Ja, das kann ich so auch akzeptieren, trithos. Vorausgesetzt, es gibt ein Gesetz, welche das für alle gleich und verbindlich regelt.
Solange jedoch in öffentlichen Einrichtungen, welche ebenfalls den Staat repräsentieren, Kruzifixe hängen, verkraften wir auch das Kopftuch einer muslimischen Bürgerin.
aus meinen Argumenten heraus.
Schuld am extermen Rückschlag des Pendesl sind die Kemalisten.
So schlau waren die letztlich halt auch nicht, haben z.b. das Kurdenproblem auch nicht gelöst.
Offtopic:
Immerhin erreichte die CHP einen Waffenstillstand und ein Friedensabkommen. Davon ist heute Erdogan weit entfernt. Den Kemalisten für die Machtergreifung der AKP und Erdogan die Schuld zu geben, wäre so als ob man den Widerständlern und denjenigen, welche im Reichstag 1933 mit Nein votierten, die Schuld für die Machtergreifung der Nazis gäbe.
Ontopic:
Genau wegen dieser Deiner Haltung zum Kopftuchverbot fühlten sich die fortschrittlichen, liberalen, für einen säkularen Staat eintretenden Türken / Kurden von Europa allein gelassen.
[ Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
Auch nicht, wenn diese Weltanschauung Werte vertritt und Ziele verfolgt, die anderen Paragraphen des Grundgesetzes zumidest nicht entsprechen, oder gar widersprechen?
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Auch nicht, wenn diese Weltanschauung Werte vertritt und Ziele verfolgt, die anderen Paragraphen des Grundgesetzes zumidest nicht entsprechen, oder gar widersprechen?
Meinst Du das Christentum?
Ja, ich denke, dass der Paragraf auch in diesem Fall gelten sollte, zumindest interpretiere ich so den Geist des Grundgesetzes. Eine Religion oder eine Weltanschauung ist ja eine Geisteshaltung, also eine innere Sache in einem Menschen.
Strafbare Taten müssen hingegen strafbar bleiben, da würde ich mir mehr Konsequenz in den Gesetzestexten und der Rechtsprechung wünschen. Beispielsweise steht für mich der Tierschutz von Säugetieren wie Rindern höher als der Glaube der jüdischen Religion, ihr Gott verlange das lebendige Verblutenlassen dieser Tiere durch einen tiefen Halsschnitt. Natürlich ohne jede Betäubung. Oder die fortwährende Diskriminierung gleichgeschlechtlich liebender Menschen durch die Anhänger des christlichen Glaubens, welche das Argument ins Feld führen, der Schöpfer des Universums sei dagegen. Auch hier könnte der Staat klare Kante zeigen und nicht große Teile unserer sozialen Infrastruktur (öffentliche Schulen, Krankenhäuser etc.) solchen Menschen überlassen. Die religiöse Indoktrinierung kleiner Kinder an Grundschulen steht für mich im Widerspruch zur Religionsfreiheit der Kinder, die der Staat zu garantieren hat. Kinder sind nämlich auch Bürger.
Es ist doch albern, vor diesem Hintergrund ein Kopftuch zu verbieten. In Deutschland wird kleinen Kindern aufgrund der religiösen Überzeugungen der Eltern am Penis rumgeschnippelt, Tiere werden bestialisch getötet, ganze Bevölkerungsgruppen werden diskriminiert. Unser Staat erlaubt das. Ein Kopftuch in einer Amtsstube führt aber zum großen Aufschrei. Wird da nicht mit zweierlei Maß gemessen?
Ich fand das Urteil des Verfassungsgericht bezüglich der NPD interessant. Dort hieß es, es reiche nicht aus, dass eine Sache im Prinzip gefährlich sei, sondern es muss auch das konkrete Potenzial des Erfolgs vorliegen. Und weil die NPD derzeit keine Aussicht auf Erfolg hat, muss sie auch nicht verboten werden.
Könnte man diese Logik nicht auch auf das Kopftuch anwenden? Könnte ein "Anwalt der Kopftuchträger" nicht billigerweise verlangen, dass zuerst das konkrete Potenzial einer Gefährdung nachgewiesen wird? Und dass es nicht ausreicht, sich theoretische Szenarien auszumalen, in denen es schädlich sein könnte?
