Zitat:
Zitat von bennobulette
Würde mich freuen wenn Du noch etwas mehr über Erfahrungen dieser Art schreibst, ist ein spannendes Thema.
|
Ui.
Weiss natürlich nicht, was du nu genau hören willst, aber die Hintergründe und Entwicklungen kannst du selbst auf der
Homepage der
Enduromania nachlesen.
Ich war 94 zum ersten Mal auf ner mehrwöchigen Balkanrundreise mitm Motorrad in Rumänien und hab direkt mein Herz an die herzliche, hilfsbereite und gastfreundliche Bevölkerung und die urwüchsige Landschaft, der auch die schlimmsten Umweltsünden offenbar nicht wirklich was anhaben konnten, verloren und die Daheimgebliebenen mit Unmengen an Dias interessiert und begeistert.
Als dann ein Jahr später die Enduromania ins Leben gerufen wurde, konnte ich leider jobtechnisch keinen der Termine wahrnehmen, war dann aber ab dem Folgejahr regelmässig dabei und bin relativ schnell von der (erfolgreichen) Punktehatz zum relaxten Endurowandern gekommen, was sich bis heute auch in Sachen Sport gehalten hat: lieber herumkommen, geniessen und was sehen, als verbissen zu versuchen, aufs Stockerl zu kommen.
Relativ bald entwickelte sich die Enduromania aber konträr, da sich schnell die Härtesten der Harten auch "da runter" zu getrauen begannen. "Fahrerlagersieger" nennen wir die, da sie ausser Krach machen und im Camp aufm Hinterrad rumwheelen nur wenig bis gar nix draufhaben, abends in Adiletten rumlaufen statt wie Männer in Stiefeln und heulen, wenns Bier warm und die Dusche kalt ist.
Sergio (Organisator der ERM) hat die Fähigkeit, sich da sehr schnell und gut anzupassen.
Ursprünglich ist die Veranstaltung ein "Abfallprodukt" seiner Arbeit für die "Wirtschaftsförderung Nordrheinwestfalen", die ihn dort zum Wohle von vier Landkreisen einsetze.
Da die Rumänen aber sehr strenge Hierarchien (im Kopf) haben, kam da nicht viel dabei rum, weil keiner mit den andern konnte und wollte und als Resümee blieb, dass die Enduromania trotzdem sie noch in Kinderstiefeln steckte, der erfolgreichste Part der "Förderung" war.
Aus diesem Grund begann eine Phase, in der das Projekt forciert wurde. Die in der Gegend verteilten Kontrollpunkte wurden teils nicht mehr temporär besetzt, sondern zu vorhandenen Pensionen, Hotels oder auch Privatleuten, Ämtern oder sonstwohin gelegt.
Damit und dadurch, dass so die ersten Weichen gestellt wurden, dass die Bevölkerung von den Gästen an breiter Front profitieren konnte, stieg zunächst die Akzeptanz rasant, leider kristallisierte sich aber auch heraus, dass dies nicht die breite Masse betraf, sondern einige die Nutznieser wurden und andere die Last tragen durften, weil zB. ihre Felder ungünstig lagen (ein rumänisches Feld, teils noch mit Pferd oder Ochse bestellt, ist nicht so richtig mit unseren zu vergleichen und daher manchmal schlecht zu erkennen, wenn man allzu gaskrank angerauscht kommt, und was für uns nur ne Reifenspur ist, kann für nen Rumänen die Jahresernte, mit der er seine Familie übern Winter bringen muss, sein), Hunde und Katzen auf den Strassen streunen und mit den rasanten, bunten Kisten und deren Geschwindigkeit überfordert sind oder einfach mal ein Pferd der wilden Reiter wegen, die beim Vorbeifahren den wilden Affen machen, durchgeht, das dann in vielen Stunden wieder eingefangen werden muss, statt dass man derweil den Acker damit bestellen kann.
