Ok, die ausführliche Erzählung ist aber lang und intensiv...
Im Spätsommer 2008 habe ich völlig zufällig einen Knoten in meiner rechten Brust getastet. Wurde dann untersucht, für harmlos befunden und das Thema erst mal für die nächsten 3 Monate verdrängt. Dann die nächste Untersuchung, wieder dachte niemand an etwas Schlimmes. Im Winter 2009 hatte ich dann das Gefühl, das Ding wird größer. Erst war zu wenig Zeit für irgendwelche Arzttermine, dann Trainingslager, dann Ostern und danach hatte ich wieder einen Termin beim (diesmal einem anderen) Gynäkologen. Und dem fiel dann während der Ultraschalluntersuchung vor Schreck beinahe der Schallkopf aus der Hand. Mit der Feinfühligkeit eines Bulldozers erklärte er mir, dass so Krebsvorstufen aussehen würden und das ich schleunigst in einem Brustzentrum vorstellig werden sollte.
Die Woche Wartezeit auf diesen Termin zog sich wie alter Kaugummi, meine Nerven lagen da schon ziemlich blank. In der ersten Untersuchung im Brustzentrum bestätigte der dortige Spezialist den dringenden Verdacht. Der nächste diagnostische Schritt, die Mammografie und eine Biopsie konnten an diesem Tag nicht mehr gemacht werden, es war 16Uhr an einem Donnerstag vor einem langen Wochenende. Also weiter warten, zittern und bibbern bis Montag.
Das Wochenende war definitiv nicht schön. An diesem Montag hätte ich beim Einparken auf dem riesigen Krankenhausparkplatz beinahe eine Strassenlaterne umgefahren... Dann erfolgten die Untersuchungen und am Ende ein Gespräch mit dem Chefarzt, der mir das Biopsieergebnis spätestens am Dienstag mittags mitteilen wollte. Einen weiteren Besprechungstermin hatte ich am Mittwoch nachmittag. Bis Mittwoch mittags hatte ich meine Telefone nicht auser Hörweite gelassen aber es kam kein Anruf. Dafür kam in der Befundbesprechung dann der Riesen-Schock. Der Tumor war wirklich eine Krebsvorstufe und in einem, vermutlich kleinen (so genau konnte man das aber in der Biopsie nicht feststellen) Bereich schon zu einem richtigen, invasiven Krebs entartet.
Als erster Schritt der Therapie stand also die Operation bevor, alles Weitere sollte geplant werden, nachdem der Tumor entfernt und vom Pathologen untersucht worden war. Als OP-Datum wurde der darauffolgende Montag festgelegt, da ich am Wochenende meinen 30. Geburtstag feiern wollte und dafür schon 30 Gäste eingeladen hatte.
Die Operation verlief gut, der Tumor wurde entfernt und in den 4 mit entfernten, untersuchten Lymphknoten konnten keine Absiedelungen entdeckt werden. Am übernächsten Tag erfolgten dann die Untersuchungen von Bauch und Lunge, die auch keine krankhaften Befunde zeigten. Für Gott sei Dank nur vorübergehende Aufregung sorgte die Knochenuntersuchung, in der sich ein tiefdunkler Fleck an meinem linken Schienbein zeigte. Dunkel heisst in dem Fall viel radioaktives Kontrastmittel, mehr Durchblutung als normal, als Hinweis auf eine krankhafte Veränderung. Nach gefühlten 100000 Detail-Aufnahmen von meinem Schienbeinknochen gab der Chefarzt dann Entwarnung, die Veränderung wäre nur an der Knochenoberfläche und würde meinem Schienbeinkantensyndrom entsprechen, das ich in den Wochen davor großzügig ignoriert hatte.
