Das ändert nichts daran, daß ein Großteil unseres modernen Weltbildes von gläubigen Christen erdacht wurde, natürlich in partiellem Widerspruch zu den offiziellen Kirchenvertretern, wie Du ja sehr gut weißt.
Ob und inwieweit sie gläubig waren, kannst Du nicht wissen.
Ihre Wissenschaft war jedenfalls ein Ergebnis von Beobachtungen und logischen Erklärungen. Sie war kein Ergebnis des Glaubens. Wo sich Götterglaube mit der Wissenschaft vermischte, etwa bei Kepler, war sie falsch.
Die "Ergänzung der Wissenschaft durch den* Glauben" hast Du bisher nur behauptet und nicht belegt.
Der absolute Wahrheitsanspruch bezieht sich im Bereich der Moral z.B. auf Sätze wie diesen: Es ist zu jeder Zeit falsch Unschuldige zu töten.
Dieser Satz ist absolut wahr?
Mir scheint, Gott hat massenhaft Unschuldige getötet, unter anderem seinen eigenen Sohn. War das Deiner Meinung nach eine unmoralische Tat, insbesondere auch deshalb, weil sie komplett unnötig war? Gott hätte die Sünden der Menschen ja auch ohne diesen Mord vergeben können.
Wie gesagt, eine Bestimmung der objektiven Wahrscheinlichkeit ist in dieser Frage ausgeschlossen; subjektive Wahrscheinlichkeiten können so oder auch anders ausfallen; und ohnehin ist Wahrscheinlichkeit für den religiösen Glauben nicht entscheidend.
Zarathustra, ich bitte Dich. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr wohl für die Glaubwürdigkeit einer Behauptung relevant.
Nimm als Beispiel die Netzhaut des menschlichen Auges. Sie besteht aus dicht gepackten Sehzellen, die alle mit einem feinen Sehnerv verbunden sind. Es geht um eine sehr große Zahl an Sehzellen und Sehnerven. Sie werden gebündelt und laufen als dicker, gemeinsamer Nerv zum Gehirn.
Jetzt kommt’s: Die Sehnerven verlaufen nicht auf der Rückseite der Netzhaut, sondern auf der Vorderseite! Jeder Lichtstrahl, der durch die Pupille und auf die Sehzellen fällt, muss erst durch ein Dickicht an Sehnerven hindurch. Im Zentrum der Netzhaut haben wir deshalb einen blinden Fleck, da der gebündelte Sehnerv durch ein Loch in der Netzhaut zum Gehirn gelangt. Das Gehirn schafft es, diesen blinden Fleck fortwährend herauszurechnen.
Die Netzhaut ist quasi verkehrt herum im Auge platziert. Das lässt sich leicht durch die Entwicklungsgeschichte des Auges verstehen. Aber hätte ein allmächtiger Schöpfer es so konstruiert? Das ist äußerst unwahrscheinlich und nicht glaubwürdig, also des Glaubens würdig.
Falls man einen Unterschied zwischen Aberglauben und Glauben behaupten will, liegt er doch genau hier: Was äußerst unwahrscheinlich ist, ist Aberglauben. Zeus verwandelte sich in Goldregen, um seine Angebetete zu beeindrucken; es gab zwei allererste Menschen, die Adam und Eva hießen; ein allwissender und allmächtiger Gott schuf zuerst die Erde, danach die Sonne und Sterne. Warum fällt es heute so viel schwerer, das zu glauben, als vor zweitausend Jahren? Weil wir mehr über die Wahrscheinlichkeiten wissen, dass es sich um zutreffende Aussagen handeln könnte
Nehmen wir als Beispiel Newton, der sich selbst ausführlich, konstruktiv mit theologischen Fragen beschäftigte und der mit dem Beweis für das Wirken immaterieller Kräfte in seiner Naturphilosophie (Physik) einen wichtigen Hinweis auf Gott sah.
Wir wissen aber, dass diese immateriellen Kräfte keinerlei Hinweis auf Gott enthalten. Mit den immateriellen Kräften ist die Gravitation gemeint, richtig? Zwei Klumpen Materie ziehen einander an, und diese Anziehung selbst, die Gravitation, sei immateriell.
Heute verwenden wir dafür, wie Du selbstverständlich weißt, den Begriff des Feldes. Es gibt ein Gravitationsfeld, ein magnetisches Feld, ein elektrisches Feld und so weiter. James Clerk Maxwell und Albert Einstein haben das erforscht und mathematisch beschrieben. Mit dem Gott der Christen, der Sünden vergibt und Gebete erhört, hat das nicht das Geringste zu tun. Genauso wenig wie Gewitter mit Wettergöttern zu tun hätten.
Wenn es Dich interessiert, können wir gerne die "konstruktiven theologischen Fragen", welche Newton beschäftigten, näher diskutieren. Um zu sehen, ob sie in irgend einer Weise die Wissenschaft um den Glauben ergänzen. Diese Behauptung steht ja nach wie vor im Raum. Meine Quelle dazu wäre das schwerverdauliche Werk "Die Ideengeschichte der Physik", die ich im Bezug auf Newton bei Interesse zusammenfassen würde.