Hier in Frankfurt spazieren bei Sonnenschein viele kleine Familien am Main entlang, darunter viele Familienväter in kurzen Hosen und mit Bauchansatz, die stolz einen Kinderwagen vor sich her schieben. Daneben eine modern gekleidete Frau, allerdings mit Kopftuch. Ich frage mich, was man diesen Leuten konkret vorwerfen will?
Reicht das Potenzial einer Schädlichkeit aus?
Wenn sich der Mann als Hassprediger entpuppt, dann gibt es dafür Gesetze. Wenn die Frau den Kindern im Kindergarten mit wirren Koran-Geschichten (oder wirren Bibel-Geschichten) Angst macht, dann beschweren sich hoffentlich die Eltern. Aber solange diese konkreten Vorwürfe überhaupt nicht erhoben werden, frage ich mich, womit ein Verbot konkret begründet werden soll?
-----
Ich würde gerne noch einen zweiten Vergleich in die Debatte werfen, obwohl das Posting schon recht lang ist.
Im Bundestag erfordern manche Beschlüsse eine einfache Mehrheit (51%) und manche Beschlüsse eine Zweidrittel-Mehrheit. Manche Dinge werden also ganz besonders vor dem Zugriff des Staates oder der Öffentlichkeit geschützt.
Für mich ist das Kopftuch so ein Fall. Auf der einen Seite stehen die persönlichen Freiheitsrechte des Individuums; und auf der anderen Seite steht das Interesse des Staates, einen Sachverhalt zu regeln. Wer gewinnt nun?
Ich persönlich bin gegen das Kopftuch, aber nicht zu 100%, sondern sind eher zu 55%. Und das reicht nach meiner Meinung nicht aus, um die Freiheitsrechte anderer zu beschneiden, die ich für mich selbst uneingeschränkt genießen will. Das bedeutet, dass ich für das Kopftuch votiere, obwohl ich es eigentlich blöd finde, und obwohl ich anerkenne, dass die "Gegenseite" durchaus gute Argumente vorbringt.
Um meine Ablehnung auf 70% zu steigern, müssten die Verfehlungen der Muslime wirklich gravierend, konkret und nachweisbar sein. Außerdem müsste plausibel gemacht werden, dass ein Kopftuch-Verbot etwas daran ändern wird. Und es darf die Gleichberechtigungs-Grundsätze nicht verletzen, d.h. der nächste Papst, der im Bundestag eine Rede halten will, müsste sich eine ordentliche Hose leihen.
Nicht speziell; zumindest sind die Grundsätze des Christentums im Sinne des Neuen Testaments m.M.n. weniger im Widerspruch zu unserem Grundgesetz im Vergleich mit mancher anderen Ideologie oder Religion. Ich denke eher allgemein darüber nach, daß dieser Paragraph gerne selektiv angewendet wird.
Es ist z.B. in Ordnung, daß bestimmte Symbole wie das Hakenkreuz verboten sind, schließlich wurde es von den Nationalsozialisten als Symbol ihrer Gesinnung mißbraucht. Andererseits, ketzerisch gedacht: widerspricht es nicht dem o.g. Paragraphen, wenn Menschen wegen ihrer nationalsozialistischen Gesinnung benachteiligt werden? Sind alle NPD-Mitglieder oder Anhänger automatisch Verbrecher, oder evtl. nur Menschen, die es nicht besser wissen?
Wenn aber eine um eine Religion mit faschistoiden Zügen geht, stehen ihre Symbole, wie das Kopftuch plötzlich unter dem Schutz des selben Paragraphen. Dann ist es plötzlich klar, daß nicht alle Anhänger dieser Religion/Ideologie/Gesinnung die geschriebenen Grundsätze wörtlich nehmen.
Das wirkt auf mich so, daß eine beliebige Gesinnung einfach dadurch besonderen Schutz des Grundgesetzes genießt, wenn sie sich Religion nennt. Ist das im Sinne dieses Paragraphen?
Ich finde, daß die Symbolkraft des Kopftuchs für das fundamentalistische, rückwärtsgewandte, frauendiskriminierende Islam, wie es bereits von Atatürk erkannt wurde, von vielen im heutigen Westeuropa unterschätzt wird, was besonders von den fortschrittlicheren Muslimen als Verrat an ihrer Sache angesehen wird. Ich muß da qbz beipflichten:
[quote][/Genau wegen dieser Deiner Haltung zum Kopftuchverbot fühlten sich die fortschrittlichen, liberalen, für einen säkularen Staat eintretenden Türken / Kurden von Europa allein gelassen.QUOTE]
__________________
“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)