier wird eine Geschichte als empirisch wahr bewiesen.
Papst Benedikt sagt, die Hölle sei nicht nur Symbolik, sondern ein Ort, hinter dem man die Tür zumachen könne.
Papst Benedikt sagt, wer die symbolischen Rituale der evangelischen Kirche befolgt, landet zwangsläufig in der Hölle.
Nach Deiner Darstellung hätte ein Vergebungs-Tanz eines afrikanischen Schamanen den gleichen Effekt wie eine Beichte, nämlich, dass sich der Mensch erleichtert fühlt. Das ist überhaupt nicht die Position der Kirchen. Die Kirchen behaupten, das eine hätte einen negativen Effekt, und das andere einen positiven Effekt auf die reale Zukunft des Menschen, und zwar in einem erheblichen Ausmaß.
Zum Beispiel sollst Du nicht Deines Nächsten Haus, Esel oder Weib begehren.
Reihenfolge bewusst gewählt? O:-)
Zarathustra
22.04.2017, 12:36
Jedoch wird die christliche Religion nicht mit einem menschlichen Bedürfnis begründet. Sondern damit, dass bestimmte Ereignisse sich tatsächlich ereignet haben.
Du beschreibst psychologische Effekte, eine Art Wellness. Das Christentum spricht von realen Ereignissen, von denen es auch Zeugen gibt.
Das eine sind sind die sprachlichen Äußerungen, deren Sinn unklar und umstritten ist über die Du aber gerne „wissenschaftlich“ spekulierst, das andere die symbolischen Handlungen und die damit verbundenen Gefühle und sozialen Konsequenzen, die - ein gewisses Maß an Empathiefähigkeit vorausgesetzt - objektiv nachvollziehbar sind.
Menschen erzählen sich gelegentlich Märchen und nehmen diese sehr ernst. (Die Betonung der Wahrheit von religiösen Texten würde ich mit dieser Ernsthaftigkeit in Verbindung bringen und der Abwehr von Zweiflern und Gegnern.)
Die sprachlichen Äußerungen sind keineswegs umstritten. Der katholische Katechismus ist leicht verständlich und geht von sich aus auf mögliche Missverständnisse ein. Er ist so klar wie man nur irgendwie sein kann. Jeder kann sich selbst davon überzeugen:
http://www.vatican.va/archive/compendium_ccc/documents/archive_2005_compendium-ccc_ge.html
Menschen erzählen sich gelegentlich Märchen und nehmen diese sehr ernst.
Menschen erzählen sich Märchen und nehmen diese sehr ernst? Welches Märchen nimmst Du denn ernst? Und was würde es beweisen?
Das Christentum ist aus Sicht der Kirchen und der Gläubigen eben kein Märchen, sondern blutiger Ernst. Ich bin gespannt, ob manche Diskussionsteilnehmer, die Dir zugestimmt haben, immer noch zustimmen, wenn Du behauptest, das Christentum sei ein Märchen. Ich würde gerne von Gläubigen unter den Lesern hören, ob sie der Meinung sind, es sei ein Märchen.
:Blumen:
Zarathustra
22.04.2017, 13:02
Die sprachlichen Äußerungen sind keineswegs umstritten. ... Er ist so klar wie man nur irgendwie sein kann.
...
Ich bin gespannt, ob manche Diskussionsteilnehmer, die Dir zugestimmt haben, immer noch zustimmen, wenn Du behauptest, das Christentum sei ein Märchen.
Du verbleibst immer nur auf der Ebene der Worte. Der Akt der Äußerung und sein Kontext scheint für Dich nicht zu existieren.
Wenn Du aus dem von mir Geschriebenen herauslesen willst, meine Behauptung sei es, daß das Christentum ein Märchen sei, muß ich an Deinem Vermögen zum verstehenden Lesen schon sehr zweifeln...
Klugschnacker
22.04.2017, 13:08
Hier sehen wir das wahre und meiner Meinung nach auch berechtige Feld, auf dem sich Religionskritik abspielen kann: Die Kritik einer sozialen Ordnung, von Regeln und Normen sowie deren jeweiliger Anwendung (Diskussionsstand: 18./19. Jahrhundert). Der Versuch einen vermeintlichen Erkenntnisfehler nachzuweisen rückt hierbei immer mehr in den Hintergrund.
Nehmen wir ein Beispiel. Katholiken glauben zu wissen, dass gleichgeschlechtliche Liebe eine Sünde ist. Sie wissen es von Gott selbst, der letztlich der Urheber der biblischen Texte sei. Wir haben es hier mit einer Frage der sozialen Ordnung zu tun, sowie mit einer vermeintlichen Erkenntnis, nämlich jener, was die Götter dazu zu sagen haben.
Du sagst, man könne die soziale Ordnung kritisieren. Die ihr zugrunde liegende angebliche Erkenntnis, nämlich der geoffenbarte Wille des Schöpfers des Universums, würde in den Hintergrund rücken.
Für mich ist es genau umgekehrt: Für mich stehen die Ursachen im Vordergrund. "Wie um Himmels Willen kommt dieser ganze Stuss in die Welt?". Wie kommt man dazu, unter der Flagge der Nächstenliebe Menschen lebendig zu verbrennen? Wie rechtfertigt sich der Hass auf Menschen, die anderen Glaubens sind? Die Antwort liegt nicht in der bestehenden sozialen Ordnung, sondern in den vermeintlichen und falschen Erkenntnissen. Es gibt schlicht und ergreifend keine Hexen, das sind Hirngespinnste. Alle Gelehrten, Universitäten, Lehrstühle und Kardinäle haben sich jahrhundertelang geirrt. Erst waren sie nicht in der Lage, später nicht willens, wirkliche Erkenntnisse zu gewinnen.
Auch heute diskriminieren die Religionen in atemberaubender Weise andere Menschen. Es ist legitim und wichtig nachzusehen, mit welchen Erkenntnissen diese Diskriminierungen gerechtfertigt werden. Ohne diese Prüfung nach der Wahrheit ist Glaube schlicht unmoralisch. Einfach etwas zu glauben ohne sich um die tatsächliche Wahrheit des Geglaubten zu scheren, ist keine moralische Position, sondern eine unmoralische.
Wenn Du aus dem von mir Geschriebenen herauslesen willst, meine Behauptung sei es, daß das Christentum ein Märchen sei, muß ich an Deinem Vermögen zum verstehenden Lesen schon sehr zweifeln...
Es ist also kein Märchen? Warum nicht? Was unterscheidet es denn vom Märchen?
Zarathustra
22.04.2017, 13:22
Es ist also kein Märchen? Warum nicht? Was unterscheidet es denn vom Märchen?
Du sagst über das Obst: Es gibt nur Bananen und ein Apfel ist nichts anderes als eine falsche Banane. Ich sage, es gibt auch Birnen. Und jetzt soll ich Dir erklären, warum eine Birne kein Apfel ist? Wie wär's wenn Du erklärst, warum eine Birne auch eine falsche Banane sein soll?
Du sagst über das Obst: Es gibt nur Bananen und ein Apfel ist nichts anderes als eine falsche Banane. Ich sage, es gibt auch Birnen. Und jetzt soll ich Dir erklären, warum eine Birne kein Apfel ist? Wie wär's wenn Du erklärst, warum eine Birne auch eine falsche Banane sein soll?
Nein, ich sage, es gibt Birnen und Äpfel, und ich möchte wissen, welches von den beiden es ist. Sehr einfach. Ich lerne gerne auch eine dritte Frucht kennen.
Eine meiner Hauptthesen ist diese: Sobald man in religiösen Debatten konkrete Beispiele, Belege oder klare Definitionen erbittet, erntet man in der Regel nur Ausflüchte, und zwar umso mehr, je konkreter es wird. Die Folge davon ist, dass gläubige Menschen immer weniger Einfluss haben auf Debatten über ihre eigenen Themen. Die Karawane zieht ohne sie weiter.
Das ist schon längst geschehen: An Ostern und Weihnachten sind die Kirchen halbwegs voll, weil man z.B. die schöne Weihnachtsgeschichte und die Musik hören will. Aber sobald der Priester seine Predigt beginnt, hauen die Leute ab, so schnell es die Situation und die Höflichkeit ermöglichen. Debatten über Moral, Menschlichkeit und Barmherzigkeit finden längst woanders statt (und auf einem anderen Niveau).
Zarathustra
22.04.2017, 13:55
Nehmen wir ein Beispiel. Katholiken glauben zu wissen, dass gleichgeschlechtliche Liebe eine Sünde ist.
...
Für mich ist es genau umgekehrt: Für mich stehen die Ursachen im Vordergrund. "Wie um Himmels Willen kommt dieser ganze Stuss in die Welt?". ...
Beruht die Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Liebe auf einer Erkenntnis? Wenn man davon ausgeht, wird es einem immer ein Mysterium bleiben, wie die Menschen überhaupt dazu kommen konnten, eine solche Erkenntnis anzunehmen. Die Anderen einfach als irrational zu erklären oder ihnen absichtliche Täuschungen zu unterstellen ist zu billig.
Dagegen gibt es ein beobachtbares invariantes Phänomen: daß die Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Liebe in verschiedenen Kulturen tatsächlich stattfand und stattfindet, und daß verschiedene Kulturen dafür verschiedene Formen der Begründung fanden.
Es ist fraglich, ob die Ausgrenzung tatsächlich nie stattgefunden, wenn ihnen bloß die Begründung gefehlt hätte.
Zarathustra
22.04.2017, 14:05
Nein, ich sage, es gibt Birnen und Äpfel, und ich möchte wissen, welches von den beiden es ist. Sehr einfach. Ich lerne gerne auch eine dritte Frucht kennen.
Eine meiner Hauptthesen ist diese: Sobald man in religiösen Debatten konkrete Beispiele, Belege oder klare Definitionen erbittet, erntet man in der Regel nur Ausflüchte, und zwar umso mehr, je konkreter es wird.
...
Ja, es gibt mehr als zwei Obstsorten. Hier hatten wir von drei gesprochen: Wissenschaft, Religion, Märchen. Hoffentlich überrascht es nicht, wenn irgendwann einmal von einer Ananas die Rede ist.
Ich sehe es nicht so, daß die konkrete Diskussion zwischen uns an meinen Ausflüchten gescheitert wäre.
Im Übrigen verwundert es mich, daß Du Dich weit mehr als die meisten Anderen um irgendwelche Meinungen von Kirchenvertretern sorgst.
Klugschnacker
22.04.2017, 14:48
Beruht die Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Liebe auf einer Erkenntnis? Wenn man davon ausgeht, wird es einem immer ein Mysterium bleiben, wie die Menschen überhaupt dazu kommen konnten, eine solche Erkenntnis anzunehmen. Die Anderen einfach als irrational zu erklären oder ihnen absichtliche Täuschungen zu unterstellen ist zu billig.
Dagegen gibt es ein beobachtbares invariantes Phänomen: daß die Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Liebe in verschiedenen Kulturen tatsächlich stattfand und stattfindet, und daß verschiedene Kulturen dafür verschiedene Formen der Begründung fanden.
Es ist fraglich, ob die Ausgrenzung tatsächlich nie stattgefunden, wenn ihnen bloß die Begründung gefehlt hätte.
Auch die Ausgrenzung von Andersgläubigen, zum Beispiel Juden, oder Menschen anderer Rasse, zum Beispiel Schwarze, hat es immer gegeben. Richtig ekelhaft wurde es erst, als die geistigen Anführer diese Diskriminierungen aus vermeintlich höherem Recht heraus legitimierten. Die Legitimationen waren ebenso irrational wie falsch. Misstrauen gegenüber irrationalen Haltungen ist mehr als angebracht.
(Ich sage das ohne Bezug auf Deine Person. Insbesondere möchte ich Dir nicht unterstellen, dass Du die Diskriminierung gleichgeschlechtlich liebender Menschen unterstützt.)
Ja, es gibt mehr als zwei Obstsorten. Hier hatten wir von drei gesprochen: Wissenschaft, Religion, Märchen. Hoffentlich überrascht es nicht, wenn irgendwann einmal von einer Ananas die Rede ist.
Du schreibst das so, als würde mich die Ananas überfordern. Was uns fehlt, ist lediglich eine nachvollziehbare Definition. Als ich danach fragte (was der Unterschied zum Märchen wäre) hast Du die Antwort abgelehnt.
Die Anderen einfach als irrational zu erklären oder ihnen absichtliche Täuschungen zu unterstellen ist zu billig.
Du schließt also Irrationalität und Täuschung einfach mal so per Dekret aus. Wie kannst Du das begründen?
Meine These ist, dass es hier um Irrationalität und Täuschung geht, außerdem um mangelnde Bildung früherer Generationen. Ich formuliere das nicht so, um absichtlich schroff zu sein, sondern weil mir diese Begriffe präzise und allgemein verständlich erscheinen.
Würdest Du zustimmen, dass dies ein heutzutage üblicher Standpunkt ist, den man guten Gewissens einnehmen und begründen kann, oder hältst Du es für eine seltene Außenseiterposition?
Beruht die Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Liebe auf einer Erkenntnis? Wenn man davon ausgeht, wird es einem immer ein Mysterium bleiben, wie die Menschen überhaupt dazu kommen konnten, eine solche Erkenntnis anzunehmen. Die Anderen einfach als irrational zu erklären oder ihnen absichtliche Täuschungen zu unterstellen ist zu billig.
Dagegen gibt es ein beobachtbares invariantes Phänomen: daß die Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Liebe in verschiedenen Kulturen tatsächlich stattfand und stattfindet, und daß verschiedene Kulturen dafür verschiedene Formen der Begründung fanden.
Es ist fraglich, ob die Ausgrenzung tatsächlich nie stattgefunden, wenn ihnen bloß die Begründung gefehlt hätte.
In meinen Augen überformen und bestimmen die konkreten sozialen Rollen und Geschlechtsrollen einer Kultur, wie jeweils die sexuellen Kontakte u. Beziehungen zwischen den Menschen normativ gewertet, be- und verurteilt werden. Eine Gesellschaft mit dem Ideal der "Gleichheit" und der "Gleichberechtigung" führt zu anderen Wertungen sexueller Kontakte und sexueller Praktiken wie eine durch Kasten, Sklaven, eine patriarchal-feudale oder eine matriarchal bestimmte Gesellschaft. So wurden homosexuelle Kontakte zu jungen Sklaven toleriert und galten als üblich, zwischen freien Bürgern hingegen waren sie im Römischen Reich verboten.
Anschaulich wird das, was ich meine, beim Lesen des Wikipedia-Aufsatz über:
Homosexualität_im_Römischen_Reich (https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_im_R%C3%B6mischen_Reich)
Zum Schluss des Aufsatzes heisst es:
"Unter dem Eindruck der frühkirchlichen Sexualethik wurden im 4. und 5. Jahrhundert Gesetze erlassen, die nun gleichgeschlechtliche Sexualkontakte generell und unabhängig vom gesellschaftlichen Status der daran beteiligten Personen unter Strafe stellten, somit auch die bis dato noch geduldeten, wenn auch zunehmend ethisch diskreditierten Geschlechtsbeziehungen mit jungen Sklaven. 390 n. Chr. wurden das erste Gesetz erlassen, das gleichgeschlechtliche Liebe in generalisierender Weise verbot und mit dem Tode bestrafte.[25] Analog dazu sah auch der spätantike Codex Thedosianus für passives gleichgeschlechtliches Verhalten die Todesstrafe durch öffentliches Verbrennen vor.[24] Innerhalb der Forschung ist allerdings umstritten, inwiefern diese spätantiken Gesetzesbestimmungen auch tatsächlich flächendeckend in die Tat umgesetzt wurden. Für das 4. und 5. Jahrhundert wird man wohl konstatieren dürfen, dass sich die Verfolgung gleichgeschlechtlich agierender Einwohner des spätrömischen Reiches noch in Grenzen hielt, so vor allem nach 395 n. Chr. im oströmischen Reich.
Die Begleitumstände des Massakers von Thessaloniki am Ende des vierten nachchristlichen Jahrhunderts bieten beispielsweise einen Anhaltspunkt dafür, dass Homosexualität selbst zu christlicher Zeit noch in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert wurde, während sie von offizieller Seite verfolgt wurde. Ein beliebter Wagenlenker wurde angeklagt, einen Diener oder Heermeister des Kaisers sexuell belästigt zu haben. Der Wagenlenker wurde gefangengenommen, doch gab es daraufhin Unruhen, da die Bürger der Stadt seine Freilassung forderten. Der Wagenlenker genoss also trotz seiner Homosexualität große Beliebtheit."
Ich finde das Beispiel mit der römischen Kultur insofern bemerkenswert, als dass ein Gesetz erlassen wurde, welches verhandelbar blieb. Das unterscheidet es von religiösen Begründungen, die sich jedem Diskurs kategorisch entziehen wollen.
Begründet wird die Verweigerung einer Debatte blumig mit irgendwelchen abstrakten Definitionen und Spitzfindigkeiten, aber in Wahrheit ist es einfach der Versuch, die eigene Meinung per Dekret durchzusetzen.
Ich beobachte, dass immer mehr Menschen dieses Manöver nicht mehr akzeptieren. Sie fordern erstens einen offenen Diskurs und zweitens nachvollziehbare Begründungen. Gläubige unterliegen der Illusion, dass der Verweis auf ein altes Buch eine statthafte Begründung darstellt, und sie reagieren beleidigt, wenn man auf rationale und verhandelbare Argumente besteht. Sie missverstehen es als persönlichen Angriff, dabei ist es nur die Aufforderung, nach vernünftigen Regeln zu spielen, so wie alle anderen auch.
Die Tatsache, dass Religion nicht verhandelbare Positionen für sich reklamiert, führt zwangsläufig dazu, in einem demokratischen System auf die Seitenlinie zu geraten.
tandem65
22.04.2017, 17:53
Hi Arne,
einerseits konstatierst Du völlig zurecht. Ich zitiere ausdrücklich Deine Aussagen über mein Wissen, da ich ja nur Glaube. :Huhu:
Das ist ein Missverständnis. Ich schreibe Gott keinerlei Allmacht zu. Wie käme ich dazu? Ich weiß nichts von Gott, ebensowenig wie irgendjemand etwas über Gott wissen kann. Auch Du weißt nichts von Gott.
andererseits kommt von Dir vorher die folgende Feststellung
Das sehe ich anders. Falls ein Gott christlicher Prägung die Welt erschaffen hätte, hätte das auch Auswirkungen auf die Welt. Ein vom christlichen Gott erschaffenes Universum würde sich von einem rein naturgesetzlich entstandenem Universum unterscheiden.
Du hast also schon das Wissen von einem Gott christlicher Prägung, daß dieser ein andere Universum schaffen würde.
Ich möchte hier mal Anmerken daß ein Teilnehmer der Diskussion immer wieder gerne konstatiert, daß es an der Bibel nichts zu interpretieren gibt. Wir hier aber schon bei Diskussionen in unserer Muttersprache große Verständigungsprobleme haben.:Huhu:
Jetzt kann jeder für sich bewerten wie solche Statements zu bewerten sind.
Zarathustra
22.04.2017, 18:54
In meinen Augen überformen und bestimmen die konkreten sozialen Rollen und Geschlechtsrollen einer Kultur, wie jeweils die sexuellen Kontakte u. Beziehungen zwischen den Menschen normativ gewertet, be- und verurteilt werden.
...
]
Danke qbz! Die von Dir genannte Beschreibungsebene halte ich auch für äußerst hilfreich, um das in Frage stehende Phänomen zu verstehen.
_____
Jörn und Klugschnacker dagegen halten, so mein Eindruck, trotz all ihrer Prätention von Wissenschaftlichkeit, eine reine nicht wertende Beschreibung beobachtbarer Phänomene nie lange durch, bevor sie übergehen dazu andere in irgendwelche Widersprüche verwickeln zu wollen, auf vereinzelt herausgegriffenen spekulativen Interpretationsfragen zu beharren oder gleich zu einer moralisierenden Wertung von ihrem bestimmten Standpunkt aus. Unbemerkt scheint dabei zu bleiben, daß hier gar niemand auf der Wertungsebene streiten will.
Irrtümer und Täuschungen gab es historisch sicher nicht wenige, auch und gerade im Zusammenhang der Religion. Wer würde das bestreiten? Irrtümer und Täuschungen als alleinige Grundlage für die Erklärung eines kulturell relativ invarianten Phänomens anzunehmen, ist eine so anspruchsvolle Hypothese, daß sie sicherlich rechtfertigungsbedürftiger ist als wenn man auf der bloßen Beschreibungsebene verbleibt.
(Worterklärungen
- Märchen: auf mündlicher Überlieferung beruhende, kurze Erzählung, oft mit fantastischen und wunderbaren Begebenheiten
- Religion: im weiten Sinne: kodifizierte und/ oder auf Überlieferung beruhende Kult-/Glaubenspraxis und -auslegung
Quelle: wiktionary.com)
Klugschnacker
22.04.2017, 19:15
Jörn und Klugschnacker dagegen halten, so mein Eindruck, trotz all ihrer Prätention von Wissenschaftlichkeit, eine reine nicht wertende Beschreibung beobachtbarer Phänomene nie lange durch, bevor sie übergehen dazu andere in irgendwelche Widersprüche verwickeln zu wollen, auf vereinzelt herausgegriffenen spekulativen Interpretationsfragen zu beharren oder gleich zu einer moralisierenden Wertung von ihrem bestimmten Standpunkt aus. Unbemerkt scheint dabei zu bleiben, daß hier gar niemand auf der Wertungsebene streiten will.
Das ist mir zu kompliziert! Für mich müsstest Du das bitte einfacher ausdrücken. Insbesondere der Teil, wo Du eine Bewertung der Religionen unter Ausklammerung moralischer Aspekte zu fordern scheinst. Wäre das möglich?
:Blumen:
Ich möchte hier mal Anmerken daß ein Teilnehmer der Diskussion immer wieder gerne konstatiert, daß es an der Bibel nichts zu interpretieren gibt.
Meinst Du mich? Ich habe nie behauptet, man solle die Bibel nicht interpretieren.
Ich habe behauptet, dass die Art des Textes darüber Auskunft gibt, ob er interpretiert werden sollte, etwa bei einer Fabel oder einem Gleichnis. Der weitaus überwiegende Teil der Bibel ist nicht von dieser Art, sondern es sind Chroniken oder wörtlich gemeinte Vorschriften. In zahlreichen dieser Vorschriften steht sogar drin, dass sie nicht ausgelegt werden sollen (etwa in den Moses-Büchern und seinen Gesetzen).
Es gibt ein Problem mit Interpretationen, nämlich, dass jeder eine andere Interpretation erfinden kann. Deswegen sind diese Interpretation oft nichts anderes als eine Verschleierung von Willkür und nicht selten auch Scharlatanerie. Ich sage nichts gegen Interpretationen per se, aber wenn mehrere, widersprüchliche Interpretationen möglich sind, ist der Text wertlos.
Jeder würde das sofort beim Islam anerkennen. Die einen interpretieren die Texte als Botschaft des Friedens, und die anderen interpretieren den exakt gleichen Text als Aufforderung zum Krieg. Texte dieser Art sind für eine Wahrheitsfindung unbrauchbar.
Deswegen ist der oft gehörte Einwand, man müsse nur alles richtig interpretieren, nicht hilfreich. Oft ist es nur die Einleitung dazu, die eigene Interpretation für maßgeblich zu erklären, obwohl es dazu keinen objektiven Grund gibt.
tandem65, warum sollte ausgerechnet Deine Interpretation richtig sein?
Klugschnacker
22.04.2017, 19:50
Du hast also schon das Wissen von einem Gott christlicher Prägung, daß dieser ein andere Universum schaffen würde.
Ja, das denke ich. Ich kann nicht wissen, ob es einen Gott gibt oder nicht. Ich kann aber etwas darüber wissen, ob es einen Gott nach christlicher Vorstellung gibt, oder genauer: ob er wahrscheinlich ist. Denn damit sind die Eigenschaften vollkommener Güte, Allmacht und Allwissenheit verbunden. Diese Eigenschaften kann ich mit der Welt vergleichen, die Gott angeblich geschaffen hat.
Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich feststelle, dass die Welt in weiten Teilen im Widerspruch zu diesen Eigenschaften steht.
Irrtümer und Täuschungen gab es historisch sicher nicht wenige, auch und gerade im Zusammenhang der Religion. Wer würde das bestreiten? Irrtümer und Täuschungen als alleinige Grundlage für die Erklärung eines kulturell relativ invarianten Phänomens anzunehmen...
Du schreibst, dass es sowohl Täuschungen als auch Irrtümer gab im Zusammenhang mit der Religion, aber dass man das nicht als alleinige Grundlage verwenden sollte.
Einverstanden! Juhu!
:liebe053:
Aber da es Täuschungen und Irrtümer gab, wird man folglich alle weiteren Behauptungen des Klerus auf Stichhaltigkeit prüfen müssen, und darauf, ob wir es hier womöglich erneut mit einer Täuschung oder gar Scharlatanerie zu tun haben.
Daraus folgt, dass Argumente nicht mehr berücksichtigt werden können, die nicht der Prüfung zugänglich sind, oder bei denen eine Prüfung als unzumutbar abgelehnt wird.
Bist Du mit diesem salomonischen Vorschlag einverstanden?
Zugabe: Da Du bisher argumentiert hast, es wäre keine Prüfung möglich, hat mich Deine Darstellung verblüfft, es hätte bereits Irrtümer und Täuschungen gegeben. Woher weiß man dann, dass es Irrtümer und Täuschungen gab?
tandem65
22.04.2017, 20:52
Ja, das denke ich. Ich kann nicht wissen, ob es einen Gott gibt oder nicht. Ich kann aber etwas darüber wissen, ob es einen Gott nach christlicher Vorstellung gibt, oder genauer: ob er wahrscheinlich ist. Denn damit sind die Eigenschaften vollkommener Güte, Allmacht und Allwissenheit verbunden. Diese Eigenschaften kann ich mit der Welt vergleichen, die Gott angeblich geschaffen hat.
Du hast also, ich wiederhole mich da Du Dich wiederholst, Wissen darüber wie das Universum aussehen müsste wenn es ein Allmächtiger Gott geschaffen hätte. Diesem Gott wäre es nicht möglich ein Universum wie es jetzt aussieht zu erschaffen. Lustig!
Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich feststelle, dass die Welt in weiten Teilen im Widerspruch zu diesen Eigenschaften steht.
Ich denke schon daß Du Dich da ziemlich weit aus dem Fenster lehnst.
Da sind wir bei den Themen Interpretation und Deinem Gottesbild.
Da sind wir bei dem was Zarathustra anspricht. Was bedeutet schon alleine göttliche Güte?
Lässt Du Deine Kinder auch Fehler machen? Bewahrst Du sie vor allem was in Deiner Macht steht? Ist es von Dir gütig wenn Du sie vor allem bewahrst? Wie bewerten das Deine Kinder?
Zarathustra
22.04.2017, 21:05
Das ist mir zu kompliziert! Für mich müsstest Du das bitte einfacher ausdrücken. Insbesondere der Teil, wo Du eine Bewertung der Religionen unter Ausklammerung moralischer Aspekte zu fordern scheinst. Wäre das möglich?
:Blumen:
Klar doch! Ich will's versuchen.
Die „Ausklammerung moralischer Aspekte“ fordere ich ja gerade nicht. Ich fordere nur diese Reihenfolge einzuhalten:
1. Bemühung um ein umfassendes Verstehen des gesamten Phänomens Religion in dem ihm eigenen Kontext. Und dann erst
2. eine moralische Bewertung, wenn möglich unter Einbeziehung einer Reflektion auf den eigenen Standpunkt, von dem aus diese Bewertung vollzogen wird.
____
Zur Methode:
Mein Vorschlag ist es, das Phänomen Religion ausgehend von der Beschreibung beobachtbarer (auch: nachempfindbarer oder historischer) Phänomene zu verstehen zu suchen. Auch das Auffinden von Ähnlichkeiten und Unterschieden zu anderen Kulturerscheinungen, der Vergleich von unterschiedlichen Religionen sowie eine genaue Beobachtung, wie Religion den Kindern gelehrt wird, können dabei hilfreich sein.
Dem Gesprächsverlauf nach habe ich den Eindruck, daß ihr, Du und Jörn, ein solches Vorgehen ablehnt und stattdessen ein äußerliches Verfahren bevorzugt, das unter anderem darin besteht
a) zu versuchen dem Anderen irgendeine Position zu unterstellen und ihn in irgendwelche Widersprüche zu verwickeln,
b) auf spekulativen Interpretationsfragen zu beharren,
c) Ausführungen über emprirische Widerlegungen vereinzelt herausgegriffener Bibelpassagen zu machen,
d) Spekulationen über Täuschungsabsichten oder Mangel an Rationalität und Erkenntnisfähigkeit bei den Religionsvertretern zu unternehmen,
e) oder gleich zu einer moralisierenden Wertung überzugehen.
Lässt Du Deine Kinder auch Fehler machen? Bewahrst Du sie vor allem was in Deiner Macht steht? Ist es von Dir gütig wenn Du sie vor allem bewahrst? Wie bewerten das Deine Kinder?
Was ist mit Wespen und Spinnen? Sind diese auch Teil der göttlichen Erziehung? Lässt Gott diese ebenfalls anhand ihrer Fehler lernen?
Es gibt Arten dieser zwei Insekten, die Eier im gelähmten Körper des anderen Insekts ablegen, sodass die schlüpfenden Larven diesen nach und nach von innen auffressen (bei lebendigem Leibe!) und dann nach außen dringen. Ist das auch ein Zeichen von Güte, sodass die Tiere daraus lernen können?
Es gibt kleine gelbe Würmer, die sich hinter den Augen von Babys einnisten und dort den Augapfel auffressen, sodass die Kinder erblinden. In Afrika kommt das häufig vor. Sind die Babys Deiner Meinung nach in der Lage, in ihrem Alter die erwünschte Erziehungswirkung zu begreifen?
Worin besteht die Erziehungswirkung, wenn in Europa die Kinder einfach eine Medizin im Wert von 3 Euro bekommen und dadurch nicht erblinden?
Worin besteht die Erziehungswirkung für die gelben Würmer? Denen geht's prima.
Deine These, dass Gott seine Geschöpfe Fehler machen lässt, damit diese daran wachsen können, kann ich nicht nachvollziehen. 99,9999999% aller Lebewesen auf der Welt haben gar nicht die Möglichkeit, auf diese Weise zu lernen oder Entscheidungen zu treffen. Aber sie empfinden Leid. Daran kann man abschätzen, ob wir es mit einem maximal gütigen Schöpfergott zu tun haben. Nirgendwo im gesamten Weltall findest Du Güte. Nur wir Menschen besinnen uns manchmal darauf.
Wenn es Gott gibt, dann deutet alles darauf hin, dass wir Menschen viel gütiger sind als er.
Zarathustra
22.04.2017, 21:34
Daraus folgt, dass Argumente nicht mehr berücksichtigt werden können, die nicht der Prüfung zugänglich sind, oder bei denen eine Prüfung als unzumutbar abgelehnt wird.
Bist Du mit diesem salomonischen Vorschlag einverstanden?
Woher weiß man dann, dass es Irrtümer und Täuschungen gab?
Irrtümer und Täuschungen scheinen mir universell in allem Menschlichen nicht unwahrscheinlich, besonders dort, wo entsprechende Machtverhältnisse gegeben sind.
Mit Deinem salomonischen Vorschlag bin ich soweit einverstanden, daß alle Sätze, die wirklich Behauptungen über Sachverhalte sind, überprüfbar sein müssen. Solche die gar nicht überprüfbar sind, würde ich im Zweifelsfall gar nicht als eigentliche Behauptungen ansehen wollen, wenn sie auch die Form eines Aussagesatzes haben. Davon gibt es, denke ich, viele in der Religion und sie scheinen mir auch die Hauptsache auszumachen.
Vgl. den Satz: „Ich erkläre Euch zu Mann und Frau.“ (einmal mit und einmal ohne adäquaten Kontext.)
Klar doch! Ich will's versuchen.
Die „Ausklammerung moralischer Aspekte“ fordere ich ja gerade nicht. Ich fordere nur diese Reihenfolge einzuhalten:
1. Bemühung um ein umfassendes Verstehen des gesamten Phänomens Religion in dem ihm eigenen Kontext. Und dann erst
2. eine moralische Bewertung, wenn möglich unter Einbeziehung einer Reflektion auf den eigenen Standpunkt, von dem aus diese Bewertung vollzogen wird.
Jetzt mach' mal halblang. Du forderst großspurig das "umfassende Verstehen des gesamten Phänomens". Ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit dem Thema und habe jede Menge kirchlicher und historischer Literatur dazu studiert. Und ich weiß, wie WENIG ich weiß. Nirgends in meiner Büchersammling hat je ein Wissenschaftler behauptet, er verfüge über ein "umfassendes Verstehen des gesamten Phänomens". Selbst anerkannte Theologen und Historiker sind heilfroh, wenn sie ein paar gute Argumente begründen können.
Deine angebliche Expertise zu dem Thema ist bislang völlig unbelegt.
Mein Vorschlag ist es, das Phänomen Religion ausgehend von der Beschreibung beobachtbarer (auch: nachempfindbarer oder historischer) Phänomene zu verstehen zu suchen. Auch das Auffinden von Ähnlichkeiten und Unterschieden zu anderen Kulturerscheinungen, der Vergleich von unterschiedlichen Religionen sowie eine genaue Beobachtung, wie Religion den Kindern gelehrt wird, können dabei hilfreich sein.
Ernsthaft? Wann bist Du damit fertig? Was Du vorschlägst, ist unter 20 Jahren Forschung nicht seriös zu verwirklichen. Komm' mal zum Punkt!
Woher willst Du wissen, ob es "hilfreich" sein wird, zu untersuchen, "wie Religion den Kindern gelehrt wird"? Du hast diese Untersuchungen doch noch überhaupt nicht durchgeführt! Wie kannst Du also schon das Ergebnis kennen? Mir scheint, das Ergebnis steht bereits fest, und es soll nur dem Schein nach einen seriösen Anstrich bekommen.
a) zu versuchen dem Anderen irgendeine Position zu unterstellen und ihn in irgendwelche Widersprüche zu verwickeln,
b) auf spekulativen Interpretationsfragen zu beharren,
c) Ausführungen über emprirische Widerlegungen vereinzelt herausgegriffener Bibelpassagen zu machen,
d) Spekulationen über Täuschungsabsichten oder Mangel an Rationalität und Erkenntnisfähigkeit bei den Religionsvertretern zu unternehmen,
e) oder gleich zu einer moralisierenden Wertung überzugehen.
Das sind persönliche Anwürfe. Was zählt, sind Argumente.
Zarathustra
22.04.2017, 22:18
Ich beschäftige mich seit 20 Jahren mit dem Thema und habe jede Menge kirchlicher und historischer Literatur dazu studiert.
Ernsthaft? Wann bist Du damit fertig? Was Du vorschlägst, ist unter 20 Jahren Forschung nicht seriös zu verwirklichen. Komm' mal zum Punkt!
Das sind persönliche Anwürfe.
Die Schilderung meiner Eindrücke, die Du persönliche Anwürfe nennst, kommen unter anderem von Fällen wie diesem: Nach zwanzig Jahren des Studiums der Literatur, fragst Du mich unbekannterweise hier in einem Forum, was der Unterschied zwischen Religionen und Märchen sei.
Ja, ein umfassendes Verstehen... Daß Du immer so an den Worten kleben mußt! Ich hätte auch schreiben können: Achte mehr auf den sozialen Kontext!
