Über die erste Hälfte des Jahres ist sportmäßig nicht viel zu sagen, mehr als 3-5 Stunden klassisches Training (das war ein Jahr vor der Entdeckung von Crossfit) waren nicht drin, zu sehr war ich mit dem „Wiederaufbau“ meiner Firma und dem mehrfachen Pendeln zwischen Lindau und München pro Woche beschäftigt.
Leider weiß ich es nicht mehr genau, wann mein Freund Martin genau meinte, er müsse noch mal nach Florida und ob ich mitkommen wolle, aber vom Blick in die Trainingsaufzeichnungen ausgehend, muss es wohl Juli gewesen sein, denn da zog mein Stundenpensum merklich an, z. T. hatte ich sogar Wochen mit 20 Stunden Training.
Mitte Juli machte ich die erste Sprintdistanz meines Lebens, viel zu schnell und viel zu kurz - eine völlig ungeeignete Sportart für mich!
Zwei Wochen später startete ich incognito unter dem Namen „Michel Dicka“:
Heute sehe ich in der Ergebnisliste, dass ich 40 Sekunden langsamer als HaFu beim Schwimmen, wahrscheinlich nur wenig langsamer beim Radeln war (in der Radzeit sind beide Wechsel drin, was ich gar nicht leiden kann, denn meine schlechten Wechselzeiten zerhauen mir immer die Radzeit), dafür sechseinhalb Minuten langsamer beim Laufen.
Darum wurde Harald auch Zweiter und ich in 4.05 Elfter - also ein wunderbares Ergebnis in Anbetracht des bisherigen Trainings.
Anfang September startete ich noch bei der MD in Locarno direkt aus dem Training heraus mit eher mauem Ergebnis und eine Woche später fuhr ich beim schon erwähnten Bodensee-Triathlon mit - richtig gelesen: ich „FUHR“ mit.
Natürlich wollte ich mir weder den Hintern im ar***kalten Bodensee abfrieren noch wollte ich mich 42 Kilometer durch das nasse Bregenz quälen - denn die erste Septemberwoche hat es hier IMMER schlechtes Wetter.
Aber ich wollte die Radrunde mitfahren, also stand ich morgens so auf, dass ich nach Frühstück und einer ca. halbstündigen Zufahrt auf die Radstrecke kommen würde und mich unter die regulären Wettkämpfer mischen konnte.
Eigentlich wollte ich es so timen, dass ich mit der Spitze mitfahren würde, aber irgendwie stimmte meine Rechnerei nicht, zumindest waren schon jede Menge Leute unterwegs und vor mir.
Das Schöne war, dass ich von der Kleidung her eher für eine Antarktis-Expedition gerüstet war:
Ich hatte über meine normalen Radsachen (selbstverständlich lange Hose, Jacke Schal, Stirnband, Handschuhe) meine Trekkingjacke drübergezogen, so dass ich es mollig warm hatte.
Ich pflügte gemütlich durch das Feld und stieß irgendwann auf Olaf Sabatschuss, den Führenden und späteren Gewinner, wobei ich nicht mehr weiß, ob ich zu ihm auffuhr oder er zu mir - auf jeden Fall begleiteten wir uns ein oder zwei Runden und ich erinnere mich noch sehr gut an eine Abfahrt, auf der ich ihn überholte und er mich in meiner ganzen Garderobenpracht stirnrunzelnd betrachtete, was ich denn für ein Vogel sein könnte.
Heute kann ich es ja gestehen:
Ich habe an zwei Verpflegungsstationen Wasser aufgenommen, obwohl ich nicht bezahlt hatte …

… ich hoffe nicht, dass ich schuld am Ende des Bodensee-Triathlons war!
Anyway, als Zweiter fuhr ich nach Bregenz rein und anstatt links zum Ziel fuhr ich trotz aufgeregt rufender Helfer rechts nach Hause, lief noch acht Kilometer aus - und hatte eine sehr nette Vorbereitungseinheit für Florida absolviert.
Ich fuhr diese Runde noch zwei, dreimal in den darauf folgenden Wochen, allerdings kürzer und trainierte generell richtig gut, dafür dass es ja schon September/Oktober war - traditionell die Monate, in denen ich viel Zeit mit Taschentüchern verbringe …
Florida also.
Noch mal.
Und natürlich hatte ich wieder einen Plan.
Hahihaho.
Ich wollte mit Pulsmesser fahren - etwas, was ich seit meinem dritten IM nicht mehr gemacht hatte - um diesmal ganz sicher zu gehen, nicht zu überpacen, weil - genau, Ihr ahnt es schon - weil ich danach richtig schnell = schneller als die 3.16 in Südafrika laufen wollte.
Nun fliegt man ja nach Florida nicht mit einem kompletten Rad, sondern man schraubt an allen möglichen Teilen herum, bis sie abfallen und hofft, dass das Rest-Rad in den Koffer passt. Idealerweise schraubt man es dann wieder EXAKT so zusammen, wie es vorher war - und fertig is’.
