Die Bibel ist seit langer Zeit ein Anhaltspunkt für das Zusammenleben in einigen Regionen der Erde. Es war ein Regelwerk. Aus verschiedenen Regelwerken der Welt sind Wertesysteme entstanden.
War es vielleicht nicht eher umgekehrt: Aus den Wertesystemen einer Epoche sind anschließend die religiösen Regeln entstanden? Die Menschheit hat 99,9% der Zeit auf diesem Planeten ohne Christentum gelebt, aber nicht ohne Werte im Sinne von: Regeln des Zusammenlebens.
Diese Regeln entwickeln sich auch ohne göttlichen Eingriff ganz von selbst. Menschen sind wie alle Primaten soziale Wesen, die miteinander auskommen müssen.
Zitat:
Zitat von Vicky
Die eine Wahrheit gibt es ja möglicherweise gar nicht. 1+1 ist in unserem Verständnis nur deshalb 2, weil irgendjemand irgendwann ein System erschaffen hat, um dieses messbar und begreifbar zu machen.
Dem würde ich aus meiner Laiensicht zustimmen. Wir können nicht erkennen was wahr ist, sondern nur, was falsch ist. Kommen beispielsweise zwei völlig unterschiedliche Erklärungen zum selben korrekten Ergebnis, können wir nicht entscheiden, welche der beiden Erklärungen die Wahrheit abbildet. Ist jedoch eine Hypothese falsch, können wir das herausfinden.
Alle wissenschaftlichen Erklärungen sind daher stets vorläufig, bis wir sie beim Falschsein erwischt haben. Die Gleichungen von Isaac Newton galten als richtig und bewährten sich prächtig, bis wir beobachtet haben, dass der Planet Merkur hartnäckig an einer falschen Position steht. Einstein korrigierte mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie diese Gleichungen. Sie gelten nun vorläufig als "wahr", bis wir Fehler an ihr finden.
Dieses Bewusstsein der Vorläufigkeit und die fortwährende Infragestellung des vorläufigen Wissens ist der Kern aller Wissenschaft. Dieses bescheidene Selbstverständnis hat die Menschen weit gebracht. Wir können Krankheiten heilen, Unwetter vorhersagen, durch die Luft fliegen, mit Amerika telefonieren und unsere eigene Existenz verstehen. Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass wir von der "Wahrheit" auf komplizierte Weise getrennt sind.
Wir haben in der Diskussion gesehen, dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass die Geschichte von den beiden Männern und der Frau sich genau so zugetragen hat und insofern "wahr" ist. (...) Und trotzdem erzeugen diese Geschichten auch heute noch offenbar funktionale und dysfunktionale Ergebnisse.
Willst Du damit folgendes ausdrücken: Unabhängig von der Existenz eines Gottes ist es eine Tatsache, dass Religionen existieren. Diese Religionen haben Auswirkungen auf die Welt.
Es ist kein Zufall, dass bis heute der Vatikan einer der wenigen Staaten ist, die die Menschenrechtscharta der UNO bis heute ablehnen.
Diesen Satz halte ich für irreführend. Er stimmt nämlich nur zum Teil, suggeriert aber, dass der Vatikan das Hauptproblem in der Frage "Religion und Menschenrechte" sei. Und das darf aus gutem Grund bezweifelt werden.
Ich weiß, dass ich jetzt gefährlichen Boden betrete, möchte aber trotzdem darauf hinweisen, dass sich zum Beispiel Islamische Staaten überhaupt die Menschenrechte selbst definieren, wie es ihnen oder ihrer Religion passt.
"Im Jahr 1990 beschloss die Organisation der Islamischen Konferenz die Kairoer Erklärung der Menschenrechte, die inhaltlich erheblich von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte abweicht, obwohl sie im Wortlaut ähnlich gehalten ist. Sie garantiert z. B. keine Gleichberechtigung von Männern und Frauen und kein Recht auf freie Wahl der Religion oder des Ehepartners. Weiter stellt sie alle dargestellten Rechte unter den Vorbehalt der islamischen Schari’a." (Wikipedia).
