Szenekenner
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One wedding and two funerals
Am Wochenende war ich laufen. War der richtige Tag und die richtige Stimmung, über das große Leben im Allgemeinen und mein kleines im Besonderen nachzudenken. Liegt vielleicht daran, dass wir in diesem Jahr bereits auf zwei Beerdigungen und am Tag vorher auf einer Hochzeit waren. Da geht´s ja auch immer ums Grundsätzliche.
Während ich die Meter so unter meinen Hufen dahin gleiten lasse, gucke ich mich um. Es ist ein schöner Tag. Der Wald ist noch grün und das Laubwerk so dicht, dass nur gelegentlich ein paar Sonnenstrahlen den Boden treffen. Nach ein paar Minuten entspanne ich mich spürbar. Der Alltag fällt ab. Die nächsten anderthalb Stunden werde ich nichts anderes tun als meine Runden zu drehen. Man, hab´ ich ein Glück.
Im Moment habe ich ziemlich die Nase voll von Leuten, die mir ihre langweiligen Meinungen ungefragt über alles und jeden aufdrängen. Kennt ihr bestimmt auch: So jemand fragt dich nach deinem letzten Urlaub, Wettkampf oder was auch immer und kaum hast du einen Satz geantwortet, reden die nur noch von ihrem Urlaub oder Wettkampf und erklären dir obendrein noch die Welt. Und während ich versuche, freundlich vor mich hinzugucken, denke ich nur eins: Halt´ doch einfach ´mal die Fresse! Nachdem mir das irgendwann zu langweilig geworden ist, bin ich dazu übergegangen, meine Gedanken anderen Dingen zu widmen und einfach nur noch freundlich zu gucken. Das führt dann häufig dazu, dass ich am Ende nicht weiß, was die mir erzählt haben. Dabei habe ich gar nicht das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben.
Ich will mir von so Leuten auch gar nicht erzählen lassen, was alle anderen ja angeblich immer so falsch machen. Ewige Nörgeleien machen nicht glücklich, sondern verbissen und engstirnig. Und während die eine Fraktion ja immer noch nach Geld und Ruhm strebt, hat die andere dem schon langsam abgeschworen. Der halbe Freundeskreis hat gut dotierte Posten auch schon ´mal abgelehnt nach dem Motto „So viel Geld brauch´ ich nicht.“ Und wenn denn doch mal einer dabei ist, der sich dumm und dusselig verdient, sagt der fröhlich „Ehrlich, Pantone, ich hätte nie gedacht, dass ich mal so viel Kohle verdiene.“ "Ja," sage ich dann, "dass du so viel bekommst, weiß ich, aber ich habe auch so meine Zweifel, ob du die wirklich verdienst.“ Und der Großverdiener amüsiert sich prächtig über seine alte Kommilitonin, die ihn auch nach über 20 Jahren Freundschaft immer noch nicht so recht Ernst nehmen will.
Vielleicht fehlt mir auch einfach das Killer-Gen, den ersten Satz sagen zu müssen. Bevor ich Schwachsinn blöke, denke ich lieber nach. Wenn ich zu etwas keine Meinung habe, sage ich: „Keine Ahnung. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.“ Ich kenne Leute, die reden lieber Bockmist bevor sie gar nichts sagen. Früher hätte ich Falsches korrigiert, heute lasse ich die Vielredner sich einfach weiter blamieren.
Aber manchmal, da hat man auch Glück. Da sitzt du mit Leuten, die du erst kurz kennst, nach einem Wettkampf im Gras und die sagen einfach nichts. Nicht, dass die nichts zu sagen hätten, nein, die halten ein Schweigen einfach aus. Oder Leute wie Douglas, der Super-Schwimmer. Der könnte sich auf seinen Super-Zeiten ausruhen und sie laut durch die Gegend brüllen. Tut er aber nicht. Er fragt sich und andere leise, wie die ganz, ganz Schnellen eigentlich so schnell sein können und führt mit dir ein Gespräch darüber. Oder du fragst nach dem Rennen einen der Favoriten, ob er gewonnen hat. „Ja,“, antwortet er dir, „war aber verdammt hart heute. Und,“ setzt er hinzu, „wie war´s bei dir?“. Und allein sein gutes Benehmen macht ihn dir gleich noch sympathischer und du gönnst ihm den Sieg noch ein bisschen mehr als ohnehin schon.
Oder es hüpft einer aus dem Schwimmbecken und kommt auf dich zu, während du deinen Neo unter der Dusche abspülst, und möchte wissen, wieviel schneller dich so ein Neo macht. Und während ihr so plaudert, merkst du, der Typ ist nicht nur nett, der hat auch was im Kopf. Außerdem hat der unverdrossen seine Abschlagübungen weiter gemacht während du an ihm vorbei geschwommen bist. So was vertragen ja auch nicht alle Männer. Er dutzt dich sogar, stellst du erfreut fest, obwohl er mindestens 10 Jahre jünger ist als du.
Wenn du dann das Schwimmbad verlässt und den direkt davor und regelwidrig auf dem Gehweg geparkten schwarzen Porsche mit IM im Bad Homburger Kennzeichen siehst, dann weißt du sofort, welchem der schwimmenden Gockel mit malmendem Kiefer die Karre gehört. In diesem speziellen Falle hätte eine kleine Investition in ein paar Schwimmstunden statt in so eine Möhre vermutlich mehr gebracht. Aber ich werde es ihm nicht sagen. Und so wie ich das einschätze, würde ich da sowieso nicht zu Wort kommen.
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