Ich habe nie allgemeingültig gesprochen und das auch immer so versucht darzustellen. Ich bin auch kein Theologe mit entsprechendem Wissen. Um mich herum sind nur Menschen mit irgendeinem privaten (Halb)glauben (oder oft eben gar keinem). Dies genügt scheinbar hier nicht den Ansprüchen in diesem Thread bzw. ist nicht das Thema. Thema ist der Privatglaube nur, wenn es darum geht, eine Schuld aufzubauen...
Nach meiner Wahrnehmung haben wir uns recht intensiv mit Deinem Privatglauben auseinandergesetzt. Dabei haben wir Themen wie Zahlentheorie, Quantenmechanik sowie die Zeit vor dem Urknall durchschritten. Mir fällt spontan niemand ein, mit dessen Privatglauben es hier eine intensivere Beschäftigung gegeben hätte.
Der Privatglaube wurde lediglich dann zurückgewiesen, wenn mit ihm offizielle christliche Glaubensinhalte relativiert wurden. Nach dem Motto, "die Kritik an der Wundergläubigkeit im Christentum ist nicht statthaft, denn ich glaube gar nicht an Wunder". Auf diese Trennung zwischen offiziellem und privatem Glauben wurde verschiedentlich wert gelegt. Es wurde aber niemandem, soweit ich mich erinnern kann, das Recht auf seinen privaten Glauben abgesprochen.
Es ist Dir auch unbenommen, in Deinem privaten Glauben einen eigenen Standpunkt zum Heiligen Geist und dessen Ankunft auf der Erde zur Pfingstzeit einzunehmen. Das weißt Du sicher auch.
Ich könnte mir vorstellen, dass für Dich die Schwierigkeit nicht in der mangelnden Akzeptanz Deines Privatglaubens liegt. Sondern in der Tatsache, dass Du schlicht und einfach nicht an die Erscheinung des Heiligen Geistes in Palästina, 49 Tage nach Ostersonntag, glaubst. Und dass Dir trotzdem Traditionen wie das Pfingstfest ans Herz gewachsen sind. Wer hätte etwas dagegen?
Ich halte das in vielen Fällen für eine Pseudo-Integration.
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Ich denke daher ganz im Gegenteil: Die Fähigkeit des Christentums und ihrer Kirchen, sich dem fortschreitenden Wissen der Menschen anzupassen, ist äußerst gering. Sie haben zu allen Zeiten Andersdenkende verfolgt und dabei auch vor Mord nicht zurückgeschreckt. Selbst in unserer Zeit kann sie theologische Wissenschaftler nicht integrieren, die in der Frage, ob Maria nach der Geburt ihrer drei oder vier Kinder noch Jungfrau war, anderer Meinung sind als der Papst. Dabei ist die Albernheit dieser Debatte heute jedem Kind offensichtlich.
Ein großer Teil des Klerus ist homosexuell. Trotzdem sind die Kirchen nicht in der Lage, homosexuelle Menschen zu integrieren. Es gibt nur eine Pseudo-Integration nach dem Muster: Jeder Sünder ist willkommen, sofern er gegen sein Laster ankämpft und bereut. – Das schweift nun jedoch etwas ab von dem, was Du eigentlich ansprechen wolltest.
Also ich bezog mich mit der Idee, dass das Christentum gezwungen ist, religionskritische Vorstellungen pseudo oder wirklich zu integrieren, auf alle grossen Richtungen. Das mag bei manchen Themen keine wirkliche Integration sein, sondern nur scheinbar. Wollten die Kirchen bestehen, mussten sie sich der industriellen Entwicklung und dem Bürgertum in vielfältiger Weise anpassen. Sie integrierten davor ja auch schon nichtchristliche Bräuche in ihr Kirchenleben.
In der Lehre gilt bei den Reformierten vieles als Metapher bzw. als Symbol, das früher als "wirklich" oder "wahr" galt wie z.B. das Abendmahl als symbolische Handlung im Unterschied zu den Katholiken, die vom "wirklichen Leib und Blut" Jesu ausgehen.
