Sonntag morgen, 4.30 h kommt noch eine sms rein, von unserem Sohn: "Du schaffst das!" Noch eine weitere Motivationsspitze, die ich gut gebrauchen kann. Denn einiges läuft hier schlecht für mich: die Hitze ist gar nicht gut, unglaubliche Temperaturen an 40 Grad sind schon ohne Sport nichts für mich. Das Hotel ist nicht gut, kein Balkon, kleine Zimmer, Fernseher von vorm Krieg, schlechtes Frühstück, keine Klimatisierung. Ich schlafe seit Tagen schlecht und kurz. Aber ich bin ja hier für mein Entertainment, wenn ich das alles zu wichtig nehme, fahre ich, nach zehn Monaten Vorbereitung, noch die Karre an die Wand.
Auf der (großartigen, nicht mehr und nicht weniger) Triathlonmesse in Klagenfurt habe ich nochmal ins Material investiert, um mich besser auf die Hitze einzustellen, auch wenn das weh tut: beim Radfahren trage ich nicht die Handschuhe in Clubfarben (zu warm) sondern neue weiße von Skinfit. Der wunderschöne Aerohelm flog auch raus, er hat mir für die Bedingungen zu wenig Löcher. Salztabletten, Veränderungen am Trinksystem und noch eine weiße Netzkappe statt meines geliebten HSV-Buffs (zu dunkel). Besonders die Sache mit dem Helm tut weh, weil ich ganz bestimmte Photos haben wollte, aber wenn ich auf der Radstrecke denken sollte ich hätte nicht alles getan, wider besseres Wissen, werde ich wahnsinnig.
Auf in die Wechselzone, letzter Check up. Mighty Mouse steht da mit platten Vorderrad. Ein Schock, aber ich erhole mich schnell, pumpe nur auf und es scheint zu halten. Später stellt sich heraus, dass ein Clubkamerad die Luft abgelassen hat, weil die Gefahr des Platzens wegen der Hitze bestand, von Samstag mittag an. Ich öffne meinen Beutel und - habe meine After Race Klamotten und meine Kamera überflutet, die Salztabletten, die ich fürs Laufen eingeplant hatte, haben sich aufgelöst. Dafür habe ich aber nichts mehr zu trinken. Habe ich jetzt kein Glück mehr? Nein, sage ich mir, das war schließlich kein Iso, den Rest bekomme ich hin. Von anderen Teilnehmern schnorre ich Wasser, alles gut. Nur leider keine Bilder von der Strecke. Für das Radeln bereite ich mir eine Salztablette pro Stunde vor, auf der Laufstrecke soll es Salzgebäck geben. Los ins Strandbad zum Start. Dort warte ich praktisch bis zur letzten Minute und - erwische eine völlig saubere keramische Toilette, es gibt Papier und auch Seife. Von Wegen, kein Glück.
GET READY FOR THE BIGGEST CHALLENGE IN YOUR LIFE!
Es treibt mir die Tränen in die Augen, so geil ist das. Netto ist das eigentlich ja nichts als Marketing, einfach ein Baustein der Marke Ironman, die Überhöhung der Aufgabe, um den Teilnehmern (Kunden!) einen Mehrwert (Stolz) zu verschaffen, aber es ist toll, sich darauf einzulassen. Start, 2369 Athleten stürzen sich in den See. Die Schwimmstrecke ist einfach toll. Es geht zunächst 1250 m gerade in den See hinaus, dann 500 m nach links (Süd) und dann 1250 m zurück, dicht am Ufer. Hier schwimmen wir dicht am Ufer, in einer bevorzugten Wohnlage, Reifnitz. Nachher kommen wir auf der anderen Seite der Villen mit dem Rad vorbei. Die Schönheit der Strecke erschließt sich allerdings nur Rechtsatmern, 3erzügern und Brustschwimmern, zu denen ich die meiste Zeit gehöre. Seit Sundschwimmen 2002 und Wismarbuchtschwimmen 2003 bin ich nicht mehr so eine lange Strecke in Brust ohne Neo geschwommen, aber es läuft und eine große Hilfe ist mir bellamartha, ganz oft denke ich an "Genieße Dein Schwimmen im schönen Wörthersee!" Am Schluß noch 800 m durch den Lendkanal, habe ich hier schon beschrieben. Die Vegetation ist allerdings bereits atomisiert und zurückgeschnitten, als ich vorbeikomme, das haben die stärkeren Athleten schon gemacht. Der Wechsel aufs Rad läuft gut, der Reifen hat gehalten, es dauert nur etwas bis ich das Tri Top anhabe, das habe ich mir im Wasser lieber gespart. Los!
