Liebe Leute,
ich möchte heute einfach einmal meine „Läufergeschichte“ mit Euch teilen. Sie wird viel zu lang, viel zu viel und für manche auch langweilig sein. Deshalb teile ich sie in drei oder vier Abschnitte.
Warum teile ich meine „Story“ mit Euch? Ich bin momentan furchtbar stolz und dankbar. Stolz, dass ich momentan so laufen kann. Dankbar, weil es Menschen gibt (wie Arne zum Beispiel, der ja meine Trainingspläne schreibt) und auch gab, die da wirklich SEHR SEHR SEHR geduldig mit mir sind. Das ist mit Sicherheit nicht immer einfach.
Los geht’s.
Nur fliegen ist schöner?
Als Kind war ich eigentlich eine gute Läuferin. Ich kam in die Schule und belegte immer bei allen Schulwettkämpfen einen Podestplatz. Dabei spielte es keine Rolle, ob es ein Sprint war (die gewann ich in der Regel) oder länger Kinderläufe waren. Hier war ich eher auf den Plätzen 2 bis X zu hause. :-D
Ab der zweiten Klasse kam ich dann ganz offiziell zum Schwimmsport. Erst als ich auf die Sportschule kam, änderte sich meine Lauffähigkeit. Ich nahm stark an Gewicht zu, sah aber sehr durchtrainiert aus. Das führte dazu, dass mir das Laufen immer schwerer und schwerer fiel. Am Ende war ich bei allen Läufen immer mit großem Abstand die Letzte. Ich beschloss, dass ich das Laufen ab sofort hasse.
Ich verweigerte mich also ab dann dem Laufsport in allen Formen. War ich zu einem Lauftest gezwungen, stellte ich absolut unwiderlegbar sicher, dass man mir 110%ige Talentfreiheit beim Laufen bescheinigte. Ich lief mit voller Absicht so langsam wie möglich, zwischendurch legte ich ein paar anstrengende Laufabschitte hin, die jedoch nicht sehr viel schneller waren, aber extrem unökonomisch, so dass ich auch ausreichend angestrengt wirkte am Ende. Eigentlich war das gar nicht nötig, denn aufgrund meines recht hohen Gewichts, war ich ohnehin kaum in der Lage, meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.
So schließ ich ab mit dem Laufen und auch mit dem Sport im Allgemeinen. Nie wieder (aktiv) Sport lautete meine Devise. Ich wählte für das Abi Tischtennis und schwimmen (weil mich das am wenigsten anstrengte), lies mich permanent vom Sportunterricht befreien und schwor dem ganzen Gehüpfe und Geschwitze ab. Ich hatte schließlich während meiner aktiven Schwimmerzeit genug geschwitzt.
20 Jahre später – ich hatte das Kette rauchen, die nächtelangen Partygänge mit allem Drum und Dran hinter mir gelassen – stellte ich fest, dass ich unfassbar unfit bin. Irgendetwas muss ich tun. Für mich, für meine Gesundheit. Ich kaufte mir zunächst ein Fahrrad in Berlin Kreuzberg bei Carsten Kupsch in seinem Rad-Kreuz Laden. Es war ein bronzefarbenes Giant Trekking Rad (ich fahre es noch immer ;-D). Das war mein allererstes Fahrrad. Ich besaß weder als Kind ein Fahrrad, noch später. Ich saß bis dahin noch nie auf einem Rad, was ich jedoch niemandem erzählte. Mit meinem neuen Rad ging ich also erst einmal auf diverse Parkplätze, um das Fahrrad fahren zu lernen. Nun … lange hat das nicht gedauert. Ich setzte mich drauf und fuhr einfach, wenn auch sehr unsicher. Es folgten ein paar kleinere Touren allein. So quälte ich mich die Straße zum Grunewaldturm hinauf mit meiner Trekking Möhre, während mich gut gestylte Rennradfahrer wie eine kleine dumme Göre stehen ließen auf dem Weg an die Spitze. Dieser BERG war für mich GIGANTISCH hoch. Ich bewältigte allein Strecken bis um die 50 km und hatte wirklich Spaß. Gerade die für mich persönlich längeren Strecken gaben mir eine große innere Zufriedenheit.
