Dein Verständnis zu Parteien ist halt schräg. Parteien sind erstmal keine Klientel- oder Interessenvertretung, wie z.B. eine Gewerkschaft... Die jeweilige Partei tut das, weil es innerhalb der Partei ein Grundverständnis darüber gibt, dass die jeweilige Schwerpunktsetzung das beste für das Land ist.
Deine Beschreibung ist eine schöne "Soll"-Spezifikation, die früher eher gestimmt hat, aber sich spätestens während Merkels Kanzlerschaft zunehmend aufgelöst hat in der wachsenden Polarisierung. Die Realität wird oft anders wahrgenommen. Die FDP gilt als Partei für die Reichen, Unternehmer, Porsche-Fahrer, die Grünen als Partei der großstädtischen Akademiker, die CDU als Partei der Rentner und Beamten, die SPD war mal die Partei für die Arbeiter und Geringverdiener mit Aufstiegsversprechen, aktuell wird sie oft eher als Vertreter von verschiedenen Minderheiten wahrgenommen, die AfD für Demokratie- und Ausländerfeinde, u.a.m. (alles Klischees, die aber oft bestätigt werden durch eine gewisse Einseitigkeit der öffentlichen Positionen und Gesetzesvorschläge).
Zitat:
Zitat von Nepumuk
Was das mit dem Menschbild zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.
Mit dem Menschenbild hat nur zu tun, wenn man es für unproblematisch und irrelevant hält, daß in einer Demokratie ca. die Hälfte der Bevölkerung keine der im Parlament vertretenen Abgeordneten gewählt hat, weil das eigentlich ein Zeichen ist, daß viel mehr Menschen als früher kein Vertrauen mehr in irgendenen aktiven Teilnehmer dieser Politik haben. Natürlich wiegen die durch unter-5%-Stimmen da schwerer, als die möglicherweise wirlich desinteressierten Nichtwähler, aber die Summe sollte nie allzu hoch sein, finde ich. Zu behaupten, dann auch zum Wohle dieser Menschen die Politik zu machen, die diese ablehnen, finde ich arrogant.
Zitat:
Zitat von Nepumuk
Was halt in dem Modell nicht zum Zug kommen, sind extreme Positionen weder rechts noch links. Und das ist ja auch gut so, auch wenn du das scheinbar bedauerst. Da solltest du aber nicht von dir auf (zu viele) anderes schließen.
Du unterstellst damit, daß alle, die nicht vertreten sind, extreme Positionen vertreten - das halte ich auch für falsch. Wenn man sich aber um die Demokratie sorgt, weil die Menschen in die Extreme abdriften, wird dies nicht besser machen, wenn es ihm egal ist, wie viele sich vom Vertrauen in die agierenden Parteien abwenden.
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“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Beispiel: Hier in der Schweiz gíbt es regelmässig Sachabstimmungen, also Referenden zu Themen, bei denen man simpel ja oder nein sagen kann. Nichts dazwischen - niemand wäre unvertreten. Deiner Theorie nach müsst die Stimmbeteiligung immer nahe 100% sein - ist sie aber nicht. Oft kommt irgendwas zwischen 35 und ca. 50% raus. und warum?
Weil eine Sachabstimmung zu einem einfachen Thema natürlich nie alle Wähler gleich betrifft, und weil eine einfache ja/nein Option bei vielen Themen zu unterkomplex ist, und man u.U. keiner der beiden Positionen zustimmt. Eine Bundestagswahl ist allerdings mehr, als eine solche monothematische Sachentscheidung, und der Einfluß auf unser aller Leben viel größer, daher ist die Bedeutung der Wahlbeteiligung auch eine andere. Ansonsten geht es mir weniger um die Absolutzahl, als um die sehr starke Erhöhung des Anteils der nicht vertretenen im Vergleich zu allen früheren Wahlen.