Bitte entschuldigt die vielen Postings in der letzten Stunde. Hier ganz zuletzt noch ein Link zu einem lesenswerten Interview:
Schönborn schließt nicht aus, dass Priester in Zukunft heiraten dürfen Der Kardinal über sein Verhältnis zum Islam, Missbrauchsfälle und mögliche Änderungen in der Sexualmoral der Kirche.
» Hier lesen
Das 'kritische Denken mit zugrundeliegender grundsätzlicher Annahme' muß man natürlich nicht unbedingt Glauben nennen. Gleichwohl teilt es mit dem religiösen Glauben wenigstens zwei Eigenschaften: zum Einen zumindest eine absolute Aussage über Metaphysisches zu machen und zum Anderen, daß es sich nicht um Wissen handelt.
Du schreibst, dass es sich sowohl beim kritischen Denken als auch beim Glauben NICHT um Wissen handelt, wenn Aussagen über "Metaphysisches" gemacht werden. Kritisches Denken und Glaube teilten sich dieses Defizit.
Falls mit "kritischem Denken" die Naturwissenschaft gemeint sein soll: Die Naturwissenschaft macht keine Aussagen über "Metaphysisches". Sondern die Naturwissenschaft erklärt Daten. Über das "Metaphysische" liegen keine Daten vor.
Ebenso trifft die Naturwissenschaft keine Aussagen über Feen. Es ist nicht so, dass die Naturwissenschaft kein Wissen über Feen hätte, und dass sie daher mit der Religion in diesem Punkt im gleichen Boot sitzen würde. Sondern die Naturwissenschaft trifft keine Aussage.
Falls die Aussage darin besteht, dass womöglich Feen existieren, sagt die Naturwissenschaft, dass dazu keine Daten vorliegen, und dass insofern jegliche Behauptungen darüber substanzlos sind. Diese Substanzlosigkeit teilt man sich mit der Religion. Wohlgemerkt: Nicht die Naturwissenschaft ist substanzlos, sondern die Behauptung, es gäbe Feen.
Die Religion sitzt also nicht mit der Naturwissenschaft in einem Boot, sondern mit den Feen.
Unsere Sonne ist nicht zu sehen. Unsere Galaxie, die Milchstraße, enthält cirka 100 Milliarden Sonnen. Das für uns beobachtbare Universum beherbergt etwa 100 Milliarden Galaxien.
Laut Stephen Hawking sind es sogar 300 000 000 000.
Ich finde die "Genius" Dokus mit Hawking sehr schön. Das versteht versteht wirklich fast jeder.
Zarathustra, ich bitte Dich. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr wohl für die Glaubwürdigkeit einer Behauptung relevant.
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Falls man einen Unterschied zwischen Aberglauben und Glauben behaupten will, liegt er doch genau hier: Was äußerst unwahrscheinlich ist, ist Aberglauben. Zeus verwandelte sich in Goldregen, um seine Angebetete zu beeindrucken; es gab zwei allererste Menschen, die Adam und Eva hießen; ein allwissender und allmächtiger Gott schuf zuerst die Erde, danach die Sonne und Sterne. Warum fällt es heute so viel schwerer, das zu glauben, als vor zweitausend Jahren? Weil wir mehr über die Wahrscheinlichkeiten wissen, dass es sich um zutreffende Aussagen handeln könnte
Zarathustra, so wie ich ihn verstanden habe, unterscheidet und trennt halt prinzipiell Aussagen danach, ob sie von "metaphysischen" oder "innerweltlichen" Ereignissen handeln. Die einen sind bei ihm Teil von Glaubensmodellen, die anderen von Wissensmodellen. Wie man allerdings die Unterscheidung ohne wissenschaftlichen Diksurs über alle, auch die religiösen Aussagen treffen will, d.h. ohne die objektiven Wahrscheinlichkeiten, Sicherheiten aller Aussagen zu berücksichtigen, hat er bisher nicht geschrieben, äh offenbart .
Verzichtet man auf die Wissensprüfung und empirischen Methoden zur Unterscheidung von Metaphysik, Transzendenz / Wissen muss man nach dem (institutionellen) Kontext (Kirchen / Wissenschaftsinstitutionen) separieren: Sagt der Papst: "Gott erschuf die Welt in sechs Tagen" offenbart er Gottes Wort. Sagt ein Schüler dasselbe in Bio, erklärt man ihm die Fundbeweise der Biologen für die Evolution, die Ergebnisse wissenschaflicher (methodisch-empirischer) Forschung. Dass nur a) oder b) zutrifft, wovon Du und ich und viele andere ausgehen, scheint mir nachdem, was Zarathustra schrieb (dass z.B. sowohl Gott (Beten) wie der Arzt kranke Menschen heilen könnten.), für den Papst und viele Gläubige halt nicht zu gelten. Mit welchen gedanklichen Konstruktionen psychologisch die dadurch entstehenden kognitiven Dissonanzen verringert werden, kann man eigentlich IMHO bei jeder Predigt, in jeder Enzyklika und im Alltag im Gespräch mit Gläubigen erleben, was Jörn ja so verzweifeln lässt.