Wer hat Dir denn versprochen, daß Dein Projekt die Religion zu „widerlegen“ kurzfristig, nebenbei zu erledigen sei?
Da gabs doch schon vor Dir einige ambitionierte und lobenswerte Versuche, aus denen man lernen könnte. Mir fallen ein: Feuerbach, Marx/Engels, Nietzsche, Freud. Das sind aber sicher nicht die Einzigen, die in Frage kommen.
Die Schilderung meiner Eindrücke, die Du persönliche Anwürfe nennst, kommen unter anderem von Fällen wie diesem: Nach zwanzig Jahren des Studiums der Literatur, fragst Du mich unbekannterweise hier in einem Forum, was der Unterschied zwischen Religionen und Märchen sei.
Ja, ein umfassendes Verstehen... Daß Du immer so an den Worten kleben mußt! Ich hätte auch schreiben können: Achte mehr auf den sozialen Kontext!
Wer hat Dir denn versprochen, daß Dein Projekt die Religion zu „widerlegen“ kurzfristig, nebenbei zu erledigen sei?
Da gabs doch schon vor Dir einige ambitionierte und lobenswerte Versuche, aus denen man lernen könnte. Mir fallen ein: Feuerbach, Marx/Engels, Nietzsche, Freud. Das sind aber sicher nicht die Einzigen, die in Frage kommen.
Wie lautet also Dein Argument?
Klugschnacker
22.04.2017, 23:04
Du hast also, ich wiederhole mich, da Du Dich wiederholst, Wissen darüber, wie das Universum aussehen müsste, wenn es ein Allmächtiger Gott geschaffen hätte. Diesem Gott wäre es nicht möglich ein Universum wie es jetzt aussieht zu erschaffen. Lustig!
Warum sollte Gott zunächst die Dinosaurier erschaffen, um anschließend einen Kometen auf die Erde zu lenken, sodass sie aussterben, damit kleine hamsterartige Säugetiere ihre Entwicklung hin zum Menschen einleiten? Ein allmächtiger Gott hätte wohl einfach Menschen erschaffen.
Freilich kann ein allmächtiger Gott stattdessen verschlungene Wege gehen. Aber warum sollte er es tun? Es gibt meiner unmaßgeblichen Meinung nach weit plausiblere Antworten auf diese Fragen. Für viele Menschen hat die wissenschaftliche Erklärung von der Entstehung der Arten eine weit größere Überzeugungskraft als die biblische Schöpfungsgeschichte mit der Arche Noah.
Die Musik von Dieter Bohlen beweist, dass es keinen gütigen Gott geben kann.
Dieses Argument ist unwiderlegbar.
Allenfalls beweist es, dass Gott taub ist.
Vielleicht war er es nicht immer.
Shit happens.
Zarathustra
22.04.2017, 23:23
Wie lautet also Dein Argument?
Ich denke, ich habe meine Sichtweise jetzt ausreichend darzustellen versucht und verstanden: Sie gefällt Dir nicht.
Dabei bezog ich mich in der Hauptsache eigentlich nur auf die Methode der Untersuchung, was ich mit einer Kritik an Deiner zu verbinden suchte.
Argumenten wie: „Es gibt böse Würmer, also ist Gott nicht gütig.“ fehlt meiner Meinung nach die Ernsthaftigkeit; ein äußerliches Räsonieren ohne an die eigentliche Problematik heranzureichen. Wer soll denn daraus was genau lernen?
Klugschnacker
22.04.2017, 23:33
Argumenten wie: „Es gibt böse Würmer, also ist Gott nicht gütig.“ fehlt meiner Meinung nach die Ernsthaftigkeit; ein äußerliches Räsonieren ohne an die eigentliche Problematik heranzureichen. Wer soll denn daraus was genau lernen?
Ich halte das für ein stichhaltiges, anschauliches Argument. Du sagst, es ginge an der eigentlichen Problematik vorbei. Könntest Du kurz erläutern, was Deiner Meinung nach die eigentliche Problematik darstellt? Warum schafft ein gütiger und allmächtiger Gott eine Welt voller Leid? Er müsste es nicht und tut es trotzdem. Warum?
rgumenten wie: „Es gibt böse Würmer, also ist Gott nicht gütig.“ fehlt meiner Meinung nach die Ernsthaftigkeit; ein äußerliches Räsonieren ohne an die eigentliche Problematik heranzureichen. Wer soll denn daraus was genau lernen?
Das Problem des Leids bei einem angeblich allgütigen, allmächtigen und allwissenden Gottes ist eines der größten, meistdiskutierten Probleme der Theologie. Es hat deswegen einen eigenen Namen, nämlich die Theodizee (https://de.wikipedia.org/wiki/Theodizee). Es gibt kaum eine theologische Dogmatik bzw. Systematik, die sich diesem Problem nicht ausführlich widmet.
Jeder, der sich mit Theologie beschäftigt hat, kann die Grundpfeiler des Theodizee-Problems rauf und runter beten. Wenn Du behauptest, diesem Argument fehle die Ernsthaftigkeit, dann offenbarst Du Deine weitgehende Ahnungslosigkeit bei theologischen Fragen. Ich würde nicht so unverblümt darauf hinweisen, wenn Du Dich nicht selbst als großen Experten und Logiker gepriesen hättest. Sorry, aber dieses Eigentor hast Du selbst geschossen.
:Duell:
Ich würde Dich und die Leser gerne ermuntern, mal schnell durch den Wikipedia-Eintrag (https://de.wikipedia.org/wiki/Theodizee) zu scrollen, einfach um zu ermessen, wie enorm lang dieser Eintrag ist, und wie zentral seine Bedeutung innerhalb der Theologie ist. Speziell unverschuldetes Leid (wie etwa Krankheiten bei Babys) sind ein besonders schwieriges (und ungelöstes) Problem, deswegen habe ich ein entsprechendes Beispiel gewählt.
:Blumen:
Klugschnacker
22.04.2017, 23:38
Literaturtipp: "Der Gottesbegriff nach Auschwitz" des jüdischen Philosophen Hans Jonas.
Zarathustra
22.04.2017, 23:54
...
Jeder, der sich mit Theologie beschäftigt hat, kann die Grundpfeiler des Theodizee-Problems rauf und runter beten. Wenn Du behauptest, diesem Argument fehle die Ernsthaftigkeit, dann offenbarst Du Deine weitgehende Ahnungslosigkeit bei theologischen Fragen. Ich würde nicht so schroff darauf hinweisen, wenn Du Dich nicht selbst als großen Experten und Logiker gepriesen hättest. ...
Wo habe ich mich als großen Experten und Logiker gepriesen?
Das Theodizee-Problem ist mir bekannt. Spannende Übung im Räsonieren; Ergebnis: weiterhin unentschieden. Warum bist Du so überzeugt es endlich abschließend entscheiden zu können?
Ein Zitat aus Deinem link:
„Immanuel Kant definierte das Problem wie folgt: „Unter einer Theodicee versteht man die Verteidigung der höchsten Weisheit des Welturhebers gegen die Anklage, welche die Vernunft aus dem Zweckwidrigen in der Welt gegen jene erhebt.“ Zugleich schienen für Kant alle philosophischen Versuche in der Theodizee zum Scheitern verurteilt. Wir seien zu begrenzt, um metaphysische Spekulationen anzustellen. Hier stoße unsere Vernunft an ihre Grenzen.“
Heute, 22. April ist Immanuel Kants Geburtstag.
Deine nebulöse Methode scheint mir ungeeignet zu sein, um so komplexe Fragen zu lösen, wie sie das Leid auf der Welt (Theodizee) darstellt.
Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt, dem die Kategorien von Moral, Leid oder Rechtfertigung völlig fehlen.
Das Theodizee-Problem ist ein Scheinproblem, weil es nur existiert, weil zuvor ein Gott mit bestimmten Eigenschaften postuliert wurde. Es zeigt, dass die Welt nicht so ist, wie sie vom Klerus beschrieben wird.
Zarathustra
23.04.2017, 00:41
Deine nebulöse Methode scheint mir ungeeignet zu sein, um so komplexe Fragen zu lösen, wie sie das Leid auf der Welt (Theodizee) darstellt.
Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt, dem die Kategorien von Moral, Leid oder Rechtfertigung völlig fehlen.
Das Theodizee-Problem ist ein Scheinproblem, weil es nur existiert, weil zuvor ein Gott mit bestimmten Eigenschaften postuliert wurde.
Nebulös?
Du verdrehst hier Einiges. Zur Erinnerung: Das Theodizee-Problem hast Du hier als ein äußerst wichtiges eingeführt. Ich habe seine Relevanz in Frage gestellt, auch mit dem Verweis auf Kant, den zu lesen übrigens den Einen oder Anderen ein höheres Maß Bescheidenheit lehren könnte.
Es ist ja schön, wenn Du glaubst das Leid in der Welt erklären zu können. Wer außer Dir hat das hier beansprucht? Auf wessen Frage soll Deine Erklärung eine Antwort sein? Und wem glaubst Du damit zu widersprechen oder etwas Neues zu erzählen?
Oder wie Du immer sagst: Was ist Dein Argument?
Kant hat das Theodizee-Problem keineswegs als irrelevant eingeschätzt, sondern er sagt in Übereinstimmung mit den meisten Theologen, dass dieses Problem nicht auflösbar ist (wenn man die Ausgangs-Prämisse für unantastbar erklärt) und deswegen bestehen bleibt.
Es gibt viele Probleme/Widersprüche in der Theologie, die man in gleicher Weise als ungelöst belässt, etwa das Trinitäts-Paradox, ohne dass es deswegen irrelevant wäre.
Ich persönlich empfinde die Diskussion an dieser Stelle als unproduktiv.
Deine "Methode" zur Auslegung einzelner Bibel-Sätze konnte bisher auf keinen einzigen Satz angewendet werden, und es gibt keinen Hinweis auf irgendwelche interessanten Ergebnisse. Bestenfalls wären sie einfach eine weitere Variante der Auslegung.
Ich habe den Eindruck, dass Du schlicht der Versuchung erlegen bist, Deine eigene Interpretation als verbindlich zu erklären. Diese Versuchung findet man in fast jeder religiösen Foren-Debatte. Jeder sagt irgendwann: "Ja! Ja! Der offizielle Glaube ist natürlich doof, aber wieso diskutieren wir nicht über MEINE Version, die ich mir ausgedacht habe?"
Es werden dann jeweils mehr oder weniger zwingende Gründe genannt, warum nur diese Version akzeptabel wäre; und diese Gründe können durchaus plausibel sein. Das Problem ist nur, dass alle diese Versionen mehr oder weniger plausibel sind, und folglich ist keine von ihnen in herausgehobener Weise plausibel.
Damit man vorwärts kommt, bezieht man sich besser auf die offizielle Auslegung der Amtskirchen. Diese haben die letzten zweitausend Jahre damit zugebracht, jeden einzelnen Satz hundertmal umzudrehen und auf alle nur denkbaren Bedeutungen abzuklopfen. Es geht um viel mehr als nur "den Kontext". Allein der historische Hintergrund ist für Nicht-Historiker undurchschaubar. Die vielen Rückbezüge auf ältere Schriften bleiben Nicht-Theologen verborgen, aber sie sind wesentlich. Ebenso die vielen Einschübe und Änderungen, die zu verschiedenen Zeiten bei der Bibel vorgenommen wurden und die wie eine Zwiebelhaut abgeschält werden müssen. Das ist für Laien einfach nicht zu leisten. Von Dir ebensowenig wie von mir. Dafür gibt es Fachleute. Ohne deren Anleitung würde ich kaum etwas von der Bibel verstehen. Eine "Methode" reicht nicht aus.
Selbst wenn Deine Methode völlig ins Schwarze treffen sollte, wird sich in den Kirchen niemand darum scheren, und die Gläubigen werden niemals von Deiner Methode erfahren. Es ist einfach nicht relevant. Dein Glaube ist nicht relevant. Meiner auch nicht. Der Glaube der Kirchen ist relevant.
Kant, den zu lesen übrigens den Einen oder Anderen ein höheres Maß Bescheidenheit lehren könnte.
Hastes nicht 'ne Nummer kleiner? Ich hab' Dir schließlich nichts getan. Ich bin von Deiner These einfach nicht überzeugt. Das ist ja kein Verbrechen.
Klugschnacker
23.04.2017, 03:12
Es könnte im Sinne von Kant sein, dass wir Gott einfach nicht verstehen können. Dann wären wir nicht dazu in der Lage, das Leid auf der Welt zu verstehen, und trotzdem Gottes unendliche Güte und Allmacht zu erkennen.
Allerdings: Dann sind wir auch in anderen Fällen nicht in der Lage, Gott zu verstehen. Wir könnten nichts von dem, was er angeblich sagt oder von uns will, interpretieren oder begreifen. Wir wüssten von keinem Satz der Bibel, wie er gemeint sein soll. Er könnte jeden Satz auch ganz anders gemeint haben, als wir in unserem begrenzten Verständnis annehmen. Die Anwendung von Logik würde uns dabei keinen Schritt weiter bringen, denn Gott muss nicht logisch sein.
Ein unverständlicher Gott kann kein für uns relevanter Gott sein. Er kann uns keine Botschaft übermitteln. Mir scheint, das ist nicht der Gott, an den die Christen glauben.
Dein Glaube ist nicht relevant. Meiner auch nicht. Der Glaube der Kirchen ist relevant.
Das scheint mir ein wichtiger Satz, weil er das Problem der Diskussion hier auf den Punkt bringt.
Für Dich ist also einzig der offizielle Glaube der Kirchen relevant. Das halte ich für problematisch: denn Du diskutierst hier nicht mit Vertretern der Amtskirche, sondern mit mehr oder weniger (un)gläubigen Menschen. Wenn die aber versuchen, ihren Standpunkt zu vertreten, weist Du das zurück. Du forderst Deine Diskussionspartner auf, Dein Kirchen- bzw. Religionsverständnis als das einzig mögliche zu akzeptieren. Diese Forderung halte ich für unangemessen. Wir leben hier zum Glück in einem freien Land und jedem steht es frei, sein eigenes Kirchen- bzw. Glaubensverständnis zu vertreten. Natürlich muss man das nicht teilen, aber in einer offenen Diskussion kannst Du von niemandem verlangen, Deine Definition kritiklos anzuerkennen. Umso mehr, als Du mit einer solchen Forderung Deine Diskussionspartner in eine Position zwingst, in der sie Standpunkte verteidigen müssten, die sie gar nicht einnehmen.
Und noch etwas fällt mir in der Diskussion auf: du betonst einen "wissenschaftlichen" Zugang und aus Deinem Bibelstudium folgerst Du, dass Glaube nur Schlechtes hervorbringen kann. Beispiele für von der Bibel geforderte Grausamkeiten lieferst Du ja in großer Zahl. Im Sinne einer empirischen Betrachtung - und empirische Sozialforschung halte ich sehr wohl für eine wissenschaftliche Methode - halte ich es aber für notwendig, zunächst die Dimension des Problems zu erfassen: wieviele Christen in Deutschland/Österreich opfern beispielsweise ihre Kinder einem alttestamentarischen grausamen Gott? Wieviele Steinigungen von Ehebrecherinnen hat es in Deutschland in den vergangenen Jahren gegeben? Und wie viele davon wurden von der Amtskirche gutgeheißen?
Wenn man Dir das in der Diskussion entgegenhält, sagst Du aber, das sei irrelevant, weil persönlicher Glaube nicht zählt, sondern (in dem Fall) nur das Wort des Alten Testaments. Genau das Gegenteil ist aber meiner Meinung nach der Fall: diese Teile des Alten Testaments beispielsweise sind empirisch belegbar heutzutage im Alltags-Glauben irrelevant. Viel relevanter ist doch, wie Glaube heutzutage gelebt wird. Natürlich auch von der Amtskirche, die (zu) viel gesellschaftlichen Einfluss hat. Aber eben auch von einzelnen Suchenden/Gläubigen.
Die bibelwissenschaftliche Diskussion mag akademisch betrachtet genauso spannend sein, wie die Frage der Existenz Gottes. Eine solche Diskussion wäre aber meiner Meinung nach in einem anderen Rahmen besser aufgehoben - nämlich beispielsweise in einer Diskussion mit Bischöfen oder anderen Vertretern der Amtskirche. Hier in diesem Forum finde ich es wesentlich sinnvoller und praxistauglicher, genau über die persönlichen Glaubenszugänge bzw. die tatsächlichen gesellschaftlich relevanten Probleme mit Kirchen zu diskutieren. Mit einem solchen praktischen Problem hat diese Diskussion ja auch begonnen.
Sich einen theoretischen "Muster-Christen" aus ausgewählten grausamen Bibelzitaten zusammenzubasteln, diesen als den einzig möglichen wahren Gläubigen hinzustellen (obwohl es ihn in der Praxis so gut wie nicht gibt) und dann rhetorisch zu vernichten, empfinde ich als unangemessen. Es ist außerdem intellektuell wenig anspruchsvoll. Auch in diesem Fall ist die Welt nicht nur Schwarz und Weiß.
Deine nebulöse Methode scheint mir ungeeignet zu sein, um so komplexe Fragen zu lösen, wie sie das Leid auf der Welt (Theodizee) darstellt.
Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt, dem die Kategorien von Moral, Leid oder Rechtfertigung völlig fehlen.
Das Theodizee-Problem ist ein Scheinproblem, weil es nur existiert, weil zuvor ein Gott mit bestimmten Eigenschaften postuliert wurde. Es zeigt, dass die Welt nicht so ist, wie sie vom Klerus beschrieben wird.
Die Evolutionslehre (Darwin) ist in meinen Augen nicht hinreichend, um die Entwicklung der Menschheit in ihren eigenen, immanenten Gesetzmässigkeiten zu verstehen. Diese scheinen mir nicht anhand eines genetischen Codes bestimmt wie ein Ameisenstaat gleichbleibend oder (unter Einschluss sozialer und kognitiver Lernformen) wie eine Affengrupppe zu funktionieren. So ähnlich empfinden religiöse Menschen und versuchen dafür transzendentale, metaphysische Erklärungen zu finden. Insofern stellten Feuerbach und später Marx die Religionen "vom Kopf auf die Füsse", indem sie ihre Wurzeln in der wirklichen Welt annahmen, und wie Marx / Engels in der Entwicklung der Produktivkräfte (Werkzeuge), in der Arbeitsteilung und Vergesellschaftung der Produktion den Motor einer gesetzmässigen Entwicklung der Menschheit fanden, in der nicht mehr der genetische Code für eine Entwicklung, eine Veränderung der sozialen, kulturellen Systeme mutieren muss, sondern quasi gesetzmässig die Produktion und Reproduktion der Menschheit im Sinne einer immer grösser werdenden Vergesellschaftung von Arbeit und grösseren Kontrolle über die Natur fortschreitet, was unter anderem in der Anpassung der Religionen (oder Aussterben von Religionslehren) in den gerade vorherrschenden Lehren "nur" reflektiert wird.
@trithos: sehe ich ähnlich wie Du in Deinem Beitrag, schätze jedoch gleichermassen die Beiträge, die sich mit den Auffassungen der Kirchen z.B. dem Katechismus auseinandersetzen und / oder diese vertreten.
Ps: mein persönliches Wort zum Sonntag. :-)
Bei dieser Betrachtung wird suggeriert, als könne man nichts endgültig beurteilen, und als gebe es keine endgültigen Fakten. Das stimmt aber nicht. Das Leid der Menschen ist ein Faktum, egal wie glorreich alles enden wird.
Das bedeutet, dass Gott nicht die maximale Güte walten lässt. Maximale Güte würde den Menschen das Leid ersparen und den großen Plan auch ohne dieses Leid verwirklichen, immerhin ist Gott allmächtig.
Der Mensch ist nicht Krönung oder aktuelles Ende der "Schöpfung" (Evolution) , sondern nur ein Ende an einem von unendlich vielen Strängen, die sich permanent weiterentwicklen. Gäbe es einen Masterplan eines Schöpfers, warum sollten gerade wir Menschen ihn erfassen und beurteilen können? Weil wir ein Stück MINT-geprägtes Hirn mit uns rumtragen?
LidlRacer
23.04.2017, 10:55
Der Mensch ist nicht Krönung oder aktuelles Ende der "Schöpfung" (Evolution) , sondern nur ein Ende an einem von unendlich vielen Strängen, die sich permanent weiterentwicklen. Gäbe es einen Masterplan eines Schöpfers, warum sollten gerade wir Menschen ihn erfassen und beurteilen können? Weil wir ein Stück MINT-geprägtes Hirn mit uns rumtragen?
Das hat jetzt aber nichts mit der (traditionellen/offiziellen) christlichen Sicht zu tun.
Zarathustra
23.04.2017, 10:58
...
Es gibt viele Probleme/Widersprüche in der Theologie, die man in gleicher Weise als ungelöst belässt, etwa das Trinitäts-Paradox, ohne dass es deswegen irrelevant wäre.
...
Deine "Methode" zur Auslegung einzelner Bibel-Sätze konnte bisher auf keinen einzigen Satz angewendet werden, und es gibt keinen Hinweis auf irgendwelche interessanten Ergebnisse. Bestenfalls wären sie einfach eine weitere Variante der Auslegung.
Ich habe den Eindruck, dass Du schlicht der Versuchung erlegen bist, Deine eigene Interpretation als verbindlich zu erklären.
...
Lieber Jörn!
Mir ist unklar, warum Du die theologischen Paradoxa hier in das Gespräch einführst, während Du gleichzeitig erkennst, daß sie nicht entschieden werden können. Niemand behauptet hier, daß er es kann. Sie sind also insofern irrelevant, als daß sie unsere Diskussion nicht zugunsten einer Seite entscheiden können. Paradoxa kommen auch in anderen Wissenschaften vor.
Was Du immer noch nicht anerkennen willst: Ich vertrete hier keine bestimmte Interpretation der Bibel oder der Religion, aus diesem einfachen Grund: Ich verfüge über keine umfassend ausgeführte Interpretation.
Lediglich darum geht es mir: Du machst es Dir bei Deiner Argumentation gegen die Religion zu einfach. Deine Widerlegungsversuche weisen riesige logische Lücken auf.
Ich habe einige Hinweise gegeben, in welche Richtungen man meiner Meinung nach blicken könnte, um das Phänomen der Religion besser zu erfassen. Aber wenn Du das nicht willst oder andere findest, ist es ja auch gut.
Das scheint mir ein wichtiger Satz, weil er das Problem der Diskussion hier auf den Punkt bringt.
Für Dich ist also einzig der offizielle Glaube der Kirchen relevant. Das halte ich für problematisch: denn Du diskutierst hier nicht mit Vertretern der Amtskirche, sondern mit mehr oder weniger (un)gläubigen Menschen.
...
Sich einen theoretischen "Muster-Christen" aus ausgewählten grausamen Bibelzitaten zusammenzubasteln, diesen als den einzig möglichen wahren Gläubigen hinzustellen (obwohl es ihn in der Praxis so gut wie nicht gibt) und dann rhetorisch zu vernichten, empfinde ich als unangemessen. Es ist außerdem intellektuell wenig anspruchsvoll. Auch in diesem Fall ist die Welt nicht nur Schwarz und Weiß.
Ich habe dazu eine Frage. Jörn schrieb, dass es um den Glauben der Kirche geht und nicht um meinen oder Deinen Glauben...
Die Kirche steckt doch zumindest den Rahmen ab, in welchem die Bibel und ihre Schriften interpretiert und ausgelegt werden sollten. Das heißt, dass die Kirche schon ein Leitbild des Gläubigen vorgibt und ihm vorschlägt, wie er nach diesem Leitbild leben sollte. Dieses Leitbild eines Gläubigen ist... sagen wir mal... sehr konservativ. Von diesem Leitbild gibt es nun diverse Abstufungen, weil jeder Mensch die Schriften und den Glauben anders interpretiert.
Landen wir denn dann nicht bei einem "Wunschkonzert" des Glaubens, in dem eher schwierige und kritische Passagen für einen selbst so interpretiert werden, dass es passt? Jeder gestaltet sich dann doch seinen eigenen Glauben, oder? Das ist ok, doch dann brauchen wir doch auch keine christliche Kirche oder keinen Papst... denn jeder Mensch interpretiert den Glauben anders. Für jeden sieht Jesus anders aus.
Das führt dazu, dass der Glaube für mich zu einer Art psychologischen Lösung für Probleme aller Art fungieren kann. Ich habe konkret das Beispiel im Sinn, dass jemand versucht, Schuldgefühle zu verarbeiten. Der Glaube hilft ihm dabei, indem die Person Inhalte des Glaubens so interpretiert, dass er für sich selbst "Vergebung" findet.
PS.: Ich habe jetzt keine wissenschaftlichen Abhandlungen gelesen... Sorry. Ich habe die Zeit dafür leider aktuell nicht. Das sind lediglich Dinge, die mir in den Sinn kamen... beim Radfahren :Cheese:
Für Dich ist also einzig der offizielle Glaube der Kirchen relevant. Das halte ich für problematisch: denn Du diskutierst hier nicht mit Vertretern der Amtskirche (...)
Hallo trithos, das ist eine faire Kritik, die ich gut nachvollziehen kann. Es ist statthaft, dass jeder seinen individuellen Glauben hat, und dieser kann/soll auch diskutiert werden. Du schreibst, es würden heutzutage keine Kinder auf dem Altar geopfert, und folglich sei auch nur diese Art des Glaubens relevant.
Die meisten Deutschen haben in der Tat einen moderaten Jesus-Wellness-Glauben, der keinerlei biblische Grundlage hat. Darin steckt aber eine Unehrlichkeit.
Denn einerseits legt man für sich selber fest, dass die garstigen Abartigkeiten der Bibel nicht mehr gelten, und dass nur noch das Schöne und Angenehme verbleibt, nämlich Love & Peace. Andererseits, wenn man gerade mal schnell gegen die Homo-Ehe hetzen will, sind einem selbst die dümmsten Kapitel aus dem Alten Testament gerade recht. Plötzlich wird dies als ewige Wahrheit gepriesen, gegen die niemand argumentieren dürfe, weil man sonst beleidigt wäre.
Was denn nun?
Ich habe überhaupt nichts einzuwenden gegen den Jesus-Wellness-Glauben oder die Trivial-Literatur von Margot Käßmann für das religiöse Wohlbefinden. Aber ich habe etwas einzuwenden gegen die Doppelmoral, die lediglich zum Schein eine objektive Quelle vorgaukelt (die Bibel) und in Wahrheit nichts weiter ist als atemberaubende Selbstgerechtigkeit. Das ist Betrug, und das soll man auch so nennen.
Wenn die Bibel nicht die Grundlage Deines Glaubens ist, ist mir das willkommen bzw. gleichgültig. Wenn Du aber behauptest, Du hättest eine unumstößliche Autorität in Form der Bibel, dann beginnt hier meine Kritik, und dann beziehe ich mich in meiner Argumentation natürlich allein auf die Bibel. Dann weise ich Dir nach, dass der Wellness-Jesus aus biblischer Sicht nicht haltbar ist (und das weiß auch jeder Theologe).
Meine Kritik bezieht sich nicht auf den persönlichen, individuellen Glauben. Sondern darauf, dass jedermanns privater, willkürliche Glaube per Dekret als wahr und unantastbar ausgegeben wird, und dass auch andere sich diesem Glauben zu unterwerfen hätten (Homo-Ehe, Tanzverbot).
Wenn Du sagen würdest, dass Dein Glaube nicht notwendigerweise wahr wäre, dann wäre das für mich in Ordnung. Aber sobald die Wahrheit oder ein Buch als Begründung herhalten muss, ist es statthaft, die Wahrheit und das Buch auf den Prüfstand zu stellen.
Zarathustra
23.04.2017, 11:16
Die Evolutionslehre (Darwin) ist in meinen Augen nicht hinreichend, um die Entwicklung der Menschheit in ihren eigenen, immanenten Gesetzmässigkeiten zu verstehen.
...
Insofern stellten Feuerbach und später Marx die Religionen "vom Kopf auf die Füsse", indem sie ihre Wurzeln in der wirklichen Welt annahmen, und wie Marx / Engels in der Entwicklung der Produktivkräfte (Werkzeuge), in der Arbeitsteilung und Vergesellschaftung der Produktion den Motor einer gesetzmässigen Entwicklung der Menschheit fanden,
...
Hallo qbz, gut daß Du hier nochmal Marx anführst. Meiner Erfahrung nach führt das in einer kontroversen Diskussion leider zu oft dazu, daß einen die Gegenseite spontan für irrational erklärt, weil: Marx = Kommunismus = widerlegt und böse. Aber das kennst Du sicher schon.
Deine Einschätzung zum Erklärungspotential der Evolutionslehre teile ich.
Das führt dazu, dass der Glaube für mich zu einer Art psychologischen Lösung für Probleme aller Art fungieren kann. Ich habe konkret das Beispiel im Sinn, dass jemand versucht, Schuldgefühle zu verarbeiten. Der Glaube hilft ihm dabei, indem die Person Inhalte des Glaubens so interpretiert, dass er für sich selbst "Vergebung" findet.
Hallo Vicky, damit kann ich gut leben. Dass die Leute sich Konstrukte schaffen, die ihnen ein paar Hilfestellungen geben -- und da darf auch gerne mal ein schmalziger Selbstbetrug in Form eines selbst erfundenen und harmlosen Aberglaubens dabei sein.
Religion ist etwas anderes. Religion verkündet Wahrheiten und gibt diese als ewig und unantastbar aus. Glaube setzt Wahrheit voraus.
Neulich hat in einer UNO-Sitzung der Vertreter der Israelis mit der Bibel in der Hand darauf gepocht, dass sie die Golan-Höhen (oder einen anderen Sandhügel) nicht preisgeben werden. Jede Diskussion war zwecklos. Hier ein Bild von der Szene:
http://www.viewpointisrael.com/wp-content/uploads/2016/12/Danon-635x357.jpg
Das ist der Unterschied zwischen einem harmlosen Aberglauben, den man sich privat zurecht gebastelt hat, und einem als wahrhaftig empfunden Glauben.
Meine Kritik bezieht sich auf den unbegründeten aber als Wahrheit ausgegebenen Glauben, der Auswirkungen auf andere hat.
Gäbe es einen Masterplan eines Schöpfers, warum sollten gerade wir Menschen ihn erfassen und beurteilen können?
Wenn wir den Masterplan sowieso nicht erfassen können, wieso geben wir dann in Deutschland jedes Jahr 17 Milliarden Euro (http://www.stop-kirchensubventionen.de) aus, damit die Kirchen diesen Masterplan erklären und verkünden?
Warum bezahlen wir dann jedes Jahr 280 Millionen Euro zusätzlich für die theologische "Wissenschaft" an den Universitäten, die den ganzen Tag darüber nachgrübelt, ob Jesus theoretisch anderer Meinung sein kann als Gott?
Meine These ist, dass hier zumindest ein Anfangsverdacht für Scharlatanerie gegeben ist, sodass man den Fall vorurteilsfrei untersuchen sollte.
wieviele Christen in Deutschland/Österreich opfern beispielsweise ihre Kinder einem alttestamentarischen grausamen Gott? Wieviele Steinigungen von Ehebrecherinnen hat es in Deutschland in den vergangenen Jahren gegeben?
Du schreibst, der Hinweis auf die Grausamkeiten des Alten Testaments sei nicht relevant, weil niemand mehr so handeln würde.
Ich bin aber der Meinung, dass diese Scheußlichkeiten weiterhin relevant sind. Ich würde Dir gerne ein Beispiel anbieten:
Nehmen wir dazu aber nicht irgendwelche Schilderungen über geopferte Kinder. Das sind womöglich Legenden. Suchen wir uns stattdessen Taten, die unbestreitbar geschahen, weil es Zeugen und Unterlagen dazu gibt. Nehmen wir die Hexenverbrennung.
Entscheidend ist aber nicht die Verbrennung, denn diese ist vorbei. Entscheidend ist die Begründung für diese Verbrennung. Denn diese Begründung wird von den Kirchen weiterhin aufrecht herhalten, und zwar in Form der Behauptung, dass die Bibel irrtumsfrei, vollkommen und wahr wäre, und ebenso deren Auslegung. Folglich auch jene Stellen, die mit Hexenverbrennung zu tun haben. Aber auch alle anderen.
Bitte beachte den wichtigen Unterschied, dass es hier nicht um die Frage geht, ob wir heute noch Hexen verbrennen. Sondern es geht um die Frage, ob Hexen existieren. Wenn wir herausfinden, dass Hexen nicht existieren, dann ist auch bewiesen, dass die Bibel nicht verlässlich als Quelle von Wahrheit dienen kann, weil mit Irrtümern zu rechnen ist. Mit anderen Worten: Wenn Hexen nicht existieren, verliert jede christliche Behauptung ihre Autorität.
Wenn Hexen nicht existieren: warum sollte dann Gott existieren? Oder Jesus? Oder Maria? Warum sollte überhaupt irgendeine der Geschichten der Bibel stimmen? Warum sollte dann die krude Sexualmoral der Kirchen irgendeine Autorität haben? Warum sollten wir dem Papst zuhören, aber nicht einem afrikanischen Schamanen? Oder einem Vertreter des Islam?
Das ist der Grund, warum die alten Geschichten weiterhin relevant sind. Nicht weil wir uns so verhalten sollten. Sondern weil sie uns zeigen, ob die ganze Geschichte überhaupt wahr ist.
Zarathustra
23.04.2017, 14:00
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in Form der Behauptung, dass die Bibel irrtumsfrei, vollkommen und wahr wäre
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Wenn wir herausfinden, dass Hexen nicht existieren, dann ist auch bewiesen, dass die Bibel nicht verlässlich als Quelle von Wahrheit dienen kann, weil mit Irrtümern zu rechnen ist. Mit anderen Worten: Wenn Hexen nicht existieren, verliert jede christliche Behauptung ihre Autorität.
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Deine Folgerung ist nicht richtig. Die Autorität von christlichen Behauptungen (was immer das sein mag), ist nicht zwingend auf Widerspruchsfreiheit angewiesen, auch nicht, wenn einige Theologen um Konsistenz bemüht sind.
Was lernen wir daraus? Verschiedene Disziplinen haben einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen.
Deine Folgerung ist nicht richtig. Die Autorität von christlichen Behauptungen (was immer das sein mag), ist nicht zwingend auf Widerspruchsfreiheit angewiesen, auch nicht, wenn einige Theologen um Konsistenz bemüht sind.
Was lernen wir daraus? Verschiedene Disziplinen haben einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen.
Wenn jemand die Notwendigkeit von Logik und Widerspruchsfreiheit abstreitet, ist die Debatte zu Ende.
Welches logische Argument könnte ich nennen, um jemanden zu überzeugen, der Logik nicht akzeptiert? Welchen Beweis könnte ich vorlegen, wenn jemand per se keine Beweise anerkennt?
Meine These ist, dass Gläubige sich mit solchen Winkelzügen lediglich selbst aus der Debatte ausklammern. Wenn mit Gläubigen keine vernünftige Diskussion möglich ist, findet die Diskussion eben ohne sie statt. Kein vernünftiger Mensch lässt sich heute noch hinter die Fichte führen mit der Behauptung, man habe eben "einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen".
Zarathustra
23.04.2017, 15:01
Wenn jemand die Notwendigkeit von Logik und Widerspruchsfreiheit abstreitet, ist die Debatte zu Ende.
Welche Logik könnte ich nennen, um jemanden zu überzeugen, der Logik nicht akzeptiert? Welchen Beweis könnte ich vorlegen, wenn jemand per se keine Beweise anerkennt?