Man könnte einige Punkte nennen, die früher mal essentiel zum Kern der christlichen Lehre gehörten und heute bei den Katholiken und/oder Evangelen revidiert sind und mir spontan einfallen: z.B. Zinsverbot, Staatsauffassung, ptolemäische Weltbild, Verbot der Zahl Null, Evolutionslehre, Gleichberechtigung bei den Evangelen. So hat sich das Verhältnis von Kirche und Staat unter dem Einfluss der bürgerlichen Revolutionen grundlegend geändert und es wird von den Kirchen befürwortet, dass wir keine "Gottestaaten" mehr sind, sondern die Menschen einen weltlichen "Gesellschaftsvertrag" (Rousseau) beschliessen. Ich mag mich aber in die heutige Theologie und Politik der Kirchen nicht so "hinarbeiten", da gibt es andere Prioritäten bei mir, insofern wäre es eher Aufgabe von Mitglieder der Kirchen, solche Entwicklungen aufzuzeigen.
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Ich könnte mir vorstellen, dass für Dich die Schwierigkeit nicht in der mangelnden Akzeptanz Deines Privatglaubens liegt. Sondern in der Tatsache, dass Du schlicht und einfach nicht an die Erscheinung des Heiligen Geistes in Palästina, 49 Tage nach Ostersonntag, glaubst....
Dir ist ja Wahrheit wichtig. Jesus hat womöglich gar nicht gelebt, seine Lebensgeschichte erfunden usw. Ich halte das für völlig legitim. Aber muss das entscheidend sein?
Stelle dir vor du hast ein Kind mit einer Frau und nach 10 Jahren kommst du dahinter, dass du nicht der Vater bist. Welch eine Lüge?!
Du kannst dies deiner Frau für den Rest deines Lebens vorwerfen, dich scheiden lassen, jegliche Beziehung beenden und jahrelang vor Gericht prozessieren.
Du kannst aber auch sagen: "Ok, das Kind ist nun mal da, es hat sich insgesamt positiv entwickelt. Schauen wir zu, dass es positiv und besser weitergeht, wir die Probleme angehen, trotz dieser gewaltigen Lüge".
Dir ist ja Wahrheit wichtig. Jesus hat womöglich gar nicht gelebt, seine Lebensgeschichte erfunden usw. Ich halte das für völlig legitim. Aber muss das entscheidend sein?
Nein, muss es nicht. Ich hatte ja gerade diesem Punkt viel Aufmerksamkeit gewidmet. Wir leben auch heute innerhalb rein fiktiver Wirklichkeitskonstruktionen. Zum Beispiel den Menschenrechten. Es ist nicht entscheidend, ob alle Menschen tatsächlich gleich sind. Wir tun so, als wären sie es.
Daneben hatte ich hier den literarischen Wahrheitsbegriff diskutiert. Es spiel keine große Rolle, ob Dr. Faustus tatsächlich existiert hat, sofern man den literarischen Wirklichkeitsbegriff zugrunde legt. Entscheidend ist, ob einem diese Figur etwas sagt.
Allerdings: Die Kirchen, und auch das Christentum selbst verwenden explizit den faktischen Wahrheitsbegriff. Sie halten ihre Einsichten für absolut wahr. Es ist für sie entscheidend, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstand. Dass seine Göttlichkeit metaphorisch gemeint sei, er aber faktisch ein Mensch und nur ein Mensch war – diese Relativierungen wirst Du im Christentum nirgends finden.
Aus meiner Sicht bist Du auch bezüglich des Wahrheitsbegriffs kein Christ. Du würdest viel eher mit mir auf einen gemeinsamen Nenner kommen, als mit Papst Franziskus.
Sorry, da musste ich echt laut lachen!! Ich lese mir gleich Dein Posting nochmal durch, wenn ich mich beruhigt habe.
Zuvor schaue ich mal, was ich bei Google dazu finde. Es ist wirklich zu köstlich!
Und hast Du etwas gefunden? Ich finde nur Einträge zum Verbot durch null zu teilen (wobei "Verbot" hier auch das falsche Worte ist), was deutlich weniger amüsant ist...