Arne, liest Du genau, denn ich schrieb nicht, daß es nicht "zulässig" sei, sondern daß es nicht als Argument "taugt" - das ist ein gewaltiger Unterschied.
Es taugt deshalb in DIESER Diskussion nicht, weil z. B. Artikel, wie der von Uli, gerade nicht über den heutigen Status Quo sprechen, sondern über die Vorstellung eines ZUKÜNFTIGEN.
Das aktuell geltende Recht kann daher nur als Ausgangs- und Referenzpunkt dienen, aber nicht als Argument.
Ich schrieb von den Gründen, die dafür mitverantwortlich sind, dass sich das "zukünftige" Recht nicht bereits heute etabliert hat, also von den Gegengründen. Wenn wir sie ignorieren, sind wir Träumer.
Ich schrieb von den Gründen, die dafür mitverantwortlich sind, dass sich das "zukünftige" Recht nicht bereits heute etabliert hat, also von den Gegengründen. Wenn wir sie ignorieren, sind wir Träumer.
Der Hauptgrunde, warum das geltende Sportrecht in Deutschland schon heute europäischen Standards weit hinterherhinkt und auch nicht dem gesellschaftlichen Konsens, der mittlerweile stark für ein echtes Dopinggesetz und stärkere Sanktionierung von Betrügern gerichtet ist, entspricht liegt darin, dass auf diesem Gebiet die von Arne erwähnte Kontrolle der Rechtsauffassungen durch den Staat nur theoretisch besteht, aber in der Praxis nicht einmal näherungsweise funktioniert.
Die Gründe dafür stelle ich hier einmal kurz dar:
Die Verbände unter Federführung des DOSB haben über Jahre krampfhaft versucht ihre Autonomie, was Dopingermittlung, Dopingverfahren und Dopingsanktionierung betrifft zu erhalten. Dass dabei die Interessen der Sportler im Vordergrund stehen ist natürlich nur ein frommer Wunsch, denn in den Mitbestimmungsgremien des organisierten Sports sitzt zwar in der Regel auch ein Athletenvertreter, aber in erster Linie sitzen dort Funktionäre mit Machtkalkül, die das beste für ihren Verband (Medaillen, Fördergelder, wobei die Verteilung von Geldern durch das Bundesinnenministerium sich in Deutschland in erster Linie an sportlichen Erfolgen, egal wie diese erreicht wurden, bemisst) und nicht primär das Beste für ihre Sportler wollen.
Die Kontrolle der Verbände (und der von ihnen aufgelegten Rechtsnormen) erfolgt theoretisch durch den Gesetzgeber=Bundestag. Weil der Mehrheit des Bundestages die notwendige Expertise fehlt, um komplizierte Sachverhalte wie Sportrechtsautonomie oder juristische Feinheiten des Antidopingkampfes zu verstehen delegiert dieser (wie bei allen Gesetzgebungsverfahren) die Feinarbeit an einen spezialisierten Ausschuss, in diesem Fall den Sportausschuss. Und genau in diesem Sportausschuss sitzen nun wieder in erster Linie Sportfunktionäre: Die Vorsitzende des Sportausschusses ist gleichzeitig Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbandes, der prominenteste CDU-Vertreter Eberhard Gienger ist nebenbei noch Vizepräsident Leistungssport beim DOSB (und nebenbei noch aufgrund seiner eigenen Biographie ein überzeugter Doping-Befürworter)-
Dass ein solches Gremium es seit mehreren Legislaturperioden nicht schafft, ein von der breiten Bevöllerungsmehrheit eigentlich gewünschtes Anti-Dopinggesetz auf die Beine zu stellen ist nicht weiter verwunderlich.
Hafu, da hast Du einen IMO sehr wichtigen Punkt erwähnt. Ergänzen sollte man ihn noch durch die Gerichte und deren Rechtsauffassungen. Sie bilden eine Kontrollinstanz, die man nicht unter den Tisch fallen lassen kann.
International ist man in manchen europäischen Ländern schon weiter, was die Strafbarkeit des Dopings betrifft, das ist richtig. Es gibt aber keinerlei Konsens bezüglich lebenslanger Strafen bei Erstvergehen. Eher könnte man von einem Konsens GEGEN lebenslange Strafen sprechen.
