Niemand spricht von einem deterministischen Prozess.
Natürlich hat ein Individuum, also eine konkrete Einzelperson, in einem gewissen Rahmen, die Möglichkeit, sich entsprechend oder gegen die herrschende Moral zu verhalten. Ist es das, was Du mir sagen willst? Ich bestreite es nicht.
Mir geht es nicht um das moralische oder unmoralische Handeln des Einzelnen, sondern um die Herkunft der Moral selbst.
Wie gesagt: Ensteht über kommunikative Aushandlungs- und Handlungsprozesse.
Nein, es ist nicht das Ergebnis einer Wahl. Es gab niemanden, der eine Entscheidung getroffen hat. Es ist das Ergebnis einer Auslese: was nicht passt, stirbt. So einfach.
Den aufgeführten Komponenten stimme ich durchaus zu. Du vergißt immer noch die Freiheit, sich anders zu entscheiden. Es gibt genügend Leute, die sich gegen die Dinge entscheiden, die ihnen ihre Kultur beigebracht hat, die sich gegen die Dinge entscheiden, die ihre Erziehung ihnen beigebracht hat.
Es ist jetzt aber auch nicht so, daß wir Opfer, bzw. Marionetten unserer Gene sind. Der Nachweis ist bisher nicht erbracht! Das sollte mal ein Anwalt in einem Mordprozeß als Argument bringen: "Mein Mandant konnte nicht anders. Sein Vater, sein Großvater und Urgroßvater haben auch Leute umgebracht."
Ganz ehrlich: nicht nur würden die Richter lachend unter dem Tisch liegen, ich glaube auch nicht, daß Du einem Mörder das abnehmen würdest! [Oder im Wettkampf: Ich kann nicht anders als Windschatten fahren. Das ist in meiner DNA .... ]
Abgesehen davon: ich sehe immer noch nicht, wo außerhalb der Menschheit diese Werte sein sollen. Außer blumiger Formulierungen (das soll jetzt nicht abwertend sein! Was Du schreibst läßt sich gut lesen! Als Germanist weiß ich das durchaus zu schätzen. Aber es ist nicht stichhaltig oder auch nur im Ansatz schlüssig) und Projektionen menschlicher Kategorien aufs Tierreich war da nichts zu sehen ....
Dem ersten Absatz stimme ich genau so zu.
Zum zweiten Absatz: Ja, genau so ist es. Einzelne handeln auch immer wieder gegen bestehende moralische Prinzipien und Normen. Daraus können dann Subkulturen entstehen und schließlich daraus wieder Common Sense entstehen. Gene spielen hier sicher eine Rolle, sind aber nicht allein entscheidend.
Dritter Absatz: Ich finde auch, dass Du, Klugschnacker, hier recht nebulös bleibst, wie sich bei den erwähnten Fischen beispielsweise Kultur und Moral ohne Bewusstsein entwickeln soll.
Wenn die Kooperation so erfolgreich war, wo war sie in Europa zwischen 1618-1638? Wo war sie 1914-1918? Wo war sie 1939-1945? Wo war sie in Deutschland zwischen 1933 und 1945? Wo war sie in Auschwitz? Wo war sie in Treblinka? .... Wo war die Kooperation am 24. Juli 2010 in Duisburg? Wo war die Kooperation 1911-1994 in Südafrika? Wo war die Kooperation ini den 90er-Jahren in Goražde, in Vukovar und Omarska? Wo war sie im 16.-17.Jhdt. in Mittel- und Südamerika?
Ich halte das für keine hilfreichen Beispiele. Denn die genannten Kriege und Verbrechen sind durchaus Beispiele für eine gelungene Kooperation, wenn auch für ein schlechtes Ziel. Aber wer wollte die Fähigkeit der Nazis bestreiten, eine geradezu maschinenhafte Kooperation der Menschen vor ihren Karren zu spannen?
Aus meiner Sicht sind die Kriege eher ein Beispiel für die Feindseligkeit der Menschen anderen, als fremdartig ausgegrenzten Gruppen gegenüber. Um sie zu aktivieren, bedarf es des Gefühls einer tatsächlichen oder eingebildeten Bedrohung durch die Fremden für die eigene Gruppe.
Ich halte es für leicht und plausibel, die Neigung auch zu diesem Verhalten aus der Evolution heraus zu erklären.
......
Mein Standpunkt ist, dass es heute diejenigen Moralvorstellungen gibt, die sich gegenüber anderen durchsetzen konnten, und zwar auf einer individuellen, kulturellen und genetischen Ebene.
In meinen Augen setzten sich bisher diejenigen Strukturen durch, in denen die Menschen am schnellsten und am meisten zu produzieren vermochten durch Fortschritte in den Produktivkräften. Heute leben wir in einer Welt, wo in vielen Ländern für alle Menschen die gleichen Werte und Gesetze gelten, weil der Kapitalismus am Produktivsten funktioniert, der alle anderen Systeme ablöst(e). Davor gab es Gesellschaften mit völlig unterschiedlichen rechtlich-moralischen Stellungen der Menschen (Sklaven, Bürger Roms, Leibeigene, Adlige, Naturvölker etc.).