Logisch, dass damit schon der Grundstein für ne ungute Entwicklung gelegt war.
Ich könnte nu Dutzende solcher Geschichten runterschreiben, wo angefressene Einheimische die bunten Vögel mit Mistgabeln oder Gewehren am Durchfahren hinderten, Drähte übern Weg spannten oder sonstwie versuchten, ihre Ruhe wiederzuerlangen.
Es war ne Menge Lobbyarbeit (und mit einigen Kosten verbunden ), diesen Schaden wieder auszubügeln und ne gewisse Akzeptanz an breiter Front zu schaffen.
Dies war umso schwieriger, weil sich einige Reise- und Sportveranstalter im Kielwasser der ERM tummel(te)n, die verbrannte Erde hinterlassen und in vorbildlicher Weise genau das Gegenteil dessen aufziehen, was Sergio vorschwebt: den DualSports-Gedanken aus USA nach Rumänien zu holen und ein Nebeneinander aller Outdoor-Liebhaber auf lange Sicht zu ermöglichen.
Mittlerweile ist sehr sehr viel passiert, Sergio tritt generell als Tourismus-Botschafter auf, die Enduromania-Crew arbeitet an breiter Front an der Förderung des Tourismus´ und versucht weiterhin, das Reservat auch für motorisierte "Erholungssuchende" zu erhalten.
Weitgehend gelingt dies auch recht gut, mich stört allerdings der Umstand, dass jene, die die Idee des "DualSports" begriffen und sich in Folge von der Enduromania losgelöst haben (natürlich auch in dem Sinne, dass sie zwar das in Jahren mühevoller Arbeit zusammengestellte Kartenmaterial und die breite Basis der ERM nutzen, sich aber abseits der empfohlenen Gebiete und Locations bewegen, um so die Kohle zu sparen, die die ERM-Foundation benötigt, um ihre Arbeit erfolgreich weiterführen zu können), den Gedanken und die Idee zwar leben, aber sich natürlich auch einerseits weitestgehend einer Kontrolle entziehen und damit andererseits auf Augenhöhe der "wilden Veranstalter" nachm 'Prinzip verbrannte Erde' operieren.
Ich hab mich aus Gründen dieses Dilemmas seit einigen Jahren aus der Geschichte zurückgezogen, weil mir ne egal wie grüne Massenveranstaltung mit empfohlenen Routen und Unterkünften (die natürlich auch dememtsprechenden Standard zu dementsprechenden (höheren) Kosten bieten...) nicht liegt und ich persönlich aber auch nicht an dem Ast sägen will, auf dem wir alle sitzen.
Natürlich wäre Rumänien gross genug, um nicht in den Südwesten sondern vielleicht mal wieder in den Nordosten zu reisen, aber ich würde halt schon gerne auch meine Kumpels im Banat wiedertreffen und die Entwicklung dort live erleben, statt nur darüber zu lesen.
Zufällig hab ich grad am Wochenende jemanden getroffen, der mich zu dem Thema befragt hat, weil er selbst gerne mal da runter will, aber dieses Jahr denke ich erstmal nicht, dass das was wird, aber auch nicht erst, wenn wir auf unsrer Donauradltour da längs kommen.
Ich hoffe sehr, dass ich noch deutlich vorher das 'Eiserne Tor' mal zu Gesicht kriege (das ist bisher jedesmal aus verschiedenen Gründen in die Hose gegangen, egal, wie nah ich drangekommen bin...

)
Noch n paar Links:
ERM-History
Wikipedia:DualSports
OffHighwayMotorVehicleRecreation
Trail-Riding
Lesetips:
"Die Rumänen nach ´89" Eine sozio-politische Studie,
Alina Mungiu, InterGraf-Verlag
"Das Rumänische Banat" Reiseführer für Südwest-Rumänien,
J. Brudnjak,Rudolf Gräf,Werner Kremm, Austria Medienservice