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Was helfen kann:
- Ein fluides Parteiensystem (halte ich für in Deutschland gegeben, wenn man Geschehen der letzten 10-15 Jahre ansieht)
- Wahlpflicht (gibt es, Belgien und Türkei fallen mir ein) & ist nicht so erfolgreich
- NOTA-Ansatz (Wahloption der "None of the above" um mal zu zählen, wer weder das eine noch das andere will), sendet ein unklares Signal
- Tradition Wahlzettel ungültig abzugeben (ist mir nur als Protestaktion in Pseudo-Demokratien bekannt)
Ergänzungsvorschlag:
- Politische Angebote, die eine breite Bevölkerung bewegen oder ansprechen, nicht vorschnell oder zu pauschal als Populismus brandmarken, generell höhere Akzeptanz von abweichenden Zukunftsbildern und offene Diskussion über Wege für die Gesellschaft, ohne Polarisierung und Diffamierung
Zitat:
Zitat von merz
- lange Diskussionen was eine normale, gute, sehr gute Wahlbeteiligung eigentlich ist; mal von den extremen her gedacht: Nehmen wir an, die Beteiligung liege nur noch bei 20% oder sie läge bei 80%
Was kann das bedeuten?
m.
Normal mißt sich natürlich am langjährigen Mittel der vergangenen Wahlen. Änderungen in einer oder anderer Richtung sind einmalig wenig bedeutsam, Trends über Jahre hinweg können ein Zeichen sein. Ich persönlich empfinde eine Wahlbeteiligung (oder Parlamentsvertretung) von unter 2/3 der Wähler als eine Grenze, unter der das Interesse der Menschen an der Politik offenbar stark absinkt, und sie damit ihre Mitwirkung als irrelevant empfinden - und ihre Kontrolle nicht mehr ausüben. Das kann aus sehr tiefem Vertrauen (das läuft auch ohne mich gut) und aus großem Mißtrauen (die machen eh alle das Falsche) gleichermaßen entstehen. In welche Richtung tendieren wir in Deutschland?
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Zu behaupten, dann auch zum Wohle dieser Menschen die Politik zu machen, die diese ablehnen, finde ich arrogant.
Die Abnahme, diese Menschen würde die Politik bzw. das politische System ablehnen, ist halt nicht belegt. Und natürlich muss man immer das ganze denken, wird aber nie dazu kommen, jedes Individuum gleich zu berücksichtigen.
Zitat:
Zitat von Schwarzfahrer
Du unterstellst damit, daß alle, die nicht vertreten sind, extreme Positionen vertreten -
Nein, das unterstelle ich nur dir. Du hast hier schon häufig Positionen vertreten, die klar außerhalb des Grundgesetzes stehen. Da vertritts DU extreme Positionen.
Und trotzdem machen Die Grünen für dich ganz persönlich Politik, indem wir uns für die Rechte von Minderheiten wie z.B. Behinderten einsetzen. Ob dir das nun passt oder nicht.
Es ist herrlich.
Ich hätte überhaupt nicht die Zeit den ganzen Sermon vom Schwarzfahrer zu lesen, geschweige denn darauf zu antworten.
Ich lese aber gerne die kurzen Antworten von anderen.
Es liefert mir jeden Tag die nötige Portion Realsatire.
So einfach würde ich mir das nicht machen. Das ist keine Realsatire, sondern der ganz reale Versuch von Rechtsaußen, das bestehende politische System und dessen Vertreter zu diskreditieren.
Das gabe es vor 33 schon mal, als der Reichstag von der NSDAP als "Schwatzbude" verunglimpft wurde. Schwarzfahrer macht hier das Gleiche, nur mit mehr Worten. Das hat er sich natürlich nicht selber ausgedacht, entspreche Narrative findet sich in rechten Zirkeln. Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis er hier behauptet, dass ein "starker Führer" doch bestimmt besser für Deutschland wäre.
Da macht es schon Sinn, sich dem entgegen zu stellen.
Echt? Er erzählt doch ständig, dass der einzelne Abgeordnete als Einzelkämpfer bessere Entscheidungen treffen würde als die Parteien heute. Wenn man das schon glaubt und behauptet, ist der Schritt zum Führermodell nicht mehr weit.