Auf all diese guten Nachrichten folgte aber der nächste Schock. Der Tumor war größer als gedacht und konnte nicht vollständig entfernt werden. Der wirklich bösartige Teil wurde aber zur Gänze entfernt. Nach Untersuchung der mikroskopischen und immunologischen Eigenschaften des Tumors wurde dann in einer Tumorkonferenz beschlossen, dass noch eine weitere Operation notwendig ist und dass ich danach eine Chemotherapie bekommen soll. Danach würde dann eine Strahlentherapie anschliessen und danach die sog. Antihormontherapie mit Medikamenten, die die Funktion der weiblichen Sexualhormone unterdrücken. Da solche Untersuchungen ihre Zeit brauchen wurde ich also erst Anfang Juni nochmals operiert. Dabei sollten die Reste des Tumorgewebes entfernt werden. Außerdem bekam ich auch noch einen Port, das ist ein im Körper bleibender Zugang zur großen Hohlvene, über den die Chemotherapie verabreicht wird.Wieder war der Ablauf problemlos abgesehen von einem großen, schmerzhaften Hämatom rund um den Port.
Und wieder kam die schlechte Nachricht vom Pathologen: Tumor nicht vollständig entfernt. Krebsvorstufen sprechen auf eine Chemotherapie nicht und auf eine Strahlentherapie nur vielleicht an, also wurde mir eine weitere Operation nahe gelegt. Das hieß aber auch, dass der Versuch einer brusterhaltenden Behandlung gescheitert war. Mitten im Kampf ums nackte Überleben hieß es nun auch noch diesen Schock zu verdauen und über plastisch-chirurgische Behandlungen nachzudenken. Da ich mir zu letzerem keinen klaren Gedanken fassen konnte und die Zeit zum Beginn der Chemotherapie drängte entschloss ich mich zur Brustamputation und dazu, über die weiblichen Körperformen und Schönheitsideale erst später in aller Ruhe nachzudenken. Möglichst erst dann, wenn der Rest der (über)lebensnotwendigen Behandlungen abgeschlossen ist.
Durch diese Operation konnte der Tumor nun endlich endgültig entfernt werden. Und da keine Lymphknoten befallen waren blieb mir dadurch auch die Strahlentherapie erspart.
Ich mache hier jetzt mal Schluss, ich habe schon Bildschirm-Augen und will noch in die Muckibude zur Trainingstherapie.
Später dann mehr...
Deine Geschichte macht mich nicht wirklich fertig.
Als wäre es so schon nicht schlimm genug, hast Du nicht nur das einfache Programm genommen.
Ich bin schon auf den weiteren Verlauf gespannt und wünsche Dir von Herzen, dass Du wieder genauso fit wirst ,wie der Nopogobiker wieder geworden ist.
Uff, ich habe es erst jetzt gelesen. Natürlich erinnere ich mich dunkel aus dem Mädelsfred, dass da etwas war.
Das jetzt so geballt zu lesen, macht mich sprachlos. Ich habe Gänsehaut und mir ist etwas schlecht, samt Kloß im Hals.
Ich gehör auch zu denjenigen, die vom Wagnerli durchs race for the cure gejagt werden. Das macht sie übrigens richtig super, voll der Coach halt
Beim nächsten Mal werde ich für dich mit rennen!!!
Ich wünsche dir, dass die Heilung weiterhin gut verläuft und du mit Lebensfreude- und Mut deinen Weg weiterhin gehen kannst.
Klasse, einen eigenen blog zu erstellen, ich lese gerne mit!
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Jan. 2008 mit Triathlontraining begonnen - auf der Sprintdistanz unterwegs.
2009 die olympische Saison absolviert.
- 2010 ging's auf die Mitteldistanz -
Uff, ich habe es erst jetzt gelesen. Natürlich erinnere ich mich dunkel aus dem Mädelsfred, dass da etwas war.
Das jetzt so geballt zu lesen, macht mich sprachlos.
Genau, daran kann ich mich auch noch erinnern.
Sorry,dass ich das jetzt so unverblümt sage.
Du hattest ja sehr lange ein Avatar aus Deiner Behandlungsphase und da habe ich nicht erkannt, was für ein junges Ding Du bist.
Kämpf Dich zurück ins Leben.
Sport und gesunde Ernährung werden ihren Teil dazu beitragen.
Zeig den Krebs, dass Du die Gewinnerin bist !!!.