Allein aufgrund der Überlegenheit der Produktivkräfte und Waffen wurden doch die Ureinwohner Nordamerikas ausgerottet, nicht wegen der Moral. Die Kultur und Moral der Indianer unterlag nicht deswegen, weil sie weniger erfolgreich wie die der Kolonialisten war, sondern weil diese bessere Waffen sowie imperialistische Ansprüche (Ausbeutungsinteresse) mitbrachten.
Ergo:Die moralischen Vorstellungen der Menschen entstehen im Zusammenhang mit ihrer Produktions-/Reproduktionsweise und ihrer sozialen Stellung (Sklave, Bürger z.B.) in den jeweiligen Systemen.
Inwiefern es der Kap. schafft, die formalen Prinzipien der Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit auch substantiell für alle Menschen zu realisieren oder ob er zerfällt, sich zerstört, inhumanisiert usf. lässt sich in meinen Augen aber nicht deterministisch vorhersagen.
Ja nee , schon klar, weder waren sie so gedacht, noch untermauern sie Deine These ...
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Denn die genannten Kriege und Verbrechen sind durchaus Beispiele für eine gelungene Kooperation, wenn auch für ein schlechtes Ziel.
Ziel: Da sprichst Du etwas wichtiges an. Der Zweck: und dann sind wir wieder auf der menschlichen Ebene. Die reine Vernunft bringt uns nicht weit:
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Aber wer wollte die Fähigkeit der Nazis bestreiten, eine geradezu maschinenhafte Kooperation der Menschen vor ihren Karren zu spannen?
... Heydrich und Eichmann waren fleißige Bürokraten und nicht unvernünftig - im Gegenteil. Ich vermisse nach wie vor die menschliche Komponente bei deinen Argumenten. Es wurde heute schon einmal in diese Kerbe geschlagen, daß die ein oder andere Argumentation im politisch rechten Rand ("Neue Rechte") so auch auftaucht {auch ich schätze Dich nicht so ein! Aber es ist die selbe Brühe, aus der gesoffen wird und es kann ruck-zuck umgebogen werden ....}. Der Mensch ist das Maß aller Dinge und nicht eine hübsche, kalte, glatte Theorie um ihrer selbst Willen. Uns unterscheidet einiges und nichts Unwesentliches von den Tieren ....
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Aus meiner Sicht sind die Kriege eher ein Beispiel für die Feindseligkeit der Menschen anderen, als fremdartig ausgegrenzten Gruppen gegenüber. Um sie zu aktivieren, bedarf es des Gefühls einer tatsächlichen oder eingebildeten Bedrohung durch die Fremden für die eigene Gruppe.
Dann scheint das tolle Prinzip der Kooperation nicht ganz so global zu funktionieren, oder funktioniert es immer nur für die Guten, die auf die Fremden kloppen? So fremd waren die Leute übrigens gar nicht: der jüdische Nachbar, bei dem die Familie seit jeher eingekauft hat, bei dem man sich die Haare schneiden ließ oder seine Krankheiten behandeln ließ, der gestern noch der geachtete Herr Lehrer war und heute "Krummnase" genannt wird und dem ich ungestraft ins Gesicht spucken darf und seine Schaufenster einwerfe ... meine Beispiele aus dem ehemaligen Jugoslawien: man war durch Mischehen verwandtschaftlich verbunden oder lebte jahrzehntelang Tür an Tür und ging zusammen in die Kneipe ... am nächsten Tag zünde ich sein Haus an, vergewaltige seine Frau und die Töchter ...
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Zähne zusammenbeißen und die Brocken runterschlucken!
Mein Standpunkt ist, dass es heute diejenigen Moralvorstellungen gibt, die sich gegenüber anderen durchsetzen konnten, und zwar auf einer individuellen, kulturellen und genetischen Ebene.
Äh, noch mal zum Verständnis: Moral ist vererbbar? Dominant, rezessiv, intermediär? Sind die Nachkommen von Verbrechern dann auch gleich Verbrecher? Wollen wir Vernunft walten lassen und alle Verbrecher sterilisieren? *advocatus diaboli Modus wieder ausschalt*
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Zähne zusammenbeißen und die Brocken runterschlucken!
Die moralischen Vorstellungen der Menschen entstehen im Zusammenhang mit ihrer Produktions-/Reproduktionsweise und ihrer sozialen Stellung (Sklave, Bürger z.B.) in den jeweiligen Systemen.
Letztlich ist es auf einer noch allgemeineren Ebene der Fortbestand des Erfolgreichen. Aus ihm konstruieren wir nachträglich die Moral.
Erfolgreich sein muss aber nicht bedeuten, andere erfolgreich zu übervorteilen. Eine Gesellschaft kann auch deshalb erfolgreicher sein als eine andere, weil sie sozialer ist, verlässlicher, anpassungsfähiger, freier in der Entfaltung von Talenten etc.