Meine These ist, dass Gläubige sich mit solchen Winkelzügen lediglich selbst aus der Debatte ausklammern. Wenn mit Gläubigen keine vernünftige Diskussion möglich ist, findet die Diskussion eben ohne sie statt. Kein vernünftiger Mensch lässt sich heute noch hinter die Fichte führen mit der Behauptung, man habe eben "einen unterschiedlichen Umgang mit Widersprüchen".
Lies doch mal genauer!
Ich habe keineswegs die Notwendigkeit von Logik und Widerspruchsfreiheit bestritten. Ich sagte, die Autorität einer Religion muß nicht darauf beruhen und ist nicht zwingend darauf angewiesen. (Beruht denn die Autorität des amerikanischen Präsidenten auf Logik und Widerspruchsfreiheit?)
Die Situation stellt sich doch so dar: Ein Gläubiger sagt: „Ich akzeptiere keinen Beweis.“ Du setzt ihm trotzdem zahllose abstrakte Beweise vor und bist enttäuscht oder entsetzt, daß er sie nicht akzeptiert. Hältst Du Deine Vorgehensweise für eine besonders rationale?
Die Autorität der Religion beruht darauf, dass angenommen wird, dass sie wahr ist. Deswegen haben indische Wundertäter in Deutschland keine Kundschaft.
Wenn ohnehin nicht angenommen wird, dass sie wahr ist, bin ich einverstanden.
Ich bin nicht interessiert an einer psychologischen Debatte oder der inneren Motivation von Gläubigen. Das ist Privatsache. Ich möchte wissen, ob die Behauptungen der Bibel zutreffend sind und ob der Klerus den Verdacht der Scharlatanerie ausräumen kann.
Zarathustra
23.04.2017, 16:04
Die Autorität der Religion beruht darauf, dass angenommen wird, dass sie wahr ist.
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Ich bin nicht interessiert an einer psychologischen Debatte oder der inneren Motivation von Gläubigen. Das ist Privatsache. Ich möchte wissen, ob die Behauptungen der Bibel zutreffend sind und ob der Klerus den Verdacht der Scharlatanerie ausräumen kann.
Ja, Dir müßte aber schon aufgefallen sein, daß mit der Wahrheitsbehauptung in der Religion anders umgegangen wird: Man läßt sich durch vermeintliche Gegenbeweise nicht abbringen.
Das ist ein Teil des Phänomens, den man nicht einfach weglassen kann.
Bezüglich Deines Diskussionszieles bestreite ich nicht die Berechtigung (- im Gegenteil!); ich bestreite, daß Du damit erreichst, was Du zu erreichen vorgibst. Die Meisten geben doch ohnehin zu: Einige Bibelstellen scheinen allem Anschein nach nicht den historischen Begebenheiten zu entsprechen. Es gibt unter den Klerikern höchst wahrscheinlich einige Scharlatane.
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Generell ist anzumerken: Wenn man etwas rational (/wissenschaftlich/empirisch) nicht nachvollziehen kann, folgt daraus nicht automatisch, daß es irrational oder unberechtigt ist. (Logik)
Hallo qbz, gut daß Du hier nochmal Marx anführst. Meiner Erfahrung nach führt das in einer kontroversen Diskussion leider zu oft dazu, daß einen die Gegenseite spontan für irrational erklärt, weil: Marx = Kommunismus = widerlegt und böse. Aber das kennst Du sicher schon.
Deine Einschätzung zum Erklärungspotential der Evolutionslehre teile ich.
Es ging mir nur darum, darauf aufmerksam zu machen, dass neben dem Sozialdarwinismus ("Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt,") auch andere gesellschaftswissenschaftliche Erklärungen existieren, wie diejenige, welche die Produktivkräfte und die Vergesellschaftung der Arbeit als gesetzmässigen Motor der Menschheitsentwicklung sehen. Die Religionsinhalte reflektieren diese Entwicklungen. So "spiegelt" sich heute in der Zersplitterung der christlichen Kirchen und im Vorrang des persönlichen Glaubens vor der kirchlichen Lehre z.B. die fortscheitende Individualisierung der Gesellschaft. ;)
Bei einer solchen (ideologiekritischen) Herangehensweise geht es bekanntlich darum, zu fragen, welche gesellschaftlichen (Arbeits)Verhältnisse drücken sich beispielsweise in Naturreligionen, in der mittelalterlichen Kirchenlehre, im Calvinismus, im aktuellen Christentum usf. aus. Wer im Unterschied dazu nach der "Wahrheit" (Wahrheitsbeweisen) des christlichen Glaubens im naturwissenschaftlichen, stofflichen Sinn verlangt, so als ob ein Gott und sein Wirken unabhängig von Menschen wie ein Naturgesetz als personales Wesen mit den Eigenschaften (all*) existierten, trägt in meinen Augen durch die Fragestellung selbst zur Mystifizierung der Gottesidee bei. :)
Hallo qbz, der Satz "Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt", meint keinen Sozialdarwinismus, und auch sonst keine sozialen Dinge. Sondern es beschreibt, warum die Natur grausam und mitleidlos ist. Ich sprach nicht von Arbeitsverhältnissen, sondern von Würmern.
Es ist auch nicht so, dass die Wissenschaft irgendeine Definition oder Eigenschaft von Gott postulieren würde oder eine bestimmte Art des Nachweises verlangte. Sondern es sind die Religionen, die diese Angaben machen, jedoch jede Art von Beweis schuldig bleiben, egal wie dieser Beweis auch gestaltet sein mag. Es ist nicht so, dass die Wissenschaft einen feinstofflichen Beweis ablehnen würde. Sondern die Religionen haben nie einen feinstofflichen Beweis erbracht, und deswegen weiß auch niemand, was das überhaupt sein soll.
Hallo qbz, der Satz "Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt", meint keinen Sozialdarwinismus, und auch sonst keine sozialen Dinge. Sondern es beschreibt, warum die Natur grausam und mitleidlos ist. Ich sprach nicht von Arbeitsverhältnissen, sondern von Würmern.
....
Hallo Jörn,
"Deine (Zarathustra´s) nebulöse Methode scheint mir ungeeignet zu sein, um so komplexe Fragen zu lösen, wie sie das Leid auf der Welt (Theodizee) darstellt.
Die Wissenschaft kann dieses Leid erklären, und zwar vorwiegend anhand der Wirkungen der Evolution, die einen ungesteuerten und ungerichteten Mechanismus beschreibt.... " hast Du geschrieben.
Beziehst Du das Theodizee-Problem auf Würmer, stimme ich Deiner Erklärung vorbehaltlos zu.
Zarathustra
23.04.2017, 21:03
... auch andere gesellschaftswissenschaftliche Erklärungen existieren, wie diejenige, welche die Produktivkräfte und die Vergesellschaftung der Arbeit als gesetzmässigen Motor der Menschheitsentwicklung sehen.
...
Wer im Unterschied dazu nach der "Wahrheit" (Wahrheitsbeweisen) des christlichen Glaubens im naturwissenschaftlichen, stofflichen Sinn verlangt, ... trägt in meinen Augen durch die Fragestellung selbst zur Mystifizierung der Gottesidee bei. :)
Es ist in diesen Dingen, denke ich, oft schwer sich nicht mißverständlich auszudrücken. Darum: Danke für die präzise Formulierung!
Besonders der Gedanke im letzten Satz gefällt mir. Man kann, glaube ich, viele Spekulationen in der Theologie besser verstehen, wenn man sie als Reaktion auf diese Fragestellung durch Rationalisierungsversuche ansieht.
Aha, Rationalisierungsversuche. Da versucht also jemand, den herrlichen Gott in die Niederungen des Rationalen zu zerren -- wie unverschämt und geschmacklos! Haben diese Leute denn keinen Anstand?
Dass Gott nicht rational zu ergründen sei, ist eine völlig unbewiesene Ausflucht. Vielleicht ist es so -- aber es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf.
Es wurde von den Kirchen einfach so definiert: Gott ist rational nicht begreifbar, basta! Dabei wissen die Kirchen überhaupt nicht (beweisbar), was Gott überhaupt sein soll; also können sie auch nicht wissen, wie er zu ergründen wäre.
Genauso gut könnte ich per Definition festlegen, dass Gott nur von Männern ergründet werden kann, basta! Oder dass er sich nur dem Papst offenbart, basta! Oder nur während der Sprechstunde von 10 bis 12 Uhr! Basta!
Reiner Humbug!
In Wahrheit wird mit dem Geschwurbel um den irrationalen Gott lediglich verschleiert, dass die für ihn vorgebrachten Argumente keinerlei Sinn ergeben.
Ich lege jetzt einfach mal fest, dass Gott ausschließlich rational begreifbar ist, basta! Warum? Basta!
lass uns doch mal grobschlächtig systematisieren, ich versuch es mal, sorry, das wird etwas länger ...
das Problem:
(A) Die Idee eines Schöpfergottes als Person der mit den Eigenschaften,
allmächtig und allwissend und mit Allgüte(*) ausgestattet ist, verträgt sich prima facie nicht mit der Wahrnehmung des Leids in unserer - nach Voraussetzung- geschaffenen Welt.
weitere Bestimmungen:
(B) Wir waren auch so weit um die Eigenschaften Gottes ggf. eine Klammer zu setzen: Sofern wir Gott als endliche Wesen mit menschlichen Begriffen zu beschreiben in der Lage sind.
(C) Um den Teil mit dem Leiden in der Welt, wird oft die Klammer gesetzt, das es sich primär um menschliches Leid aus der Wahrnehmung in der Perspektiven von endlichen Menschen handelt.
unmittelbare Folgen:
(D) Allein an der logischen Kohärenz der Eigenschaften Gottes lassen sich sehr schnell spannende, sehr lange Diskussionen zu Widersprüchen entwickeln.
(E) Man an jedem der Schrauben etwas drehen, im Versuch das Problem zu lösen - aber diese Lösungen ist dann auch nicht wirklich überzeugend.
Soweit ist das ein Monster-Problem (ich habe gehört in den Naturwissenschaften gibt es das auch :)).
- Gläubige gehen ggf. darüber zweifelnd hinweg.
- Für Agnostiker und Atheisten ist es eine scharfes argumentatives Schwert. Aber seltsamer Weise nicht immer *das* zentrale Argument für ihre Position, schon (D) ist abendfüllend.
Als Basis okay?
m.
(*) Ich weiche hier deutlich schon der normalen Sprache ab, hoffe es ist verständlich. was gemeint ist.
Zarathustra
23.04.2017, 21:39
...
Genauso gut könnte ich per Definition festlegen, dass Gott nur von Männern ergründet werden kann, basta! Oder dass er sich nur dem Papst offenbart, basta!
Reiner Humbug!
Ich lege jetzt einfach mal fest, dass Gott ausschließlich rational begreifbar ist, basta! Warum? Basta!
Weißt Du was der Unterschied ist? Die Festlegung der Kirche wurde und wird akzeptiert. Deine nicht. (historische Tatsache)
Das habe ich beschrieben. Mehr nicht.
Weißt Du was der Unterschied ist? Die Festlegung der Kirche wurde und wird akzeptiert. Deine nicht. (historische Tatsache)
Im Mittelalter. Und genau da ist der Klerus auch hängen geblieben.
Zarathustra
23.04.2017, 22:09
Im Mittelalter. Und genau da ist der Klerus auch hängen geblieben.
Du möchtest also behaupten, es gibt seit dem Mittelalter und auch heute keine Menschen mehr, die die Festlegung akzeptieren, daß Gott nicht rational erklärbar sei?
Interessant!
Nein, das bestreite ich nicht. Ich weise nur auf die damit verbundene Scharlatanerie des Klerus hin, weil es oft nicht erwähnt wird. Der Klerus tut nämlich so, als wüsste er irgendwas über die Rationalität von Göttern, obwohl das nicht der Fall ist. Er vermeidet es lediglich, diesen Umstand sichtbar werden zu lassen.
Deswegen halte ich es für angebracht, diesem Scheinargument des angeblich nicht erfassbaren Gottes bei jeder Gelegenheit zu widersprechen -- und ich bin in dieser Disziplin zu erstaunlicher Ausdauer fähig.
Zarathustra
23.04.2017, 22:39
...
Deswegen halte ich es für angebracht, diesem Scheinargument des angeblich nicht erfassbaren Gottes bei jeder Gelegenheit zu widersprechen -- und ich bin in dieser Disziplin zu großer Ausdauer fähig.
...
Deine streitlustige Einstellung wäre generell ja ganz erfreulich, nur leider ist sie am falschen Adressaten. Wer verteidigt hier den Klerus?
Die Festlegung, die Du Scheinargument nennst, beschreiben, heißt nicht sie zu verteidigen. Kannst Du das nicht trennen? Das wäre wissenschaftlicher.
Deine streitlustige Einstellung wäre generell ja ganz erfreulich, nur leider ist sie am falschen Adressaten. Wer verteidigt hier den Klerus?
Die Festlegung, die Du Scheinargument nennst, beschreiben, heißt nicht sie zu verteidigen. Kannst Du das nicht trennen? Das wäre wissenschaftlicher.
Einige Leute verteidigen den Klerus durchaus, aber darauf kommt es mir überhaupt nicht an. Ich finde, man sollte dem Argument, dass Gott eben nicht rational erfassbar wäre, jederzeit und in jedem Zusammenhang entgegentreten. Denn ansonsten entsteht (für wen auch immer) der Eindruck, es handele sich um ein statthaftes Argument, weil unwidersprochen. Gewohnheit schafft Fakten. Das ist leider längst passiert. Deswegen ist es wichtig, an dieser Stelle etwas hartnäckig zu sein.
Ebenfalls rein aus Gewohnheit hat sich ein unterwürfiger Respekt gegenüber dem Klerus entwickelt. Deswegen ist es mir ein Anliegen, diesen Respekt ganz bewusst auf jenes Maß zu reduzieren, den wir jedem anderen Menschen (oder jedem anderen Buch) entgegenbringen würden. Daher nehme ich in meine Argumentation immer auch die Möglichkeit auf, dass der Klerus der Scharlatanerie verdächtig ist. Derzeit kann sich der Klerus darauf verlassen, dass dieser Vorwurf in öffentlichen Debatten tabu ist. Ich wäre an einer fairen Aufklärung interessiert. Deswegen breche ich hier und da dieses Tabu, um zu erreichen, dass man diese Prüfung in 100 Jahren vielleicht öffentlich einfordern kann. Irgendwann muss man anfangen.
Ich habe dazu eine Frage. Jörn schrieb, dass es um den Glauben der Kirche geht und nicht um meinen oder Deinen Glauben...
Die Kirche steckt doch zumindest den Rahmen ab, in welchem die Bibel und ihre Schriften interpretiert und ausgelegt werden sollten. Das heißt, dass die Kirche schon ein Leitbild des Gläubigen vorgibt und ihm vorschlägt, wie er nach diesem Leitbild leben sollte. Dieses Leitbild eines Gläubigen ist... sagen wir mal... sehr konservativ. Von diesem Leitbild gibt es nun diverse Abstufungen, weil jeder Mensch die Schriften und den Glauben anders interpretiert.
Landen wir denn dann nicht bei einem "Wunschkonzert" des Glaubens, in dem eher schwierige und kritische Passagen für einen selbst so interpretiert werden, dass es passt? Jeder gestaltet sich dann doch seinen eigenen Glauben, oder? Das ist ok, doch dann brauchen wir doch auch keine christliche Kirche oder keinen Papst... denn jeder Mensch interpretiert den Glauben anders. Für jeden sieht Jesus anders aus.
Das führt dazu, dass der Glaube für mich zu einer Art psychologischen Lösung für Probleme aller Art fungieren kann. Ich habe konkret das Beispiel im Sinn, dass jemand versucht, Schuldgefühle zu verarbeiten. Der Glaube hilft ihm dabei, indem die Person Inhalte des Glaubens so interpretiert, dass er für sich selbst "Vergebung" findet.
PS.: Ich habe jetzt keine wissenschaftlichen Abhandlungen gelesen... Sorry. Ich habe die Zeit dafür leider aktuell nicht. Das sind lediglich Dinge, die mir in den Sinn kamen... beim Radfahren :Cheese:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Deine Fragen richtig verstehe, versuche aber trotzdem eine Antwort: der Gedanke des "Wunschkonzerts" des Glaubens gefällt mir. Soll doch jeder und jede auf seine/ihre Art glücklich werden.
Ich denke, Du hast Recht mit der Feststellung, dass jeder Mensch den Glauben anders interpretiert. Genau das ist meine empirische Beobachtung. Und ich habe auch überhaupt nicht das Bedürfnis, irgendjemanden, der das tut, darauf hinzuwiesen, dass er sich vielleicht nicht ganz auf dem Boden des Katholischen oder sonst eines Katechismus bewegt.
Ein Problem wird "Glaube" für mich eigentlich nur dann, wenn jemand sein persönliches Glaubensverständnis auch von anderen einfordert. Oder dann, wenn das persönliche Glaubensverständnis von jemandem dazu führt, dass er andere Menschen abwertet oder gar materiell schädigt. Das gilt natürlich besonders auch dann, wenn es ein Staat ist, der seine Bürgerinnen und Bürger mit seinem staatlichen Glaubensverständnis terrorisiert.
Ich stimme Dir zu: die Kirchen geben recht strenge und konservative Leitlinien vor. Aber was genau diese Leitlinien sind, ist ja selbst in den Kirchen keine unumstößliche Wahrheit. Da braucht man ja z.B. nur kurz an die unterschiedliche Amts-Auffassungen der beiden Päpste Benedikt und Franziskus zu denken. Wenn sich also über manches nicht mal die Päpste ganz einig sind, habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, meinen persönlichen Glauben oder Nicht-Glauben auch ganz allein für mich zu interpretieren.
Natürlich ist das eine Wellness-Glaubens-Einstellung, die man auch scharf kritisieren kann. Mir gefällt sie trotzdem. In meinem Weltbild ist Glaube für den Menschen da und nicht der Mensch für den Glauben.
Religion ist etwas anderes. Religion verkündet Wahrheiten und gibt diese als ewig und unantastbar aus. Glaube setzt Wahrheit voraus.
Meiner nicht! Glauben heißt doch nichts wissen. Wenn ich die Wahrheit wüsste, müsste ich ja nicht mehr glauben. ;)
Neulich hat in einer UNO-Sitzung der Vertreter der Israelis mit der Bibel in der Hand darauf gepocht, dass sie die Golan-Höhen (oder einen anderen Sandhügel) nicht preisgeben werden. Jede Diskussion war zwecklos.
Meine Kritik bezieht sich auf den unbegründeten aber als Wahrheit ausgegebenen Glauben, der Auswirkungen auf andere hat.
Diese Kritik teile ich voll inhaltlich. Hast Du sie dem Vertreter der Israelis auch schon mitgeteilt? SCNR :Cheese:
Genau mit solchen Auswüchsen von Religionen lohnt sich meiner Meinung nach die Auseinandersetzung. Dem harmlosen durchschnittlichen Mitteleuropäer kann man aber seinen privaten "Wellness-Glauben" doch einfach lassen, ohne ihm Nachhilfeunterricht darüber erteilen zu wollen, was er eigentlich glauben müsste.
Zarathustra
24.04.2017, 00:23
... Deswegen breche ich hier und da dieses Tabu, um zu erreichen, dass man diese Prüfung in 100 Jahren vielleicht öffentlich einfordern kann. Irgendwann muss man anfangen.
Ja, als revolutionäre Praxis kann ich Deinen Standpunkt (endlich!) gut verstehen. Aber die Rationalisierung sich als rein theoretische Widerlegung der Religion auszugeben, wäre (vielleicht) gar nicht nötig.
Bitte beachte den wichtigen Unterschied, dass es hier nicht um die Frage geht, ob wir heute noch Hexen verbrennen. Sondern es geht um die Frage, ob Hexen existieren. ... Wenn Hexen nicht existieren, verliert jede christliche Behauptung ihre Autorität.
Das ist der Grund, warum die alten Geschichten weiterhin relevant sind. Nicht weil wir uns so verhalten sollten. Sondern weil sie uns zeigen, ob die ganze Geschichte überhaupt wahr ist.
Ehrlich gesagt geht es mir nicht um die Frage, ob Hexen existieren. Ich selbst hab bisher (vermute ich zumindest) noch keine getroffen.
Aber die These, dass die Bibel zur Gänze unwahr ist, wenn Hexen nicht existieren, halte ich eben für eine solche - nämlich eine These, die noch zu beweisen wäre.
Die Bibel ist doch keine "ganze Geschichte", die komplett falsifiziert ist, wenn ein Teil falsifiziert werden sollte. Die These "alle Äpfel sind grün" wird durch einen roten Apfel falsifiziert. Die These "die ganze Bibel ist falsch" kann aber nicht dadurch bewiesen werden, dass einige Abschnitte als unwahr erkannt werden.
Bitte beachte: ich will hier keine neuerliche konkrete Diskussion über den Wahrheitsgehalt der Bibel anzetteln und schon gar nicht die Bibel als alleinige "Wahrheit" bewerben. Ich will nur argumentieren, dass ich es nicht für zulässig halte, hier nach dem alten Sprichwort vorzugehen: wer einmal lügt, dem glaubt man nicht - und wenn er auch die Wahrheit spricht.
Meiner nicht! Glauben heißt doch nichts wissen. Wenn ich die Wahrheit wüsste, müsste ich ja nicht mehr glauben. ;)
In einer Debatte mit anderen Wissenschaftlern über den angeblichen Wellness-Nutzen der Religion sagte Richard Dawkins: "Why don't you tell the people the truth? The truth is perfectly simple!" (Deutsch: "Warum sagen Sie den Leuten nicht einfach die Wahrheit? Die Wahrheit ist total simpel!")
Das ist genau meine Meinung. Wozu der ganze Klimbim? Die paar läppischen Fragen aus der Bibel (oder der Kirchenlehre) sind längst beantwortet, und die unbeantworteten Fragen haben ein viel höheres Niveau als das, was in der barbarischen Bibel oder den kindischen Gottesdiensten zu erfahren ist.
Was sagt die Bibel über den Sinn des Lebens, des Universums und allem anderen? Überhaupt nichts. (Ansonsten möge man mir den Bibelvers zitieren.) Auch die Ethik haben wir längst überflügelt. Es ist eine hartnäckige Legende, dass die Bibel eine nennenswerte Ethik oder Moral enthielte oder irgendwelche Fragen (korrekt) beantworten würde. Die meisten Leute wären völlig verblüfft, wenn sie die Bibel mal lesen würden.
Genau mit solchen Auswüchsen von Religionen lohnt sich meiner Meinung nach die Auseinandersetzung. Dem harmlosen durchschnittlichen Mitteleuropäer kann man aber seinen privaten "Wellness-Glauben" doch einfach lassen, ohne ihm Nachhilfeunterricht darüber erteilen zu wollen, was er eigentlich glauben müsste.
Ich wende mich auch nicht gegen Gläubige. Sondern ich wende mich gegen den offiziellen Klerus und alles, was Wirkung nach außen entfaltet. Wenn es Wirkung entfaltet, darf ich das ebenso. In Privatsachen mische ich mich nicht ein.
Der moderate Wellness-Glaube wird von den Kirchen als Steigbügelhalter missbraucht und als Beweis dafür verwendet, dass die Kirchen als gesellschaftliche Kraft relevant wären, und dass ihre krausen Thesen wahr seien -- nach dem Motto: "Wollen Sie etwa 40 Millionen Gläubigen erzählen, dass sie sich irren?!"
Die meisten moderat Gläubigen wären erschüttert, wenn sie wüssten, was in den christlichen Kirchen "offiziell" geglaubt wird und welche Typen da rumlaufen.
Die paar läppischen Fragen aus der Bibel (oder der Kirchenlehre) sind längst beantwortet, und die unbeantworteten Fragen haben ein viel höheres Niveau als das, was in der barbarischen Bibel oder den kindischen Gottesdiensten zu erfahren ist.
Stimmt, aber wie wir seit Douglas Adams wissen, ist die wichtigste Antwort doch auch schon bekannt, die Antwort nämlich auf die Frage nach "life, the universe and everything"? Die Antwort, die der Supercomputer nach fast ewigem Rechnen schließlich gibt, lautet: 42. :Cheese:
Aber die These, dass die Bibel zur Gänze unwahr ist, wenn Hexen nicht existieren, halte ich eben für eine solche - nämlich eine These, die noch zu beweisen wäre.
Genau. Wenn ein Fehler drin ist, beweist es nicht, dass alles falsch ist. Da hast Du recht.
Aber es beweist, dass die Bibel Fehler enthält. Und deswegen muss man untersuchen, was richtig und was falsch ist. Alles kommt auf den Prüfstand. Ist ja nur fair.
Ich kann Dir Bücher empfehlen, die allein die historischen Fehler und Fälschungen auflisten. Es ist schier endlos. Kaum etwas ist historisch, das allermeiste ist erfunden, und man kennt auch mittlerweile die Umstände. Es sind übrigens meist Theologen, die diese historischen Forschungen anstellen, also nicht nur Ketzer, die sowieso alles widerlegen wollen.
Falls Du in die Kirche gehst: Frag mal den Pfarrer nach der Predigt: "Hör'n se mal, aber die Bergpredigt mit all den schönen Jesus-Worten... die ist doch erfunden?" -- Und ich garantiere Dir, dass der Pfarrer sagt: "Natürlich. Das weiß jeder Theologe."
Aber in der Sonntagspredigt wird trotzdem weiter so getan, als hätte Jesus diese berühmte Rede gehalten -- immerhin die zentrale Verkündigung des Neuen Testaments, mit den berühmtesten Zitaten.
Es gibt sogar einen offiziellen Begriff der Kirchen für derlei Betrug: Kerygma. Damit meint man Botschaften, von denen man zwar weiß, dass sie falsch sind, die aber dennoch aufgrund ihrer Wirksamkeit gepredigt werden. Dadurch rechtfertigt es sich.
ist das nicht ungeheuerlich? Willst Du als Gläubiger so behandelt werden?
Handelt es sich hierbei um Scharlatanerie oder nicht?
Falls Du in die Kirche gehst: Frag mal den Pfarrer nach der Predigt: "Hör'n se mal, aber die Bergpredigt mit all den schönen Jesus-Worten... die ist doch erfunden?" -- Und ich garantiere Dir, dass der Pfarrer sagt: "Natürlich. Das weiß jeder Theologe."
Aber in der Sonntagspredigt wird trotzdem weiter so getan, als hätte Jesus diese berühmte Rede gehalten -- immerhin die zentrale Verkündigung des Neuen Testaments, mit den berühmtesten Zitaten.
Es gibt sogar einen offiziellen Begriff der Kirchen für derlei Betrug: Kerygma. Damit meint man Botschaften, von denen man zwar weiß, dass sie falsch sind, die aber dennoch eine Wirkung haben, die den Glauben fördern. Dadurch rechtfertigt es sich.
ist das nicht ungeheuerlich? Willst Du als Gläubiger so behandelt werden?
Jetzt hab ich ehrlich gesagt erst einmal nachlesen müssen, was Kerygmatische Theologie ist. Deine Zusammenfassung halte ich nach Lektüre des diesbezüglichen Wikipedia-Eintrags für ein wenig polemisch, aber das ist schon okay.
Um auf Deine Frage zurückzukommen: natürlich möchte ich nicht belogen werden. Da ich persönlich aber ohnehin nicht das "wortwörtliche Bibelverständnis" habe, bin ich offenbar auf der selben Wellenlänge wie die kerygmatischen Theologen. Und sollte ich eine Predigt hören, erlaube ich mir auch, selbst darüber nachzudenken, ob die Botschaft eine für mich gute und sinnvolle ist, oder eben nicht. Wie schon gesagt, ich bin ein ganz schwacher Ideologe und ein großer Pragmatiker...
erlaube ich mir auch, selbst darüber nachzudenken, ob die Botschaft eine für mich gute und sinnvolle ist, oder eben nicht
Wenn Deine Ethik/Moral sowieso durch Nachdenken zustande kommt und nicht durch sklavisches Befolgen der Bibel oder einer Predigt: wozu brauchst dann die Bibel oder die Predigt?
Du vertraust Deiner Moral schon jetzt mehr als der Moral der Bibel. Schmeiß die Bibel doch einfach aus dem Fenster und vertraue Deiner Intelligenz und Menschlichkeit.
Kerygma:
- Anrufer: "Sie haben mir gesagt, das Auto sei aus dem Jahr 2005, aber die Werkstatt sagt mir, es ist von 1980!"
- Verkäufer: "Selbstverständlich. Sonst hätten Sie es ja nicht gekauft."
- Anrufer: "Das ist Betrug!"
- Verkäufer: "Falsch! Das ist Kerygma!"
- Anrufer: "Sie sind ein Idiot!"
- Verkäufer: "Korrekt."
Okay, die Kirchen ein Fall für den Verbraucherschutz. Es müssten am Eingang jeder Kirchentür und auf jeder Bibel Warnhinweise stehen, wie: "Die Bibel macht abhängig und süchtig" Oder. "Viele Handlungen der biblischen Geschichten sind frei erfunden. Fragen sie ihren Theologen."
Wie würdest Du denn, Jörn, umgekehrt gefragt, religiöse Dientstleistungen anbieten, damit sie möglichst erfolgreich am Markt sind? Man analysiere die Kirchenangebote professionell unter Marketing Gesichtspunkten (Welche Waren für welche Zielgruppen, vom Säugling bis zum Greis und vom Pazifisten bis zum Soldaten, vom Obdachlosen bis zum Finanzmagneten usf.Taufen, Konfirmation, Hochzeiten, Beerdigungen, Jugendangebote etc.),. Um nichts anderes geht es heute bei den Kirchen als Organisationen. Der Kirchentag in Berlin, ein herausragendes Beispiel für professionelles Marketing (mit Obama Besuch :-) ). Von welcher der Kirchen würde man am ehesten Aktien (Anteile) kaufen?
Ps.:
Manches Mal mutet es mich persönlich in diesem Thread wegen der immergleichen Schleifen ähnlich wie bei "Warten auf Godot" an (ein Lieblingstheaterstück von mir). Weshalb antwortet er nicht? Wo versteckt er sich? Wann kommt er? Existiert er überhaupt? Ist das ein Zeichen von "Godot" usf. :)
tandem65
24.04.2017, 09:37
Was ist mit Wespen und Spinnen? Sind diese auch Teil der göttlichen Erziehung? Lässt Gott diese ebenfalls anhand ihrer Fehler lernen?
Deine These, dass Gott seine Geschöpfe Fehler machen lässt, damit diese daran wachsen können, kann ich nicht nachvollziehen.
Schön daß Du so voll an meiner Frage vorbeiargumentierst. Ich habe keine entsprechende These aufgestellt. Ich habe Fragen gestellt. Das so Eigenschaften, die Dein Bruder, einem christlichen Gott zuschreibt, gar nicht so klar sind wie er das Darstellt.
Ich habe menschliche Erziehung als Beispiel für die Betrachtung von Güte herangezogen und Du machst daraus Göttliche Erziehung. Du wirfst hier immer wieder gerne daß Dinge verdreht werden. Diese Kritik darfst Du auch für Dich selbst in Anspruch nehmen.
Wie ist es nun? Verstehen Deine Kinder auch immer das gleiche wie Du unter Güte?
Wenn wir den Masterplan sowieso nicht erfassen können, wieso geben wir dann in Deutschland jedes Jahr 17 Milliarden Euro (http://www.stop-kirchensubventionen.de) aus, damit die Kirchen diesen Masterplan erklären und verkünden?
Warum bezahlen wir dann jedes Jahr 280 Millionen Euro zusätzlich für die theologische "Wissenschaft" an den Universitäten, die den ganzen Tag darüber nachgrübelt, ob Jesus theoretisch anderer Meinung sein kann als Gott?
Was ist denn das für eine Webseite?? Aus diesem Grund verlinke ich kaum etwas.
Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn dafür Geld ausgegeben wird. Ich orientiere mich in verschiedene Richtungen und bin ergebnisoffen. Bei dir habe ich ständig das Gefühl, dass du die Kirchen komplett abschaffen und verbieten möchtest. Diese Konsequenz schreckt mich des Öfteren bei Atheisten ab.
Zarathustra
24.04.2017, 11:24
Die Positionen sind ja nun hinlänglich bekannt und, wie schon angemerkt wurde, drehen wir uns im Kreis. Was haben wir bis jetzt?
Der Atheist:
- empirische Fehler in der Bibel
- ggf. Widersprüche in theologischen Spekulationen
- als Theorie genügt die Theologie nicht den Kriterien der Naturwissenschaft
- ein Verdacht der Unehrlichkeit seitens des Klerus
- den Willen die Gläubigen von ihrem Glauben abzubringen
- was noch?
Wie kann der Gläubige darauf reagieren?
- sich beunruhigen lassen, am Glauben zweifeln, ggf. vom Glauben abfallen
- die Einwände zur Kenntnis nehmen, ggf. spekulative Antworten finden
- ignorieren (oder österreichisch: ned amoi ignoriern)
- das Recht des Atheisten bestreiten, ihn vom Glauben abbringen zu wollen, sich ggf. im Glauben bestärkt fühlen
Und nun?
________
Ich denke, aus den genannten Reaktionsmöglichkeiten des Gläubigen, läßt sich erschließen, daß der Streit gar nicht auf theoretischem Felde entschieden wird, sondern im Grunde auf dem praktischen stattfindet. Die Frage ist: Wie wollen wir leben? Mit oder ohne Religion? Und warum sollte der Eine dem Anderen etwas vorschreiben dürfen?
Klugschnacker
24.04.2017, 16:56
Die Frage ist: Wie wollen wir leben? Mit oder ohne Religion?
Ich denke nicht, dass das die Frage ist. Vermutlich würden die meisten hier lieber ohne Religion leben, sofern Poseidon oder der indische Affengott Hanuman der Gott dieser Religion wäre.
Es kommt also nicht nur darauf an, ob wir glauben wollen, sondern auch was. An einer Diskussion um Glaubensinhalte kommen wir nicht vorbei.
Zarathustra
24.04.2017, 18:27
...Vermutlich würden die meisten hier lieber ohne Religion leben, sofern Poseidon oder der indische Affengott Hanuman der Gott dieser Religion wäre.
...
Deiner Vermutung setze ich entgegen: Befänden sich hier wirklich Personen, die an Poseidon oder Hanuman glauben, ließen sie sich kaum durch eine Diskussion über ihre Glaubensinhalte davon abbringen.
Weit davon entfernt gegen eine solche Diskussion zu sein, denke ich nur, daß Du sehr überschätzt, was sich damit erreichen läßt.
Dass die Eigenschaften, die Dein Bruder, einem christlichen Gott zuschreibt, gar nicht so klar sind wie er das Darstellt.
Die Eigenschaften Gottes (Allmacht, Allwissen, Allgüte) sind im Christentum eindeutig und schriftlich fixiert. Du kannst das bei allen christlichen Glaubensrichtungen selber nachlesen. Den katholischen Katechismus hatte ich auf den letzten Seiten mehrfach verlinkt. Lies es doch einfach selbst nach?
Verstehen Deine Kinder auch immer das gleiche wie Du unter Güte?
Nein, und deswegen habe ich mein Beispiel mit den Insekten auch bewusst so gewählt. Denn bei diesen Tieren ist es egal, wie der Begriff der Güte verstanden wird. Denn Insekten haben überhaupt kein Konzept von Güte. Wie auch immer das Konzept von Gottes Güte aussehen mag: Es kann nicht auf Insekten angewendet werden.
Jedoch haben Insekten ein klares Schmerzempfinden, und sie versuchen auch, dem Tod zu entrinnen. Ein Insekt, welches gelähmt, aber noch lebendig, von innen aufgefressen wird, empfindet sowohl den Schmerz als auch die Todesangst und den Fluchtinstinkt (ansonsten wäre es nicht erfoderlich, es zu lähmen).
