Für mich geht es hier überhaupt nicht um Fairplay, sondern um Chancengleichheit. Ich finde diese Unterscheidung wichtig. In allen Sportarten mit hohem technischen Aufwand und Material, das siegentscheidend sein kann, gibt es jenseits des Geschehens zwischen Startschuss und der Ziellinie, wenn überhaupt, nur eine Illusion der Chancengleichheit, wie das Beipsiel Jamaika in Sochi zeigte.
In Bezug auf den diskutierten Fall überwiegt bei mir die Freude darüber, dass wahrscheinlich der beste Fahrer gewonnen hat.
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Um einen fairen Vergleich der Leistung der einzelnen Sportler zu erreichen, müßten z.B. alle Bobfahrer mit dem gleichen Material unterwegs sein.
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Zitat:
Zitat von Jhonnyjumper
Für mich geht es hier überhaupt nicht um Fairplay, sondern um Chancengleichheit.
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in Sportarten, in denen das Material eine wichtige Rolle spielt, haben die Besten i.d.R. nach einer gewissen Zeit auch das beste Material. Das ist in diesen Sportarten ein Teil des Sports, schon mit schlechtem Material auf sich aufmerksam zu machen, um dann das gute Material zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Beispielhaft dafür mal Anfänge von Ayrton Senna in der Formel 1, der Mutter aller Materialschlachten. Er hat '84 im Regen in Monaco mit einem völlig unterlegenen Wagen 13(!) Plätze gut gemacht, hat dabei u.a. den späteren Weltmeister Niki Lauda überholt, und war pro Runde 3s(!) schneller als der führende Alain Prost, bevor das Rennen vorzeitig abgebrochen wurde. Ein Jahr später hat er mit seinem neuen Team Lotus im zweiten Saisonrennen den ersten Sieg geholt, weitere zwei Jahre später war er dann beim damaligen Top Team McLaren, wo er auf Anhieb Weltmeister wurde und insgesamt drei Weltmeisterschaften gewann...
In allen Mannschaftssportarten ist das übrigens ähnlich. Die guten Spieler müssen i.d.R. erst mal "in der Provinz" auf sich aufmerksam machen, damit sie zu einem guten Team kommen.
Um dann mal zum Thema zurück zu kommen: Ohne es irgendwie belegen zu können, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein ehemaliger Weltmeister seine Kufen an jemanden ohne realistische Sieg- bzw. Platzierungschancen verliehen hätte.
Viele Grüße,
Christian
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Zitat:
Zitat von wieczorek
(...) Foren lesen macht langsam...
Geändert von chris.fall (04.03.2014 um 23:28 Uhr).
in Sportarten, in denen das Material eine wichtige Rolle spielt, haben die Besten i.d.R. nach einer gewissen Zeit auch das beste Material. Das ist in diesen Sportarten ein Teil des Sports, schon mit schlechtem Material auf sich aufmerksam zu machen, um dann das gute Material zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Du vergisst, dass nur ein Bruchteil aller Nationen - insbesondere in den Ländern des globalen Südens - über das Kapital verfügen, um derartige Entwicklungen zu bestreiten: Nur wer genug Geld hat, ist vorne mit dabei, Talent hin oder her. ich weiß, das ist in vielen Sportarten so. Aber im Bobsport zeigt sich die Materialrolle ganz besonders, wie ja der aktuelle Fall deutlich macht, wo die Emotionen hochkochen
Die von Dir angesprochene Ungerechtigkeit ist nicht die Ausnahme, die wir im Bobsport sehen, sondern die Regel: Weltklassesportler aus den Ländern des globalen Südens sehen wir doch eigentlich nur im Laufen und im Fußball, in Sportartarten also, in denen das Material keine Rolle spielt, und die man lange Zeit auch ohne speziell dafür angelegte Sportstätten ausüben kann.
Machata gewinnt Kufenstreit Der deutsche Bobfahrer Manuel Machata ist im Fall der von ihm verkauften Kufen rehabilitiert. Einjährige Wettkampfsperre und Geldbusse in Höhe von 5000 Euro werden aufgehoben. http://www.nzz.ch/aktuell/sport/uebe...eit-1.18279884
Ein schönes Ergebnis, das meinem Rechtsempfinden entspricht.