Die Radstrecke ist wunderschön, wie ich schon geschreiben habe. Zunächst am Südufer des Wörthersees entlang fast bis Velden, dann in einem Kreisel an den Faaker See, ein Stück zurück und dann über den Rupertiberg zurück nach Klagenfurt. Ich stelle den Tacho auf Durchschnittstempo und versuche, über 30 zu bleiben und sofort rauszunehmen, wenn ich glaube, dass ich zu schnell bin. Astrein ist auch die Versorgung unterwegs, Iso, Wasser, Bananen, Riegel: alles gut. Am ersten Verpflegungspunkt lerne ich, dass es zwei Wasser gibt, ein schön warmes in der Powerbarflasche und ein eiskaltes Sportmineralwasser von einem Sponsor. Super, es schmeckt toll und man kann es astrein in den Helm spritzen. Genau das richtige, ich mache die ganze Zeit Hitzemanagement und alles klappt. Nach einer Runde liege ich einen Hauch über 30 und bin gut drauf, Psychospielchen klappen auch bestens ("Ein Jahr hast Du jeden Tag an Heute gedacht. Du bist gut vorbereitet und bestens gelaunt und jetzt zeig´ was Du kannst!"), es rollt. Nebenbei genieße ich noch die schöne Landschaft ("Hübsch, die Berge! Das ist aber eine schöne Brücke über die Drau! Der Faaker See gefällt mir auch! So ein geschmackvolles Haus, gar nicht protzig!...Das hilft mir auch. Die Labestationen (ein tolles österreichisches Wort, finde ich) liegen auch günstig, z.B. oben auf dem Berg, vor der Abfahrt, es ist echt toll. Die 1600 oder so hm fahren sich entspannt weg, auch beim Rupertiberg reden wir ja nur von vielleicht netto 300 m Höhenunterschied. Und unterwegs Parties, Parties, Parties. Die Leute feiern: sie feiern die Athleten, den Ironman, sie feiern den Sommer, Kärnten, den See und sich selbst. Das Leben ist schön. Es macht mir Spaß, mich drauf einzulassen, ein bischen mitsingen, so laut es geht, dafür wirst Du dann nochmal richtig angefeuert. So sauge ich Kraft. Total glücklich bin ich jedesmal, wenn ich an der Radstrecke meine privaten Supporter sehe, Harald, Uta, Lars, Birte, Hanna, Henry, Lea und Janne haben ihren Urlaub so gelegt, dass sie mich unterstützen können. Es ist sooo toll, da sehen sie mich 2x pro Radrunde für wenige Sekunden und dafür sind sie reichlich 1100 km hier runtergefahren. Das gibt noch mehr Kraft. Und die Hitze hat auch einen Riesenvorteil: überall sieht man wunderschöne, spärlich bekleidete Österreicherinnen, es gibt doch nichts motivierenderes, als mit verspiegelter Sportbrille im Anstieg auf den Berg oder auf der Laufstrecke mal in ein gut gemachtes Dekolette´ zu gucken. In einer Abfahrt habe ich beinahe einen Unfall, weil ich eine Kurve unterschätze, ich kann aber gerade noch zwei Zuschauer zur Seite brüllen und komme schadlos davon, allerdings habe ich die beiden wohl n büschn erschreckt. Sorry! T2. Das sieht gut aus! Bis jetzt habe ich 9 l getrunken und gehe nun das 1. Mal pinkeln, später beim Laufen trinke ich auch viel und brauche überhaupt nicht auf die Toilette.