So habe ich das auch gemacht, mit einem klitzekleinen Unterschied: Ich stellte den Sattel auf eine Kerbe in der Stütze ein, ohne darauf zu achten, dass es noch andere Kerben gab. Natürlich wusste ich das in dem Moment nicht, sonst wäre es ja langweilig geworden.
Beim Einfahren vier Tage vorher fühlte sich nur das rechte Knie ein bisserl dick an, was ich auf den langen Flug zurückführte, zudem zwickt es ja traditionell in den Tagen vor einem WK - normalerweise ein gutes Zeichen.
Das Schwimmen in Florida (bei gutem Meer) ist ein Vergnügen, trotz weit über 2.000 Startern gibt es keine Prügelei, großer Spaß.
Mein Wechsel gestaltete sich, wie immer, zeitaufwändig, aber ich war wohl sehr entspannt, wie mein Rennbericht erzählt:
„Nach gemütlichen 58,30 wieder mein übliches Wechseldilemma: Wieso jetzt hetzen? Jede Menge Zuschauer, die wie wild klatschen, Volunteers, die sich sehr bemühen, einem den Neo abzuziehen und eine Dusche auf dem Weg zum Wechselzelt (natürlich hält man hier an und macht sich erst mal frisch!)...bis ich dann endlich meine Radsachen anhabe (extra noch zwei große Schokocookies von dem Bankett hinten ins Trikot), mein Rad finde (war das gestern nicht in der anderen Reihe...?) und auf selbiges aufsteige, zeigt die Uhr fast 1.03 - es ist mir vollkommen schleierhaft, wie jemand all die Dinge, die ICH in T1 erledigen MUSS, in zwei Minuten absolviert.“
Das Radeln war ein Tick schneller als 2003 (4.41.08), ich glaub', es war nur noch ein weiterer Agegrouper vor mir (aber der beste Bikesplit aller Agegrouper gehörte mir …;-), ansonsten mangels anderer Athleten keinerlei Hektik, als ich bei 5.46 auf die Laufstrecke ging - und mir dachte: eine 3.14 nach einer 3.16 in Südafrika - das schaffst Du!
Jetzt besteht ja ein Mensch neben seinem Hirn noch aus jeder Menge anderer Bestandteile, einige davon sind für einen Marathon relativ unwichtig, wie z. B. das Ohr, andere durchaus wichtig, wie z. B. die hintere Sehne im rechten Knie - und die fühlte sich von diesem Aufruf überhaupt nicht angesprochen, im Gegenteil, sie bestand auf ihrer Autonomie und wollte sich partout nicht beugen lassen.
Ich muss darauf hinweisen, dass ich großer Fan von herrschaftsfreien Gesellschaften bin (Gruß an Herrn Bakunin!), aber was meine Sehne da trieb, ging zu weit, so viel Unabhängigkeit war mir zu viel, nur:
Ich hatte keine Macht über sie, also stakste ich wie ein Storch über die Laufstrecke, weil ich mein rechtes Bein nicht richtig bewegen konnte.
Wie sah es JETZT mit meinem Plan aus?
Die 3.14 waren mit einer anarchistischen Sehne unmöglich zu schaffen, eine 3.30 bis 3.40 war wahrscheinlich drin - ich hörte schon die üblichen Kommentare „Ja, beim Radeln überzockt und beim Laufen wieder eingebrochen, hehehoho.“
Nicht zu finishen ging nach dem DNF in Lanza gar nicht, also wählte ich die Taktik des „Ups, der Michel hat ein RICHTIGES Problem“ und peilte die 4-Stunden-Marke an.
Gesagt getan, mit Gehpausen und gemütlichem Storchengang gab ich mir alle Mühe, um in exakt 4.01 das Ziel zu erreichen. Wenn ich mich recht erinnere, gar nicht weit weg von einem Quali-Platz für Hawaii, aber das war an diesem Tag nicht mein Ziel gewesen.
Dieses Sub9-Dings nahm ja inzwischen schon tragisch-skurile Züge an:
Entweder ich überzockte, verkackte es, wurde vorher krank oder stellte meinen Sattel zu tief - denn das stellte sich schlussendlich als die Ursache für die Arbeitsverweigerung der Sehne dar:
Gerade in Florida sollte man perfekt auf dem Rad sitzen, da man 180km ohne Unterlass in derselben Frequenz treten muss, da gibt’s keine Abfahrten, bei denen die Beine sich ausruhen können.
Aber was soll’s:
Wir Triathleten sind doch alle wie Don Quichotte, anstatt Windmühlen jagen wir dem nächsten „Da-wird-aber-alles-passen“-Wettkampf hinterher.
In diesem Sinne war 2007 zwar vorbei, doch wie es der Gang der Welt so will, stand ja bald 2008 vor der Tür …