Leider war diese nicht von Dauer. Ich war quasi Schönwetterradlerin und noch immer recht unsicher auf dem Rad. Gelegentlich verlor ich die Balance. Also musste eine Sportart her, die ich bei jedem Wetter ausüben kann. Ich bin jemand, der nicht so schnell aufgibt. Hier und da las ich vom Laufen, stand am Straßenrand beim Berlin Marathon. Ich beschloss, dass ich der Lauferei noch eine Chance gebe. Als Kind ging das ja auch. Also schrieb ich diverse Lauftreffs an, ob ich denn vorbeikommen kann. Schnell stellte ich fest, dass Laufanfänger es schwer haben. Niemand war bereit, mir zu zeigen, wie das mit der Lauferei so funktioniert. Ich begann im Internet zu recherchieren und fand schließlich eine Laufgruppe mit bezahltem Trainer, der bereit war, mir das Laufen beizubringen.
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Phantasie ist etwas, das sich manche Leute gar nicht vorstellen können.
Fatale Entscheidungen
Nun ich will es vorwegnehmen. Diese Laufgruppe war der größte sportliche Fehler, den ich begangen habe. Ab dem ersten Tag war ich dort total überfordert. Das Training sah so aus, dass ich praktisch 3 mal die Woche hartes Tempotraining absolvierte und einen 1stündigen Tempodauerlauf auf dem Plan hatte. Keinen der Läufe konnte ich durchlaufen. Es war sehr hart für mich. Ich war sehr sehr oft verletzt, knickte häufig um. Ich konnte keinen Wettkampf beenden, weil ich quasi an allen Läufen verletzt teilnahm und aussteigen musste. Dazu kam, dass die Laufgruppe einen extrem hohen Leistungsdruck erzeugte. Da ich aber nicht so schnell aufgebe, wollte ich mich dem nicht beugen.
Eines Tages mitten im Winter bei wirklich klirrender Kälte und Schnee stand ein Lauf mit der Gruppe an. Für mich war das wie immer eher ein Tempodauerlauf. Doch an diesem Tag geschah etwas. Wir liefen mit ca. 10 Leuten durch den Grunewald, als ich mich plötzlich hinsetzen musste. Es führte kein Weg daran vorbei. Ich MUSSTE. Sofort. Also setzte ich mich. Die Gruppe lief vorn weg und war nach kurzer Zeit nicht mehr gesehen. Nach einer Minute der Ruhe, wollte ich der Gruppe folgen. Ich stand auf, wollt lostraben. Es ging nicht. Keine Chance. Ich musste mich übergeben. Also setzte ich mich erneut. Der Trainer kam zurück, reagierte extrem gereizt und genervt, weil ich so weit zurücklag. Ich sagte ihm, dass ich schon zurechtkomme, er solle doch vorlaufen. Es war erbärmlich. Ich konnte keinen Meter mehr laufen. Nach einigen Gehmetern MUSSTE ich mich hinsetzen. Das war wirklich extrem schlimm. Der Trainer war stinksauer, fluchte schimpfte, gab mir die Schuld für alles. Ich möchte erwähnen, dass ich NICHT krank war. Ich hatte weder einen Infekt noch eine Erkältung noch sonst irgendetwas. Ich hielt das für eine einmalige Sache, die mal passieren kann, sprach mit dem Trainer. Der bestätigte das und alles war wieder ok. War es leider nicht, denn in der Folgewoche und beim Gruppentraining passierte exakt das gleiche. Ich war am Boden zerstört. Es konnte doch nicht sein, dass ich unfähig war zu laufen? Ich konnte mir diese Ausfälle überhaupt nicht erklären. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was da passiert ist und war fest davon überzeugt, dass es an mir lag und ich einfach nicht hart genug trainiert habe.
Also meldete ich mich krank. Insgesamt hat es 4 Monate gedauert, bis ich wieder ungefähr 30 Minuten in einem extrem langsamen Tempo laufen konnte.
Es ging ein weiteres Jahr so weiter. Im Folgejahr erlebte ich exakt das gleiche Phänomen. Erneut dauerte es Monate, bis ich überhaupt wieder laufen konnte. Ein Schlüsselerlebnis für mich war, als ich vor dem Gruppentraining (= Intervalle kloppen) auf meiner Pulsuhr einen Puls von knapp über 140 hatte, ohne auch nur einen Meter gelaufen zu sein. Aus irgendeinem Grund hat mich das wach gerüttelt, dass diese Gruppe eventuell für mich die falsche Gruppe ist, der Trainer nicht der richtige Trainer für mich ist.
Ich begann, mich mit Training und Trainingsplanung zu beschäftigen, landete unter anderem hier im Forum und blieb lange stille Mitleserin. Im dritten Jahr meines Laufverderbens dann verließ ich die Gruppe, denn es zeigten sich erneut die gleichen Symptome. Ich hatte inzwischen regelrecht Angst vor jedem Lauftraining, jedoch erinnerte ich mich an die langen Radausfahrten und wie viel Freude sie mir bereiteten. Ich war fasziniert vom Rennen auf Hawaii, vom Triathlon allgemein. Bis dahin traute ich mich nicht in eine Schwimmhalle. Zu groß war der eigene Erwartungsdruck. Zu groß der Leistungsanspruch an mich selbst, der noch durch die äußerst verbissene leistungsorientierte Laufgruppe vervielfacht wurde.