Der Vatikan hat zwar ein grundlegendes theologisches Problem mit der Menschenrechtserklärung, die praktischen Auswirkungen sind aber überschaubar bis nicht vorhanden. Das ist jedenfalls nicht vergleichbar mit der Menschenrechts-Situation in sehr vielen anderen Staaten.
Diesem Satz stimme ich voll und ganz zu, möchte ihn aber ergänzen: Auch um unethisch zu denken und zu handeln, benötigt man keine Religion.
Nobelpreisträger Steven Weinberg sagte dazu: "Mit oder ohne Religion würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, bedarf es der Religion."
Ich denke, diese Aussage ist unvollständig, da auch viele andere Ideologien oder Weltanschauungen hier zu nennen wären. Aber man versteht IMO durchaus, was Weinberg meinte. Wenn ein Vater wegen einer Lappalie seine eigene Tochter steinigt, denke ich an diesen Satz.
War es vielleicht nicht eher umgekehrt: Aus den Wertesystemen einer Epoche sind anschließend die religiösen Regeln entstanden? Die Menschheit hat 99,9% der Zeit auf diesem Planeten ohne Christentum gelebt, aber nicht ohne Werte im Sinne von: Regeln des Zusammenlebens.
Diese Regeln entwickeln sich auch ohne göttlichen Eingriff ganz von selbst. Menschen sind wie alle Primaten soziale Wesen, die miteinander auskommen müssen.
Da hast Du natürlich ganz recht.
Ich denke, dass sich die Werteentwicklung erst in den letzten Jahrhunderten vermischt hat mit neuen und alten Vorstellungen und Interpretationsweisen des Zusammenlebens.
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Phantasie ist etwas, das sich manche Leute gar nicht vorstellen können.
Willst Du damit folgendes ausdrücken: Unabhängig von der Existenz eines Gottes ist es eine Tatsache, dass Religionen existieren. Diese Religionen haben Auswirkungen auf die Welt.
Ist es das?
Ja, ziemlich triviale Feststellung, nicht? Und nicht nur die Religion beeinflusst die Welt, sondern auch umgekehrt. Wie bei allen Systemen mit ihren Subsystemen.
Und auch die einzelne Geschichte (z.B. Deine Ausgangsgeschichte) im Rahmen der großen Erzählungen (z.B. Christentum) erzeugt Funktionales und Dysfunktionales. Es reicht wenn der- oder diejenige daran glaubt. Und das ist wieder wie bei allen anderen Überzeugungen auch. Woran ich glaube, wovon ich überzeugt bin, wird mein Handeln maßgeblich beeinflussen - ob die Ausgangsstory, das, woran ich meine Überzeugung festmache, nun "wahr" ist, oder nicht.
Nobelpreisträger Steven Weinberg sagte dazu: "Mit oder ohne Religion würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, bedarf es der Religion."
Ich denke, diese Aussage ist unvollständig, da auch viele andere Ideologien oder Weltanschauungen hier zu nennen wären. Aber man versteht IMO durchaus, was Weinberg meinte. Wenn ein Vater wegen einer Lappalie seine eigene Tochter steinigt, denke ich an diesen Satz.
Ich befürchte, dass der Mann nichts Böses tut. Innerhalb der für ihn maßgeblichen Gruppe, seiner Glaubensgemeinschaft, wird er wohl ein guter Mann sein, weil er seine und die Ehre der Familie dadurch aufrecht erhält, dass er seine Tochter, die z.B. vorehelichen Geschlechtsverkehr hatte, steinigt.
Gut und Böse existieren nicht absolut. Es exisiteren frei definierbare Maßstäbe. Und ob jemand gut oder böse ist, hängt von seinem Verhalten in Bezug auf diese Maßstäbe ab. Das Handeln des Vaters zeigt doch genau das.