Bedauerlich ist nur, dass der Funktionärsapparat für solche Aktionen beliebig viele Ressourcen allokieren kann und dann eben auch mal ein paar Testballons startet, um zu sehen, wie weit man gehen kann. Der einzelne Sportler hingegen muss schon sehr viel Geduld haben und bereit sein, Opfer zu bringen, beziehungsweise ausreichend zornig sein, um die Sache bis zum Ende auszufechten.
Gewonnen hat er am Ende nichts, das er vorher nicht schon gehabt hätte, und der chilling effect bleibt.
Machata gewinnt Kufenstreit Der deutsche Bobfahrer Manuel Machata ist im Fall der von ihm verkauften Kufen rehabilitiert. Einjährige Wettkampfsperre und Geldbusse in Höhe von 5000 Euro werden aufgehoben. http://www.nzz.ch/aktuell/sport/uebe...eit-1.18279884
Gemessen an den tatsächlichen Fakten steckt in dem Zeitungsbericht schon eine Menge Interpretation. Eigentlich heißt es ja:
"Verband und Fahrer einigten sich in einer mündlichen Verhandlung darauf..."
Wenn sich Verband und Fahrer in einer mündlichen Verhandlung einigen und keine weiteren Details bekannt sind außer, dass die Sperre zurückgenommen wird und Machata sich in die Verbandsjugendarbeit einbringen darf (muss?) gehört schon viel subjektive interpretation dazu, in der Überschrift von einem Sieger zu reden und von einer "Rehabilitation". Das Wesen eines Vergleichs ist ja, dass es keine Sieger und Verlierer gibt und dass man sich bei Auseinandersetzungen irgendwo in der Mitte trifft.
Zitat:
Zitat von schnodo
Ein schönes Ergebnis, das meinem Rechtsempfinden entspricht. ...
Die Sperre habe ich auch für eine untaugliche Sanktion gehalten, von daher ist der jetzt getroffene Vergleich m.E.n. zu begrüßen, aber dass der deutsche Bob- und Schlittenverband nicht einfach untätig zusehen kann, wenn ein mit Bundesmitteln geförderter Athlet aus den eigenen Reihen einen direkten Konkurrenten der deutschen Bob-Piloten entscheidend verstärkt, ist m. M. n. nachvollziehbar, denn hier ging es ja nicht wie bei einem Stockbruch im Langlauf darum, einen Konkurrenten im Sinne von gelebtem Fairplay aus einer Notlage zu befreien ( Legkow hatte ja auch halbwegs ordentliche eigene Kufen), sondern darum einem Konkurrenten der deutschen Piloten (und ehemaligen Machata-Konkurrenten) einen direkten handfesten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Zitat:
Zitat von schnodo
Bedauerlich ist nur, dass der Funktionärsapparat für solche Aktionen beliebig viele Ressourcen allokieren kann ...
Das ist definitiv eine falsche Annahme, denn die deutschen Sportverbände können keineswegs beliebig viele Ressourcen allokieren. sondern müssen wenn teure Rechtsstreitereien drohen, sich sehr genau überlegen, ob sie sich das (Prozess- und Anwaltskosten, personelle Ressourcen für den Prozess, drohende Schadensersatzsummen) überhaupt leisten können.
Der Schadenersatz in Millionenhöhe, der vor Jahren seitens eines ordentlichen Gerichts Katrin Krabbe einer erwiesenen mehrfachen Doperin wegen einer nach Ansicht des Gerichtes zu langen Sperre zugesprochen wurde, hatte damals den Deutschen Leichtathletikverband fast ruiniert und der Deutsche Eisschnellaufverband, gegen den Claudia Pechstein aktuell vor wechselnden Gerichten klagt, ist aktuell mit dem gleichen Risiko mit noch katastrophaleren Folgen konfrontiert, da der DESG über weitaus geringere Rücklagen als der Leichtathletikverband verfügt.
(Auch die DTU konnte/ wollte übrigens vor Jahren zwei relativ klare Dopingfälle (zum Ärger von Kurt Denk und den meisten hier im Forum) nicht weiter verfolgen. Auch hier ging es vermutlich bei der Verfahrenseinstellung mehr um das drohende Prozesskosten- und Schadenersatzrisikos und nicht so sehr darum, dass der Verband nicht um Aufklärung und Dopingbekämpfung bemüht war)