Die letzten 30 km dachte ich, ich hätte mir Blasen geholt, weil ich ja immer wieder mal Wasser im Schuh hatte, aber dem war (noch nicht) so. Trotzdem nehme ich, mache ich im Triathlonwettkampf sonst eigentlich nie, Sportsocken. Unterwegs auf der Laufstrecke werde ich später den Anrainern immer wieder sagen, dass ich nicht mit dem Rasensprenger beregnet werden will, weil ich Angst habe, dass meine Socken nass werden. Richtige Strategie. Zu den Socken die weiße Netzkappe mit Schirm (super!) und ansonsten nur einen Labello. Ich creme mich auch nochmal vollständig mit Sunblocker ein, Zeit, die ich aus Vernunftgründen gern nochmal investiere. Und auch psychologisch gut für mich ("Daran, dass ich das in aller Ruhe mache, sehe ich, dass ich nicht nervös bin und alles im Griff habe. Was bringen mir schon die zwei Minuten Wechselzone?") Das gibt noch mehr Kraft. Außerdem habe ich die Zeit auch. Ich rechne aus: wenn ich jetzt im 6er Schnitt den Marathon laufe, dann bleibe ich Sub 12 und ich habe den perfekten Tag. Fast frohlocke ich, 6er Schnitt, das ich nicht lache, das laufe ich manchmal mit den Mädels, um sie vollzuquasseln, sie können ja nicht weg. Aber ich muss mich der Tatsache stellen, dass das gar nicht so einfach ist, bei diesen Wahnsinnsbedingungen. 38 Grad im Schatten, den es nicht gibt. Was es aber sehr wohl gibt, sind Verpflegungsstellen, satt und reichlich, alle 2,5 km, wirklich gut. Es gibt dort auch Salz und Salzgebäck, ich brauchte gar nichts mitnehmen. Die Laufstrecke ist ein 8er Kurs, Halbmarathon, 2x zu durchlaufen. Er geht zunächst nach Krumpendorf, dann zurück und 5 km in die Altstadt von Klagenfurt, dabei meistens am Lendkanal entlang. Ich mache es wie beim radfahren und unterhalte mich. Auf die Parties an der Strecke lasse ich mich ein, im Strandbad Krumpendorf, das komplett durchquert wird, gibt es besonders viele Dekolette´s und ich mag auch Häuser, den Blick auf den See und all das. Auf der anderen Seite ist es noch viel einfacher. Vom Lendkanal hatte ich bis dahin nur den 1. km gesehen, danach geht er noch 3 km weiter und ist bevorzugte Wohnlage, ähnlich unseren Fleeten. Man sieht auch hier, dass es eine gute und eine schlechtere Seite gibt, hier Villen mit Garten, alle chic und auf der anderen Seite Reihenvillen (so nenne ich die jetzt mal), einige könnten auch gern mal renoviert werden. Aber man sieht, dass das bald jemand anfassen wird. Tja, man hat schon viel Zeit bei so einem Marathon. Charmant präsentiert sich auch die Altstadt von Klagenfurt, ich freue mich darauf, sie heute mit meiner Frau anzusehen, allerdings bin ich leider noch nicht wieder so richtig gut zu Fuß. Während des Laufs denke ich auch oft an die IM-Therorie: nach 21-35 km auf der Laufstrecke beginnt der Ironman! Bis HM läuft es super, ich habe auch immer noch mein Sub 12 Polster, aber dann komme ich nach einer Labestation nicht mehr so richtig in Tritt und muss 5 min gehen. Das Verfehlen des Ziels (das bei den Bedingungen für mich aber auch nicht mehr realistisch war) frustriert mich kurzzeitig, aber dann passiert etwas, was mir 42k2 (der übrigens den Marathonsplit in Sub 3 gelaufen ist, irre!) schon angekündigt hat: es motiviert unheimlich, wenn man auf der Laufstrecke nur noch am Überholen ist. Auf der 1. Runde habe ich das gar nicht gemerkt, weil ja viele Athleten, die nachher Zielzeiten um 10 h haben, schon auf ihrer zweiten Runde sind und es so den Anschein hatte, als sei ich langsam, weil ich immer überholt wurde. "Liegt wohl am 6er Schnitt, denke ich, kommt mal zum Hansemarathon, ich kann auch anders, bei 10 Grad und Nieselregen Ende April wird das für Euch ein zähes Rennen geben mich!") Und genau wärend meiner Gehpause biegen die ab ins Ziel, ich laufe wieder los und durch. Außerdem überholt mich in der zweiten Runde keiner mehr, glaube ich, dafür, sagt meine Frau, habe ich in jeder Laufrunde 100 Athleten überholt. Ich kann also mit meiner Renneinteilung auch auf jeden Fall zufrieden sein. In der Unterführung zur Altstadt sehe ich Andy, er geht. Sein Vorsprung beträgt ca. 1000 m, ich denke "Na Jan, was hast Du denn noch so drauf" und gebe nochmal richtig Gas, inklusive volle Technik: Abdrücken, gute Schrittlänge, Windschatten mitnehmen (den mir allerdings keiner bietet). Na ja, klappt nicht mehr, aber ich habe auch keine Lust mehr und denke, dass es so ja auch am Schnellsten zu Ende ist. Glücklich nehme ich meine Medaille in Empfang. You´re an Ironman. Und oh Wunder, der Puls geht schnell runter, kaum 10 min bis zum Normalpuls. Allerdings tut mir alles weh, ich muss sitzen und trinke 5 Sportweiße, so heißt die hier. Hunger hab ich nicht, es gibt zwar alles mögliche für die Athleten, aber ich bin nicht interessiert. (wird fortgesetzt)