Die Strafbarkeit von Dopingvergehen, die ich befürworte, ermöglicht den Einsatz z.B. der Polizei zur Ermittlung der Vergehen. Man hat dann also nicht nur die Dopingkontrolleure und Laborantinnen und Körperflüssigkeiten, sondern kann auch mal Computer oder Mailaccounts etc. checken. Das ist eine gute Sache.
Die Probleme gehen los, wenn der Athlet vor ein ordentliches Gericht gestellt wird. Hier hat er alle Möglichkeiten des Rechtsstaats, sich zu verteidigen. Es besteht die Möglichkeit, dass ein vom Verband gesperrter Sportler vor Gericht nach jahrelangem Prozess freizusprechen ist, weil absichtliches Doping nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Was dann? Kann ein Verband finanziell einen jahrelangen Prozess gegen einen millionenschweren Sportler überhaupt durchstehen? Auch bei mehreren solcher Prozessen gleichzeitig? Was ist mit Schadenersatzklagen bei einem Freispruch?
Das sind ernstzunehmende Einwände. Es ist nicht so, dass alle blöd oder reaktionär wären, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Die Strafbarkeit von Dopingvergehen bringt eine Menge Vorteile bei der Aufdeckung und Ermittlung, nicht aber bei der Bestrafung. Man denke nur an den Prozess gegen den Ex-Radprofi Stefan Schumacher. Was macht ein ehrenamtlich geführter Sportverband, der parallel 10 oder 20 solcher Prozesse bewältigen muss? Wahrscheinlich die Grätsche.
Update zur heutigen Live-Sendung: Michi Weiss steht uns für ein Gespräch leider nicht zur Verfügung. Ich hatte ihn gefragt, ob er sich nach dem Interview mit Uli Fluhme während unserer Sendung äußern wolle. Er hat es sich überlegt, sich aber schließlich dagegen entschieden.
Für Sendungen, die sich mit seiner Person als Sportler und nicht mit seinem Dopingfall befassen, steht er gerne zur Verfügung.
Der größte Fortschritt mit der Strafbarkeit des Dopings, wäre die Rechtmäßigkeit ordentlicher Ermittlungen von ordentlichen Ermittlungsbehörden.
Plötzlich hat man dann auch die Möglichkeit, Maßnahmen der Strafverfolgung einzusetzen, die den Dopingermittlern zumindest in Deutschland zumaist verwährt bleiben.
Nur kommen wir hier schon zum nächsten Problem. Um zB Telefonüberwachung (wozu auch die Überwachung des Internetaccounts gehört) angeordnet zu bekommen, muss die Strafbarkeit des Dopingvergehens gewaltig hoch aufgehängt werden, da dieser Eingriff in die Persönlichkeitsrechte doch sehr stark geschützt wird und nicht bei wagem Verdacht erlaubt wird.
Und dann kommen wir wieder in eine Misere der Ermittlungsbehörden. Wer soll gegen Sportler ermitteln? Der ausgebildete Schutzmann ohne Spezialkonntnisse oder der seine Kenntnisse über Doping in einem 2 wöchigen Lehrgang erhält? Man darf nicht davon ausgehen, dass mit dem Erlassen eines Gesetzes plötzlich alles besser wird.
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Auf dem Weg vom “steifen Stück” zum geschmeidigen Leopard
Der größte Fortschritt mit der Strafbarkeit des Dopings, wäre die Rechtmäßigkeit ordentlicher Ermittlungen von ordentlichen Ermittlungsbehörden.
Plötzlich hat man dann auch die Möglichkeit, Maßnahmen der Strafverfolgung einzusetzen, die den Dopingermittlern zumindest in Deutschland zumaist verwährt bleiben.
Nur kommen wir hier schon zum nächsten Problem. Um zB Telefonüberwachung (wozu auch die Überwachung des Internetaccounts gehört) angeordnet zu bekommen, muss die Strafbarkeit des Dopingvergehens gewaltig hoch aufgehängt werden, da dieser Eingriff in die Persönlichkeitsrechte doch sehr stark geschützt wird und nicht bei wagem Verdacht erlaubt wird.
Und dann kommen wir wieder in eine Misere der Ermittlungsbehörden. Wer soll gegen Sportler ermitteln? Der ausgebildete Schutzmann ohne Spezialkonntnisse oder der seine Kenntnisse über Doping in einem 2 wöchigen Lehrgang erhält? Man darf nicht davon ausgehen, dass mit dem Erlassen eines Gesetzes plötzlich alles besser wird.
