Waren die Abstiege bisher nicht ganz so steil und holprig, überfordern sie nun meine eingeschränkten Reflexe. Trotz guten Schuhen und Laufstecken muss ich sehr aufmerksam und entsprechend langsam absteigen, während die meisten locker flockig runter rennen. Allein schon der Gedanke an meine alten Sehnen und Gelenke würde mich schaudern lassen.
Nun, dies war von vornerein zu erwarten gewesen. Ich bemühe mich nicht zum "Brustschwimmer" zu mutieren

, vermeide mitunter die Idealwege und gehe am Rand oder lasse immer wieder die Schnelleren vorbei.
Trotzdem stolpere auch ich gelegentlich, fange mich aber zum Glück immer rechtzeitig auf.
Nur, jetzt so oft überholt zu werden und meine bis dahin immer noch gute Zwischenzeit, wie Butter in der Sonne dahin schmelzen zu sehen, ist frustrierend
Nach 35 km, 1.500 HM und 6.40 Std., beim Zwischenziel in der Eng hätte ich, ohne ein DNF zu kassieren, aufhören können. Allerdings musste man diesmal den Transfer vorher buchen und unsere waren ab Pertisau geplant.
Also habe ich mich wieder ausgiebig gewässert und bin weiter. Konditionell und kreislaufmässig ok, standen jetzt nahezu 700 HM am Stück an. Erst breite Wege, dann 500 HM in der "Wand". Ein krasses Gefühl, wenn man dann am Anfang nach hoch oben schaut und sich dort in luftiger Höhe Menschen bewegen.
Fehler Nummer 3. An der VP bei der Alm vergesse ich meine Softflask mit Wasser aufzufüllen. Dies werde ich später bereuen, mit den anfangs geschilderten Folgen.
Und nun, von da ab wieder weiter.
Ich sitze, fühle mich erstmal hilflos. So ziemlich die ungünstigste Stelle, des Karwendelmarsches, um schlapp zu machen.
Die ersten gehen, ähnlich apathisch, an mir vorbei. Andere fragen freundlich, wie es mir geht und ob ich Hilfe brauche.
Ich will, wie üblich, erst wieder meine Puls beruhigen, kaue wieder ein Traubenzuckerstückchen und trinke noch etwas, mittlerweile warmes Iso.
Ich antworte, dass ich erst einmal abwarten will, wie es sich entwickelt.
Dann kommt eine sportliche Wanderin von oben, frägt auch sehr liebevoll und ausgiebig und meint, dass sich nur eine Kehre weiter ein Helfer von der Bergwacht befindet.
Der Zuspruch hat mich sehr gefreut. Mittlerweile war die Ampel wieder auf vorsichtig grün. Ich stehe auf und gehe weiter. Der Mann von der Bergwacht kümmert sich schon um einen anderen Sportler, aber ich brauche mittlerweile keine Unterstützung mehr.
Genauso krass, die heute unendlich schienende Wand ist kurz danach zu Ende, der höchste Punkt der Strecke erreicht.
Wieder mühsam bergab, da kann sich mein Kreislauf aber auch erholen, so langsam ich da bin. Meine Schwäche hat so also auch ihre gute Seite

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Bei der nächsten VP auf einer Alm trinke ich 5 Becher Wasser und lasse meine Softflask auffüllen, da spricht mich der Helfer im Hinblick auf meine Rothkappe an: "Ah, auch ein Triathlet". Wir kommen ins Gespräch und ich erfahre, dass er ein 9-Stunden-Finisher ist, aber auch den Karwendellauf schon in 4 Stunden bewältigte.
Wohl ein ehemaliger Sieger.
Nun folgt ein extrem rutschiger und steiler Abstieg auf Sand und Schotter, doch ich gehe mittlerweile in aller Ruhe. Ich will ohne Sturz finishen.
Die letzten 9 km sind relativ flach oder leicht abfällig mit guten, breiten Wegen, gefühlte "Autobahn".
Mir geht es mittlerweile kreislaufmässig und muskulär wieder erstaunlich gut (relativ), also fange ich an zu traben. Dies konnte ich die letzten Wochen bestens üben.
Jetzt bin ich dauernd am Überholen, die Laune ist gut, ebenso die Zuversicht. Ich habe ein neues Zeitziel, bleibe dran, trabe und trabe, die letzten 5 km im Schnitt von 6.40 min/km.
Ein KM vor dem Ziel überhole ich einen Sportler, der mir besonders freundlich seine Hilfe anbot, bedanke mich noch einmal. Er wundert sich dafür, dass es mir schon wieder so gut geht.
Zieleinlauf nach 10.18 Stunden, 52 Km und 2281 HM, trotz allen Widrigkeiten wieder geschafft, sogar mit einer Platzierung im Mittelfeld.
Ende? Nein. Das, sogar noch wesentlich spannendere, Geschehen lief an anderer Stelle ab.
Herzblatt und ihre Freundin wollten unbedingt noch einmal nach Pertisau, allerdings wurde heuer das Zeitlimit in der Eng für die 35 KM und 1.500 HM auf 8 Stunden deutlich verkürzt, für normale Wanderer fast nicht zu schaffen. Sie mussten auf die letzten Verpflegungsstellen verzichten, hetzten die Abstiege rasant runter und waren gerade noch 10 Sekunden vor dem Verbot eines Weitermarschierens durch.
Kurioserweise hatte Herzblatt

ebenso an den wohl gleichen 2 Stellen Kreislaufprobleme, die sie auch ähnlich in den Griff bekam.
Sie knickte, mit Besenwagenbegleitung, später mehrmals um und holte sich einige blutige Schrammen. Auch sie und ihre Freundin konnten am Ende noch Zeit durch Traben gutmachen und finishten in Pertisau 70 Minuten vor dem Zeitende

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Alle 3 erfolgreich und zufrieden im Ziel, die Blessuren eher kurzfristiger Natur.
Trotzdem, für uns war es dies dann auch mit Karwendel.
Mission erfüllt