Hier haben wir also ein unwiderlegbares Beispiel dafür, dass Gott nicht allgütig sein kann, denn seine Güte wäre in Bezug auf das Insekt noch steigerungsfähig.
Übrigens hat nach christlicher Logik Gott überhaupt erst dafür gesorgt, dass Insekten Schmerz und Todesangst empfinden können. Er hat also selber die Umstände geschaffen, in denen das Leid überhaupt erst entstehen kann. Leid ist nicht zwangsläufig. Steine empfinden kein Leid. Bakterien empfinden kein Leid. Einzeller empfinden kein Leid. Gott allein hat das Leid erzeugt, niemand sonst (nach christlicher Logik). Er ist allein dafür verantwortlich.
Bei dir habe ich ständig das Gefühl, dass du die Kirchen komplett abschaffen und verbieten möchtest. Diese Konsequenz schreckt mich des Öfteren bei Atheisten ab.
Warum genau? Zwei Drittel der aktuell vorhandenen Menschen sind noch nie in Kontakt gekommen mit den christlichen Kirchen. Was ist nach Deiner Meinung falsch mit diesen Leuten?
Wenn man den Blick etwas erweitert und auch jene Kulturen berücksichtigt, die früher lebten: da haben wir beispielsweise die antiken Griechen, deren Philosophie dem Christentum bereits vor zweitausend Jahren überlegen war. Jeder von uns kennt ein paar Namen dieser griechischen Denker, selbst nach so langer Zeit. Hingegen kennt praktisch niemand von uns auch nur einen einzigen christlichen Denker. Das Christentum ist aus philosophischer oder ethischer Sicht völlig unbedeutend -- ein kleiner Schlenker der Geschichte, der bald völlig vergessen sein wird.
Ich würde keineswegs fordern, dass man die Kirchen abschafft, denn ich bin für Religionsfreiheit. Aber ich sehe nicht, dass die dort gelehrte krause Theologie einen nennenswerten Verlust darstellen würde. Die meisten Menschen wissen überhaupt nicht, was die christliche Theologie überhaupt sein soll.
LidlRacer
24.04.2017, 22:13
Jedoch haben Insekten ein klares Schmerzempfinden, und sie versuchen auch, dem Tod zu entrinnen. Ein Insekt, welches gelähmt, aber noch lebendig, von innen aufgefressen wird, empfindet sowohl den Schmerz als auch die Todesangst und den Fluchtinstinkt (ansonsten wäre es nicht erfoderlich, es zu lähmen).
Hier haben wir also ein unwiderlegbares Beispiel dafür, dass Gott nicht allgütig sein kann, denn seine Güte wäre in Bezug auf das Insekt noch steigerungsfähig.
Übrigens hat nach christlicher Logik Gott überhaupt erst dafür gesorgt, dass Insekten Schmerz und Todesangst empfinden können. Er hat also selber die Umstände geschaffen, in denen das Leid überhaupt erst entstehen kann
Habe Zweifel, ob Insekten hier ein sinnvolles Beispiel sind.
Hier wird jedenfalls eine andere Sichtweise vertreten:
"Aus wissenschaftlicher Sicht sei zu viel Empathie nicht angebracht, sagt auch Alexander Borst vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried. Menschen unterschieden sich viel zu sehr von Tieren, um über das Schmerzempfinden von Tieren urteilen zu können: "Ein Insekt mit einem kaputten Bein läuft genauso wie vorher, ohne das Bein sichtbar zu schonen." Auch Heuschrecken fressen einfach weiter, während sie selbst von einer Gottesanbeterin verspeist werden."
Schmerz lass nach - Wie geht's dem Wurm am Haken? (http://www.sueddeutsche.de/wissen/schmerz-lass-nach-wie-gehts-dem-wurm-am-haken-1.912296-2)
Überzeugender fand ich Dein Beispiel, wo Insektenlarven Augen menschlicher Babys zerstören (oder so ähnlich).
Wenn ich ein gütiger und allmächtiger Gott wäre, würde ich keine Insektenlarven erschaffen, die so etwas tun.
Nebenbei bemerkt wäre ich als Gott viel zu faul, um die Welt derart unnötig groß und kompliziert zu erschaffen, wie sie ist, nur um nach x Milliarden Jahren Wartezeit ein wenig Spaß daran zu haben, ein paar Menschen (und evtl. anderswo ein paar Außerirdische) dabei zu beobachten, wie sie meine Ge- und Verbote (miss-)achten etc.
Befänden sich hier wirklich Personen, die an Poseidon oder Hanuman glauben, ließen sie sich kaum durch eine Diskussion über ihre Glaubensinhalte davon abbringen.
Aber wer glaubt noch an Poseidon? Niemand, und das beweist, dass Veränderungen möglich sind.
Steve Jobs und das iPhone wären vor einiger Zeit auf dem Scheiterhaufen gelandet, ebenso wie alle, die es gewagt hatten, durch ein Fernrohr oder ein Mikroskop zu blicken. Aber an seine Erfindung wird man sich länger erinnern als an die abwegigen Schriften von Papst Benedikt, der sich als "Seine Heiligkeit" ansprechen lässt.
Die Kirchen, die mal im Zentrum des gesellschaftlichen und geistigen Lebens standen, haben diese Position längst eingebüßt. Es ist also durchaus möglich, Veränderungen zu erwirken.
Habe Zweifel, ob Insekten hier ein sinnvolles Beispiel sind ...
Danke für die interessanten Infos zu Insekten. Dann nehme ich mein Beispiel in diesem Punkt zurück.
Wie kann der Gläubige darauf reagieren?
- das Recht des Atheisten bestreiten, ihn vom Glauben abbringen zu wollen, sich ggf. im Glauben bestärkt fühlen
Ich will nicht zu pedantisch sein und nicht allzu viel aus Deiner kurzen Formulierung herauslesen.
Es wird (womöglich unabsichtlich) suggeriert, dass die Atheisten versuchen würden, jemanden vom Glauben abzubringen; und zwar deshalb, weil die Kirchen genau das Gegenteil wollen. Dass also beide Gruppen versuchen würden, den Gläubigen irgendeinen Glauben einzureden, nur mit unterschiedlichem Inhalt.
Das trifft aber nicht zu. Die Atheisten verfechten keinen "Glauben" und auch keine klar definierte Moral, Ethik oder Philosophie. Sie sagen lediglich, dass der Anspruch auf Wahrheit begründet sein muss, und dass dafür bestimmte Kriterien einzuhalten sind, die sich aus der Logik ergeben. Wenn Gott eines Tages vor uns steht und ein Rührei in ein Ei verwandelt, werden es die Atheisten nicht abstreiten.
:Blumen:
Zarathustra
24.04.2017, 23:30
... Die Atheisten verfechten keinen "Glauben" und auch keine klar definierte Moral, Ethik oder Philosophie. Sie sagen lediglich, dass der Anspruch auf Wahrheit begründet sein muss, und dass dafür bestimmte Kriterien einzuhalten sind, die sich aus der Logik ergeben. ...
Ja, ich stimme Dir zu, daß Atheisten per se keinen Glauben verfechten. (In der Realität finden einige von ihnen natürlich schnell einen weltlichen Ersatz...)
Für die Gläubigen ist ihr Anspruch begründet in der Autorität ihres Glaubens und ihrer Glaubensgemeinschaft sowie der Glaubenspraxis. Mit welchem Recht forderst Du eine weitere Rechtfertigung von ihnen?
_____
Nochmals zu den Eigenschaften Gottes:
Das Problem, daß die Eigenschaften eines Gottes für uns nicht begreifbar sind, wurde schon z.B. von Platon aufgeworfen und wird mindestens seitdem diskutiert (Stichwort: Negative Theologie). Es ist ein Irrtum anzunehmen der katholische Katechismus hätte es endgültig überwunden. (Der erfüllt eine ganz andere Funktion.)
Daß es Leid in der Welt gibt, beweist nicht, daß Gott nicht x ist, sondern nur, daß er das Leid in der Welt nicht verhindert.
Daß x etwas damit zu tun hat alles Leid auf der Welt zu verhindern, ist eine Annahme, die erst noch zu begründen wäre.
@Jörn: aber wenn die Entropie vor unser aller Augen plötzlich rückwärts rollen würde, würden wir doch eher beim lokalen Lehrstuhl für Physik anrufen, als den für (christliche) Theologie?
m.
(Wollte eigentlich nur sagen, daß Atheisten eine härtere weitreichende These vertreten als Agnostiker)
Für die Gläubigen ist ihr Anspruch begründet in der Autorität ihres Glaubens und ihrer Glaubensgemeinschaft sowie der Glaubenspraxis. Mit welchem Recht forderst Du eine weitere Rechtfertigung von ihnen?
Das ist ein Zirkelschluss. Man kann die Autorität eines Glaubens nicht mit eben diesem Glauben begründen.
Beispielsweise behauptet die kath. Kirche, die Wahrheit der Verkündigung wäre absolut zuverlässig, weil Jesus dafür bürgen würde. Das ist Unsinn. Genau so kann ich die Wahrhaftigkeit von Grimms Märchen nicht damit begründen, dass im Vorwort steht, alle diese Märchen wären wahr.
Ebensowenig wird ein Richter einem Angeklagten nur deswegen glauben, weil er behauptet, er sage die Wahrheit. Auch das Vorlegen einer Schrift, die er selbst verfasst hat, mit dem Inhalt "Ich sage die Wahrheit, Amen!", wird nichts nützen.
Die christliche Religion basiert auf Zirkelschlüssen. Die Bibel sei angeblich wahr, weil in der Bibel steht, dass sie wahr ist.
Das Problem, daß die Eigenschaften eines Gottes für uns nicht begreifbar sind, wurde schon z.B. von Platon aufgeworfen und wird mindestens seitdem diskutiert (Stichwort: Negative Theologie). Es ist ein Irrtum anzunehmen der katholische Katechismus hätte es endgültig überwunden.
Der Katechismus behauptet, über diese Gewissheit zu verfügen. Es spielt keine Rolle, ob Platon begründet, dass es Unsinn ist. Natürlich ist es Unsinn. Die Kirchen behaupten es dennoch. Und die Gläubigen glauben es.
Der Kathechismus sagt: "Gott ist in sich unendlich vollkommen". Also nicht nur einfach vollkommen. Sondern unendlich vollkommen. Das sollte alle Unsicherheiten in der Interpretation beseitigen.
Die Argumentation, dass Gott nicht begreifbar wäre, ist eine Schein-Argumentation, weil sie einfach das gewünschte Ergebnis per Definition verkündet. Es ist wiederum ein Zirkelschluss. Wenn Gott nicht begreifbar ist, dann begreifen wir auch nicht, ob er begreifbar ist. Es ist eine unsinnige Debatte, die sich nur im Kreis dreht.
Ich lege einfach mal per Definition fest, dass ich Gott begreifen kann. Du kannst den gesamten Vatikan dagegen aufbieten, und es wird ihm nicht gelingen, das Gegenteil zu beweisen.
Daß es Leid in der Welt gibt, beweist nicht, daß Gott nicht x ist, sondern nur, daß er das Leid in der Welt nicht verhindert.
Daß x etwas damit zu tun hat alles Leid auf der Welt zu verhindern, ist eine Annahme, die erst noch zu begründen wäre.
Gott und seine Eigenschaften müssen nicht bewiesen werden. Sondern sie wurden von ihm selbst offenbart. Es ist unerheblich, ob wir diese Offenbarung logisch finden. Gott hat sich als "unendlich vollkommen" offenbart. Deswegen ist es die Grundlage der Debatte.
Und weil die Welt offenbar nicht vollkommen ist (das beweist die Existenz von Dieter Bohlen), kann irgendwas mit seiner Offenbarung nicht stimmen.
LidlRacer
25.04.2017, 00:40
So ein Ei mag nebensächlich klingen, gerade im Vergleich zum spektakulären Urknall. Dabei hängen beide miteinander zusammen. Ich wurde in diesem Thread gebeten, ein Experiment zu nennen, welches mich nachdenklich stimmen würde, und natürlich kann ich nicht sagen: "Soll der Papst Franz mal einen Urknall machen". Stattdessen entschied ich mich für das Ei.
Was ist also so interessant an dem Ei?
Das Ei hat eine Eigenschaft, die man mit den Urknall vergleichen kann, und zwar auf eine verblüffende Weise.
Ganz am Anfang des Universums ist die Ordnung noch sehr hoch (alle Teilchen eng aneinander gequetscht, aber sehr ordentlich, wie in einer Matrix), und dann fliegt alles auseinander und vermischt sich zu einem riesigen Brei an Nebeln, Galaxien, Sternen, und Planeten.
http://blog.iseesystems.com/wp-content/uploads/2009/07/cube-matrix.jpg
http://www.ownarozario.com/upload/collection/29/thumb/256/14cb9eb900b089925d449e985a10049f.gif
In der Sprache der Physik verwendet man den Begriff der "Entropie". Man beschreibt damit, wie groß die Unordnung ist. Am Anfang hatte das Universum also eine geringe Entropie (es war alles ordentlich) und nach dem Urknall eine recht hohe Entropie (ein riesiges Durcheinander).
Beim Ei ist es ebenso. Man bräuchte relativ wenig Informationen, um es zu beschreiben. Aber wenn ich es zerschmettere und zu Rührei verkoche, gerät die Ordnung durcheinander. Nun bräuchte ich sehr viele Informationen, um es zu beschreiben. Es ist also vergleichbar mit dem Urknall.
https://pbs.twimg.com/profile_images/654734561440460801/dw44X0v7.jpg
https://bigoven-res.cloudinary.com/image/upload/t_recipe-256/soft-scrambledeggswithasparagu-8a6d74.jpg
Ein weiterer Effekt ist sehr interessant. Nämlich, dass die Unordnung immer nur zunimmt, und nie abnimmt. Was wir als das Fortschreiten der Zeit wahrnehmen, ist das Zunehmen dieser Unordnung. Anders gesagt: Unser Beweis dafür, dass die Zeit vorwärts läuft, besteht in der zunehmenden Unordnung. Wenn die Unordnung zunimmt, geht die Zeit vorwärts.
Aufregend ist, was sich daraus ergibt: Eben weil die Zeit vorwärts läuft, kann die Unordnung nur zunehmen (hin zum Rührei), aber nicht abnehmen (zurück zum unbeschädigten Ei).
Wohlgemerkt, es ist nicht nur eine Frage der Geschicklichkeit. Sondern es ist aus Prinzip ausgeschlossen.
Das ist der Grund, warum ich vorschlug, Papst Franz möge ein Rührei zurückverwandeln in ein unbeschädigtes Ei. Es ist also keineswegs ein kindischer Vorschlag unterhalb des Forums-Niveaus, sondern ein Ausflug an die Grenzen der Raumzeit, nur eben essbar.
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Die Bibel behauptet, diese Entropie (also das Maß der Unordnung) sei umkehrbar (was sie aber nicht ist, es sei denn, die Zeit läuft rückwärts).
Ein Beispiel dafür aus der Bibel ist die Erweckung von Toten. Woher wissen wir klipp und klar, dass Tote nicht erweckt werden können, jedenfalls nicht nachdem Zerfallsprozesse begonnen haben? Weil die Entropie (der Zerfall) immer nur in eine Richtung gehen KANN, genauso wie man ein Rührei nicht in ein unbeschädigtes Ei zurückführen KANN.
Hier haben wir also einige zentrale Bibelgeschichten über die Auferweckung von Toten, die nicht stimmen können. Bei den zahlreichen Wunderberichten kann man ein paar dieser Geschichten über Bord werfen, ohne dass es weh tut.
Aber was ist mit Jesus selbst? Dessen Auferstehung ist DIE zentrale Botschaft des Neuen Testaments. Wenn hier was nicht stimmt, dann ist das keine Kleinigkeit. Es ist der Dreh- und Angelpunkt.
Hier die Eine-Million-Euro-Frage: Hat Gott dann einfach die Zeit rückwärts laufen lassen?
Und gleich die Antwort: Wenn Gott die Zeit nach dem Tod von Jesus rückwärts laufen ließ, sodass er den Tod auf diese Weise rückgängig machte, dann ist er nicht gestorben (denn dies ist dann ja gar nicht geschehen). Also ist er auch nicht auferstanden. Kein Tod, keine Auferstehung. Und falls doch, hätte er auch gleichzeitig die Vergebung unserer Sünden rückgängig gemacht, denn diese waren an den Tod gekoppelt. Kein Tod, keine Vergebung. Tja.
Mehr noch: Da Einstein bewiesen hat, dass Raum und Zeit gekoppelt sind, kann man nicht einfach die Zeit rückwärts laufen lassen, ohne dass es in Jerusalem zu sehr unschönen Konsequenzen geführt hätte. Zumal gerade Feiertage waren.
Das Ei widerlegt also die Geschichte mit der Auferweckung. Zum Glück sind die Ostertage bereits vorbei.
Ich finde nicht, dass man mir vorwerfen kann, diese Betrachtung sei "so langweilig und lächerlich", dass man nicht darauf eingehen müsse.
(Sorry für das Komplettzitat, aber es schien mir schwierig, das sinnvoll zu kürzen.)
Ich fürchte, auch dieses Beispiel mit dem Ei und der Entropie ist nicht glücklich gewählt.
1. versteht kaum jemand (inkl. meiner Wenigkeit), was Entropie wirklich ist. Die Umschreibung als "Maß der Unordnung" ist laut Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Entropie#Entropie_als_.E2.80.9EMa.C3.9F_der_Unordn ung.E2.80.9C)"sehr umstritten".
2. gilt der Grundsatz, dass die Entropie nicht abnehmen kann, nur für ein abgeschlossenes System, bei dem also kein Austausch von Energie oder Materie mit der Umgebung stattfindet.
Bei der Frage, ob jemand/Gott ein kaputtes Ei in ein heiles verwandeln kann, wäre dieser Austausch (insbesondere Zufuhr von Energie) gerade nicht ausgeschlossen. Und genau deshalb ist es auch nicht grundsätzlich unmöglich. Gut, bei einem Ei ist es schwierig, zumindest theoretisch könnte ich aber jedes Atom wieder an seine Ausgangsposition bewegen.
Aber Du zeigst ja selbst auch als einfacheres Beispiel das Bild ordentlich angeordneter Würfel. Die kann man selbstverständlich nicht nur durcheinander bringen, sondern auch wieder richtig ordnen.
Theoretisch könnte ich sogar meine Wohnung aufräumen. ;)
Ich fürchte, auch dieses Beispiel mit dem Ei und der Entropie ist nicht glücklich gewählt.
Wegen der Länge meines Postings (mit dem Ei) habe ich davon abgesehen, die genauen Umstände eines solchen Versuchs zu definieren (etwa Energiezufuhr usw.). Ich habe es vor allem wegen des Vorwurfs ausgeführt, mein Vorschlag mit dem Ei sei kindisch; und ich wollte daher erläutern, welche Überlegungen dahinterstehen.
Entscheidend ist, dass man ein Experiment so anlegt, dass es den Naturgesetzen widerspricht. Dann wäre ich überzeugt, dass über-natürliche Dinge existieren können. Weil das jedoch ein Zirkelschluss ist, wird es nie passieren.
Zarathustra
25.04.2017, 01:35
Das ist ein Zirkelschluss. Man kann die Autorität eines Glaubens nicht mit eben diesem Glauben begründen.
...
Der Katechismus behauptet, über diese Gewissheit zu verfügen. ... Der Kathechismus sagt: "Gott ist in sich unendlich vollkommen". Also nicht nur einfach vollkommen. Sondern unendlich vollkommen. Das sollte alle Unsicherheiten in der Interpretation beseitigen.
...
Gott und seine Eigenschaften müssen nicht bewiesen werden. Sondern sie wurden von ihm selbst offenbart.
...
Nein, das ist kein Zirkelschluß, das ist überhaupt kein Schluß, obwohl es so aussehen mag.* Der Punkt ist: die Gläubigen akzeptieren es für sich als Rechtfertigung. Daß Du das nicht tust, ist ein anderes Thema. (Aber hatten wir das nicht schon?)
Ich bezweifle weiterhin, daß damit behauptet wird, wir könnten die Eigenschaften Gottes begreifen. Es sollte klar sein, daß dem Wort Allmacht noch die Ergänzungen vollkommen und unendlich hinzufügen nicht dasselbe heißt wie begreifen.
Wo steht, daß es eine Eigenschaft Gottes ist, alles Leid in der Welt zu verhindern?
___
*Das lustige hier ist: Du spürst zuverlässig die Axiome der Religion auf. Dann aber passiert immer der gleiche Fehler: Du willst sie unbedingt als Thesen oder Deduktionen mißverstehen, um sie widerlegen zu können. So etwa als ob in der Mathematik Einer Antritt, um endlich zu beweisen, daß es eigentlich gar keine Zahlen gibt...
Nein, das ist kein Zirkelschluß, das ist überhaupt kein Schluß, obwohl es so aussehen mag. (...) Es sollte klar sein, daß dem Wort Allmacht noch die Ergänzungen vollkommen und unendlich hinzufügen nicht dasselbe heißt wie begreifen. (...) Du spürst zuverlässig die Axiome der Religion auf. (...) Du willst sie unbedingt als Thesen oder Deduktionen mißverstehen, um sie widerlegen zu können. (...)
Da Du mich offenbar direkt ansprichst: Mich interessiert diese Wortklauberei eigentlich nicht. Vielleicht möchte ein anderer Foren-Teilnehmer darauf antworten. Ich glaube nicht, dass es zu einem interessanten Ergebnis führt.
Die bekannten Vorzeige-Atheisten englischer Sprache (etwa Richard Dawkins oder Sam Harris) sagen übereinstimmend, dass der Widerstand gegen ihre Thesen mindestens zur Hälfte von anderen Atheisten (!) stammt. Diese würden sich endlos an irgendwelchen Formulierungen oder begrifflichen Spitzfindigkeiten abarbeiten. Oft heißt es: "Sie haben zwar Recht, aber mit diesem Begriff können sie es nicht formulieren, weil... blabla...", und dann beginnt ein endloser Vortrag über Semantik, Sprachlogik und ein paar altgriechischen Zitate.
Ich finde diese Art von Wortklauberei äußerst ermüdend, weil es nur weg vom eigentlichen Kern der Debatte führt.
Wo steht, daß es eine Eigenschaft Gottes ist, alles Leid in der Welt zu verhindern?
Niemand hat je behauptet, Gott würde alles Leid verhindern; denn es ist offensichtlich, dass Leid existiert.
Es ist das Theodizee-Problem. Es ist seit 2.000 Jahren ungelöst, weil es es von unsinnigen Annahmen ausgeht. Es wurde bereits mehrfach im Thread besprochen.
Eine übliche Ausflucht, auf die Du vermutlich zusteuerst, ist die Behauptung, Gott würde Leid ganz absichtlich erzeugen (etwa aus Erziehungsgründen), sodass es sowohl eine Folge seiner Allgüte als auch seiner Allmacht wäre.
Diese Ausflucht wird allerdings versperrt durch einen Haufen Bibelstellen, die zuverlässig bezeugen, dass Gott irgendwie eine unerklärliche Abneigung gegen Leid hat. Es sieht fast so aus, als könne er Leid nicht leiden. Folgendes sagt die Bibel über das Himmelreich, wo Gott tun kann, was er will:
»Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein« (Offenbarung 21,4).
Der übliche Einwand ist, dass im Himmel eben andere Umstände herrschen als auf der Erde. Aber da Gott die Umstände selbst erzeugt hat und verändern kann (per Allmacht) kann er die Umstände so einrichten, dass Leid fernbleiben kann. Dass er diesen Zustand ohne Leid als den besten aller Zustände betrachtet, bezeugt das obige Zitat.
Ich würde gerne noch auf eine Abscheulichkeit hinweisen, die in der Debatte über das Leid mitschwingt, aber oft nicht in seiner kompletten Monströsität angesprochen wird, weil es schwer verdaulich ist.
Nämlich die Unterstellung, dass Leid gewollt ist und einen Sinn verfolgt. Dass also Kinder, die an chronischen Krankheiten leiden und häufig im Krankenhaus sind, dieses Leid ertragen müssen, weil Gott es will, da sie nur "Kinder zweiter Klasse" sind, während die "Kinder erster Klasse" ein Leben im Sonnenschein führen dürfen. Kinder glauben sowas (weil ihre Eltern ebenfalls daran glauben).
Dieser Teil der christlichen Ideologie ist vielleicht einer der verachtenswertesten Aspekte des Gottes-Wahns. Jede Form von Höflichkeit ist an dieser Stelle komplett fehl am Platz. Da hört der Spaß einfach auf.
Die Wissenschaft hat die Menschen nicht nur vom Leid befreit (wo es ihr möglich war). Sondern sie hat die Menschen auch von einem zerstörerischen Wahn erlöst: Anstelle von Gottes Strafe waren es rein biologische oder chemische Vorgänge, die das Leid verursachten; und ebenso konnte man das Leid beseitigen.
Und statt diese segensreiche Entdeckung mit allen Mitteln zu fördern, hat die Kirche in den letzten 2.000 Jahren jede nur denkbare Maßnahme ergriffen, um jeden wissenschaftlichen Fortschritt (gerade in der Medizin!) zu verhindern. Die Kirche tut so, als sei sie der beste Freund der Leidenden; stattdessen weidet sie sich parasitär an den Wunden der Menschen. Leidende Menschen sind gut für den Glauben.
Derzeit stirbt alle fünf bis zehn Sekunden ein Mensch an Hunger. Häufig sind Kinder unter fünf Jahren betroffen, nämlich 45% aller Sterbefälle. Das sind 3,1 Millionen Kinder unter fünf Jahren jedes einzelne Jahr. (Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Welthunger)) Wir reden hier nicht von einem Schwarm Fliegen, sondern von Kindern. Es ist wie die Stadt Berlin, komplett übersät mit Leichen. Jedes Jahr. Nur Kinder unter 5. Das Wort "Apokalypse" beschreibt dieses Horror-Szenario nicht annähernd.
Angesichts dieses Leids ist es geradezu obszön, in deutschen Kirchen singend und händeklatschend die unendliche und vollkommene Güte von Gott zu bejubeln, und sich daran zu berauschen, wie sehr man persönlich von Gott geliebt und bevorzugt wird; während man völlig ignoriert, wie viel Leid dieser Gott für andere Menschen verursacht oder gleichgültig toleriert. Und genauso ist es obszön, selbstgerechte philosophische Debatten über den angeblich göttlichen Sinn des Leids der anderen zu führen.
Wer würde es sich trauen, eine theoretische Debatte über das Leid der Juden zu führen? Hier ist jedem vernünftigen Menschen sofort einleuchtend, dass die Debatte obszön ist, speziell wenn sie von Menschen geführt wird, die in Freiheit und Wohlstand leben. (Natürlich wird sie in der Kirche trotzdem geführt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Holocaust-Theologie))
Zarathustra
25.04.2017, 10:21
Da Du mich offenbar direkt ansprichst: Mich interessiert diese Wortklauberei eigentlich nicht. ...
Die bekannten Vorzeige-Atheisten englischer Sprache (etwa Richard Dawinks oder Sam Harris)...
Wer es in dieser Debatte ablehnt, gründlich(!) auf die verwendeten Begriffe zu reflektieren, macht es sich zu einfach. (Ist das schon Scharlatanerie?)
Zarathustra
25.04.2017, 10:30
... Ausflucht, auf die Du vermutlich zusteuerst, ist die Behauptung, Gott würde Leid ganz absichtlich erzeugen ...
Nein, darauf steuere ich nicht zu. Ich bleibe bei der einfachen Beobachtung, in der alle übereinstimmen: Kein Gott verhindert alles Leid auf der Welt.
Spekulative Schlüsse, wie Du sie aus dieser Beobachtung ableiten willst, lehne ich ab.
Warum genau? Zwei Drittel der aktuell vorhandenen Menschen sind noch nie in Kontakt gekommen mit den christlichen Kirchen. Was ist nach Deiner Meinung falsch mit diesen Leuten?
Gar nichts ist falsch mit denen. Es gibt viele Menschen, die niemals über Religion nachdenken. Oder Behinderte, die es gar nicht können. Das ist völlig i.O.
Ich meinte diejenigen, die mir die Religion austreiben wollen.
Nein, darauf steuere ich nicht zu. Ich bleibe bei der einfachen Beobachtung, in der alle übereinstimmen: Kein Gott verhindert alles Leid auf der Welt.
da ich persönlich die Gottesvorstellungen der Menschen als ihre Projektionen verstehe, denen ausserhalb der menschlichen Gesellschaft keinerlei Realität zukommt, kann man IMHO auch nicht beobachten (mithilfe unserer Wahrnehmung), ob "ein Gott" Leiden verhindert, mildert, beseitigt. Hochstens die Wirkungen des Betens, die Wirkung der Absolution, also menschliche religiöse Aktivitäten (incl. die der Institutionen) lassen sich beobachten, und diese können bei manchen Menschen durchaus auch psychischen Stress verringern und ihr Wohlbefinden steigern (Warnhinweis: psychisches Suchtpotential ;) ) oder selbst sehr grosses Leid zufügen. Leider überwog in der Gesamtschau der Religionen in meiner persönlichen Wertung letzeres.
Fasst man die Gottesvorstellungen als gesellschatliche Ideologien (im Sinne von Projektionen auf eine Gottesfigur) auf, versteht man erst, weshalb es keine in sich konsistente Lehre / Theorie für das Christentum und für andere Religionen gab und geben wird, weil sie unterschiedliche Interessenlagen und Bedürfnisse der Gesellschaftsmitglieder ausdrücken, und es so sinnlos wie der Kampf von Don Quijote gegen Windmühlen wäre, eine konsistente Universal-Lehre des Christentums einzufordern oder das Fehlen einer solchen als ein Mangel zu kritisieren.
@Jörn: aber wenn die Entropie vor unser aller Augen plötzlich rückwärts rollen würde, würden wir doch eher beim lokalen Lehrstuhl für Physik anrufen, als den für (christliche) Theologie?
Zeitpfeile sind ein interessantes Thema. Das ist nach meinem Geschmack :) Im Raum kann man beliebig umherfliegen, in der Zeitdimension nicht, es besteht eine Richtungscharakteristik.
Zarathustra
25.04.2017, 13:03
... kann man IMHO auch nicht beobachten (mithilfe unserer Wahrnehmung), ob "ein Gott" Leiden verhindert
...
sehr grosses Leid zufügen. Leider überwog in der Gesamtschau der Religionen in meiner persönlichen Wertung letzeres.
...
Da hast Du natürlich recht. Was ich meinte ist: Wir alle können real existierendes Leid in der Welt beobachten, was dann auch bedeutet, daß dieses Leid von niemandem (auch nicht von einem Gott) verhindert wird.
Zur Gesamtschau müssen wir, glaube ich, auch zugeben, daß es schwer ist zu beurteilen, ob nicht die Menschen auch ohne Religionen genug Gründe und Rechtfertigungen dafür gefunden hätten, anderen und sich selbst großes Leid zuzufügen.
(Es gelingt ja schließlich sogar auch im Namen von Freiheit und Demokratie.)
Zur Gesamtschau müssen wir, glaube ich, auch zugeben, daß es schwer ist zu beurteilen, ob nicht die Menschen auch ohne Religionen genug Gründe und Rechtfertigungen dafür gefunden hätten, anderen und sich selbst großes Leid zuzufügen.
(Es gelingt ja schließlich sogar auch im Namen von Freiheit und Demokratie.)
Das steht wohl ausser Frage! Menschen finden immer einen Grund zu unterdrücken, um ihre eigenen Interessen durchzusetzten. Traurigstes Beispiel wohl der 2. Weltkrieg, ausgehend von Deutschland und kein Religionskrieg (um eiin Haar wäre er hier im Fred ja einer geworden).
Ich finde diese Art von Wortklauberei äußerst ermüdend, weil es nur weg vom eigentlichen Kern der Debatte führt.
Mal unabhängig davon und ohne dass ich es gezählt habe, würde ich mal behaupten die meisten Worte in diesem Thread hast bis jetzt du verbraucht.
Aber:
Was ist der Kern der Debatte?
Was ist der Kern der Debatte?
Mache ich auf Dich den Eindruck, als würde ich das wissen??
Mache ich auf Dich den Eindruck, als würde ich das wissen??
Nein :Cheese:
Danke an alle für die - bei allen gelegentlichen Zirkelschlüssen - produktive Diskussion, die Interesse verfolge. Nur selten finde ich Zeit, meine Gedanken zu äußern.
Ich frage mich, bis zu welchem Grad es in einer Gesellschaft Privatsache bleiben kann, welchem Glauben jemand anhängt. Die in Deutschland bzw. in weiten Teilen Europas und der westlichen Welt sehr weit verbreiteten Varianten eines selbst geschnitzten christlichen Privatglaubens, der die Grundwerte der freiheitlichen Welt über die christlichen Urtexte stellt, hat ebenso wenig oder viel Wirkung wie viele anderen privaten Ansichten auch, welche diese Grundwerte nicht infrage stellen. In diesem Thread wird von Seiten der Gläubigen diese Variante eines Privatglaubens verteidigt. Sicherlich leben die meisten derjenigen, die in diesem Thread einen privaten Glauben verteidigen, in ihrem Glauben völlig im Einklang mit dem Grundgesetz bzw. den Menschenrechten. Aber auch dieser christliche Privatglaube hat seinen Kern in den Texten, deren detaillierte Ausbreitung hier nicht viele Leser zu interessieren scheint.
Dieser Privat-Glaube hat sich beispielsweise offensichtlich verabschiedet vom Gedanken des Auserwählten Volkes, als das sich die den Urtexten zugewandten Gläubigen des Christentums, Judentums und Islam betrachten. Dieser Gedanke ist sehr ausgrenzend und einem globalen Zusammenleben der Menschen auf der ganzen Welt nicht zuträglich. Ich denke, dass es ein Fehler ist, diesen Grundsatz als unwichtig wahrzunehmen, weil er in der Welt tatsächlich große Wirkung zeigt. Wir sehen dies beispielsweise im Israel-Konflikt, aber auch bei den Gläubigen in Deutschland (Beispiel in der Süddeutschen Zeitung von heute: http://www.sueddeutsche.de/politik/expertenkommission-juden-beklagen-mehr-antisemitische-uebergriffe-1.3476141). Ohne Link, weil ich annehme, dass sich alle mitlesenden daran erinnern, erwähne ich in diesem Zusammenhang die hohe Anzahl von Menschen in Deutschland, die den Koran über das Grundgesetz stellen.
Mich stört diese weltweit wirksame Ausgrenzung all derjenigen, die nicht zum auserwählten Volk gehören - unter Hinweis auf den religiösen Glauben. Desgleichen stört mich die weltweit sehr wirksame Ausgrenzung der Frauen unter dem Hinweis auf Urtexte behaupteten göttlichen Ursprungs.
Und es fällt mir schwer, die christlichen Texte frei von den diskriminierenden Dogmen zu betrachten, weil mir das zu beliebig erscheint.
Hallo waden, danke für Dein interessantes Posting! Wenn ich Dich richtig verstehe, ist dies die zentrale Frage:
Ist Religion Privatsache?
Ich habe meine Meinung dazu geändert. Früher dachte ich, Religion kann logischerweise nur Privatsache sein. Aber seit man von religiösen Leuten in die Luft gesprengt oder auf dem Weihnachtsmarkt überfahren wird, ist es wohl notwendig, diesen Gedanken erneut auf den Prüfstand zu stellen.