10 Tage nach der 3. OP begann dann also die Chemotherapie. 5-Fluorouracil, Epirubicin und Cyclophosphamid hiessen die drei Zellgifte, die für die nächsten Monate meine Freunde werden sollten. 6 Mal, in dreiwöchigen Abständen, gab es einen sog. Zyklus dieser Medikamente, begleitet von gefühlten Tonnen an Kortison und diversen anderen hammerharten Medikamenten, die nur dazu dienten, die Nebenwirkungen der Zytostatika zu ertragen. Vorgewarnt wurde ich vor Übelkeit, Haarausfall, Müdigkeit, Gewichtszunahme und am gefährlichsten, der Schädigung des Knochenmarks und damit der Blutbildung und der Immunabwehr.
Im Nachhinein kann ich sagen, ich hatte alle Nebenwirkungen durch aber kein Zyklus glich dem anderen. Nach dem ersten war noch nicht viel zu merken, etwas flau im Bauch, müder und weniger leistungsfähig als normal aber alles in erträglichem Rahmen. Die Blutwerte hatten sich noch nicht von den Operationen erholt und waren dementsprechend nieder, aber noch nicht gefährlich nieder. Erst nach ca. 2 Wochen machte sich eine sehr unangenehme Auswirkung der Zytostatika bemerkbar. Haarausfall! Und zwar überall. 3 Tage und einen Friseurbesuch später hatte ich statt meiner Wallemähne die Frisur von Skunk Anansies Frontfrau... Um nicht so sehr aufzufallen trug ich in der Öffentlichkeit meistens eine Perücke, nicht hässlich aber im Hochsommer ganz schön nervig. Aber noch weniger schlimm als die Glotzaugen der Leute im Supermarkt oder am Strand.
Der 2. Zyklus war im Wesentlichen von Übelkeit geprägt. Irgendwelche Gerüche und ich hätte ko...können. Nicht nur Küchengerüche, auch manche Duschgels und andere harmlose Gerüche lösten dieses Gefühl aus. Und die Müdigkeit wurde schlimmer. Zum Glück war der Spuk nach einer Woche wieder so gut wie vorbei. Ein paar Tage später traten dann die ersten Löcher in der Mundschleimhaut auf. Zyklus Nr. 3 führte zu einer Steigerung der Übelkeit, und zu noch mehr Schlafbedürfnis. Für Zyklus Nr. 4 gab es andere Begleitmedikamente gegen das Erbrechen. Das war dann zwar weg, dafür kamen aber die Geschmacksverwirrungen und wirren Gelüste. Übelkeit und gleichzeitig Appetit auf Bratwurst mit Pommes und andere Schweinereien waren an der Tagesordnung. Ich hatte schon gehofft, zumindest von der Gewichtszunahme verschont zu bleiben. Aber nein, jetzt kam auch das noch dazu. Und immer stärker werdende Beinödeme. Die seltsamen Symptome verschwanden immer recht pünktlich nach 7 Tagen, die Ödeme und die Gewichtszunahme blieben hartnäckig.
Jeweils 1 Woche nach den Zyklen 1-3 konnte ich eigentlich ganz nett Sport machen. Eine Stunde walken und joggen im Wechsel, mit dem Rad durch die Sommerlandschaft kurven, im Watt und am Strand lange Spaziergänge unternehmen usw. Nach Zyklus 4 war joggen erst mal vorbei. Die Beine waren so voll Wasser, dass ich sie kaum noch hoch bekommen habe. Und walken oder wandern war auch entsprechend mühsam. Radfahren war soweit ok, aber ziemlich anstrengend. Ein Hügelchen auf dem Weg zum Strand wurde zum Gradmesser meiner Fitness. Wenn ich dort noch die Touristen auf ihren Hollandrädern (ich selbst saß auf meinem Cyclocrosser) überholen konnte war alles in Ordnung.
