Ja, ziemlich triviale Feststellung, nicht? Und nicht nur die Religion beeinflusst die Welt, sondern auch umgekehrt. Wie bei allen Systemen mit ihren Subsystemen.
Bis hierher verstehe ich Dich, auch wenn ich noch nicht ganz begriffen habe, wofür das ein Argument sein soll.
Zitat:
Zitat von zappa
Und auch die einzelne Geschichte (z.B. Deine Ausgangsgeschichte) im Rahmen der großen Erzählungen (z.B. Christentum) erzeugt Funktionales und Dysfunktionales.
Hier verstehe ich Deinen Punkt nicht mehr. Was meinst Du mit funktional und dysfunktional? Dysfunktional für wen?
Religionen unterliegen einer Evolution, genauso wie jedes andere geistige Kulturgut auch, z.B. Menschenrechte, politische Systeme, Gesellschaftsformen etc. Die Evolution dieser Systeme zielt darauf ab, sie zu verbreiten: Eine bestimmte Vorstellung z.B. von den Menschenrechten, die größeren Erfolg darin hat, sich zu verbreiten als eine andere Vorstellung von den Menschenrechten, wird sich durchsetzen.
Der evolutionäre Erfolg eines geistigen Kulturguts besteht also darin, sich selbst zu verbreiten. Er besteht nicht darin, das Wohl der Menschen zu vergrößern. In analoger Weise ist die Evolution der Löwen gut für Löwen, nicht aber für Antilopen. Die Evolution der Religionen ist gut für Religionen, aber nicht unbedingt für Menschen.
Beispielsweise haben sich Elemente wie Hölle und Himmel als gut für den Verbreitungserfolg von Religionen erwiesen, ferner der im Christentum zentrale Begriff der Sünde. Für die Menschen selbst hat das mitunter Nachteile, denn die Angst vor dem ewigen Höllenfeuer lässt sich leicht missbrauchen.
Was ist jetzt mit funktional und dysfunktional gemeint? Vorstellungen, die sich für den Ausbreitungserfolg einer Religion als günstig ("funktional") erwiesen haben, können gleichzeitig für das Wohlergehen der Menschen ungünstig ("dysfunktional") sein. Man denke nur an einen Menschen, der sich stundenlang vor einer Mauer verneigt. Oder an die Verfolgung völlig harmloser gleichgeschlechtlich liebender Menschen bis in unsere Generation hinein.
Gut und Böse existieren nicht absolut. Es exisiteren frei definierbare Maßstäbe.
Ich stimme Dir grundsätzlich zu. Doch gänzlich frei sind diese Maßstäbe nicht. Das Leid von Menschen (oder Tieren) ist eine feste Bezugsgröße. Sobald man sich darin einig ist, dass eine sinnvolle Ethik zum Ziel haben muss, Leid zu verringern, hat man einen ethischen Kompass.
Rechtfertigt der Diebstahl einer Schokolade einen amputierten Arm? Nein, denn das Leid des Besitzers steht in keinem Verhältnis zum Leid des Amputierten. Entsteht jemandem ein Leid, wenn erwachsene Menschen einvernehmlichen Sex haben, in welcher Form auch immer? Nein, also soll das gar nicht bestraft werden.
An dieser Richtschnur kann man sich langsam voranhangeln. Ethik bleibt aber Verhandlungssache, da bin ich ganz bei Dir.
Nobelpreisträger Steven Weinberg sagte dazu: "Mit oder ohne Religion würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, bedarf es der Religion."
Ich denke, diese Aussage ist unvollständig, da auch viele andere Ideologien oder Weltanschauungen hier zu nennen wären. Aber man versteht IMO durchaus, was Weinberg meinte. Wenn ein Vater wegen einer Lappalie seine eigene Tochter steinigt, denke ich an diesen Satz.
Das ist ein schönes Zitat.
Es lässt sich aber auch gut umkehren: Manchmal bedarf es auch der Religion, damit böse Menschen Gutes tun.
Allerdings ist das Zitat ohnehin ein rhetorischer Trick: die Definition von einem gutem Menschen ist doch, dass er Gutes tut. Tut er Böses, ist er kein guter Mensch (etwa der Vater in Deinem Beispiel). Das Grundproblem ist, dass man sich zunächst überhaupt einigen müsste, was gut und was böse ist. Solange man das nicht kann (in dem Fall, weil der Vater wohl glaubt, er tue etwas Gutes), bleibt es Wortgeklingel oder auch ein sogenannter Zirkelschluss, weil eben die Prämisse, aus der eine Schlussfolgerung abgeleitet wird, ebenso in Frage gestellt werden kann, wie die Schlussfolgerung selbst.
Es lässt sich aber auch gut umkehren: Manchmal bedarf es auch der Religion, damit böse Menschen Gutes tun.
...
Hast schon recht, ich will mir das Zitat auch nicht zu eigen machen. Ich verstehe aber, was Steven Weinberg meinte. Ich denke da beispielsweise an Muhammad Atta und seine Crew, die in das World Trade Center rauschten und über 3000 Menschen tötete.