Ein kurzes Beispiel: Nach dem Fußball-Training trifft sich die Mannschaft noch auf das übliche Bier (natürlich alkoholfrei). Einer der Fußballer fällt mit Nazi-Thesen auf. Die anderen Fußballer argumentieren dagegen. Aufgrund der Argumente und des allgemeinen Widerstands kommt der Nazi-Fußballer irgendwann vielleicht ins Grübeln und verlegt sich vielleicht auf etwas moderatere Töne. Die Chance besteht jedenfalls, dass die Gemeinschaft hier einen ausgleichenden Effekt hat.
Aber was ist, wenn der Nazi-Fußballer einfach sagen würde: "Wieso, das ist meine Religion, da könnt Ihr mir überhaupt nichts sagen!" Dann wäre die Debatte an dieser Stelle zu Ende. Religion ist unantastbar -- angeblich wegen des gesellschaftlichen Friedens.
Mittlerweile kann man die absurdesten gesellschaftlichen Thesen für unangreifbar erklären, solange man behauptet, sie wären religiös. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine religiöse Debatte erlebt zu haben, in der es um Engel oder den Heiligen Geist ging. Stattdessen ging es stets um rein weltliche Dinge, nämlich um Adoptionsrecht, Gleichberechtigung (man stelle sich vor!), Arbeitsrecht, Erziehungsrecht, neuerdings sogar Kleidung, und so weiter.
Wenn Volker Kauder in die laufenden Kameras diktiert, seine Partei wäre eben der Meinung, Gott habe die Welt für Mann und Frau geschaffen, dann ist die Debatte zu Ende, und seine Anhänger freuen sich, dass niemand etwas dagegen ausrichten kann. Er braucht überhaupt keine Beweise oder Begründungen vorzulegen.
Die Gesetze, die sich daraus ergeben, gelten kurioserweise für alle; nicht nur für Katholiken.
Wenn Papst Franz sagt, die Homo-Ehe sei eine Erfindung des Teufels (so wurde es berichtet in der "heute"-Sendung), dann wird einfach mit dem nächsten Thema weitergemacht. Keine Gegenrede, keine Kritik, kein Faktencheck. Die Schwulen/Lesben dürfen sich nicht verteidigen. Hingegen, wenn ein Minister auch nur einen einzigen Satz über ein Tempo-Limit auf deutschen Autobahnen sagt, dann gibt es zahlreiche Statements von allen Parteien, sowie einen Einspieler mit einem Experten des ADAC.
Wenn Papst Benedikt bei seinem Besuch im Deutschen Parlament über das "Naturrecht" faselt, dann wird das einfach unkommentiert gesendet. Der Zuschauer erfährt nicht, warum dieses Wort seit 70 Jahren nicht mehr im Bundestag zu hören war. Wäre dieses Wort bei einer Rede eines einfachen Abgeordneten gefallen, wäre das ein riesiger Skandal gewesen. Warum gibt es keine Gegenrede an einem Ort, der ausschließlich für Rede und Gegenrede gedacht ist? Ist da nicht offensichtlich was faul?
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass Glaube zwar insofern Privatsache ist, als dass man niemandem vorschreiben kann, welche Überzeugungen er haben soll. Aber es ist nicht so sehr Privatsache, als dass man nicht darüber debattieren dürfte oder Kritik üben dürfte. Es sollte den gleichen Status haben wie jede andere Meinung.
Gerade wenn wir in Deutschland zunehmend mit islamischen Positionen konfrontiert werden, und wenn wir alle gut miteinander auskommen wollen, dann müssen Religionen es sich gefallen lassen, infrage gestellt zu werden.
Es gibt nicht den geringsten Beweis, dass es in einer Gesellschaft jemals ein Zuviel an kritischer Debatte gegeben hätte. Aber es gibt viele scheußliche Beispiele dafür, was passiert, wenn die kritische Debatte ausbleibt.
Zarathustra
26.04.2017, 13:30
@Jörn: Was ist der Skandal am Naturrecht?
Ein kurzes Beispiel: Nach dem Fußball-Training trifft sich die Mannschaft noch auf das übliche Bier (natürlich alkoholfrei). Einer der Fußballer fällt mit Nazi-Thesen auf. Die anderen Fußballer argumentieren dagegen. Aufgrund der Argumente und des allgemeinen Widerstands kommt der Nazi-Fußballer irgendwann vielleicht ins Grübeln und verlegt sich vielleicht auf etwas moderatere Töne. Die Chance besteht jedenfalls, dass die Gemeinschaft hier einen ausgleichenden Effekt hat.
Aber was ist, wenn der Nazi-Fußballer einfach sagen würde: "Wieso, das ist meine Religion, da könnt Ihr mir überhaupt nichts sagen!" Dann wäre die Debatte an dieser Stelle zu Ende. Religion ist unantastbar -- angeblich wegen des gesellschaftlichen Friedens.
Wären in unserem Land vor 70 Jahren aus religiösen Gründen Millionen Menschen industriell getötet worden, dann wäre die Debatte vermutlich nicht zu Ende.
Religion ist übrigens nicht unantastbar. Ganz im Gegenteil: Sie ist in weiten Teilen doch längst aus der Gesellschaft verbannt. Wir sind also schon einen Schritt weiter.
Wären in unserem Land vor 70 Jahren aus religiösen Gründen Millionen Menschen industriell getötet worden, dann wäre die Debatte vermutlich nicht zu Ende.
Die Debatte ist ja auch nicht zu Ende, und das ist gut so.
Ich wollte darauf hinweisen, dass religiöse Menschen eine Argumentation aufbauen, bei der diese Katastrophe einen Sinn gehabt hätte, dass sie notwendig gewesen wäre (um Gottes Plan zu verwirklichen), dass sie gerecht gewesen wäre (Gott kann schließlich nicht ungerecht sein), oder dass sie von den Opfern verschuldet worden wäre (nicht fest genug geglaubt, zu wenig gebetet, zu viel gesündet, usw.).
Wären in unserem Land vor 70 Jahren aus religiösen Gründen Millionen Menschen industriell getötet worden, dann wäre die Debatte vermutlich nicht zu Ende.
zu Deinem zutreffenden Hinweis auf die weltlichen Ideologen (Hitler, Stalin) in der Verantwortung für die Tötung von zig-Millionen von Menschen : Wenn ich mir überlege, welche Geisteshaltung dieses Morden verbinden mit den Gräueltaten, die im Namen der Religionen durchgeführt wurden und werden, ist dies ein Überlegenheitsgefühl der eigenen Gemeinschaft, welches die Ausgrenzung derer, „die nicht zu uns gehören“ rechtfertigt sowie eine unhinterfragbare Dogmatik zusammen mit einem blinden Glauben und Gehorsam.
Religion ist übrigens nicht unantastbar. Ganz im Gegenteil: Sie ist in weiten Teilen doch längst aus der Gesellschaft verbannt. Wir sind also schon einen Schritt weiter.
Diese Aussage ist sehr eurozentrisch und gilt sicher nicht in Israel, Palästina, Indien, Pakistan, Afghanistan…. und im übrigen auch in unserer Gesellschaft nicht überall, zB in den Köpfen der Muslime, die den Koran über das Grundgesetz stellen.
Hallo waden, danke für Dein interessantes Posting! Wenn ich Dich richtig verstehe, ist dies die zentrale Frage:
Ist Religion Privatsache?
....
Es gibt nicht den geringsten Beweis, dass es in einer Gesellschaft jemals ein Zuviel an kritischer Debatte gegeben hätte. Aber es gibt viele scheußliche Beispiele dafür, was passiert, wenn die kritische Debatte ausbleibt.
Gutes Posting!:Blumen:
zu Deinem zutreffenden Hinweis auf die weltlichen Ideologen (Hitler, Stalin) in der Verantwortung für die Tötung von zig-Millionen von Menschen : Wenn ich mir überlege, welche Geisteshaltung dieses Morden verbinden mit den Gräueltaten, die im Namen der Religionen durchgeführt wurden und werden, ist dies ein Überlegenheitsgefühl der eigenen Gemeinschaft, welches die Ausgrenzung derer, „die nicht zu uns gehören“ rechtfertigt sowie eine unhinterfragbare Dogmatik zusammen mit einem blinden Glauben und Gehorsam.
Es läuft immer gleich ab: ausgrenzen, um Minderwertigkeit zu generien und dann diese gerechtfertigt vernichten. Ob mit Hilfe von Religionen, "Rassen", Nationalitäten oder sonst was.
Es läuft immer gleich ab: ausgrenzen, um Minderwertigkeit zu generien und dann diese gerechtfertigt vernichten. Ob mit Hilfe von Religionen, "Rassen", Nationalitäten oder sonst was.
Darin sind wir uns völlig einig.
Problematisch finde ich deshalb Weltanschauungen, zu deren Kern die Überzeugung der eigenen Überlegenheit gehört. Und insofern finde ich die Jahwe-Weltanschauungen (Auserwähltes Volk) problematisch.
Ich finde es in diesem Zusammenhang erstaunlich, welchen geistigen Spagat die christliche Theologie versucht, einerseits dieses Dogma beizubehalten und andererseits nichtchristlich gläubige Menschen nicht auszugrenzen.
Darin sind wir uns völlig einig.
Problematisch finde ich deshalb Weltanschauungen, zu deren Kern die Überzeugung der eigenen Überlegenheit gehört. Und insofern finde ich die Jahwe-Weltanschauungen (Auserwähltes Volk) problematisch.
Es hat dem Volk der Juden aber auch jahrtausende lang das Überleben in der Diaspora gesichert.
Ist halt immer auch die Frage, wer ist der Kleine und wer ist der Große.
Ich wollte darauf hinweisen, dass religiöse Menschen eine Argumentation aufbauen, bei der diese Katastrophe einen Sinn gehabt hätte, dass sie notwendig gewesen wäre (um Gottes Plan zu verwirklichen), dass sie gerecht gewesen wäre (Gott kann schließlich nicht ungerecht sein), oder dass sie von den Opfern verschuldet worden wäre (nicht fest genug geglaubt, zu wenig gebetet, zu viel gesündet, usw.).
Und das passiert?
Hat ein religiöser Mensch sowas gemacht?
Und wenn ja, dann wäre das natürlich genauso falsch und kritisierbar wie die Nazizeit. Darüber muss man sich eigentlich nicht unterhalten.
Das der IS eine letztlich faschistische Organistation ist, ist doch klar.
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass Glaube zwar insofern Privatsache ist, als dass man niemandem vorschreiben kann, welche Überzeugungen er haben soll. Aber es ist nicht so sehr Privatsache, als dass man nicht darüber debattieren dürfte oder Kritik üben dürfte. Es sollte den gleichen Status haben wie jede andere Meinung.
Das ist auch meine Meinung.
Wenn jemand privat etwas glaubt, was diskriminierend ist - inwieweit kann ein soziales Leben führen, ohne dass sein diskriminierende Denken Wirkungen nach außen zeigt? Nach den Regeln unserer Gesellschaft kann er denken, was er will, solange er sich im Zusammenleben an die Regeln hält.
Ist es von der Religionsfreiheit gedeckt, wenn jemand Homosexuelle für Sünder hält? Wenn er aus diesen Gründen einen Homosexuellen schlechter behandelt als einen Heterosexuellen - ist das unter Hinweis auf die Religionsfreiheit besser als bei jemandem, der sich nicht auf eine Religion berufen kann? Merkt man das immer?
Die gleiche Frage lässt sich beispielsweise in Bezug auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft stellen. In unserer Gesellschaft wird darum gerungen, die Diskriminierung der Frauen aufgrund des Geschlechtes zu verringern. Gleichzeitig ringt man darum, Muslime nicht zu diskriminieren, die einer Frau nicht die Hand reichen wollen aus religiösen Gründen bzw. aus sogenanntem Respekt.
Ich frage mich: kann man privat in den dogmatischen Schemata der jeweiligen Kirche denken, ohne dass dies eine Auswirkung auf das Verhalten im Alltag hat? Wie ich schon in einem anderen Posting schrieb, will ich den Gläubigen in diesem Forum nicht unterstellen, dass sie dogmatisch beschränkt sind. Sie haben ja schon wiederholt darauf hingewiesen, dass sie mit den Dogmen der Kirche nichts zu tun haben wollen.
Ich frage mich generell, ob ein privater geistiger Rückzugsraum, der sich jeglicher kritischen Hinterfragung entziehen darf, nicht der Boden sein kann für ein kritikfreies Denken auch in anderen Bereichen und insbesondere im sozialen Leben.
Ich frage mich generell, ob ein privater geistiger Rückzugsraum, der sich jeglicher kritischen Hinterfragung entziehen darf, nicht der Boden sein kann für ein kritikfreies Denken auch in anderen Bereichen und insbesondere im sozialen Leben.
Natürlich kann es das sein. Das hast du ja auch bei Sekten z.b. oder extrem religiösen christlichen Gemeinschaften, z.b. die zwölf Stämme.
Die Frage ist wie geht man damit um.
Schränkt man die Glaubenfreiheit ein (wie auch immer) nur um Extremisten zu bekämpfen (z.b. auch IS)?
Reicht der normale Rechtsstaat nicht aus, gegen sowas vorzugehen?
Ändern wir unser Leben, weil wir vom IS bedroht sind? Hat dann nicht der IS einen Sieg erzielt?
Wie würde denn Gesellschaft und Rechtsordnung aussehen, die obige Gefahr anders als heute bekämpfen würde?
Ich frage mich generell, ob ein privater geistiger Rückzugsraum, der sich jeglicher kritischen Hinterfragung entziehen darf, nicht der Boden sein kann für ein kritikfreies Denken auch in anderen Bereichen und insbesondere im sozialen Leben.
Und wenn es so wäre? Wie würdest Du damit umgehen? Sozial unerwünschte (wer auch immer das festlegt?!?) Gedanken verbieten und eine Gedankenpolizei losschicken?
Und wenn es so wäre? Wie würdest Du damit umgehen? Sozial unerwünschte (wer auch immer das festlegt?!?) Gedanken verbieten und eine Gedankenpolizei losschicken?
Genau so ist es.
Sanktionierbar ist , wenn aus diesem Verhalten z.b. Straftaten entstehen. Dass z.b. Mitglieder eine Gemeinschaft missbraucht werden oder dass aus einer Sympathie mit dem IS Straftaten entstehen.
Allein das extremistische Denken ist kaum sanktionierbar oder wir sind in der Türkei, wo tausende ihren Job verlieren, weil sie (angeblich, wir wird das eigentlich nachgewiesen, gibt es Mitgliedsausweise) mit einem Prediger (Gülen) sympathisieren.
MfG
Matthias
Ich frage mich generell, ob ein privater geistiger Rückzugsraum, der sich jeglicher kritischen Hinterfragung entziehen darf, nicht der Boden sein kann für ein kritikfreies Denken auch in anderen Bereichen und insbesondere im sozialen Leben.
Im Umkehrschluß darf es überhaupt keinen privaten Rückzugsraum mehr geben, weil der Auslöser für irgendwas Schlimmes sein könnte? :(
Problematisch finde ich deshalb Weltanschauungen, zu deren Kern die Überzeugung der eigenen Überlegenheit gehört. Und insofern finde ich die Jahwe-Weltanschauungen (Auserwähltes Volk) problematisch.
Welches Mitglied der westlichen Welt denkt denn nicht, dass die westliche Lebensweise und deren Errungenschaften allen anderen überlegen sei?
Und wenn es so wäre? Wie würdest Du damit umgehen? Sozial unerwünschte (wer auch immer das festlegt?!?) Gedanken verbieten und eine Gedankenpolizei losschicken?
Ich geh damit so um: ich stelle kritische Fragen zu dogmatischem Denken.
Eine Gedankenpolizei spielt dabei keine Rolle.
Wir alle haben intellektuelle und emotionale Schwächen. Die Frage ist, was die zugrunde liegenden Dogmen mit unserer Denkweise anstellen.
Im Umkehrschluß darf es überhaupt keinen privaten Rückzugsraum mehr geben, weil der Auslöser für irgendwas Schlimmes sein könnte? :(
Nein, diesen Umkehrschluss halte ich für unzulässig. Er ergibt sich nicht aus dem von mir Geschriebenen.
Welches Mitglied der westlichen Welt denkt denn nicht, dass die westliche Lebensweise und deren Errungenschaften allen anderen überlegen sei?
Das ist mir so zu undifferenziert. Wenn es um Werte wie die Unveräußerlichkeit der Menschenwürde geht oder der geschlechtlichen Gleichberechtigung, bin ich dafür zu sagen, dass dies eine überlegene Weltanschauung ist. Möchtest Du beispielsweise diese Werte relativieren?
Ich geh damit so um: ich stelle kritische Fragen zu dogmatischem Denken.
Ich denke mal das steht ausser Frage, dass wir das tun. Darüber muss man nicht diskutieren.
An Mitglieder der "12 Stämme" aber z.b. kommt man schlecht ran.
Und wenn Jörn schreibt:
Wenn Volker Kauder
Wenn Papst Franz sagt,
Wenn Papst Benedikt
Hr. Kauder würde ich nie wählen und im Verein des Pabstes bin ich auch kein Mitglied. Also ist auch hier (ausser der Diskussion) mein Einfluss gering. :(
Das ist mir so zu undifferenziert. Wenn es um Werte wie die Unveräußerlichkeit der Menschenwürde geht oder der geschlechtlichen Gleichberechtigung, bin ich dafür zu sagen, dass dies eine überlegene Weltanschauung ist. Möchtest Du beispielsweise diese Werte relativieren?
Naja, jetzt hast du mal eben zwei Perlen herausgepickt. Das ist mir auch zu undifferenziert.
Das ist auch meine Meinung.
Wenn jemand privat etwas glaubt, was diskriminierend ist - inwieweit kann ein soziales Leben führen, ohne dass sein diskriminierende Denken Wirkungen nach außen zeigt? Nach den Regeln unserer Gesellschaft kann er denken, was er will, solange er sich im Zusammenleben an die Regeln hält.
...........
Ich frage mich generell, ob ein privater geistiger Rückzugsraum, der sich jeglicher kritischen Hinterfragung entziehen darf, nicht der Boden sein kann für ein kritikfreies Denken auch in anderen Bereichen und insbesondere im sozialen Leben.
Letztlich betrachtet man heute jede Form von Verhalten mit anderen, auch "Schweigen", als Form einer interaktiven Kommunikation (Watzlawick). Insofern existieren reine Rückzugsräume gerade vielleicht noch für eine "geschützte" Gruppe von Ureinwohnern im Amazonas Urwald, ansonsten nicht, IMHO.
Die individuell(privat)-bestimmten religiösen Vorstellungen der Neuzeit entstehen als Folge der Individualisierung (https://de.wikipedia.org/wiki/Individualisierung), d.h. wachsender Selbstbestimmung, z.B. in der Auseinandersetzung mit dem Kirchenkanon, der dadurch wiederum sich verändert, anpasst. Je mehr sich der Kirchenkanon von den neuzeitlichen Lebensgrundlagen entfernt, desto grösser der Unterschied zwischen Privat-Glaube und Kanon.
Typisch dafür die islamischen Gottes-/Monarchiestaaten, wo der Gegensatz zwischen der Lehre der Religionswächter, welche die öffentliche Alltagskultur normieren, und der privaten Familien-und Hinterzimmer-Kultur, die auch neuzeitlich ausgerichtet sein kann, immer grösser wird.
Progressive Änderungen sozaler und kultureller Normen entstehen in meinen Augen unter anderem gerade dadurch, dass Gruppen von Menschen zuerst in "privaten" Räumen andere Regeln leben, z.B. Schwule gegen den § 175 handelten. (Oder in der Politik: Burschenschaften um 1848).
Umgekehrt zu den progressiven Änderungsformen entstehen natürlich auch reaktionäre Räume, welche die Progression behindern, wo halt rückwärtsgewandte Menschen noch ihre Werte leben. Anders ist Entwicklung kaum vorstellbar. Mein Ideal-Ziel: friedliche Konfliktlösungen.
captainbeefheart
27.04.2017, 12:44
Änderungen sozaler und kultureller Normen entstehen in meinen Augen unter anderem gerade dadurch, dass Gruppen von Menschen zuerst in "privaten" Räumen andere Regeln leben, z.B. Schwule gegen den § 175 handelten. (Oder in der Politik: Burschenschaften um 1848)
Da stimme ich zu, Danke qbz für gute Zusammenfassung.
Ich würde noch ergänzen, dass systemtheoretisch betrachtet, Systeme semi-stabil sind. D.h., dass Normen und Regeln recht stabil und lange in Systemen gelten und von diesen prinzipiell reproduziert werden. Durch permanenten "Beschuss" der geltenden Normen und Regeln von außerhalb (andere Systeme) bzw. innerhalb (Subsysteme) des Systems ändern sich dann Normen und Regeln oberflächlich betrachtet scheinbar "plötzlich". Ursächlich ist das aber z.B. in den "privaten Räumen" (=Subsystem) schon länger angelegt und vorbereitet.
Letztlich ... .
danke, sehr interessante Sicht
Naja, jetzt hast du mal eben zwei Perlen herausgepickt. Das ist mir auch zu undifferenziert.
Es war meine Antwort auf Deine Frage "Welches Mitglied der westlichen Welt denkt denn nicht, dass die westliche Lebensweise und deren Errungenschaften allen anderen überlegen sei?"
Ich halte das Hinterfragen der westlichen Lebensformen durchaus für angebracht. Andererseits sind einige „unserer“ Werte so hoch anzusiedeln, dass Du auch Du sie wohl kaum mit einer alles relativierenden Weltsicht infrage stellen würdest. Das will ich mit den zwei „Perlen“ verdeutlichen.
Es hat dem Volk der Juden aber auch jahrtausende lang das Überleben in der Diaspora gesichert.
Das ist historisch falsch. Der Glaube der Juden an die Übermacht ihres Gottes hat nichts daran geändert, dass Israel andauernd von irgendwelchen Mächten überfallen wurde. Die Darstellung der Bibel vom siegreichen (oder geeinten) jüdischen Volk ist falsch.
Der Jahwe-Kult hat sich sogar während der Besetzung Israels durch die Babylonier geformt, als die gesellschaftliche Elite Israels gezwungen wurde, Israel zu verlassen. In diesem Exil hat sich eine kleine (und von den Feinden besiegte) religiöse Minderheit radikalisiert. Als sie später nach Israel zurückkehren konnte, haben sie dort den Monotheismus und den Jahwe-Kult durchgesetzt.
Die Diskrepanz von Israels Machtlosigkeit einerseits und der angeblichen Allmächtigkeit Jahwes andererseits hat dazu geführt, dass manche Bibelstellen sogar behaupten, Jahwe selbst hätte sich gegen das eigene Volk gewandt. Nur so konnte man die dauernde Besetzung durch die Feinde und die damit verbundenen Zerstörungen ihrer Kultstätten erklären.
Zu keiner Zeit war der Jahwe-Kult in Israel ein "Erfolgsmodell". Sondern es war eine praktisch ununterbrochene Folge des Scheiterns.
Ich halte das Hinterfragen der westlichen Lebensformen durchaus für angebracht. Andererseits sind einige „unserer“ Werte so hoch anzusiedeln, dass Du auch Du sie wohl kaum mit einer alles relativieren Weltsicht infrage stellen würdest. Das will ich mit den zwei „Perlen“ verdeutlichen.
Man sieht ja bei der aktuellen Flüchtlingsproblematik wie es um die westlichen Werte bestellt ist. Müssen wir was abgeben, ist sehr sehr schnell vorbei mit den tollen Werten und Flüchtlingsheime brennen. Und dass wir auf Kosten andere leben (Menschen, Ressourcen) ist längst bekannt. Ökologisch sauber mit dem Fahrrad ins Büro fahren, dann aber mal eben nach Malle fliegen, billige Handys kaufen und billiges Essen dazu. Ich muss schon sehr genau hinschauen, um eine westliche Perle zu finden. Ist aber ein anderes Thema... ;)
Im Umkehrschluß darf es überhaupt keinen privaten Rückzugsraum mehr geben, weil der Auslöser für irgendwas Schlimmes sein könnte? :(
Wo gibt es einen privaten Rückzugsraum für die These, dass die Umsatzsteuer nicht mehr als 12 Prozent betragen sollte?
Jeder kann dazu seine eigene Meinung haben; dennoch steht es allen anderen frei, sich ebenfalls dazu zu äußern.
Wem solche Äußerungen absolut unerträglich sind, der kann an diesen Debatten nicht teilnehmen und könnte vielleicht in einer einsamen Hütte im Wald leben, wo er andere Menschen nicht ertragen muss. Falls er jedoch elektrischen Strom und Kabelfernsehen bevorzugt, muss er sich wohl mit der Existenz anderer Menschen und derer Meinungen arrangieren.
Ist die Gleichstellung von Frauen eine staatliche oder religiöse Angelegenheit? Man kann nicht einerseits zulassen, dass Gesetze und Normen dazu debattiert werden; und andererseits fordern, dass diese Debatten zu unterlassen seien, sobald jemand religiös ist.
Unser Staat ist säkular. Dadurch ist klipp und klar entschieden, ob die Gleichstellung der Frauen oder die "Homo-Ehe" eine religiöse oder eine weltliche Debatte ist. Es ist eine weltliche Debatte. Ohne Wenn und Aber. Dadurch sind Überlegungen obsolet, ob die gleichen Themen vielleicht in einem religiösen Kontext anderes behandelt werden könnten. Denn es gibt nur den weltlichen Kontext.
Der Schutz der Religion durch den Staat (oder einem religiösen Rückzugsraum) meint etwas ganz anderes. Es meint den Schutz religiöser Inhalte, die mit weltlichen Inhalten nicht konkurrieren. Etwa Fragen rund um den "Heiligen Geist"; aber nicht Fragen um die Gleichstellung der Frauen.
Ich frage mich: kann man privat in den dogmatischen Schemata der jeweiligen Kirche denken, ohne dass dies eine Auswirkung auf das Verhalten im Alltag hat?
...
Ich frage mich generell, ob ein privater geistiger Rückzugsraum, der sich jeglicher kritischen Hinterfragung entziehen darf, nicht der Boden sein kann für ein kritikfreies Denken auch in anderen Bereichen und insbesondere im sozialen Leben.
Jeder kann dazu seine eigene Meinung haben; dennoch steht es allen anderen frei, sich ebenfalls dazu zu äußern.
Wem solche Äußerungen absolut unerträglich sind, der kann an diesen Debatten nicht teilnehmen und könnte vielleicht in einer einsamen Hütte im Wald leben, wo er andere Menschen nicht ertragen muss. Falls er jedoch elektrischen Strom und Kabelfernsehen bevorzugt, muss er sich wohl mit der Existenz anderer Menschen und derer Meinungen arrangieren.
Diese Kritik halte ich für eine Themenverfehlung.
Ausgangspunkt dieser Teildiskussion war doch ein Posting von waden. Ich habe waden so verstanden, dass er sich (siehe Zitat) mit der Frage beschäftigt, ob nicht schon bestimmte Gedanken "böse" sein können. Das finde ich aber prinzipiell bedenklich: Gedankenfreiheit ist ein hohes Gut und gilt nicht nur für religiöse Menschen, sondern natürlich auch für alle anderen!
Damit haben Äußerungen, Diskussionen und Handlungen nur bedingt zu tun. Natürlich darf man alles kritisieren und man kann als Gesellschaft Äußerungen (in bestimmtem Rahmen) und Handlungen verbieten. Aber man darf meiner Ansicht nach niemandem verbieten, irgendetwas zu denken. Ganz abgesehen von der von mir eh schon kurz angeschnittenen (und natürlich polemischen) Frage, wer denn das Verbot gewisser Gedanken überwachen soll und welche Strafen wir dafür vorsehen sollten?
Ausgangspunkt dieser Teildiskussion war doch ein Posting von waden. Ich habe waden so verstanden, dass er sich (siehe Zitat) mit der Frage beschäftigt, ob nicht schon bestimmte Gedanken "böse" sein können. Das finde ich aber prinzipiell bedenklich: Gedankenfreiheit ist ein hohes Gut und gilt nicht nur für religiöse Menschen, sondern natürlich auch für alle anderen!
Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Mir geht es nicht um die Bewertung, ob bestimmte Gedanken gut oder böse sind bzw. ob bestimmte Gedanken „böse“ sein können.
Böse Gedanken darf jeder haben. Etwas anderes zu fordern, wäre sowohl sinnlos und wohl gegen die menschliche Natur. (ich kann mich lediglich an den Religionsunterricht meiner Kindheit erinnern, als es bereits als Sünde galt, unkeusche Gedanken zu haben. Diese hätte ich dann beichten sollen).
Die Grenze zwischen Gut und Böse läuft auch nicht zwischen diesen Menschen hier und jenen Menschen dort, sondern verläuft in jedem einzelnen Individuum.
Meine Überlegungen haben also nichts damit zu tun, dass ich Gedanken verbieten will, sondern zielen in eine andere Richtung. Mir geht es um Denkstrukturen: lerne ich, Dinge unhinterfragt zu glauben, weil sie mir so gesagt werden? Wir alle haben als Kinder so gelebt, als unsere Eltern uns gesagt haben: „Fass nicht auf den Herd, sonst verbrennt Dir die Hand, spring nicht aus dem Fenster, sonst verletzt Du Dich tödlich“. Mit der Zeit können wir kritisches Denken erlernen und autoritäre Anweisungen hinterfragen.
Man sieht ja bei der aktuellen Flüchtlingsproblematik wie es um die westlichen Werte bestellt ist. Müssen wir was abgeben, ist sehr sehr schnell vorbei mit den tollen Werten und Flüchtlingsheime brennen. Und dass wir auf Kosten andere leben (Menschen, Ressourcen) ist längst bekannt. Ökologisch sauber mit dem Fahrrad ins Büro fahren, dann aber mal eben nach Malle fliegen, billige Handys kaufen und billiges Essen dazu. Ich muss schon sehr genau hinschauen, um eine westliche Perle zu finden. Ist aber ein anderes Thema... ;)
All dem will ich natürlich nicht widersprechen. Mit dieser Zivilisationskritik hast Du recht und da ließe sich sicherlich noch manches hinzufügen.
Das ändert aber nichts an den Werten, die bei uns dennoch hochgehalten werden. Die Menschenrechte z.B. scheinen Dir zu hoch gegriffen zu sein. Ich halte das für sehr wichtig. Wenn man sieht, in wie vielen Gesellschaften auf der Erde diese nicht gelten, wundere ich mich, für wie selbstverständlich sie hier bei uns häufig genommen werden.
Immerhin gilt bei uns der Wunsch nach demokratischer Optimierung. sorry für ein bisschen off topic, aber es interessiert mich: fällt Dir z.B. ein Ort/Volk/Gesellschaft/Land ein, das die Gesellschaft besser organisiert hat?
Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Mir geht es nicht um die Bewertung, ob bestimmte Gedanken gut oder böse sind bzw. ob bestimmte Gedanken „böse“ sein können.
Böse Gedanken darf jeder haben. Etwas anderes zu fordern, wäre sowohl sinnlos und wohl gegen die menschliche Natur. (ich kann mich lediglich an den Religionsunterricht meiner Kindheit erinnern, als es bereits als Sünde galt, unkeusche Gedanken zu haben. Diese hätte ich dann beichten sollen).
Die Grenze zwischen Gut und Böse läuft auch nicht zwischen diesen Menschen hier und jenen Menschen dort, sondern verläuft in jedem einzelnen Individuum.
Meine Überlegungen haben also nichts damit zu tun, dass ich Gedanken verbieten will, sondern zielen in eine andere Richtung. Mir geht es um Denkstrukturen: lerne ich, Dinge unhinterfragt zu glauben, weil sie mir so gesagt werden? Wir alle haben als Kinder so gelebt, als unsere Eltern uns gesagt haben: „Fass nicht auf den Herd, sonst verbrennt Dir die Hand, spring nicht aus dem Fenster, sonst verletzt Du Dich tödlich“. Mit der Zeit können wir kritisches Denken erlernen und autoritäre Anweisungen hinterfragen.
Damit bin ich einverstanden. Vor allem Dein Beispiel mit dem Religionsunterricht kann ich sehr gut nachvollziehen. Mir stellt es immer die Haare auf, wenn Gedanken als Sünde deklariert werden - wie ja auch z.B. im katholischen Schuldbekenntnis.
Und das, obwohl ich schon finde, dass Gedanken etwas bewirken und in vielen Situationen eine große Rolle spielen. Das kennen wir ja auch alle z.B. vom mentalen Training. Aber der einzige, der meine Gedanken tatsächlich "kontrollieren" darf, bin ich selbst!
captainbeefheart
27.04.2017, 16:33
Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Mir geht es nicht um die Bewertung, ob bestimmte Gedanken gut oder böse sind bzw. ob bestimmte Gedanken „böse“ sein können.
Böse Gedanken darf jeder haben. Etwas anderes zu fordern, wäre sowohl sinnlos und wohl gegen die menschliche Natur. (ich kann mich lediglich an den Religionsunterricht meiner Kindheit erinnern, als es bereits als Sünde galt, unkeusche Gedanken zu haben. Diese hätte ich dann beichten sollen).
Die Grenze zwischen Gut und Böse läuft auch nicht zwischen diesen Menschen hier und jenen Menschen dort, sondern verläuft in jedem einzelnen Individuum.
... und vor allem ist die Kategorisierung von "gut" und "böse", wie Zarathustra hier in dem Thread (wenn ich ihn richtig verstanden hab) betont hat, kontextabhängig. Was in einem System "gut" ist, muss es nicht notwendigerweise in einem anderen System sein. Und auch in demselben System kann die Bedeutung im zeitlichen Kontext variieren.
Klugschnacker
27.04.2017, 18:47
Was man nicht außer Acht lassen sollte: Die "Menschenrechte" und die "Gleichheit aller Menschen" sind Fiktionen, ebenso wie die Götter, die wir hier diskutieren.
Die Menschen sind keineswegs alle gleich, sondern sehr verschieden. Wir haben lediglich die Verabredung getroffen, dass wir so handeln wollen, als wären sie alle gleich, indem wir ihnen die gleichen Rechte zugestehen. Zu früheren Zeiten gab es andere Definitionen der Menschenrechte, die ebenfalls auf Verabredungen (Festlegungen) beruhten: Man unterschied beispielsweise zwischen Sklaven und freien Menschen. Oder zwischen Sklaven, Frauen und freien Menschen. Worauf es mir ankommt ist die Feststellung, dass es sich bei diesen Wertesystemen um verabredete, von Menschen festgelegte Systeme handelt.
Ein Anwalt, der sich auf Menschenrechte spezialisiert hat, ist ein Fachmann für die Regeln, die sich innerhalb dieses fiktiven Wertesystems ergeben. Je nach Epoche und aktuell geltender Fassung der Menschenrechte kann er Auskunft über Fragen geben wie beispielsweise, ob ein Sklave Land erben, oder ob ein Bürger den Staat verklagen kann. In gleicher Weise ist ein Priester ein Fachmann für das fiktive System aus Göttern, heiligen Geistern, Engeln und so weiter. Können Jesus und Gott unterschiedlicher Meinung sein? Kann man aus der Hölle wieder herauskommen? Kann man die Taufe rückgängig machen?
Vielleicht trägt es zur Aufweichung der Fronten bei, wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir zahlreiche fiktive Systeme pflegen. Unser Geldsystem basiert auf fiktiven Werten: Ein 500-Euro Schein oder eine Aktie verliert in dem Moment seinen Wert, an dem wir gemeinsam aufhören, an ihn zu glauben. Der Wert eines Goldbarrens ist fiktiv. Nationen sind fiktive Konstrukte, ebenso wie Staatsbürgerschaften oder Ehen. Eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft sind fiktive Konstruktionen. Ob eine GmbH die Patentrechte an Pflanzen erwerben, oder ob eine Aktiengesellschaft einer Nation den Krieg erklären darf, sind Auslegungen der Regeln, mit denen wir diese abstrakten Gebilde behandeln. Sie allesamt sind aber nicht im eigentlichen Sinne real.
