Arne Dyck triathlon-szene Coach
Registriert seit: 16.09.2006
Ort: Freiburg
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Liebe Bellamartha,
ich wollte ja noch etwas schreiben, aber leider habe ich vergessen, was ich noch sagen wollte. Meinen Gästen in unserer TV-Sendung sage ich stets, sie sollen immer das sagen, was ihnen als erstes durch den Kopf geht – meistens ist das die beste Antwort auf eine Frage.
So will ich es jetzt auch halten, ergänzt durch eine Weisheit von Charlotte Roche (sorry). Sie sagte, wenn Du eine Geschichte erzählst und dabei immer die krassesten Teile weglässt und verschweigst, wird sie zwangsläufig langweilig. Denn was erleben wir schon groß aufregendes, dass sich auch Rümpfe und Stümpfe von Geschichten zu erzählen lohnen?
Was mir spontan einfällt, gehört zum Kapitel "Was Männer tun, wenn Frauen nicht dabei sind". Wir saßen als halbstarke Teenager zusammen bei Kumpel Kai E. Er hatte bereits den Führerschein und einen alten Opel Kadett. Wir wollten damit ins benachbarte Dorf fahren, gerieten jedoch in Streit über die Frage, wer neben Kai auf dem Beifahrersitz sitzen darf. Durch den Zigarettenqualm hindurch einigten wir uns darauf, dass derjenige vorne sitzen soll, der vor unseren Augen auf dem Teppichboden die "besten Performance" böte. Was darunter genau zu verstehen sei, war unklar, zumindest mir. Ich hatte mich mit einem Platz auf der Rückbank arrangiert.
Holger A. legte vor. Auf spektakuläre Weise. Es hatte etwas von Bach, Mozart oder Beethoven, die jeweils die Letzten ihrer Epoche waren, weil sie einen Stil zu Ende, zur Vollendung brachten. Holger wollte vorne sitzen, darum performte er vor uns auf dem Teppichboden. Ich hatte mit einer Airguitar-Einlage gerechnet oder mit 50 Liegestütz. Ich sollte mich täuschen.
Holger sank vor uns auf die Knie, steckte sich mehrere Finger in den Hals und kotzte sich auf die Oberschenkel. Die zweite Welle landete in seinen geöffneten Händen. Was er damit auffing, schmierte er sich gründlich in die Haare. Dass er dies nicht nur vorne am Scheitel, sondern auch am Hinterkopf tat, wirkte sehr gewissenhaft und überzeugend. Keine halben Sachen, schließlich ging es um 15min Autofahrt auf dem Beifahrersitz - oder der Rückbank!
Nach dieser Performance gaben die anderen Aspiranten auf und verzichteten auf ein Duell. Der Fall war klar: Holger saß vorne. Er hat sich an einem Waschbecken das Gesicht gewaschen, zog den Abend aber mit vollgekotzen Haaren und Hosen durch. Wir fuhren mit runtergekurbelten Fenstern.
Am Zielort angekommen, einer kleinen Party im Jugendzentrum im Keller der Grundschule, wo wir die meisten nicht kannten, schlug die Stunde von Joachim W., der mit mir auf dem Rücksitz gesessen hatte. Irgendeiner sagte zu ihm: "Mann, erzähl’ den alten Witz halt noch tausend mal", was Achim dann auch tat. Er ging von Person zu Person und erzählte den immer gleichen Witz. Als er alle durch hatte, fing er von vorne an. Als ich gegen 3 Uhr zu meinem Heimweg über die Felder aufbrach, sah ich Achim am Eingang, wie er dem aufgebrachten Hausmeister einen Witz erzählte. Überflüssig zu erwähnen, dass keiner von uns eine Freundin hatte.
Verstehe mich nicht falsch! Wir Männer schmieren uns nicht ständig unseren Mageninhalt in die Haare, wenn Ihr nicht da seid. Aber geht es uns nicht allen so? Dass wir mehr sind, was wir manchmal tun, als jene, was wir ständig tun?
Was wir an Holger cool fanden, war, dass er sich nicht schämte. Wir Halbstarken kümmerten uns viel darum, etwas zu sein, was wir nicht waren. Wir trugen zu große, billige Lederjacken und rauchten selbstgedrehten Schwarzen Krauser, der unsere Verdauung mehr als erwünscht ankurbelte. Holger hingegen ging mit der eigenen Kotze in den Haaren zu einer Party. Das war unser erster Männerabend. Eigentlich war es seiner, aber wir waren dabei.
Grüße,
Arne
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