Man verstößt durch "Doping" in Deutschland gegen eine Reihe Gesetze, wenn auch nicht gegen ein spezielles Dopinggesetz. Aber im Rahmen des Arzeimittelgesetzes, Abgabe und Beschaffung verschreibungspflichtiger Medikamente, Drogenhandel (bzgl. Aufputschmitteln) etc gäbe es eine Reihe von Sachverhalten wo man in jedem Fall strafrechtlich tätig werden könnte. Bleibt eher die Frage, warum das nicht getan wird.
Man verstößt durch "Doping" in Deutschland gegen eine Reihe Gesetze, wenn auch nicht gegen ein spezielles Dopinggesetz. Aber im Rahmen des Arzeimittelgesetzes, Abgabe und Beschaffung verschreibungspflichtiger Medikamente, Drogenhandel (bzgl. Aufputschmitteln) etc gäbe es eine Reihe von Sachverhalten wo man in jedem Fall strafrechtlich tätig werden könnte. Bleibt eher die Frage, warum das nicht getan wird.
Weil der Konsum nicht Strafbar ist und die Konsumenten a la Omerta nicht gegen ihre Quellen aussagen.
Hier gibt es dann wenig Anhaltspunkte für erfolgversprechende Verfahren.
Ermittlungsmöglichkeiten gibt es.
Wird ein Sachverhalt bekannt, dass jemand zB Aufputschmittel konsumiert, muss er diese ja auch besitzen. Damit begeht er eine Straftat, nämlich den Besitz von Betäubungsmitteln gem §§ 1,3,29 BtMG. Da bei Erstverstoß diese Verfahren grundsätzlich wegen Nichtigkeit oder ähnlichen Gründen eingestellt werden, gibt es leider keine Möglichkeit über diese Strafverfahren an die Beschaffungswege heranzukommen. Es besteht einfach kein Interesse daran den Konsumenten strafrechtlich zu kriminalisieren, da es viele Rehabilitationsprogramme (gerade im Bereich der Drogenabhängigkeit unmöglich macht). Dazu besteht ja auch gesellschaftlicher Konsens, dass der arme kleine Kiffer ja niemanden etwas tut und der Kokser ja auch nur seine eigene Gesundheit gefährdet und die Strafbarkeit eine Farce ist. Und solange der Betäubungsmittelkonsum zum Rausch und der Drogenkonsum zur Leistungssteigerung sich im selben rechtlichen Bereich bewegen, wird es schwierig hier eine gescheite Strafbarkeit für Doping zu begründen ohne den Drogenkonsumenten zu kriminalisieren.
Ich bin auch eher der Meinung, dass ein Dopinggesetz strafrechtlich eher in die Ecke der Wirtschaftskriminalität (Betrug) gehört und nicht in das Betäubungsmittel- oder Arzneimittelgesetz.
Adressat des Gesetzes müsste man auch genau bestimmen. Und hier kommt man wieder in ein Problemfeld. Wen möchte ich bestrafen?
a) den Sportler
b) den Arzt
c) den Funktionär/Manager der es ermöglicht oder unterstützt
d) den Sponsor der davon profitiert?
Dazu muss ich das Strafverfahrensrecht anpassen. Da bestimmte Überwachungsmaßnahmen an bestimmte Tatbestände oder Strafzumessungen genüpft sind. Dazu ist die Frage, ob bei internationalen Tätern nationales Recht überhaupt sinnvoll anzuwenden ist oder ob man da als "vereinigtes Europa" nicht eher ein europäisch einheitliches Gesetz in Form bringen sollte? Da allein die Tatortfrage und damit die Zuständigkeit schwierig wird. Sportler A spritzt sich zur Leistungssteigerung in Spanien Cera und lässt sich in Bulgarien Blut entnehmen, was nach Italien zur aufbereitung geht und lässt sich diesen in Deutschland wieder zuführen um in Dänemark einen Wettkampf zu bestreiten. Wo ist denn jetzt der Tatort des "Leisutngsbetrugs", dort wo er die Leistungssteigerung hat durchführen lassen oder dort wo er davon profitiert hat? Und damit steht und fällt die Frage welche Ermittlungsbehörde zuständig ist. Das ist schon bei "richtiger" Kriminalität sehr schwierig und endet meistens in irgendwelchen Penislängenvergleichen.
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