Wichtig scheint mir zu sein, dass solche fiktiven Systeme sich ihrer fiktiven Wurzeln bewusst sind. Die Menschenrechte sind von Menschen erdacht und deshalb verhandelbar. Das sehen wir in Grenzfällen wie zum Beispiel bei Komapatienten oder bei ungeborenem Leben. Dieses einschränkende Regulativ fehlt meiner entbehrlichen Meinung nach bei den Religionen. Sie bestreiten den fiktiven Charakter ihrer Mythologie und begreifen ihre Verabredungen als Tatsachen. Ein allmächtiger, allgütiger und allwissender Gott ist ein Mythos, ein fiktives Konstrukt, vergleichbar mit der fiktiven, nur postulierten Gleichheit aller Menschen. Man überstrapaziert diesen Mythos, wenn man ihn gegenüber den realen Fakten der tatsächlichen Welt als Tatsache behauptet. Durch dieses Missverständnis wird Sinn zu Unsinn.
captainbeefheart
27.04.2017, 22:37
dass wir zahlreiche fiktive Systeme pflegen
Wenn das alles "fiktive" Systeme sind, ich würde eher sagen, die meisten sind "soziale" Systeme, würde ich konkret verstehen wollen, worin genau der prinzipielle bzw. strukturelle Unterschied mit Blick auf
- Systemgrenzen
- Systemelemente
- Rückkoplungen (Interaktion / Kommunikation) zwischen den Systemelementen
- funktionale Ausdifferenzierung
- Eintritts- und Austrittsentscheidungen
zwischen den Systemen (also bspw. einer GmbH, einer Glaubensgemeinschaft und einem Sportverein) besteht?
@captainbeefheart
Du verwendest eine mir nicht geläufige Fachterminologie. Insofern bin ich unsicher, ob ich deine Frage überhaupt verstehe. Fast vermute ich, dass du die Antwort auf deine Frage kennst?
Wenn es dir nicht zuviel Aufwand bereitet, würde mich eine Version in einer etwas alltäglicheren Sprache interessieren
Außerdem hätte ich gerne eine Ausarbeitung über die Einflüsse auf (und die Einflüsse verursacht durch) den Feminismus unter Berücksichtigung der jeweiligen Macht- und Einflussstrukturen im Verlauf der Zeit.
LidlRacer
27.04.2017, 23:47
@captainbeefheart
Du verwendest eine mir nicht geläufige Fachterminologie. Insofern bin ich unsicher, ob ich deine Frage überhaupt verstehe. Fast vermute ich, dass du die Antwort auf deine Frage kennst?
Wenn es dir nicht zuviel Aufwand bereitet, würde mich eine Version in einer etwas alltäglicheren Sprache interessieren
Mir scheint, captainbeefheart wollte in erster Linie sagen, dass "fiktiv" keine ganz passende Bezeichnung für all das ist, was Klugschnacker aufgezählt hat.
Keine Ahnung, warum er das so kompliziert ausdrückt.
Oder er wollte was ganz anderes sagen, von dem ich keine Ahnung habe.
captainbeefheart
28.04.2017, 10:42
...
Worauf es mir ankommt ist die Feststellung, dass es sich bei diesen Wertesystemen um verabredete, von Menschen festgelegte Systeme handelt.
...
wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir zahlreiche fiktive Systeme pflegen
...
Wichtig scheint mir zu sein, dass solche fiktiven Systeme sich ihrer fiktiven Wurzeln bewusst sind
...
wird Sinn zu Unsinn
Die von Dir beschriebenen Systeme (Glaubensgemeinschaft, GmbH) und alle weiteren Systeme (Sportverein etc.) sind soziale Systeme und prinzipiell gleich konstruiert:
Sie grenzen sich gegenüber anderen Systemen ab, die Systemelemente sind Menschen, die interagieren. Die Interaktionen sind immer Kommunikation, die konstituierend für das Entstehen und die Erhaltung des jeweiligen Systems ist. Es gibt auch jeweils Kommunikation, die den Eintritt und den Austritt aus dem System bedingen. Und: jedes System differenziert sich funktional aus.
Und hier liegt der einzige inhaltliche (nicht strukturelle) Unterschied: die Systeme bilden unterschiedliche Funktionen aus, die sich jeweils an einer prinzipiellen Unterscheidung festmachen und das System formen. Das Wirtschaftssystem entlang von Allokation/Nicht-Allokation von Ressourcen, das Rechtssystem entlang von Recht/Unrecht, das Glaubenssystem entlang von Immanenz/Transzendenz, das Wissenschaftssystem entlang von wahr/unwahr usw.
Entlang dieser Unterscheidungen bilden die Systeme Formen aus und grenzen sich gegenüber den anderen ab. Es sind dann prinzipiell geschlossene, "autopoietische" Systeme. Insofern ist die Zuweisung von Sinn und Unsinn über die Systemgrenzen hinweg nicht wirklich zielführend, weil jeweils andere Codes und Kommunikationen das System bedingen, die Sinnzuweisung also nur "aus dem System heraus" nachvollziehbar und erklärbar wird.
In meiner Wahrnehmung war das auch Teil der Argumentation von Zarathustra in der Zarathustra-Jörn-Debatte.
Klugschnacker
28.04.2017, 10:51
Meine Überlegungen haben also nichts damit zu tun, dass ich Gedanken verbieten will, sondern zielen in eine andere Richtung. Mir geht es um Denkstrukturen: lerne ich, Dinge unhinterfragt zu glauben, weil sie mir so gesagt werden? Wir alle haben als Kinder so gelebt, als unsere Eltern uns gesagt haben: „Fass nicht auf den Herd, sonst verbrennt Dir die Hand, spring nicht aus dem Fenster, sonst verletzt Du Dich tödlich“. Mit der Zeit können wir kritisches Denken erlernen und autoritäre Anweisungen hinterfragen.
Als Kinder sind wir genetisch darauf programmiert, unseren Eltern oder anderen Autoritäten zu glauben. Wir machen als Kinder normalerweise nicht mehr am eigenen Leib die Erfahrung, dass man Krokodile nicht streicheln darf oder manche rote Beeren nicht essen soll. Sondern wir erfahren es von den Erwachsenen. Weniger folgsame Kinder starben aus nachvollziehbaren Gründen aus.
Als Kinder können wir nur schwer zwischen wahren und fiktiven Geschichten unterscheiden. Dass Jesus in einem Stall zur Welt kam und später von den Toten auferstand, ist für die Religionslehrerin eine Metapher, für die Grundschüler aber eine wahre Begebenheit. Wenn die Kinder erwachsen werden, erkennen sie gelegentlich dieses Missverständnis. Dies jedoch meistens nur mit dem Verstand, nicht mit dem Herzen. Wer als Kind religiös erzogen wurde, wird nur schwer die Überzeugung wieder los, dass es "da oben" irgend etwas geben müsse. Religiöse Menschen sind fast immer die Kinder religiöser Eltern.
Ich bin einer Verfechter der Religionsfreiheit. Jeder soll glauben, was er für richtig hält und diesen Glauben auch ausleben, sofern er nicht andere Menschen beeinträchtigt. Wie steht es aber mit dem Recht der Kinder, frei von religiöser Beeinflussung, gegen die sie sich nicht wehren können, aufzuwachsen? Eltern haben zweifellos das Recht, ihren Kindern auch ihre Religion zu vermitteln. Als Gegengewicht sehe ich die Schulen in der Pflicht, den rein mythologischen Charakter der Religionen zu lehren. Der Staat würde dadurch die Rechte der Kinder vertreten, frei von ideologischer Beeinflussung aufzuwachsen.
@captainbeefheart: chapeau, dass es das noch gibt, echte Bielefelder
m.
captainbeefheart
28.04.2017, 11:14
Als Kinder sind wir genetisch darauf programmiert, unseren Eltern oder anderen Autoritäten zu glauben.
Ich wüsste nicht, wo für den genetischen Code "Elternautorität anerkennen" oder allgemeiner "Autoritäten anerkennen" eine nachvollziehbare Herleitung existiert.
Womit Kinder tatsächlich geboren werden ist "Urvertrauen" und dass wir dieses gegenüber dem "next relevant other" (das müssen nicht zwingend die Eltern sein) zeigen. Auf dieser Basis kann sich dann im sozialen System "Familie" Autorität herausbilden.
Autorität ist im Kern eine soziale und dann, erst davon abgeleitet, auch eine personenbezogene Kategorie.
Wikipedia dazu: "Autorität ist im weitesten Sinne eine soziale Positionierung, die einer Institution oder Person zugeschrieben wird und bewirken kann, dass sich andere Menschen in ihrem Denken und Handeln nach ihr richten. Sie entsteht (durch Vereinbarungen oder Herrschaftsbeziehungen) in gesellschaftlichen Prozessen (Lehrer/Schüler, Vorgesetzter/Mitarbeiter) oder durch vorausgehende Erfahrungen von Charisma (nach Max Weber beruhend auf charakteristischen Charismatisierungsquellen, wie Stärke, Kompetenz, Tradition oder Offenbarung).
Autorität entsteht also in gesellschaftlichen Prozessen, genetisch ist da nix.
@captainbeefheart: chapeau, dass es das noch gibt, echte Bielefelder
m.
ist damit das https://www.uni-bielefeld.de/soz/ gemeint?
@captainbeefheart: Ich habe momentan keine Zeit zu antworten, danke aber für die verständlicheren Ausführungen und die Antwort auf die selbst gestellte Frage.
Zarathustra
28.04.2017, 12:50
... Insofern ist die Zuweisung von Sinn und Unsinn über die Systemgrenzen hinweg nicht wirklich zielführend, weil jeweils andere Codes und Kommunikationen das System bedingen, die Sinnzuweisung also nur "aus dem System heraus" nachvollziehbar und erklärbar wird.
In meiner Wahrnehmung war das auch Teil der Argumentation von Zarathustra in der Zarathustra-Jörn-Debatte.
Ja, darauf wollte ich unter anderem auch hinaus. Danke für das Weiterführen dieser Argumentationslinie!
tandem65
28.04.2017, 13:51
Weniger folgsame Kinder starben aus nachvollziehbaren Gründen aus.
Hier ist ein aus zu viel. ;)
Die von Dir beschriebenen Systeme (Glaubensgemeinschaft, GmbH) und alle weiteren Systeme (Sportverein etc.) sind soziale Systeme und prinzipiell gleich konstruiert:
Sie grenzen sich gegenüber anderen Systemen ab, die Systemelemente sind Menschen, die interagieren. Die Interaktionen sind immer Kommunikation, die konstituierend für das Entstehen und die Erhaltung des jeweiligen Systems ist. Es gibt auch jeweils Kommunikation, die den Eintritt und den Austritt aus dem System bedingen. Und: jedes System differenziert sich funktional aus.
Und hier liegt der einzige inhaltliche (nicht strukturelle) Unterschied: die Systeme bilden unterschiedliche Funktionen aus, die sich jeweils an einer prinzipiellen Unterscheidung festmachen und das System formen. Das Wirtschaftssystem entlang von Allokation/Nicht-Allokation von Ressourcen, das Rechtssystem entlang von Recht/Unrecht, das Glaubenssystem entlang von Immanenz/Transzendenz, das Wissenschaftssystem entlang von wahr/unwahr usw.
Entlang dieser Unterscheidungen bilden die Systeme Formen aus und grenzen sich gegenüber den anderen ab. Es sind dann prinzipiell geschlossene, "autopoietische" Systeme. Insofern ist die Zuweisung von Sinn und Unsinn über die Systemgrenzen hinweg nicht wirklich zielführend, weil jeweils andere Codes und Kommunikationen das System bedingen, die Sinnzuweisung also nur "aus dem System heraus" nachvollziehbar und erklärbar wird.
In meiner Wahrnehmung war das auch Teil der Argumentation von Zarathustra in der Zarathustra-Jörn-Debatte.
Diese Beschreibungen faszinieren mich, weil sie die Sachverhalte in einen ordentlichen Zusammenhang strukturieren und auch sehr stringent erscheinen. Oft regt sich allerdings Widerspruch in mir, wenn ich Formulierungen lese wie „alle weiteren Systeme sind soziale Systeme und prinzipiell gleich…“ .
Ich will das an diesem Satz illustrieren: „es gibt auch jeweils Kommunikation, die den Eintritt und den Austritt aus dem System bedingen“. Hier besteht natürlich eine Parallelität, die alle Systeme zeigen. Aber mir erscheinen diese Beschreibung doch nicht ganz präzise.
An einem Beispiel verdeutlicht: wenn Du nun die Kommunikation vergleichst, die den Austritt aus dem System Fußballverein (Kündigung, keine Gebühren mehr bezahlen, kein Zutritt mehr zum Gelände, keine Teilnahme mehr am gemeinsamen Sport treiben) vergleichst mit der Kommunikation, die den Austritt aus dem System Islam (geht nach meiner zugegebenermaßen in diesem Bereich schwachen Kenntnis nur durch den Tod) oder den Austritt aus Scientology oder aus einem diktatorischen System begleitet, finde ich die Aussage, dass das prinzipiell, weil strukturell das Gleiche sei, weil es sich um eine Kommunikation, die den Austritt aus dem System handele, nicht sehr zutreffend.
An diesem Beispiel möchte ich meinen Zweifel zeigen, ob man mit einer Systemanalyse, so stringent sie in sich auch erscheinen mag, ganz ans Ziel gelangt.
Ich wüsste nicht, wo für den genetischen Code "Elternautorität anerkennen" oder allgemeiner "Autoritäten anerkennen" eine nachvollziehbare Herleitung existiert. (...) Autorität entsteht also in gesellschaftlichen Prozessen, genetisch ist da nix.
Es gibt aber genetischen Code für "Vertrauen", "Ängstlichkeit" und ähnliche Dinge, und auch für den Grad, zu dem diese Merkmale ausgeprägt werden. Man kann diese Merkmale daher auch medikamentös beeinflussen oder anhand von Hormonen messen. Bekanntes Beispiel ist die Oxitocin-Forschung.
Bei Tieren kann man es durch Züchtung (also Genetik) beeinflussen, etwa indem man aus höchst scheuen und misstrauischen Tieren langsam eine sehr vertrauensvolle und nähebedürftige Gruppe herauszüchtet. So entstand übrigens auch der heutige Schoßhund, der ursprünglich ein Wolf war.
In diesem Thread geht es um Religiosität. Es wurde eine Erklärung gesucht für den Umstand, dass früh erlernte Dinge auch in einem späteren Alter oft nicht mehr hinterfragt werden; und dafür, warum die eigene Religiosität oft mit denen der Eltern übereinstimmt.
captainbeefheart
28.04.2017, 15:02
Es gibt aber genetischen Code für "Vertrauen", ...
bereits geschrieben
...
Womit Kinder tatsächlich geboren werden ist "Urvertrauen" ...
Klugschnacker
28.04.2017, 16:41
Insofern ist die Zuweisung von Sinn und Unsinn über die Systemgrenzen hinweg nicht wirklich zielführend, weil jeweils andere Codes und Kommunikationen das System bedingen, die Sinnzuweisung also nur "aus dem System heraus" nachvollziehbar und erklärbar wird.
Nein, Sinn und Unsinn lässt sich auch über Systemgrenzen hinweg beurteilen. Denn die Religion will kein in sich abgeschlossenes System sein, sondern etwas über die konkrete Welt mit all ihren Fakten und Tatsachen aussagen.
Wenn ein Bauer den Göttern seine beste Ziege opfert, in der Hoffnung auf ergiebige Regenfälle, dann mag das in dessen Glaubenssystem sinnvoll erscheinen. Er wird aber dennoch durch die Tatsachen widerlegt. Aus diesem Grund opfert niemand mehr Nutztiere für besseres Wetter. Früher war das an der Tagesordnung.
Christen bitten in Gebeten darum, Person X oder Y möge beschützt sein oder wieder gesund werden. Es betet aber kein Katholik der Welt darum, dem Opa möge sein im Krieg verlorenes Bein wieder nachwachsen. Denn offensichtlich ist es auch angesichts eines allmächtigen Gottes vollkommen sinnlos, darum zu bitten. Zwar geschehen allerorten "Wunderheilungen", jedoch niemals bei einem amputierten Menschen. Falls dennoch jemand darum bäte, könnte ich mit Fug und Recht darauf hinweisen, dass das sinnlos sei. Und zwar über Systemgrenzen hinweg.
Zumal die Ziege überhaupt nicht gläubig war.
Sozusagen eine Höllenziege.
Zarathustra
28.04.2017, 18:25
...
Wenn ein Bauer den Göttern seine beste Ziege opfert, in der Hoffnung auf ergiebige Regenfälle, dann mag das in dessen Glaubenssystem sinnvoll erscheinen. Er wird aber dennoch durch die Tatsachen widerlegt. Aus diesem Grund opfert niemand mehr Nutztiere für besseres Wetter. Früher war das an der Tagesordnung.
...
Es ist doch eine völlig verfehlte Interpretation, anzunehmen eine symbolische Handlung, wie die des Ziegenopfers, sei aufgegeben worden, aufgrund einer Einsicht in ihre mangelnde Wirksamkeit.
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.
Wer nur Naturtatsachen und zweckrationale Fiktionen kennen will, dem bleiben weite Teile des kulturell geistigen Lebens verschlossen bzw. ein Mysterium.
Christen bitten in Gebeten darum, Person X oder Y möge beschützt sein oder wieder gesund werden. Es betet aber kein Katholik der Welt darum, dem Opa möge sein im Krieg verlorenes Bein wieder nachwachsen. Denn offensichtlich ist es auch angesichts eines allmächtigen Gottes vollkommen sinnlos, darum zu bitten. Zwar geschehen allerorten "Wunderheilungen", jedoch niemals bei einem amputierten Menschen.
Damit zeigst du nur, dass auch Katholiken nicht so verblendet sind, wie du es gerne darstellt, oder?
Klugschnacker
28.04.2017, 18:39
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus. .
Der Bauer opferte die Ziege wohl kaum, um seinem Gefühlsleben Ausdruck zu verschaffen. Das kostspielige Tieropfer war nicht Ausdruck von Gefühlen, sondern ein Verfahren, um Regen zu erzeugen. Hätte es ein anderes Verfahren gegeben, wäre die Ziege nicht geopfert worden, meinst Du nicht?
In gleicher Weise war der Ablasshandel der Christen nicht Ausdruck einer Befindlichkeit, sondern eine für wirksam gehaltene Methode, im Jenseits weniger gequält zu werden. Deine These ist mir sympathisch, aber sie wäre Dir zur damaligen Zeit wahrscheinlich schlecht bekommen.
Wer nur Naturtatsachen und zweckrationale Fiktionen kennen will, dem bleiben weite Teile des kulturell geistigen Lebens verschlossen bzw. ein Mysterium.
Tut mir leid, falls ich Dir auf den Schlips getreten habe. Es kann natürlich sein, dass ich auf theologischem oder kulturellem Gebiet unterdurchschnittlich gebildet bin.
Es ist doch eine völlig verfehlte Interpretation, anzunehmen eine symbolische Handlung, wie die des Ziegenopfers, sei aufgegeben worden, aufgrund einer Einsicht in ihre mangelnde Wirksamkeit.
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.
Ich nehme an, dass im Rahmen der Humanisierung der religiösen Praktiken Ersatzhandlungen für die Tier- und Menschenopfer eingeführt wurden, um die Befindlichkeit der Gläubigen auszudrücken.
Wenn nicht wegen Einsicht in die mangelnde Wirksamkeit, weshalb dann?
Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.
Bitte konkret. Wie drücken Bauern heutzutage ihre Hoffnung auf Regen aus? Und was sind die Gründe für genau diese Ausdrucksweise?
Klugschnacker
28.04.2017, 18:50
Damit zeigst du nur, dass auch Katholiken nicht so verblendet sind, wie du es gerne darstellt, oder?
Ich weiß nicht, worauf Du konkret anspielst. Du meinst, weil Katholiken nicht um das Nachwachsen amputierter Gliedmaßen beten, sei ihr Glaube rationaler, als wenn sie es täten?
Ich will das nicht entscheiden. Zumindest mit amputierten Beinen geschieht genau das, was geschehen würde, wenn es keinen Gott gibt. Und zwar immer, ohne eine einzige Ausnahme. Zählt das nichts?
Anmerken möchte ich, dass ich nicht die Katholiken für verblendet halte.
captainbeefheart
28.04.2017, 18:52
Der Bauer opferte die Ziege wohl kaum, um seinem Gefühlsleben Ausdruck zu verschaffen. ...
Menschliche Handlungen sind immer (auch) Ausdruck von Emotionen, das geht von unserer Gehirnstruktur gar nicht anders.
Wie steht es aber mit dem Recht der Kinder, frei von religiöser Beeinflussung... aufzuwachsen?
Konsequenterweise müsste Deine Forderung lauten, Kinder frei von jedweder Beeinflussung aufwachsen zu lassen. Denn der Zwang von Eltern nur Sojabratlinge zu servieren oder Sonntag Nachmittag immer wandern zu gehen kann schlimme Folgen für die Kleinen haben...:)
Wir können jedenfalls feststellen, dass Atheisten sich im Jahr 2017 auf Widerspruch einstellen müssen, wenn sie auf die Sinnlosigkeit von Ziegenopfern hinweisen.
Gleichzeitig wird man belehrt, dass "Katholiken nicht so verblendet" wären, wie man gemeinhin unterstellen würde.
Zarathustra
28.04.2017, 19:07
... Das kostspielige Tieropfer war nicht Ausdruck von Gefühlen, sondern ein Verfahren, um Regen zu erzeugen.
...
Tut mir leid, falls ich Dir auf den Schlips getreten habe. Es kann natürlich sein, dass ich auf theologischem oder kulturellem Gebiet unterdurchschnittlich gebildet bin.
Daß es ein zweckrationales Verfahren sei, ist Deine Interpretation. Als ob die Unwirksamkeit niemandem aufgefallen wäre!
Hat Dir vor einem Wettkampf schonmal jemand versprochen Dir die Daumen zu drücken? Hast Du ihn dann darauf aufmerksam gemacht, daß dies ein unwirksames Verfahren sei, um Dir zum Erfolg zu verhelfen?
Ich wollte hier nur die meiner Meinung nach viel zu kurz greifende Argumentation angreifen, nicht irgendjemandes Bildungsstand. Tut mir leid, wenn das anders rübergekommen ist!
:Blumen:
Es ist doch eine völlig verfehlte Interpretation, anzunehmen eine symbolische Handlung, wie die des Ziegenopfers, sei aufgegeben worden, aufgrund einer Einsicht in ihre mangelnde Wirksamkeit.
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.
Schönes Beispiel. Die Beherrschung der Natur wuchs im Laufe der Entwicklung der Produktivkräfte so, dass Menschen Bewässerungssysteme wie z.B. Staudämme schufen und der "Regengott" und die Regenopfer an Bedeutung verloren. Im Kanton Wallis beteten die Menschen zu Gott um Hilfe, dass beim Bau der gefährlichen Suonen (Wasserkanäle entlang senkrechter Felswände) niemand abstürzte und errichteten Schutzkreuze und segneten die Kanäle.
http://suone.ch/
Bei der industriellen Gemüseproduktion entfällt auch der Segen für die Bewässerung in den Gewächshäusern sowie ihrem Bau und die Freilandbauern erhalten bei Katastrophen Entschädigungen von der Gemeinschaft.
Wer nur Naturtatsachen und zweckrationale Fiktionen kennen will, dem bleiben weite Teile des kulturell geistigen Lebens verschlossen bzw. ein Mysterium.
Veränderungen im kulturell geistigen Leben und in den Religionen entstehen letztlich als Reaktion auf Veränderungen bei der Beherrschung der Natur (siehe oben).
Zarathustra
28.04.2017, 21:15
@waden
@Jörn
Der Beitrag von qbz enthält schon die Antwort. Kurz gesagt: Die (Arbeits-)Bedingungen ändern sich so, daß das der Befindlichkeit zugrundeliegende Problem an Dringlichkeit verliert. Damit nimmt auch das Bedürfnis nach einer gemeinsamen, ritualisierten Ausdrucksweise ab oder verschwindet.
Das ist erstaunlich! Es liegt also an der schwindenden "Dringlichkeit des Problems" -- und nicht an der Einsicht, dass das Ziegenopfer völlig wirkungslos ist.
Wäre es also angemessen, Ziegen für einen steigenden Milchpreis zu opfern? Das ist unbestreitbar ein "dringendes Problem" der Landwirtschaft. Auch die Syrien-Krise bedarf einer Lösung.
Zarathustra
28.04.2017, 23:37
Das ist erstaunlich! ...
Staunen ist der Anfang aller Wissenschaft.
@waden
@Jörn
Der Beitrag von qbz enthält schon die Antwort. Kurz gesagt: Die (Arbeits-)Bedingungen ändern sich so, daß das der Befindlichkeit zugrundeliegende Problem an Dringlichkeit verliert. Damit nimmt auch das Bedürfnis nach einer gemeinsamen, ritualisierten Ausdrucksweise ab oder verschwindet.
qbz spricht von der Beherrschung der Natur, du von den Arbeitsbedingungen, welche die Befindlichkeiten und damit die Weltsicht und Riten geändert haben.
Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?
Ich weiß nicht, worauf Du konkret anspielst. Du meinst, weil Katholiken nicht um das Nachwachsen amputierter Gliedmaßen beten, sei ihr Glaube rationaler, als wenn sie es täten?
Ich will das nicht entscheiden. Zumindest mit amputierten Beinen geschieht genau das, was geschehen würde, wenn es keinen Gott gibt. Und zwar immer, ohne eine einzige Ausnahme. Zählt das nichts?
Anmerken möchte ich, dass ich nicht die Katholiken für verblendet halte.
Ich denke, das kann man so stehen lassen, ja. Ich halte es nicht für grundsätzlich unvernünftig bei Krankheit um Kraft zur Genesung zu bitten. Alleine der Glaube an und die Hoffnung auf etwas kann eine Wirkung entfalten, auch ohne jedes göttliche Zutun.
Letztendlich besteht, meiner Erfahrung nach, ein gehöriger Teil christlichen Glaubens mehr aus Hoffnung, denn aus Gewissheit.
Zur "Bein-Frage" kann ich sonst nicht viel beitragen, steht es doch nur stellvertretend für das hier schon mehrfach diskutierte Theodizee-Problem. Ich bin in theologischen Fragen auch nicht so belesen wie du und auch nicht in gleichem Maße daran interessiert.
Vielleicht ist "verblendet" der falsche Ausdruck. Ersetzen wir ihn einfach durch "irrational".
Ich denke, dass man bei Krankheit zwei Dinge unterscheiden muss:
- Ursache (Chemie, Biologie, Physik)
- Schicksal.
Mit dem Schicksal kann man hadern. Mit der Chemie nicht.
qbz spricht von der Beherrschung der Natur, du von den Arbeitsbedingungen, welche die Befindlichkeiten und damit die Weltsicht und Riten geändert haben.
Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?
Nein, natürlich nicht. Es handelt sich um komplexe Wechselwirkungen mit der Priorität auf der Entwicklung der Produktivkräfte und der sozialen Verhältnisse, die zu den Auseinandersetzungen, Konflikten im wissenschaftllichen und geistig-kulturellen Leben führen. Erstere entscheiden in grösseren historischen Zeiträumen halt, was sich erfolgreich durchsetzt. Ich sehe diesen Zusammenhang auf keinen Fall "unmittelbar", "mechanisch" bestimmt. Gerade die Naturwissenschaften bilden natürlich Teil der progressiven Entwicklung für die Beherrschung der Natur und der Produktivkräfte. Newton u. Galilei gehörten andererseits zu den geistig-wissenschaftlichen Strömungen des "Humanismsus" und des wachsenden Bürgertums in den Städten. Damals begrenzten mittelalterliche Dogmen zwecks Herrschaftserhaltung des Feudaladels den Fortschritt. Heute begrenzen Formen des Kapitalismus den Fortschritt (private Aneignung der Wissenschaftsergebnisse z.B., Schwerpunkte durch Profitstreben bestimmt) bis hin zur Vernichtungsgefahr (Atomkrieg, Erderwärmung), andererseits brachte und bringt er revolutionäre wissenschaftlich-technologische Entwicklungen und Wachstum der Arbeitsproduktiviät wie nie zuvor.
Was ich inbezug auf Religion und Naturbeherrschung meine: je mehr der Mensch die Natur und seine Lebensgrundlagen "beherrscht", desto weniger erscheinen weltliche Phänomene als "gottbestimmt". Was bleibt noch der Religion: Allein ein fiktives "Jenseits" ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedacht.
Klugschnacker
29.04.2017, 09:46
Ich hatte weiter oben gesagt, dass das fiktive System der Religionen (Götter, Teufel, Jenseits, Hölle, Engel, Sünden) sich seines fiktionalen, mythologischen Charakters nicht mehr bewusst ist und dadurch zu Unsinn verkommt. Ich möchte diesen Standpunkt nochmals verdeutlichen. Denn ich sehe für die Religionen die Chance, durch diese Erkenntnis wieder mehr zur Spiritualität unserer Zeit beitragen zu können, anstatt sich in Kuriositäten wie etwa am intakten Jungfernhäutchen Marias zu verfangen.
Der Wert von Geldscheinen besteht in unserer gemeinsamen Übereinkunft, so zu tun, als sein ein Papier mit dem entsprechenden Aufdruck der Bundesdruckerei 500 Euro wert. Der Geldschein hat diesen Wert nur so lange, wie wir alle daran glauben. Zur Zeit der großen Inflation vor dem Zweiten Weltkrieg schwand dieser Glaube, und es zeigte sich, dass selbst 1-Million-Mark Scheine keinen Wert mehr hatten. Die Kaufkraft dieses Geldes war praktisch Null. Buntes Papier ist eben nichts wert. Geldscheine sind Symbole, aber haben keinen wirklichen eigenen Wert.
Im Brauchtum der Christen wird eine Oblate symbolisch mit dem Leib Jesu Christi gleichgesetzt. Ein Schluck Rotwein symbolisiert sein Blut. Sagte ich symbolisch? Die Lehre der "Realpräsenz" der Kirche legt fest, "dass in der Substanz von Brot und Wein Jesus Christus mit seinem Leib und seinem Blut real gegenwärtig" sei (Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Realpräsenz)).
Dies wird päpstlicherseits konkretisiert (Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Transsubstantiation)):
„Durch die Konsekration [das Weihen] des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt.“
Hier wird also der symbolische, fiktive Charakter der Weizenmehloblate aufgelöst. Die Oblate ist nicht ein Symbol für den Leib Christi, sondern der Leib Christi.
Dieser offensichtliche Unsinn führte meines Wissens nach zu den größten Massakern an Andersgläubigen in der Geschichte der Menschen vor Adolf Hitler, lediglich übertroffen durch die Massenmorde in der Batholomäusnacht (https://de.wikipedia.org/wiki/Bartholomäusnacht) (Katholiken ermordeten in einer Nacht 15.000 Protestanten).
Denn es wurde vornehmlich Juden unterstellt, sie hätten die Oblate geschändet und zu erdolchen versucht, woraufhin diese geblutet hätte. Ferner sei versucht worden, die bereits geweihte Oblate zu verspotten. Um diese Hostienschändung zu sühnen, "zog ein halbes Jahr lang [eine] Bande von Totschlägern durch über 140 fränkische und schwäbische Ortschaften. Sie vergewaltigten, folterten und verbrannten bis zu 5000 Juden und Jüdinnen und töteten deren Kinder" (Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Hostienfrevel)).
Die Verwandlung einer Oblate in den vor 2000 Jahren verstorbenen Körper des Jesus von Nazareth ist für einen aufgeklärten Menschen nicht spirituell, sondern Unfug. Dasselbe gilt für die Jungfräulichkeit seiner Mutter und ihre leibliche Fahrt in den Himmel (wo mag sie da wohl angekommen sein?). Religiöse Symbolik verwandelt sich in eine Menge Unsinn und Albernheiten, wenn sie ihre Symbolhaftigkeit vergisst und das sich entwickelnde Wissen unserer Gesellschaft ignoriert.
Es liegt daher im Interesse der Religionen selbst, wenn außenstehende Personen immer wieder auf den Unterschied zwischen Wahrheit und Mythos verweisen.
Zarathustra
29.04.2017, 12:22
... Die Lehre der "Realpräsenz" der Kirche legt fest, "dass in der Substanz von Brot und Wein Jesus Christus mit seinem Leib und seinem Blut real gegenwärtig" sei (Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Realpräsenz)).
Dies wird päpstlicherseits konkretisiert (Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Transsubstantiation)):
„Durch die Konsekration [das Weihen] des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt.“
Hier wird also der symbolische, fiktive Charakter der Weizenmehloblate aufgelöst. Die Oblate ist nicht ein Symbol für den Leib Christi, sondern der Leib Christi.
...
Hier sehen wir wieder, wie Du Dich durch den Sprachgebrauch irreführen läßt und der Religion eine vermeintlich absurde Position unterschiebst. Im scholastischen Kontext sind die Begriffe der Realität und Substanz ja gerade nicht zu verstehen als Materie oder äußerlich Wahrnehmbares, wie man sie heute im modernen Sinne versteht.
Darum ist hier nichts ausgedrückt, was einem symbolischen Verständnis (im modernen Sinne) zwangsläufig widerspricht.
Zarathustra
29.04.2017, 12:37
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Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?
qbz hat's wieder als Erster gesagt: Es geht nicht darum, die Leistungen des menschlichen Denkens allein aus den äußeren Bedingungen zu erklären, sondern darum sie vor dem Hintergrund dieser besser verstehen zu können, so daß sie als weniger mysteriös erscheinen.
(Newton hat ja bekanntermaßen seine Leistung selbst ganz treffend eingeordnet als er seinen Weitblick auch darauf zurückführte, daß er auf den Schultern von Riesen stehe.)
Darum ist hier nichts ausgedrückt, was einem symbolischen Verständnis (im modernen Sinne) zwangsläufig widerspricht.
Das stimmt nicht, denn die ganze Debatte um die Realpräsenz und die Transsubstantiation dreht sich ja vor allem darum, dass sich die Oblate tatsächlich ändert (egal wie) und nicht nur ein Hilfsmittel der Erinnerung darstellt (wie z.B. ein Gedicht oder ein Lied). Wie genau sie sich ändert, spielt hier keine Rolle.
Auch die beschriebenen Morde lassen sich nur dadurch erklären, dass zumindest die Mörder und ihre Anstifter davon ausgingen, dass einer Oblate tatsächlich ein Leid widerfahren kann, welches gerächt werden muss. Das war nur möglich, weil sich die Oblate tatsächlich (und nicht symbolisch) geändert hatte. Ansonsten hätte man alle Leute umbringen müssen, die eine Oblate verzehren. Aber es ging nur um jene Oblaten, die tatsächlich zum Leib Christi geworden waren.
Es gab sogar Schilderungen, bei denen die Oblate zu bluten begann, wenn Juden versuchten, sie mit einem Messer zu "töten". Das hat nichts mit Symbolik zu tun.