Ich beschloss es zu riskieren.
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Phantasie ist etwas, das sich manche Leute gar nicht vorstellen können.
Aller Neuanfang ist schwer
Es war ein sehr langer, sehr steiniger Weg, bis ich begriff, dass ich meine Schwimmleistungen aus früheren Tagen nie wieder erreichen kann. Damals trainierte ich 2 mal täglich. Heute 2 mal die Woche. Es dauerte, bis ich allgemein begriff, dass mein Leistungsanspruch an mich selbst utopisch ist und ich mir selbst damit im Weg stehe. Es dauerte, bis ich akzeptierte, dass ich eben als eine der letzten ins Ziel komme. ABER: Ich tolerierte für wichtige Wettkämpfe keine Aufgabe (außer Verletzung). Aufgeben gibt es nicht, wenn man das Rennen beenden kann.
Das Lauftraining gestaltete sich schwierig. Nach meinem Wechsel zu einem Triathlon Trainer kämpfte ich erneut mich en Folgen des vorherigen Trainings. Ich erinnere mich genau an meine erste Laufeinheit. 1 min. langsam traben – 1 min gehen. Nach nur 15 Minuten Lauftraining dieser Intervalle musste ich mich übergeben. Das war im Februar. In diesem Jahr finishte ich meine erste Olympische Distanz in Hamburg und ich war darauf wirklich stolz. Den Laufteil beschloss ich ab dann mit Gehabschnitten zu unterstützen. So halte ich es noch immer.
Inzwischen habe ich den Spaß am Laufen wiedergefunden. Allerdings erst seit ungefähr einem Jahr ist das so. Irgendwie läuft es sich anders. Ich fühle mich inzwischen richtig wohl beim Laufen. Nur Temposachen laufe ich noch immer nicht. Außerdem habe ich die Gehpausen beibehalten, weil sie mir eine gewisse Sicherheit geben. Ich mache nur sehr langsam Fortschritte. Es gibt viele Rückschläge, aber ich habe schon lange keine Angst mehr vor dem Lauftraining. Im Gegenteil... ich freue mich wieder richtig drauf.
Arne ist da nach wie vor sehr geduldig mit mir, was die Läufe betrifft. Inzwischen möchte ich selbst den nächsten Schritt gehen und mal Intensitäten testen. Ich habe in den letzten zwei Jahren festgestellt, dass mir lange Läufe sehr sehr viel Freude bereiten. Ich konzentriere mich dabei voll auf mich, bin ganz bei mir, musste oft kämpfen. Aber es gibt mir eine sehr sehr tiefe innere Befriedigung.
Ich bin heute locker 30 Minuten gelaufen, obwohl ich eigentlich gar keine Lust hatte. Mir ist bei diesem Lauf aufgefallen, wie locker ich mich selbst dabei fühle. Ich muss nicht mehr nach 200 bis 300 Metern keuchen, wie ein Walross, weil ich viel zu schnell losbgelaufen bin. Ich bin nicht nach 1 km völlig fertig, weil ich das Anfangstempo zwingend halten muss. Nach dem 30 Minuten heute fühle ich mich tiefenentspannt. Es hätte auch noch ne halbe Stunde länger sein dürfen.
Also… vielen Dank Arne für Deine Geduld.
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Phantasie ist etwas, das sich manche Leute gar nicht vorstellen können.
Huch... schon zu Ende. Ehrlich Vicky, mir kam sie kurzweilig vor deine Erzählung.
Was ich hierzu sagen möchte:
Du brauchst und sollst dich imho bei gar keinem Trainer bedanken für die Geduld mit dir.
Jeder läuft wie er will und kann und Mann läuft für sich. Frau auch ?
LG, Eber
Ich hoffe ich sehe dich beim Sifi
Na da sieht man auch mal wieder, wie stark der Kopf mitspielt.
Ich wünsche Dir, dass Du weiterhin und immer mehr, glücklich und entspannt laufen kannst!!!
Ich gebe zu, dass mir momentan noch etwas die Motivation fehlt für mehr Training... Ick weiß auch nicht... ich hätte heute soooo schön Radfahren können. Ich hatte leider so gar keine Lust. Dafür habe ich aber gearbeitet.
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