Zyklus Nr. 5 war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend. Noch im Krankenhaus bekam ich Kreislaufprobleme und musste dort bleiben. Ich hatte über 30 Stunden geschlafen und von meiner Umgebung kaum etwas mitbekommen. Zuhause ging es dann ähnlich weiter. Aufstehen zum Essen, ein paar Bissen und wieder hinlegen, weiter schlafen. Nach und nach wurde das zwar wieder besser aber die jetzt 5 Zyklen waren sehr deutlich zu merken. Da sich diese Reaktion niemand wirklich erklären konnte gab es für Nr. 6 einfach noch mehr Kortison. Und während der 6 Stunden, die die Infusionen liefen, saß fast ständig eine Krankenschwester bei mir im Zimmer zur Beobachtung. Und es ist nichts passiert. Keine Müdigkeit, keine Nebenwirkungen, keine allergische Reaktion. Die geringsten Nebenwirkungen spürbaren hatte ich zum Schluss. Jetzt war allerdings mein Konochenmark soweit hinüber, dass sich ein echter Mangel an weißen Blutkörperchen zeigte. Also hieß es zuhause bleiben und in den wenigen unvermeidlichen Menschenansammlungen einen Mundschutz aufzusetzen. Immerhin setzte im Oktober 09 auch gerade die große Schweinegrippe-Panik ein.
Danach kehrte wieder etwas Ruhe ein. Im November stand dann die erste große Nachsorge auf dem Programm, die gleichzeitig auch der Start der Antihormontherapie war. Eine unscheinbare weiße Tablette täglich und eine Spritze/Monat von denen man die wildesten Storys hören und lesen kann. Von Gewichtszunahme (warum denn schon wieder?) über Hitzewallungen bis zur sexuellen Unlust standen mal wieder wüste Nebenwirkungen auf den Beipacktexten. Die Nachsorge ergab keine pathologischen Befunde und fast genauso wichtig wie die Tatsache, dass der Tumor weg ist war der Befund vom Kardiologen. Das als herzschädigend bekannte Epirubicin hat keine Spuren hinterlassen. Uff.
Auch im November begann die Anschlussheilbehandlung. 3 Wochen in einer Rehaklinik in Bad Schwartau. Gedacht um sich zu erholen, wieder zu Kräften zu kommen und Bewegung zu machen in der geschützten Umgebung der Klinik, wo man sich um nichts anderes kümmern muß als sich selbst. Das hat soweit gut funktioniert, die Nähe zu Lübeck war in der Vorweihnachtszeit auch sehr nett. Pünktlich zu Beginn von 100/100 habe ich es während der Reha auch wieder geschafft, 30min am Stück laaaaaangsam zu laufen. Mit etlichen Kilos mehr auf den Rippen und noch nicht wieder verschwundenen Beinödemen nicht so einfach. Das Rad hatte ich dort aber leider umsonst mit.Von 21 Tagen war an 18 Regenwetter.
Die Katastrophen der Antihormontherapie sind übrigens nicht eingetreten, * holzklopf* bis heute nicht.
Im Laufe des Winters verschwanden die Neben- und Auswirkungen der Chemotherapie zusehends. Die Haare wuchsen wieder, das Schlafbedürfnis sank und das Gewicht auch. Im Januar war eine Stunde joggen schon wieder ok. Im Februar begann dann auch die Wiedereingliederung in den Beruf, arbeiten im Schonwaschgang für 6 Wochen. Und danach war erst mal Urlaub in Spanien.
Ich wußte schon,dass du Krebs hast,aber wenn man dann die genaue Geschichte liest ist es schon anders und berührt mich.
Ist es richtig,dass zu Anfang zu nachlassig gehandelt wurde???
Ich bin in den letzten 10 Jahren viel mit Krebs konfrontiert worden,igendwie kommt es mit dem Alter bzw. sind bestimmt mehr als 10 Frauen daran erkrankt:80% Brust,der Rest Lunge und Leber.
Alle haben bis jetzt überlebt,trotzdem steht es immer im Raum,ich denke das ist ein Alp der dich dein ganzes Leben lang begleitet und mit dem du lernen mußt umzugehen-keine leichte Sache.