Übrigens liegt der Ursprung des noch heute gefeierten "Fronleichnamsfestes" in einem solchen "Blutwunder", also dem konkret blutenden Leib Christi in Form einer Oblate. Papst Urban IV. hat dieses Ereignis (bedeutet: konkret stattgefunden) zum Fest der Gesamtkirche erhoben. Auslöser dieser Entscheidung war das Blutwunder von Bolsena (https://de.wikipedia.org/wiki/Bolsena#Wunder_von_Bolsena), das von ihm im Jahre 1263 als echtes Wunder anerkannt wurde.
"Ein böhmischer Priester, der an der Transsubstantiation zweifelte, machte im Jahr 1263 auf einer Pilgerreise nach Rom Station in Bolsena. In der heiligen Messe brach er dort eine Hostie, aus der gemäß der Legende Blut tropfte. Daraufhin wurde in Orvieto von Papst Urban IV. das Fronleichnamsfest eingerichtet. Später wurde dort der Dom gebaut, in dem das Altartuch, das Korporale, als Reliquie aufbewahrt wird." Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Bolsena#Wunder_von_Bolsena)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b4/Bolsena_kirche_Santi_Giorgio_e_Cristina.jpg/440px-Bolsena_kirche_Santi_Giorgio_e_Cristina.jpg
Zitat Papst Urban IV.: (https://de.wikipedia.org/wiki/Fronleichnam#Geschichte) „Wir haben es daher, um den wahren Glauben zu stärken und zu erhöhen, für recht und billig gehalten, zu verordnen, dass außer dem täglichen Andenken, das die Kirche diesem heiligen Sakrament bezeigt, alle Jahre auf einen gewissen Tag noch ein besonderes Fest, nämlich auf den fünften Wochentag nach der Pfingstoktav, gefeiert werde, an welchem Tag das fromme Volk sich beeifern wird, in großer Menge in unsere Kirchen zu eilen, wo von den Geistlichen und Laien voll heiliger Freude Lobgesänge erschallen“.
Und seitdem beeifert sich das fromme Volk und es erschallen Lobgesänge.
http://media0.faz.net/ppmedia/aktuell/feuilleton/1651012592/1.4986876/article_multimedia_overview/so-eine-freude-asterix-und.jpg
Zarathustra
29.04.2017, 12:46
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Was ich inbezug auf Religion und Naturbeherrschung meine: je mehr der Mensch die Natur und seine Lebensgrundlagen "beherrscht", desto weniger erscheinen weltliche Phänomene als "gottbestimmt". Was bleibt noch der Religion: Allein ein fiktives "Jenseits" ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedacht.
Dabei sollte aber nicht vergessen werden, daß im Zuge der zunehmenden Naturbeherrschung gleichzeitig neues Unbeherrschbares entstehen (Atomkraft, Gentechnik...) und auch künstlich geschaffen werden kann (die Märkte, Waffensysteme...).
Zarathustra
29.04.2017, 12:58
Das stimmt nicht, denn die ganze Debatte um die Realpräsenz und die Transsubstantiation dreht sich ja vor allem darum, dass sich die Oblate tatsächlich ändert (egal wie) und nicht nur ein Hilfsmittel der Erinnerung darstellt (wie z.B. ein Gedicht oder ein Lied). Wie genau sie sich ändert, spielt hier keine Rolle.
Auch die beschriebenen Morde lassen sich nur dadurch erklären, dass zumindest die Mörder und ihre Anstifter davon ausgingen, ...
Ja, daß diese Lehre mißverstanden wurde und wird und daraus furchtbare Taten motiviert wurden, möchte ich nicht bestreiten.
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Was es bedeutet, daß sich etwas „tatsächlich ändert“ ist aber genau die Frage. Nach dem alten Verständnis, das auf die Substanzlehre des Aristoteles zurückgeht, ist darunter etwas anderes zu verstehen als unter dem modernem Verständnis, wo man eine Veränderung als materiell oder die äußere Gestalt betreffend versteht.
Nach dem alten Verständnis, das auf die Substanzlehre des Aristoteles zurückgeht, ist darunter etwas anderes zu verstehen als unter dem modernem Verständnis, wo man eine Veränderung als materiell oder die äußere Gestalt betreffend versteht.
Da liegst Du genau falsch. Es geht eben NICHT auf Aristoteles zurück.
Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Transsubstantiation#Transsubstantiation_in_der_The ologie): "Aristotelisch verstanden scheint ein Fortbestehen der Akzidentien und somit der äußeren Gestalt bei Veränderung der Substanz nicht möglich, weil Akzidentien von der Substanz, an der sie auftreten, abhängen."
Es ist übrigens unerheblich, auf was oder wen es zurückgeht. Denn entscheidend ist nur, was wahr ist -- und nicht, was man für wahr hielt. Genau darin zeigt sich ja der Aberglaube.
Die Kirche stellt bis heute ein Tuch aus, auf dem angeblich das Blut zu sehen ist, welches aus der Oblate floss. Damit ist einwandfrei widerlegt, dass wir es hier nur mit einem Symbol zu tun hätten. Genau um diese Frage zweifelsfrei zu beantworten, gibt es das Tuch. (Zu besichtigen im Dom von Bolsena.)
Ja, daß diese Lehre mißverstanden wurde und wird und daraus furchtbare Taten motiviert wurden, möchte ich nicht bestreiten.
Aha. Wie versteht man die Lehre denn richtig? Und woraus ergibt sich die Gewissheit, dass es richtig wäre (außer Wunschdenken)?
Zarathustra
29.04.2017, 13:44
Da liegst Du genau falsch. Es geht eben NICHT auf Aristoteles zurück.
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Aha. Wie versteht man die Lehre denn richtig? Und woraus ergibt sich die Gewissheit, dass es richtig wäre (außer Wunschdenken)?
Die Substanzlehre wurde natürlich entsprechend den theolog. Erfordernissen adaptiert: Eine Veränderung der Substanz erfordert demnach keine Veränderung im Materiellen. Inwiefern das mit Aristoteles unvereinbar sein soll, ist keineswegs so eindeutig, wie es in der wikipedia dargestellt wird. Aber das ist alles rein auf der sprachlich begrifflichen Ebene.
Mein Anliegen war hier nur darzulegen, daß man die Lehre nicht so wie Du verstehen muß. Wie man sie richtig versteht, ist eine andere Frage.
Eine letzte Gewißheit die richtige Interpretation zu haben, gibt es natürlich nicht. Wer sich aber um eine intellektuell redliche Interpretation bemüht, sollte nicht von vornherein annehmen, daß alles auf Unkenntnis, Irrationalität und Böswilligkeit beruht, nur weil die altertümliche Begrifflichkeit heute mißverständlich ist. Da helfen auch zahlreich angeführte Anekdoten nicht weiter.
Was ist an einem blutbefleckten Altartuch missverständlich? Der Papst behauptet klipp und klar, dieses Blut sei aus der Oblate herausgeflossen. Um alle dennoch auftauchenden Missverständnisse zu klären, wird das Tuch bis heute ausgestellt, mitsamt dem Blutfleck. Es ist eben gerade keine Anekdote. Das Tuch ist vorhanden. Die Schrift des Papstes ist ebenfalls vorhanden.
Hier geht es nur scheinbar um Theologie oder um die Auslegung eines Begriffs. In Wahrheit geht es um blanke Scharlatanerie, um Betrug. Es ist ja nicht so, als wüssten wir nicht, was eine Oblate ist.
Klugschnacker
29.04.2017, 21:43
Hier sehen wir wieder, wie Du Dich durch den Sprachgebrauch irreführen läßt und der Religion eine vermeintlich absurde Position unterschiebst. Im scholastischen Kontext sind die Begriffe der Realität und Substanz ja gerade nicht zu verstehen als Materie oder äußerlich Wahrnehmbares, wie man sie heute im modernen Sinne versteht.
Wir sind in dem Punkt unterschiedlicher Auffassung. Mir ging es darum, dass Metaphern etwas Spirituelles ausdrücken können. Überstrapaziert man diese Metaphern jedoch, werden die spirituellen Inhalte zu bloßem Unsinn.
Mir scheint, dass viele Menschen sich durchaus mit einem spirituellem (weltanschaulichen) Rahmen anfreunden können, in dem die Welt irgendwie geschaffen wurde, und nicht nur durch eine zufällige Quantenfluktuation entstand; und dass wir Menschen in diesem Universum einen Sinn haben. Vielleicht sogar eine Aufgabe. Religionen drücken dieses Gefühl mit ihren Schöpfungsmythen aus. Sie entwickeln Metaphern und Bilder, die sich damit beschäftigen, wie die Welt ins Sein kam.
Wie gesagt, viele Menschen sind nach meiner Beobachtung offen für solche Gedanken. Stoßen sie jedoch an Ausschmückungen wie die Himmelfahrt Marias oder die Verwandlung einer Oblate in den Leib Christi, verbinden die wenigsten aufgeklärten Menschen diese Vorgänge mit spirituellen Gedanken. Stattdessen leuchtet eine kleine innere rote Lampe auf, mit der Aufschrift "Bullshitalarm!".
Die Kirchen betreiben die Entspiritualisierung der Religionen auf diese Weise selbst.
Zarathustra
29.04.2017, 22:42
Wir sind in dem Punkt unterschiedlicher Auffassung. ...
Sie entwickeln Metaphern und Bilder, die sich damit beschäftigen, wie die Welt ins Sein kam.
Wie gesagt, viele Menschen sind nach meiner Beobachtung offen für solche Gedanken. Stoßen sie jedoch an Ausschmückungen wie die Himmelfahrt Marias oder die Verwandlung einer Oblate in den Leib Christi, verbinden die wenigsten aufgeklärten Menschen diese Vorgänge mit spirituellen Gedanken.
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So wie Du Deine Position hier beschreibst, sind, denke ich, in der Sache unsere Auffassungen nicht so weit voneinander entfernt.
Ein Unterschied scheint mir z. B. darin zu liegen, daß meiner Meinung nach selbst die Transsubstantionslehre nicht unbedingt „eine Überstrapazierung der Metaphorik“ darstellen muß (aber natürlich in bestimmten Auslegungen sehr wohl: kann), wenn die Veränderung des Substanzbegriffs berücksichtigt wird.
Als Kind brachte ich vom Weiher Kaulquappen nachhause und wollte sehen, wie sie sich in Frösche verwandeln. Meine Mutter gab mir den Tipp, Oblaten zu besorgen als Nahrung für die Tiere. Als ich feststellte, dass die Oblaten, die ich den Tieren verfütterte, genaus aussehen und schmecken wie der Leib Christi in der Kirche, konnte ich nicht mehr verstehen und fand es eher lustig, dass man in dier Kirche dasselbe bekommt wie meine Kaulquappen. Das Abendmahl-Ritual verlor für mich ab da an Bedeutung, weil ich, legte mir der Priester die Oblate auf die Zunge, immer an die Kaulquappenfütterungen von mir denken musste. :Lachen2:
Zarathustra
29.04.2017, 23:38
... Meine Mutter gab mir den Tipp, Oblaten zu besorgen als Nahrung für die Tiere. ...
Ein Tipp mit subversiven Folgen!
Ein klarer Fall für die Inquisition.
:Lachen2:
Nein, natürlich nicht. Es handelt sich um komplexe Wechselwirkungen mit der Priorität auf der Entwicklung der Produktivkräfte...
Was ich inbezug auf Religion und Naturbeherrschung meine: je mehr der Mensch die Natur und seine Lebensgrundlagen "beherrscht", desto weniger erscheinen weltliche Phänomene als "gottbestimmt". Was bleibt noch der Religion: Allein ein fiktives "Jenseits" ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedacht.
Danke für diese Antwort, die ich gut nachvollziehen kann. Interessant finde ich, diese Überlegungen auf heutige Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen anzuwenden. In unterschiedlichen Kulturkreisen und auch innerhalb der jeweiligen Kulturkreise gibt es offensichtlich erhebliche Unterschiede, obwohl hier ähnliche sozio-kulturelle Verhältnisse herrschen.
Bemerkenswert finde ich, dass die Kirchen erhebliche Energie darauf verwenden, nachweisbaren Unfug (Anekdoten mit Wahrheitsanspruch) als Wahrheit zu postulieren - wie Arne ja schon zeigte, mit nicht nur positiver Wirkung auf spirituell Interessierte. Offensichtlich sind aber viele Menschen immer noch (?) empfänglich dafür. (Ich erinnere mich gerade an eine Reise nach Turin, in der ich u.a. das "Original-Grabtuch" Christi sah, und insbesondere an den erheblichen Aufwand, mit dem die Authentizität behauptet wird - oder ich denke an den Nachbau der Arche Noah im Maßstab 1:1 in den USA zur Illustration der alternativen Evolution).
Der Religion bleibt "der ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedachte Raum". Und doch wirkt die Kirche mit ihren Mythen in den Köpfen der Glaubigen auch in den diesseitigen Raum. Die Kirchen beanspruchen hohe moralische Autorität für sich (heute auf der Seite 1 der Süddeutschen: Papst prangert Terrorismus an ...) und beharren zugleich darauf, dass viel offensichtlicher Unsinn als Wahrheit geglaubt wird. Alternative Fakten
Das finde ich enttäuschend. Wie Arne so treffend schreibt: Bullshitalarm.
Ich kann natürlich die historische Entwicklung, auf die Zarathustra mich hier möglicherweise sogleich hinweisen wollen würde, nachvollziehen. Interessant ist auch, dass gerade der Islam so großen Zulauf erfährt, und nicht die durch die Aufklärung gepeinigte christliche Kirche. Der Wunsch nach beinharter Dogmatik scheint verbreitet zu sein. Und auf der anderen Seite die Abwanderung von Menschen aus dem christlichen Kulturkreis in private Versionen asiatischer Transzendenzvorstellungen.
Sind wir Menschen "reif" für die Wahrheit? Oder brauchen wir irgendwelche Hilfskonstrukte, die uns die Welt leichter verdaulich machen?
Ich würde sagen, dass wir reif sind für die Wahrheit. Wir haben genügend Wissen gesammelt, um die Welt zu begreifen. Das Leid, das ein Tsunami bringen kann, können wir dadurch einordnen. Wir sind dem Leid nicht ausgeliefert, sondern können es mildern oder gar voraussehen und vermeiden. Es ist nicht mehr hilfreich, wenn wir uns eine Geschichte dazu ausdenken -- auch dann nicht, wenn sie ohne Oblaten und Marienfiguren auskommen. Wir brauchen sie nicht mehr. Wir brauchen die Maria nicht, und wir brauchen auch alle anderen Geschichten nicht.
Arne hat öfter beschrieben, dass die Religion (oder andere fiktive Überzeugungen) dazu beitragen konnte, große Gesellschaften zu bilden und stabil zu halten. Meine These ist, dass dieser Effekt ab einer bestimmten Größe der Gesellschaft wieder kippt. Das kann man gerade in unserer Zeit beobachten. Wenn Gesellschaften global werden, wird die Religion zu einem Hindernis, weil sich die Religionen untereinander nicht vertragen.
Die Menschheit wird durch Internet und Flugzeuge zu einer globalen Weltgemeinschaft. Religionen sind da nicht mehr hilfreich, sondern stehen im Weg.
Probieren wir es doch einfach mal mit der Wahrheit.
Wenn wir es gar nicht erst versuchen, dann können wir auch nicht wissen, ob es vielleicht der beste Weg ist. Ich habe jedenfalls keine Lust auf Märchen. Ich will die Wahrheit. Die Religion hatte ihre Chance.
Danke für diese Antwort, die ich gut nachvollziehen kann. Interessant finde ich, diese Überlegungen auf heutige Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen anzuwenden. In unterschiedlichen Kulturkreisen und auch innerhalb der jeweiligen Kulturkreise gibt es offensichtlich erhebliche Unterschiede, obwohl hier ähnliche sozio-kulturelle Verhältnisse herrschen.
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Ich kann natürlich die historische Entwicklung, auf die Zarathustra mich hier möglicherweise sogleich hinweisen wollen würde, nachvollziehen. Interessant ist auch, dass gerade der Islam so großen Zulauf erfährt, und nicht die durch die Aufklärung gepeinigte christliche Kirche. Der Wunsch nach beinharter Dogmatik scheint verbreitet zu sein. Und auf der anderen Seite die Abwanderung von Menschen aus dem christlichen Kulturkreis in private Versionen asiatischer Transzendenzvorstellungen.
Es würde in diesem Thread vielleicht zu weit führen, sich damit zu beschäftigen, weshalb sich die Herrschaftsverhältnisse im Nahen Osten und anderen islamisch geprägten Regionen aktuell auf eine Reislamisierung oder auf islamistische reaktionäre Bewegungen stützen.
Einige Faktoren wären:
* Zeitfaktor: Zwischen Descartes und heute liegen in Europa 400 Jahre und mehrere industrielle Revolutionen, auch in der Landwirtschaft.
* Industrialisierungsprozesse erfolgten im Nahen Osten, Türkei, Iran erst sehr spät im 20. Jahrhundert, wenn überhaupt. Aussterbende Dörfer. Gegensätze zwischen Stadt / Land, Armut und Reichtum.
* Rolle des Islams bei der Nationenbildung und der nationalen Identität nach Ende der Kolonialisierung.
* Grad der Volksbildung.
* Verfolgung, Ermordung, Vertreibung der politisch fortschrittlichen Menschen.
* In den Golfstaaten: brutale Unterdrückung in Kombination mit Bestechung der (ehemaligen Nomaden-)Stämme durch den Ölreichtum, geschützt durch die USA.
* Interessen der NATO/USA nach Ende der Kolonialzeit
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Die Regionen, die in Afghanistan die Taliban z.B. beherrschen, gehören zu den ärmsten, wenig industrialisierten, wenig gebildeten.
Es würde in diesem Thread vielleicht zu weit führen, sich damit zu beschäftigen, weshalb sich die Herrschaftsverhältnisse im Nahen Osten und anderen islamisch geprägten Regionen aktuell auf eine Reislamisierung oder auf islamistische reaktionäre Bewegungen stützen.
Einige Faktoren wären:
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das ist alles natürlich zutreffend; und Du hast wohl Recht, dass das Thema dieses Threads verlässt. In diesem Sinne interessiert mich in diesem Zusammenhang ("fasse ich mir an den Kopf") vor allem unser Kulturkreis, in dem sich viele Menschen von den religiösen Institutionen offensichtlich falsche Aussagen gefallen lassen. Dass die Herkunft dieser Geschichten sich gesellschaftlich erklären lässt und dass diese Anekdoten/Mythen auch einen zur jeweiligen Zeit möglicherweise nachvollziehbaren Hintergrund bzw. Zweck hatten, leuchtet mir ein.
Aber weshalb die Spiritualität auch heute noch an historisch eindeutig belegbaren offensichtlichen Unsinn gekoppelt wird, und weshalb das für viele Menschen kein Problem darstellt, verstehe ich noch immer nicht.
Die Religionen schulen so bis heute vielfach das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen und sehen sich dabei als Sachwalter der Obersten Moral - das passt für mich überhaupt nicht zusammen.
Weshalb lassen sich die Menschen in unserem Kulturkreis das gefallen? Am Wissen fehlt es doch nicht, woran fehlt es dann? Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen
Ich will dabei - es sei nochmal extra betont - nicht die Spiritualität angreifen, das Raum-Lassen für eine Dimension jenseits der vermessbaren Bereiche, wie wir sie ja auch u.a. in der Musik, Kunst, in Emotionen und zwischenmenschlichen Begegnunen erleben können.
So wie Du Deine Position hier beschreibst, sind, denke ich, in der Sache unsere Auffassungen nicht so weit voneinander entfernt.
Ein Unterschied scheint mir z. B. darin zu liegen, daß meiner Meinung nach selbst die Transsubstantionslehre nicht unbedingt „eine Überstrapazierung der Metaphorik“ darstellen muß (aber natürlich in bestimmten Auslegungen sehr wohl: kann), wenn die Veränderung des Substanzbegriffs berücksichtigt wird.
Mir klebte als Kind die Oblate am Gaumen, und ich traute mich nicht, sie - also den Leib des Gottessohnes zu zerbeißen, wo es ja bereits als Sünde galt, Gotteslästerliches zu denkenNie bei meinen bis ins Erwachsenenalter zahlreichen Kirchbesuchen in unterschiedlichen Großstadtgemeinden wurde eine Metaphorik der Transsubstantionslehre thematisiert. Ich lese mit großem Interesse Deine Beiträge hierzu. Dieses Maß der Abstraktion habe ich in Kirchen nicht erlebt.
Ich bin einer Verfechter der Religionsfreiheit. Jeder soll glauben, was er für richtig hält und diesen Glauben auch ausleben, sofern er nicht andere Menschen beeinträchtigt. Wie steht es aber mit dem Recht der Kinder, frei von religiöser Beeinflussung, gegen die sie sich nicht wehren können, aufzuwachsen? Eltern haben zweifellos das Recht, ihren Kindern auch ihre Religion zu vermitteln. Als Gegengewicht sehe ich die Schulen in der Pflicht, den rein mythologischen Charakter der Religionen zu lehren. Der Staat würde dadurch die Rechte der Kinder vertreten, frei von ideologischer Beeinflussung aufzuwachsen.
Verstehe ich dich richtig? Da Kinder womöglich religiös erzogen oder beeinflußt werden, sollten Schulen schon grundsätzlich und präventiv dafür sorgen, sie von möglichen Mythen zu schützen? Das ist ja völlig abgefahren :Cheese: Glaubst du, Schulen haben nichts besseres zu tun als das? Als aufmerksamer Vater hast du sicher mitbekommen, dass die religiöse Beeinflussung der jungen Menschen mittlerweile in der allermeisten Fällen fast gegen Null geht. Das gibt es viel größere Gefahren und Baustellen. Ich war in etlichen Elternbeiratsversammlungen und Elternabenden, Reli war nie ein Thema.
Und so ganz allegemein: Das Kind, das frei von jeglicher ideologischer Beeinflussung aufwächst, gibt es nicht und wird es auch nicht geben. Selbst wenn es von Robotern erzogen würde, hätten diese selbstverständlich eine Art von Ideologie.
Hallo keko, ich habe gerade in dieser Woche einen mehrteiligen Vortrag auf k-tv gesehen, bei der eine katholische Religionslehrerin ihre Methoden anpries und zur Nachahmung empfahl.
Einziges Ziel war eine möglichst effektive Indoktrinierung von Grundschülern, sodass der Glaube sich möglichst in den Gehirnen festsetzt. Das war der Maßstab. Von Religionsunterricht keine Spur, sondern es war katholische Gehirnwäsche. Geglaubt werden soll möglichst wörtlich an den personalen, lebendigen Gott, der Gebete erhört und Urteile spricht.
Wozu soll das gut sein? Warum wartet man nicht damit, bis die Kinder zu einer gewissen Skepsis fähig sind und sich trauen, kritsiche Fragen zu stellen? Das Manöver ist nur allzu durchsichtig.
Übrigens fangen die Kirchen mit ihrer Indoktrinierung bereits in den Kindergärten an. Auf YouTube gibt es haufenweise Videos dazu, in denen Kirchenmitarbeiter praktische Tipps geben. In zahlreichen dieser Videos wird die Evolution bestritten und den Kindern entsprechende Lügengeschichten eingetrichtert.
Klugschnacker
02.05.2017, 08:53
Verstehe ich dich richtig?
Nein, das weißt Du ja selbst. Schulen sollten der Wahrheit verpflichtet sein, so gut das eben geht. Nicht mehr und nicht weniger.
@ Jörn
Wenn man k-TV guckt, dann erwartet man ja wohl nichts anderes.
k-TV ist kein offizieller Sender der katholischen Kirche.
Wenn man lange genug sucht findet man immer und überall Spinner.
Darum geht es dann aber auch letztlich: Kinder klar zu machen, dass es Spinner (oder sagen wir Menschen mit merkwürdigen Eigeninteressen) gibt.
Dass sie das zu hinterfragen haben, was ihnen gesagt wird.
Und das lernt man nicht in dem einem immer nur die Wahrheit erzählt wird.
Eigentlich würde es sogar komplett kontrapruduktiv sein, weinn die Schule und das Umfeld der Kinder komplett neutral und objektiv wäre. Sie würdenn nie die echte Welt kennen lernen.
Ich war in einer katholischen Grundschule, meine Kinder waren in einem evangelischen Kindergarten. Trotzdem sind wir den Indoktrinationen nicht verfallen. Eher das Gegenteil.
Es ist eine Illusion zu glauben, es können eine Welt geben, die nur der objektiven Wahrheit verpflichtet wäre.
Klugschnacker
02.05.2017, 10:41
Darum geht es dann aber auch letztlich: Kinder klar zu machen, dass es Spinner (oder sagen wir Menschen mit merkwürdigen Eigeninteressen) gibt. Dass sie das zu hinterfragen haben, was ihnen gesagt wird.
Religiöse Erziehung setzt bewusst in einem Alter an, in dem die Kinder zu dieser kritischen Distanz gar nicht fähig sind.
Stelle Dir mal den Aufstand seitens der Kirchen vor, wenn der Vorschlag im Raum stünde, dass die Kinder erst dann mit religiöser Ideologie vertraut gemacht werden, wenn sie alt genug sind, sich eine eigene Meinung zu bilden. Oder dann, wenn man ihnen die Evolutionslehre nahebringt.
In den Grundschulen werden den Kindern religiöse Märchen als Tatsachen beigebracht, während alle beteiligten Erwachsenen, also die Lehrer, die Eltern oder der Pfarrer genau wissen, dass diese nicht wahr sind. Das funktioniert nur unter Ausnutzung der unterlegenen geistigen Fähigkeiten der heranwachsenden Kinder. Ich akzeptiere in diesem Punkt gerne andere Meinungen, aber für mein persönliches Empfinden ist das eine Form von Gewalt und geistigem Missbrauch, der an staatlichen Schulen nichts verloren hat.
Religiöse Erziehung setzt bewusst in einem Alter an, in dem die Kinder zu dieser kritischen Distanz gar nicht fähig sind.
Das unterliegt der persönlichen Entscheidung der Eltern.
Du kannst Kinder in städtische Kitas tun und in der Schule können sie Ethik nehmen.
Dann musst du als Elternteil halt Verantwortung übernehmen.
Wenn man k-TV guckt, dann erwartet man ja wohl nichts anderes. k-TV ist kein offizieller Sender der katholischen Kirche. Wenn man lange genug sucht findet man immer und überall Spinner.
Ist das nicht etwas zu simpel? Man sagt einfach, es wären Einzelfälle, sodass man sich damit nicht auseinanderzusetzen braucht. Bei k-tv treten jedoch ordentliche Pfarrer, Weihbischöfe und Bischöfe auf. Diese Personen haben die offizielle Lehrerlaubnis der Kirche. Auch die Religionslehrerin war von der kath. Kirche offiziell in ihre Position eingesetzt worden, und der Staat hatte gegen diese Besetzung keine Einwände.
Es handelt sich eben gerade nicht um Abweichler oder Außenseiter, sondern hier haben wir die offizielle Position der kath. Kirche vor unseren Augen.
Darum geht es dann aber auch letztlich: Kinder klar zu machen, dass es Spinner (oder sagen wir Menschen mit merkwürdigen Eigeninteressen) gibt.
Im Kindergarten und in der Grundschule? Drei- bis zehnjährige Pimpfe sollen herausfinden, ob ein mit allen Würden ausgestatteter und geschickt agierender Erwachsener ein Spinner ist? Sie sollen herausfinden, ob die Noah-Geschichte wahr ist oder nicht? Das überfordert ja sogar Erwachsene.
Das Gegenteil ist richtig. Wir müssen unsere Kinder schützen, solange und in dem Maße, wie sie schutzbedürftig sind. Kein noch so schlaues Argument kann daran etwas ändern.
Das Gegenteil ist richtig. Wir müssen unsere Kinder schützen, solange und in dem Maße, wie sie schutzbedürftig sind. Kein noch so schlaues Argument kann daran etwas ändern.
Nichts leichter als das:
Das unterliegt der persönlichen Entscheidung der Eltern.
Du kannst Kinder in städtische Kitas tun und in der Schule können sie Ethik nehmen.
Dann musst du als Elternteil halt Verantwortung übernehmen.
.......
In den Grundschulen werden den Kindern religiöse Märchen als Tatsachen beigebracht, während alle beteiligten Erwachsenen, also die Lehrer, die Eltern oder der Pfarrer genau wissen, dass diese nicht wahr sind. Das funktioniert nur unter Ausnutzung der unterlegenen geistigen Fähigkeiten der heranwachsenden Kinder. Ich akzeptiere in diesem Punkt gerne andere Meinungen, aber für mein persönliches Empfinden ist das eine Form von Gewalt und geistigem Missbrauch, der an staatlichen Schulen nichts verloren hat.
Die mythologischen, religiösen Geschichten, von denen die Theologen wissen, dass es sich um erfundene handelt, sprechen, psychologisch gesehen, beim Menschen Formen des Magischen Denkens (https://de.wikipedia.org/wiki/Magisches_Denken) an. Diese durchlaufen Kinder im Alter zwischen 2-7 Jahren in der sog. präoperationalen Entwicklungsstufe.
Zwischen 7-12 folgt der "Erwerb der Fähigkeit zum logischen Denken in Bezug auf konkrete (tatsächliche oder vorgestellte, aber nicht hypothetische) Sachverhalte. Dies ist verbunden mit Dezentrierung, Reversibilität, Invarianz, Seriation, Klasseninklusion und Transitivität".
Ab 12 erwerben die Kinder die "Fähigkeit zum hypothetischen logischen Denken". siehe: Piaget, kognitive Entwicklung (https://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Piaget#Kognitive_Entwicklung).
Theologen würden vermutlich einwenden, sie nehmen halt bei der Vermittlung der Religion Rücksicht auf den kognitiven Entwicklungsstand der Kinder. :Lachen2:
Die magischen Denkformen kommen im Alltag auch beim Erwachsenen oft noch parallel vor, wie man an Sprichwörtern leicht erkennt ("Mit dem falschen Fuss aufgestanden " z.B.).
Ich finde, Eltern sollten mit der Taufe und kirchlichem Religionsunterricht warten bis zum Alter von 14 Jahren, wo ihre Kinder das dann selbst entscheiden.
Nein, das weißt Du ja selbst. Schulen sollten der Wahrheit verpflichtet sein, so gut das eben geht. Nicht mehr und nicht weniger.
Letztes Schuljahr wurde in Reli der Islam besprochen. Z.B. auch, warum Frauen ein Kopftuch tragen. Die Kinder können doch alleine entscheiden, wie sie das finden. Willst du ihnen vorgefertigte Meinungen (du würdest es wohl Wahrheiten nennen) vorlegen?
Streng genommen müsste man in Physik oder Chemie hinterherwerfen, dass man damit eine Atombombe bauen kann. Und im Fach Wirtschaft geht es nicht zuletzt um die weitere Ausbeutung von Menschen und Ressourcen. Das sind auch alles Wahrheiten. Und gar nicht mal komplizierte: Dein Laufschuh wird im fernen Osten von modernen Arbeitssklavinnen für 60€ pro Monat zusammengenäht! Peng!
(wie immer no offense und danke fürs Diskutieren ;) )
Willst du ihnen vorgefertigte Meinungen (du würdest es wohl Wahrheiten nennen) vorlegen?
Aber ist das nicht Rhetorik? Denn der Religioninterricht verbreitet ja nichts anderes als Meinungen (tarnt diese aber als angebliche Wahrheiten).
Physik und Chemie kann man nachmessen und nachprüfen. Das ist etwas ganz anderes als eine Meinung, und deswegen hat es auch einen Platz im Unterricht verdient.
Die Nennung des Islams im christlichen Religionsunterricht wird zu einem Zeitpunkt angeboten, zu dem sich die christliche Botschaft längst in den Köpfen der Kinder festgesetzt hat. Hier wird nur zum Schein so getan, als handele es sich um einen unabhängigen Unterricht zum Thema Religion.
Aber ist das nicht Rhetorik? Denn der Religioninterricht verbreitet ja nichts anderes als Meinungen (tarnt diese aber als angebliche Wahrheiten).
Physik und Chemie kann man nachmessen und nachprüfen. Das ist etwas ganz anderes als eine Meinung, und deswegen hat es auch einen Platz im Unterricht verdient.
Willst du Schule rein auf mess- und prüfbare Wissensvermittlung reduzieren? Damit sie alle mal tolle Ingenieure und BWLer werden?
Willst du Schule rein auf mess- und prüfbare Wissensvermittlung reduzieren? Damit sie alle mal tolle Ingenieure und BWLer werden?
Aber genau diese sklavische Haltung vermittelt der christliche Religionsunterricht. "Wir sagen Dir, was richtig und falsch, was gut und böse ist. Du hast dies zu befolgen, sonst wird es Dir übel ergehen!"
Dies hier ist Gesetz in der katholischen Kirche:
"Die Heilige Römische Kirche, durch das Wort unseres Herrn und Erlösers gegründet, glaubt fest, bekennt und verkündet, daß niemand außerhalb der katholischen Kirche — weder Heide noch Jude noch Ungläubiger oder ein von der Einheit Getrennter — des ewigen Lebens teilhaftig wird, vielmehr dem ewigen Feuer verfällt, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, wenn er sich nicht vor dem Tod ihr (der Kirche) anschließt."
Und:
"Im Glauben müssen wir festhalten, daß außerhalb der apostolischen, römischen Kirche niemand gerettet werden kann; sie ist die einzige Arche des Heils und jeder, der nicht in sie eintritt, muß in der Flut untergehen." Papst Pius IX
Ich denke nicht, dass dies geeignet ist, die Schüler zur Freiheit und zu eigenem Denken und Forschen anzuleiten. Stattdessen wird ein Kadaver-Gehorsam gelehrt. Religionsunterricht ist eben kein Ethik- oder Philosophie-Unterricht.
Natürlich sollen die Schüler sich auch mit Dingen befassen, die nicht messbar oder quantisierbar sind. Aber genau auf dieser wichtigen Idee trampelt die Kirche herum. Denn in der christlichen Lehre ist alles bis aufs kleinste Detail festgelegt und vorgeschrieben (http://www.vatican.va/archive/compendium_ccc/documents/archive_2005_compendium-ccc_ge.html). Eigene Gedanken oder Auslegungen sind unerwünscht. Nur die Kirche hat das Recht zur Auslegung.
Aber genau diese sklavische Haltung vermittelt der christliche Religionsunterricht. "Wir sagen Dir, was richtig und falsch, was gut und böse ist. Du hast dies zu befolgen, sonst wird es Dir übel ergehen!"
Dies hier ist Gesetz in der katholischen Kirche:
"Die Heilige Römische Kirche, durch das Wort unseres Herrn und Erlösers gegründet, glaubt fest, bekennt und verkündet, daß niemand außerhalb der katholischen Kirche — weder Heide noch Jude noch Ungläubiger oder ein von der Einheit Getrennter — des ewigen Lebens teilhaftig wird, vielmehr dem ewigen Feuer verfällt, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, wenn er sich nicht vor dem Tod ihr (der Kirche) anschließt."
Und:
"Im Glauben müssen wir festhalten, daß außerhalb der apostolischen, römischen Kirche niemand gerettet werden kann; sie ist die einzige Arche des Heils und jeder, der nicht in sie eintritt, muß in der Flut untergehen." Papst Pius IX
Ich denke nicht, dass dies geeignet ist, die Schüler zur Freiheit und zu eigenem Denken und Forschen anzuleiten. Stattdessen wird ein Kadaver-Gehorsam gelehrt. Religionsunterricht ist eben kein Ethik- oder Philosophie-Unterricht.