Waren diese Täter böse? Nein, ganz im Gegenteil, die glaubten so fest an das Gute ihrer Tat, dass sie dafür ihr Leben zu opfern bereit waren.
Waren die Täter dumm oder verrückt? Nein sie waren sogar sehr intelligent.
Sie waren idealistisch, klug, mutig und engagiert – und sehr gläubig. Wir dürfen annehmen, dass letzteres sie zu der Wahnsinnstat veranlasste.
Diesen Satz halte ich für irreführend. Er stimmt nämlich nur zum Teil, suggeriert aber, dass der Vatikan das Hauptproblem in der Frage "Religion und Menschenrechte" sei. Und das darf aus gutem Grund bezweifelt werden.
Der Vatikan hat zwar ein grundlegendes theologisches Problem mit der Menschenrechtserklärung, die praktischen Auswirkungen sind aber überschaubar bis nicht vorhanden. Das ist jedenfalls nicht vergleichbar mit der Menschenrechts-Situation in sehr vielen anderen Staaten.
Ich habe auch nicht geschrieben, dass der Vatikan das Hauptproblem in der Frage "Religion und Menschenrechte" sei. Aber bei der Formulierung und Entwicklung der Menschenrechte hat die katholische Kirche blockiert und nicht geholfen. Die praktischen Auswirkungen sind für den Einzelnen durchaus vorhanden (nur ein Beispiel ist die Diskriminierung der Frau, z.B. wenn die Kirche der Kindergartenleiterin kündigt, weil sie sich von ihrem Mann getrennt und mit einem neuen Partner zusammen lebt.)
Dass die Kirche ein "grundsätzliches theologisches Problem" mit den Menschenrechten hat, hat ihre Ursache darin, dass eine Menschenrechtserklärung das päpstliche Primat infrage stellt bzw. negiert. Das ist nur eine Machtfrage.
Bis hierher verstehe ich Dich, auch wenn ich noch nicht ganz begriffen habe, wofür das ein Argument sein soll.
Hier verstehe ich Deinen Punkt nicht mehr. Was meinst Du mit funktional und dysfunktional? Dysfunktional für wen?
Religionen unterliegen einer Evolution, genauso wie jedes andere geistige Kulturgut auch, z.B. Menschenrechte, politische Systeme, Gesellschaftsformen etc. Die Evolution dieser Systeme zielt darauf ab, sie zu verbreiten: Eine bestimmte Vorstellung z.B. von den Menschenrechten, die größeren Erfolg darin hat, sich zu verbreiten als eine andere Vorstellung von den Menschenrechten, wird sich durchsetzen.
Der evolutionäre Erfolg eines geistigen Kulturguts besteht also darin, sich selbst zu verbreiten. Er besteht nicht darin, das Wohl der Menschen zu vergrößern. In analoger Weise ist die Evolution der Löwen gut für Löwen, nicht aber für Antilopen. Die Evolution der Religionen ist gut für Religionen, aber nicht unbedingt für Menschen.
Beispielsweise haben sich Elemente wie Hölle und Himmel als gut für den Verbreitungserfolg von Religionen erwiesen, ferner der im Christentum zentrale Begriff der Sünde. Für die Menschen selbst hat das mitunter Nachteile, denn die Angst vor dem ewigen Höllenfeuer lässt sich leicht missbrauchen.
Was ist jetzt mit funktional und dysfunktional gemeint? Vorstellungen, die sich für den Ausbreitungserfolg einer Religion als günstig ("funktional") erwiesen haben, können gleichzeitig für das Wohlergehen der Menschen ungünstig ("dysfunktional") sein. Man denke nur an einen Menschen, der sich stundenlang vor einer Mauer verneigt. Oder an die Verfolgung völlig harmloser gleichgeschlechtlich liebender Menschen bis in unsere Generation hinein.
Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob noch jemand mitliest und es jemanden interessiert ...
Funktional und dysfunktional für die direkt und indirekt Betroffenen der Handlungen, die aus den religiösen Motiven entstehen. Ich denke wir können uns einig sein, dass z.B. "Mitgefühl" durch das Christentum mindestens verstärkt wurde und insofern größtenteils funktional für "die Welt" war/ist. Und ich denke wir können uns auch einig sein, dass z.B. die von Dir angesprochene Stigmatisierung gleichgeschlechtlicher Liebe größtenteils dysfunktional für "die Welt" war/ist.
Ich denke wir können uns einig sein, dass z.B. "Mitgefühl" durch das Christentum mindestens verstärkt wurde und insofern größtenteils funktional für "die Welt" war/ist.
Nein, da bin ich ganz anderer Meinung. Weder trifft das auf den einzelnen zu, noch auf die Weltbevölkerung als ganzes. Es gibt keinerlei positiven Zusammenhang zwischen der christlichen Gläubigkeit einer Gesellschaft und ihrem Mitgefühl.
Im Gegenteil gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Gläubigkeit und der Zustimmung zur Todesstrafe.