Natürlich sollen die Schüler sich auch mit Dingen befassen, die nicht messbar oder quantisierbar sind. Aber genau auf dieser wichtigen Idee trampelt die Kirche herum. Denn in der christlichen Lehre ist alles bis aufs kleinste Detail festgelegt und vorgeschrieben (http://www.vatican.va/archive/compendium_ccc/documents/archive_2005_compendium-ccc_ge.html). Eigene Gedanken oder Auslegungen sind unerwünscht. Nur die Kirche hat das Recht zur Auslegung.
Es mag sein, dass das in manchen Schulen so ist und wahrscheinlich in diversen Ländern noch viel öfter. Ich persönlich habe das nicht so empfunden. Ich erinnere mich schwach an meine anfängliche Schulzeit. Da war es tatsächlich so, dass man echte Regeln an die Hand bekam. Ich finde aber, dass das nicht das Schlechteste ist und war, wenn man jung ist. Als Ministrant fand ich dann auch diese starren und uralten Abläufe in der Kriche gut. Das hatte was Ewiges und schön Formales, so alles würde dieser Ryhthmus für immer existieren.
In der ersten Stunde erzählt der alte Relilehrer (der auch gleichzeitig Pfarrer war und gelegentlich mit Kreide oder seinem Schlüsselbund nach uns warf, wenn wir schwätzten) etwas über Gott, Wiedergeburt und die Welt. Danach die hübsche Biolehrerin über Fortpflanzung und in der 3. Stunde ein anderer Lehrer in Physik über den Urknall. Sonntags stand ich als Ministrant mit einer Fahne und Weihrauch hinter eben diesem Relilehrer, der was von Vergebeung und Nächstenliebe predigt. Ich bin daran nicht verzweifelt. Ich fand das eher bereichernd, so ist halt die Welt.
Hach, war das alles so romantisch!
Dann brauchen wir uns ja nicht mehr kritisch damit auseinander zu setzen.
Vielleicht bringt die hübsche Bio-Lehrerin einen Kuchen mit und faselt über Adam und Eva? Weil es ach-so-gemütlich ist und den Kindern ach-so-gut gefällt? Wäre das "Unterricht" oder "Bauernfängerei"?
Und der Physik-Lehrer, der total nett ist, erläutert die flache Erde? Und er zündet dabei eine Kerze an und spricht mit geheimnisvoller Stimme? Wäre das Physik oder Scharlatanerie?
Ich verstehe nicht, welches Kriterium hier verfolgt wird, außer Selbstgerechtigkeit? Welchen Lehr-Inhalt wird geboten, der nicht nur seiner eigenen Erhaltung dient?
Es mag sein, dass das in manchen Schulen so ist und wahrscheinlich in diversen Ländern noch viel öfter. Ich persönlich habe das nicht so empfunden. Ich erinnere mich schwach an meine anfängliche Schulzeit. Da war es tatsächlich so, dass man echte Regeln an die Hand bekam. Ich finde aber, dass das nicht das Schlechteste ist und war, wenn man jung ist. Als Ministrant fand ich dann auch diese starren und uralten Abläufe in der Kriche gut. Das hatte was Ewiges und schön Formales, so alles würde dieser Ryhthmus für immer existieren.
In der ersten Stunde erzählt der alte Relilehrer (der auch gleichzeitig Pfarrer war und gelegentlich mit Kreide oder seinem Schlüsselbund nach uns warf, wenn wir schwätzten) etwas über Gott, Wiedergeburt und die Welt. Danach die hübsche Biolehrerin über Fortpflanzung und in der 3. Stunde ein anderer Lehrer in Physik über den Urknall. Sonntags stand ich als Ministrant mit einer Fahne und Weihrauch hinter eben diesem Relilehrer, der was von Vergebeung und Nächstenliebe predigt. Ich bin daran nicht verzweifelt. Ich fand das eher bereichernd, so ist halt die Welt.
So empfindet es halt jeder wieder anders.
Mich störte schon einiges an der Ministrantentätigkeit, abgesehen vom frühen Aufstehen in der Woche vor der Schule. Natürlich fühlt man sich als kleines Kind etwas geschmeichelt, schon Lateintexte auswendig lernen zu dürfen und bei der Messe zu helfen. Aber als ich sah, wie einsilbig die Messeliturgie mit Abendmahl von den Priestern in der Woche wie Zähneputzen absolviert wurde, entweihten sich die Geheimnisse nach und nach von selbst. Und dass mir einer der Priester der Gemeinde in seiner Art, sich vor- oder nach der Messe in der Sakristei sich anzunähern, etwas komisch vorkam, und ich spontan Abstand hielt, entpuppte sich im nachhinein als Glück für mich. Seine Versetzung kam für meinen besten Freund aus der Volksschulzeit leider zu spät. Er schied später mit 16 aus dem Leben.
Meine Erfahrungen / Erlebnisse liessen mich intuitiv die Ministrantenzeit bald vorzeitig in der Grundschulzeit beenden und mit 18 trat ich am Tag der Volljährigkeit auch bei dieser Pfarrgemeinde aus der Kirche aus.
Hach, war das alles so romantisch!
Dann brauchen wir uns ja nicht mehr kritisch damit auseinander zu setzen.
Also wenn du den negativen Einfluß von Religionen auf die Gesellschaft bekämpfen willst, bist du meiner Meinung nach in DE am falschen Ort.
Also wenn du den negativen Einfluß von Religionen auf die Gesellschaft bekämpfen willst, bist du meiner Meinung nach in DE am falschen Ort.
Ich meine, dass die Kirchen diese Bastion bis zur letzten Patrone verteidigen werden, und dass sie diese Bastion genau deshalb verlieren werden.
Es ist nur allzu offensichtlich, dass der Religionsunterricht einzig den Zweck hat, die eigene Religion zu erhalten. Bildung ist nicht der Zweck. Sondern Machterhaltung.
Deswegen gibt es auch eine strikte Trennung in katholischen und evangelischen Unterricht, obwohl beide Konfessionen inhaltlich praktisch identisch sind, jedoch nicht in jenen Fragen, welche die Macht der jeweiligen Kirche betreffen. In diesem Punkt ist kein Kompromiss möglich. Das beweist, dass es im Unterricht überhaupt nicht um eine Darstellung von Religionen (Plural) geht, sondern um den Machterhalt einer ganz spezifischen Kirche, die keine Konkurrenz duldet.
Darüber wird es in der Gesellschaft eine zunehmende Debatte geben. Meine Prognose ist, dass die Gläubigen und die Kirchenvertreter nicht mehr ein Teil dieser Debatte sein werden, weil sie unhaltbare Positionen vertreten. Sie verstehen nicht einmal, worin das Problem eines konfessionell gebundenen Unterrichts besteht.
Aus diesem Grund denke ich, dass der heutige Religionsunterricht noch eine Weile grimmig verteidigt und dann komplett den Händen der Kirchen entrissen wird. Vermutlich wird sich der konfessionelle Unterricht auf spezielle Schulen beschränken, die von den Kirchen betrieben werden. Die Tendenz dazu gibt es ja jetzt schon.
Aus diesem Grund denke ich, dass der heutige Religionsunterricht noch eine Weile grimmig verteidigt und dann komplett den Händen der Kirchen entrissen wird. Vermutlich wird sich der konfessionelle Unterricht auf spezielle Schulen beschränken, die von den Kirchen betrieben werden. Die Tendenz dazu gibt es ja jetzt schon.
Amen :liebe053:
Ansonsten wie schon gesagt, besteht die Freiheit bereits, nicht von Religionsunterricht belästigt zu werden.
Um zu illustrieren, wie plump der Religionsunterricht auf knifflige Fragen antwortet:
Frage: "Wozu sind wir auf Erden?" (Auch bekannt als: Was ist der Sinn des Lebens?)
Antwort: „Wir sind auf Erden um Gott zu erkennen und zu lieben, nach seinem Willen das Gute zu tun und einst in den Himmel zu kommen.“ (Jugend-Katechismus, herausgegeben von Joseph Ratzinger aka Papst Benedikt).
Bedeutet: Wir sind nichts weiter als Gottes Haustiere, die ihn anhimmeln und preisen sollen. Warum? Weil es eben so ist. Bitteschön: Das ist also der Sinn unseres Lebens.
Was gut oder schlecht ist, bestimmt allein Gottes Wille, und nicht etwa die Menschlichkeit, oder der gesunde Menschenverstand, oder die gesammelte Erfahrung der Menschheit, oder die Logik.
Und woher erfahren wir von Gottes Wille? Gottes Wille wird uns dargebracht vom örtlichen Pfarrer, gerne auch in Funktion des Religionslehrers. Der hat deswegen oberste Autorität über unser Leben.
Kurz: Wir sind dazu da, des Pfarrers Anweisungen zu folgen.
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Diese Art von Puppenstuben-Ethik hat überhaupt nichts zu tun mit der tatsächlichen Tiefe und Bedeutung der Frage nach dem "Sinn des Lebens". Schüler im Ethik-Unterricht werden sich die Augen reiben angesichts solch simpler Antworten, mit denen ihre Mitschüler im Reli-Unterricht glänzen können.
Soll das die beste Lehre sein, die wir nach 3.000 Jahren unseren Kindern präsentieren wollen? Haben wir keine besseren Antworten gefunden?
Um zu illustrieren, wie plump der Religionsunterricht auf knifflige Fragen antwortet:
Frage: "Wozu sind wir auf Erden?" (Auch bekannt als: Was ist der Sinn des Lebens?)
Antwort: „Wir sind auf Erden um Gott zu erkennen und zu lieben, nach seinem Willen das Gute zu tun und einst in den Himmel zu kommen.“ (Jugend-Katechismus, herausgegeben von Joseph Ratzinger aka Papst Benedikt).
Du bist im immer noch nicht drauf eingegangen, dass Eltern selber entscheiden ob ihre Kinder am Reli Unterricht teilnehmen.
Tun sie das, dann akzeptieren sie halt u.U. solchen Unsinn.
Ansonsten sind sie frei ihre Kinder dem nicht auszusetzen.
Wie viel Freiheit willst du noch haben?
Oder findest du der Staat sollte uns vor solchen Voodoo schützen. Können wir nicht selber denken?
Du bist im immer noch nicht drauf eingegangen, dass Eltern selber entscheiden ob ihre Kinder am Reli Unterricht teilnehmen.
Erstens: Viele Eltern können das nicht entscheiden, weil in ihrer Ortschaft nur Einrichtungen mit christlicher Trägerschaft existieren.
Zweitens: Oft ist mit der "Wahl" eine Erschwernis für die Kinder verbunden, etwa dass der Ethik-Unterricht nachmittags stattfindet. (Das war zu meiner Zeit der Fall; ich durfte dadurch an zwei Nachmittagen pro Woche zusätzlich in die Schule gehen; und da der Stundenplan sowieso zwei Nachmittags-Einheiten vorsah, hatte ich an vier Tagen Unterricht am Nachmittag. Nur drei von ingesamt 600 Schülern haben das auf sich genommen.)
Drittens: Warum genau sollten wir an Religions-Unterricht andere Maßstäbe anlegen als an Deutsch, Philosophie, Biologie, Physik oder Sport? Warum überlassen wir es nicht der Wahl der Eltern, ob die Kinder Chemie oder Magie lernen? Evolution oder Kreationismus? Warum überlassen wir es nicht den Eltern, ob die Kinder überhaupt zu Schule gehen?
Wir sind als Gesellschaft überein gekommen, dass Kinder einen Anspruch auf wahrhaftige Bildung haben, unabhängig davon, ob den Eltern das gefällt. Zur Not werden die Kinder von der Polizei in eine ordentliche Schule gefahren. Das ist Gesetz. Das beweist, dass wir hier gewisse Freiheiten einschränken, zugunsten einer fairen Chance für die Kinder. Ich behaupte, dass die Lügenmärchen der Kirchen in den Schulen nichts zu suchen haben, es sei denn, der Wahrheitsgehalt ließe sich objektiv belegen.
Wer möchte, kann seine Kinder ja nachmittags in die Kirche schicken.
Oder findest du der Staat sollte uns vor solchen Voodoo schützen. Können wir nicht selber denken?
Anscheinend nicht, ansonsten würde man die Scientologen auch in Ruhe lassen und sie stünden nicht unter Beobachtung durch den Verfassungsschutz (http://www.verfassungsschutz.bayern.de/weitere_aufgaben/scientology/).
Drittens: Warum genau sollten wir an Religions-Unterricht andere Maßstäbe anlegen als an Deutsch, Philosophie, Biologie, Physik oder Sport? Warum überlassen wir es nicht der Wahl der Eltern, ob die Kinder Chemie oder Magie lernen? Evolution oder Kreationismus? Warum überlassen wir es nicht den Eltern, ob die Kinder überhaupt zu Schule gehen?
Wir sind als Gesellschaft überein gekommen, dass Kinder einen Anspruch auf wahrhaftige Bildung haben, unabhängig davon, ob den Eltern das gefällt. Zur Not werden die Kinder von der Polizei in eine ordentliche Schule gefahren. Das ist Gesetz. Das beweist, dass wir hier gewisse Freiheiten einschränken, zugunsten einer fairen Chance für die Kinder. Ich behaupte, dass die Lügenmärchen der Kirchen in den Schulen nichts zu suchen haben, es sei denn, der Wahrheitsgehalt ließe sich objektiv belegen.
Wer möchte, kann seine Kinder ja nachmittags in die Kirche schicken.
Wenn die Schüler auf dem Gymi nach der 10. Physik abwählen (das machen fast alle -- gestern hat mir eine Schülerin erzählt, dass aus vier zehnten Klasse in ihrer Schule gerade mal ein Kursstufenkurs mit 8 Schülern zustand kommt), dann haben sie ein bisschen Elektrik gemacht, Mechanik und ein wenig Dynamik (Winkelbeschl. ist Ende der Fahnenstange).
Na toll! Da haben sie dann aber bis dahin Wahrheit mit Löffeln gefressen :Cheese:
Wenn die Schüler auf dem Gymi nach der 10. Physik abwählen (das machen fast alle -- gestern hat mir eine Schülerin erzählt, dass aus vier zehnten Klasse in ihrer Schule gerade mal ein Kursstufenkurs mit 8 Schülern zustand kommt), dann haben sie ein bisschen Elektrik gemacht, Mechanik und ein wenig Dynamik (Winkelbeschl. ist Ende der Fahnenstange).
Na toll! Da haben sie dann aber bis dahin Wahrheit mit Löffeln gefressen :Cheese:
Wäre es da hilfreich, wenn die Schüler stattdessen etwas vom Propheten Esra* lesen würden? Oder würdest Du sagen, dass zwei Jahre Physik zumindest den Effekt haben werden, dass die Schüler sehen, dass es auf der Welt mit rechten Dingen zugeht, selbst wenn sie danach Deutsch und Geschichte als Hauptfach wählen?
*Altes Testament, hier die ersten Verse (https://www.bibleserver.com/text/LUT/Esra2), falls es nicht bekannt sein sollte. Ich denke, das ist allemal wichtiger als Physik:
Dies sind die Leute der Provinz Juda, die heraufzogen aus der Gefangenschaft, die Nebukadnezar, der König von Babel, nach Babel weggeführt hatte und die nach Jerusalem und Juda zurückkehrten, ein jeder in seine Stadt. 2 Die kamen mit Serubbabel, Jeschua, Nehemja, Seraja, Reelaja, Mordochai, Bilschan, Mispar, Bigwai, Rehum und Baana. Dies ist die Zahl der Männer des Volkes Israel: 3 die Söhne Parosch 2172; 4 die Söhne Schefatja 372; 5 die Söhne Arach 775; 6 die Söhne Pahat-Moab, nämlich die Söhne Jeschua und die Söhne Joab, 2812; 7 die Söhne Elam 1254; 8 die Söhne Sattu 945; 9 die Söhne Sakkai 760; 10 die Söhne Bani 642; 11 die Söhne Bebai 623; 12 die Söhne Asgad 1222; 13 die Söhne Adonikam 666; 14 die Söhne Bigwai 2056; 15 die Söhne Adin 454; 16 die Söhne Ater, nämlich die Söhne Hiskija, 98; 17 die Söhne Bezai 323; 18 die Söhne Jorah 112; 19 die Söhne Haschum 223; 20 die Söhne Gibbar 95; 21 die Männer von Bethlehem 123; 22 die Männer von Netofa 56; 23 die Männer von Anatot 128; 24 die Männer von Asmawet 42; 25 die Männer von Kirjat-Jearim, Kefira und Beerot 743; 26 die Männer von Rama und Geba 621; 27 die Männer von Michmas 122; 28 die Männer von Bethel und Ai 223; 29 die Männer von Nebo 52; 30 die Männer von Magbisch 156; 31 die Männer aus dem andern Elam 1254; 32 die Söhne Harim 320; 33 die Männer von Lod, Hadid und Ono 725; 34 die Männer von Jericho 345; 35 die Söhne Senaa 3630. 36 Die Priester waren: die Söhne Jedaja, nämlich das Haus Jeschua, 973; 37 die Söhne Immer 1052; 38 die Söhne Paschhur 1247; 39 die Söhne Harim 1017. 40 Die Leviten waren: die Söhne Jeschua, nämlich Kadmiël, Binnui und Hodawja, 74. 41 Die Sänger: die Söhne Asaf 128. 42 Die Torhüter: die Söhne Schallum, die Söhne Ater, die Söhne Talmon, die Söhne Akkub, die Söhne Hatita und die Söhne Schobai, insgesamt 139. 43 Die Tempeldiener: die Söhne Ziha, die Söhne Hasufa, die Söhne Tabbaot, 44 die Söhne Keros, die Söhne Sia, die Söhne Padon, 45 die Söhne Lebana, die Söhne Hagaba, die Söhne Akkub, 46 die Söhne Hagab, die Söhne Salmai, die Söhne Hanan, 47 die Söhne Giddel, die Söhne Gahar, die Söhne Reaja, 48 die Söhne Rezin, die Söhne Nekoda, die Söhne Gasam, 49 die Söhne Usa, die Söhne Paseach, die Söhne Besai, 50 die Söhne Asna, die Söhne der Mëuniter, die Söhne der Nefusiter, 51 die Söhne Bakbuk, die Söhne Hakufa, die Söhne Harhur, 52 die Söhne Bazlut, die Söhne Mehida, die Söhne Harscha, 53 die Söhne Barkos, die Söhne Sisera, die Söhne Temach, 54 die Söhne Neziach, die Söhne Hatifa. 55 Die Nachkommen der Knechte Salomos: die Söhne Sotai, die Söhne Soferet, die Söhne Peruda, 56 die Söhne Jaala, die Söhne Darkon, die Söhne Giddel, 57 die Söhne Schefatja, die Söhne Hattil, die Söhne Pocheret-Zebajim, die Söhne Ami. 58 Alle Tempeldiener und Nachkommen der Knechte Salomos waren zusammen 392. 59 Diese aber zogen auch mit herauf von Tel-Melach, Tel-Harscha, Kerub-Addon und Immer und konnten nicht angeben, ob ihre Sippe und ihre Nachkommen aus Israel stammten: 60 die Söhne Delaja, die Söhne Tobija, die Söhne Nekoda, 652. 61 Und von den Priestern: die Söhne Habaja, die Söhne Hakkoz, die Söhne Barsillai, der eine von den Töchtern des Gileaditers Barsillai zur Frau genommen hatte und nach dessen Namen genannt wurde. 62 Die suchten, wo sie im Geburtsregister eingetragen waren, und man fand nichts; darum wurden sie für das Priestertum als untauglich erklärt. 63 Und der Tirschata gebot ihnen, sie sollten nicht essen vom Hochheiligen, bis ein Priester für »Licht und Recht« aufstände. 64 Die ganze Gemeinde zählte insgesamt 42360, 65 ausgenommen ihre Knechte und Mägde; diese waren 7337, davon 200 Sänger und Sängerinnen. 66 Und sie hatten 736 Rosse, 245 Maultiere, 67 435 Kamele und 6720 Esel. 68 Und als einige Häupter der Sippen zum Hause des HERRN in Jerusalem kamen, gaben sie freiwillig für das Haus Gottes, damit man's an seiner früheren Stätte erbaue, 69 und gaben nach ihrem Vermögen zum Schatz für das Werk 61000 Gulden und 5000 Pfund Silber und 100 Priesterkleider. 70 So ließen sich die Priester und die Leviten und etliche aus dem Volk nieder und die Sänger und die Torhüter und die Tempeldiener in ihren Städten und ganz Israel in seinen Städten.
Ich weiß, dass es manche Mitleser empört, wenn ich behaupte, dass die Verfasser der Bibel vermutlich zu einem guten Teil geisteskrank waren, aber die Dämlichkeit der Texte lassen schwerlich einen anderen Schluss zu. Ich sehe nicht ein, was diese Texte in einer modernen Schule zu suchen haben.
Zweitens: Oft ist mit der "Wahl" eine Erschwernis für die Kinder verbunden, etwa dass der Ethik-Unterricht nachmittags stattfindet. (Das war zu meiner Zeit der Fall; ich durfte dadurch an zwei Nachmittagen pro Woche zusätzlich in die Schule gehen; und da der Stundenplan sowieso zwei Nachmittags-Einheiten vorsah, hatte ich an vier Tagen Unterricht am Nachmittag. Nur drei von ingesamt 600 Schülern haben das auf sich genommen.)
Tja, das sind dann die wahren Helden. die X Jahre später noch davon erzählen. Das prägt. :liebe053:
Tja, das sind dann die wahren Helden. die X Jahre später noch davon erzählen. Das prägt. :liebe053:
Ja, tatsächlich wurde ich gleich in der ersten Stunde des Ethik-Unterrichts mit sehr tiefgreifenden und interessanten Fragestellungen konfrontiert. Ich war völlig verblüfft. Der Lehrer war Mathematiker. Wir lasen interessante Bücher und debattierten stundenlang.
Das war überhaupt kein Vergleich zu den primitiven Maria-und-Josef-Geschichten des Religionsunterrichts, die einem als höchste Weisheiten angedreht wurden. Der Religionsunterricht war staubig und verlogen. Sowohl Lehrer als auch Schüler spielten sich gegenseitig ein Theater vor, denn niemand hat den Mumpitz geglaubt. Was wir Schüler gelernt haben, war lediglich die Erkenntnis, dass es manchmal besser ist, den Mund zu halten und zu buckeln.
Das war überhaupt kein Vergleich zu den primitiven Maria-und-Josef-Geschichten des Religionsunterrichts, die einem als höchste Weisheiten angedreht wurden. Der Religionsunterricht war staubig und verlogen. Sowohl Lehrer als auch Schüler spielten sich gegenseitig ein Theater vor, denn niemand hat den Mumpitz geglaubt. Was wir Schüler gelernt haben, war lediglich die Erkenntnis, dass es manchmal besser ist, den Mund zu halten und zu buckeln.
Mein Religionslehrer (ev.) (spätere SPD Bürgermeister meiner Heimatstadt) war in etwa so wie dein Ethiklehrer.
Wäre es da hilfreich, wenn die Schüler stattdessen etwas vom Propheten Esra* lesen würden? Oder würdest Du sagen, dass zwei Jahre Physik zumindest den Effekt haben werden, dass die Schüler sehen, dass es auf der Welt mit rechten Dingen zugeht, selbst wenn sie danach Deutsch und Geschichte als Hauptfach wählen?
Es kann im Leben vielleicht mal hilfreich sein, sich mit religiösen Texten beschäftigt zu haben, auch wenn diese seltsam oder gar falsch sein mögen. Ich fand die Themen meiner Töchter in Reli jedenfalls immer interessant.
Religion ist mitten unter uns. Sei es die Frau mit Kopftuch, die mir in der S-Bahn gegenüber sitzt, das Glockengeläute oder die Feiertage.
Ich kann gut verstehen, dass a=dv/dt nicht so der Brüller ist, auch wenn das ein Meilenstein für die Menschheit ist. Möge doch jeder für sich entscheiden, was ihn anzieht. Religion wird sich wandeln, so wie alles im Fluß ist und es immer war. Was bleibt, ist die Beschäftigung mit dem Unfassbaren, dem Leben, dem Tod, dem Sinn von dem ganzen Klimbim (bzw. ob es einen gibt). Ob uns allein Formeln und die Naturwissenschaft Antworten bringen? Ich bezweifel das.
Religion wird sich wandeln, so wie alles im Fluß ist und es immer war.
Ja, Religion kann sich wandeln. (Ist das nicht bereits ein Hinweis auf Scharlatanerie, da uns ja ewige Wahrheiten verkauft wurden?)
Aber in welchem Bereich ist die Religion nicht der rückständigste Teilnehmer der Debatte? Wo war Religion jemals Vorreiter?
Die Christen werden an dieser Stelle vielleicht die Nächstenliebe nennen, die von Jesus erfunden wurde. Das ist allerdings Unsinn, denn es finden sich viel ältere Zeugnisse dieser Moral, in verschiedenen Kulturen.
Das Gegenteil ist richtig: Das Christentum war ein riesiger Rückschritt, schon in der Antike. Paulus beschwert sich in seinen Briefen (auf denen das Christentum beruht) darüber, dass die Griechen ihn verspottet hätten -- kein Wunder, denn dort war man schon viel fortschrittlicher. Ebenso die Römer mit ihren ausgefeilten Bürgerrechten. (Die Bibel kennt keinerlei Bürgerrechte; das Konzept ist ihr völlig fremd.)
Es gibt nicht einen einzigen Fall, bei dem das Christentum als Vorreiter glänzen konnte oder uns vor einem Irrweg bewahrt hätte: Nicht in der Politik, nicht in der Medizin, nicht in irgendeiner Wissenschaft, nicht bei Recht und Moral. Die Kirchen haben das Leid nicht beseitigt, sondern verwaltet und ausgenutzt.
In allen genannten Bereichen waren es vernünftige Leute und die Wissenschaft, die den Fortschritt brachten -- unter erbittertem Widerstand der Kirchen. Später haben die Kirchen dann zähneknirschend ein paar dieser Erkenntnisse akzeptiert.
Warum sollten wir also sehnsüchtig darauf warten, dass sich die Religionen ändern? Wozu? Denken können wir selber, und es herrscht auch kein Mangel an Ideen und Entwürfen.
Was bleibt, ist die Beschäftigung mit dem Unfassbaren, dem Leben, dem Tod, dem Sinn von dem ganzen Klimbim (bzw. ob es einen gibt). Ob uns allein Formeln und die Naturwissenschaft Antworten bringen? Ich bezweifel das.
Das ist ein Strohmann-Argument. Es suggeriert, als gäbe es auf der einen Seite das "Leben" und den "Sinn", und auf der anderen Seite einen Haufen kalter Formeln. Aber diese Trennung existiert nicht. Genauso könnte man behaupten, auf der einen Seite gäbe es "Musik" und auf der anderen Seite die kalten "Noten". Aber beides hängt zusammen.
Die Wissenschaft hat (mit Formeln) mehr dazu beigetragen, uns eine Vorstellung vom "Leben" und der "Welt" und dem "Sinn" zu geben, als irgendein Papst. Natürlich bleiben wir nicht bei den Formeln und Fakten stehen. Sondern dann fängt die Arbeit erst an, uns einen Platz in dieser Welt zu denken -- aber bitte nicht auf Basis von "Maria und Josef".
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Das Gegenteil ist richtig: Das Christentum war ein riesiger Rückschritt, schon in der Antike. Paulus beschwert sich in seinen Briefen (auf denen das Christentum beruht) darüber, dass die Griechen ihn verspottet hätten -- kein Wunder, denn dort war man schon viel fortschrittlicher. Ebenso die Römer mit ihren ausgefeilten Bürgerrechten. (Die Bibel kennt keinerlei Bürgerrechte; das Konzept ist ihr völlig fremd.)
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ca. jeder 5. in Italien Ansässige war zur Zeit des Römischen Reiches Sklave. Auf der Ausbeutung der Sklaven basierten der Reichtum der Antike, die Ressourcen für Wissenschaft, Kunst, Kultur, Militär und die Bürgerrechte für Freie.
Die Sklavenhaltung ging in den mittelalterlichen christlichen Reichen zurück und die auf das Christentum / Papstums gestützte Herrschaft im Hochmittelalter gründete sich auf die Ausbeutung der Leibeigenschaft und nicht mehr vorrangig auf die Ausbeutung von Sklaven. Diese von Dir als reaktionär im Vergleich zur Antike gewertete Epoche in Europa brachte das Bürgertum, die Handwerker, den Humanismus, den Calvinismus, die Aufklärung etc. hervor, welche später die ganze Welt prägten.
Weshalb überlebten die antiken Reiche nicht? Weshalb überlebte der Polytheismus nicht und wurde von monotheistischen Religionen abgelöst? Ich würde zur Bewertung der Entwicklung von Religionen diese selbst miteinander vergleichen. Offenbar bot sich das Christentum als bessere Herrschaftsreligion für das Römische Reich an (- wurde 380 Staatsreligion in Rom unter Kaiser Konstantin (https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantinische_Wende) -) und war, um neue Reiche in ganz Europa zu schaffen und zusammenzuhalten, viel besser geeignet als die "heidnischen" Religionen der eingewanderten oder ansässig-romanischen Völker.
Offenbar bot sich das Christentum als bessere Herrschaftsreligion an für das Römische Reich (- wurde 380 Staatsreligion in Rom unter Kaiser Konstantin (https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantinische_Wende) -) und war, um neue Reiche in ganz Europa zu schaffen und zusammenzuhalten, viel besser geeignet als die "heidnischen" Religionen der eingewanderten oder ansässig-romanischen Völker.
Offensichtlich :)
captainbeefheart
04.05.2017, 09:24
Dass der Religionsunterricht ebenso wie der Ethikunterricht überarbeitungsbedürftig ist, dem stimme ich zu. Da ist er aber in bester Gesellschaft mit allen anderen Fächer. Die uralte, fachlich-inhaltlich segmentierte Wissensvermittlung ist im Wortsinne "old school" und weit weg von unserer Lebenswirklichkeit. Hier ein kluger Kommentar dazu: http://www.sueddeutsche.de/bildung/matheunterricht-schafft-die-traditionellen-schulfaecher-ab-1.3485811
Im Vordergrund sollten alltagspraktische, lebenswirkliche Themenstellungen stehen. Religiöse Themen und entsprechende Perspektiven sind Teil unserer Alltagspraxis und gehören damit auch zu relevanten Fragestellungen. Als eine von mehreren Perspektiven.
Dass der Religionsunterricht ebenso wie der Ethikunterricht überarbeitungsbedürftig ist, dem stimme ich zu. Da ist er aber in bester Gesellschaft mit allen anderen Fächer. Die uralte, fachlich-inhaltlich segmentierte Wissensvermittlung ist im Wortsinne "old school" und weit weg von unserer Lebenswirklichkeit. Hier ein kluger Kommentar dazu: http://www.sueddeutsche.de/bildung/matheunterricht-schafft-die-traditionellen-schulfaecher-ab-1.3485811
Im Vordergrund sollten alltagspraktische, lebenswirkliche Themenstellungen stehen. Religiöse Themen und entsprechende Perspektiven sind Teil unserer Alltagspraxis und gehören damit auch zu relevanten Fragestellungen. Als eine von mehreren Perspektiven.
Gerade eben nicht immer! Dein Link fußt ursprünglich auf einem Brandbrief von Mathe-Professoren von vor ein paar Wochen. Dabei wird die Verunstaltung des Mathe-Unterrichts mit Aufgaben aus der Alltagspraxis bemängelt. Es wird viel Zeit dazu verwendet grafische Taschenrechner zu benutzen und sog. Anwendungsaufgaben zu berechnen, die meist völlig aus der Luft gegriffen sind. Mit der Folge, dass aus Zeitgründen immer mehr echtes Mathe-Knowhow gestrichen werden musste.
BaWü hat reagiert und den grafischen Taschenrechner wieder gestrichen (ab Abiturjahrgang 2019) und neue Schulbücher entwickelt und teilweise bereits herausgegeben. Es geht also definitv wieder in Richtung old school. Man hat aus den Fehlern gelernt und geht wieder weg von lebensirklichen Themenstellungen.
In allen genannten Bereichen waren es vernünftige Leute und die Wissenschaft, die den Fortschritt brachten -- unter erbittertem Widerstand der Kirchen. Später haben die Kirchen dann zähneknirschend ein paar dieser Erkenntnisse akzeptiert.
Warum sollten wir also sehnsüchtig darauf warten, dass sich die Religionen ändern? Wozu? Denken können wir selber, und es herrscht auch kein Mangel an Ideen und Entwürfen.
Kein Mensch wartet darauf. Es wird selbständig geschehen. Es ist in meinen Augen auch kein Wettkampf zwischen Religion und Wissenschaft. Künftige Generationen nach uns werden ihren Weg finden und gehen. Wohin der führt, weiß kein Mensch.
Klugschnacker
04.05.2017, 11:37
Religiöse Themen und entsprechende Perspektiven sind Teil unserer Alltagspraxis und gehören damit auch zu relevanten Fragestellungen. Als eine von mehreren Perspektiven.
Gibt es dazu ein konkretes Beispiel? Bei welchem alltagspraktischen Schulstoff ist die kirchliche Perspektive relevant, als Alternative zu wissenschaftlichen Sichtweisen?
Religiöse Themen und entsprechende Perspektiven sind Teil unserer Alltagspraxis und gehören damit auch zu relevanten Fragestellungen.
Sind Jungfrauen-Geburten und Himmelfahrten tatsächlich "Teil unserer Alltagspraxis"? Ich würde das bestreiten. Ich sehe deswegen nicht, warum diese Fragestellung "relevant" sein sollte.
Falls ich mich irre, dann müsste man mir auch konkret darlegen können, wozu genau es relevant ist und worin genau die Alltagserfahrung besteht.
Der Klerus unterliegt nach meiner Meinung der Illusion, die Kirchen hätten ein Monopol auf ethische Themen oder auf "die großen Rätsel" des Woher und Warum; und dass die Kirchen deswegen unverzichtbar wären für eine umfassende Ausbildung.
Das ist jedoch ein Irrtum. Die Positionen der Kirchen sind gerade bei diesen Fragen derart abwegig, dass kaum noch jemand etwas darauf gibt, was die Kirchen über das "Woher und Warum" zu sagen haben. Fragen über Moral und Ethik werden längst anderswo diskutiert, auf einem viel höheren Niveau, und der gesellschaftliche Konsens darüber bildet sich praktisch ohne die Mitwirkung der Kirche.
Die Kirchen wähnen sich im Zentrum von Ethik und Moral, aber in Wahrheit markieren sie eine verschrobene Außenseiter-Position. Es fällt den Kirchen nur nicht auf, weil sie im wesentlichen mit sich selbst beschäftigt sind.
Edit: Ich sehe gerade, dass Arne die gleiche Frage gestellt hat, während ich meinen Text schrieb. Wir können dies als einen übersinnlichen Parallelismus betrachten.
captainbeefheart
04.05.2017, 12:31
Sind Jungfrauen-Geburten und Himmelfahrten tatsächlich "Teil unserer Alltagspraxis"? Ich würde das bestreiten. Ich sehe deswegen nicht, warum diese Fragestellung "relevant" sein sollte.
Ich habe Deine Position verstanden, Du hast Sie ausreichend oft wiederholt.
Religion findet in unserem Alltag statt, ob Du das nun - mit der Verengung auf eine bestimmte Religion und eine bestimmte Institution - aus Deiner Perspektive als angemessen einordnest oder nicht. Es ist (auch) gelebte Realität in unserer Gesellschaft.
Insofern ist meine Meinung, dass auch eine religiöse Perspektive auf alltagspraktische Fragestellungen in der Schule relevant sind. Inhaltlich und methodisch sowie von der rein fächerspezifischen Abgrenzung her halte ich den Religionsunterricht, wie jedes andere Fach, für deutlich renovierungsbedürftig.
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