Nach meiner unmaßgeblichen Wahrnehmung ist das ein Weg, den wir nicht gehen dürfen. Man möge sich ausmalen, wohin er führt.
Du und weitere nehmt einen sehr rechtspositivistischen Standpunkt ein, der nicht die permanente und notwendige Dialektik zwischen rechtlichem Status und gesellschaftlicher Entwicklung widerspiegelt.
In jeder Gesellschaft gab und gibt es zu jeder Zeit viele Wege, die von wenigen, mehreren oder vielen begangen werden - und nicht von der jeweils aktuellen Rechtsprechung gedeckt werden.
Als im 18. Jahrhundert die Freiheit des Individuums "entdeckt" und von den ersten Denkern gefordert wurde, war das zu diesem Zeitpunkt gemäß absolutistischer Rechtsauffassung verboten.
Aus heutiger Sicht sind wir froh, daß sich das geändert hat - aber warum hat sich das geändert?
Weil damals immer mehr Menschen diesen erstmal "nur" moralischen Standpunkt eingenommen haben, obwohl er nicht vom Recht gedeckt war, und der Staat sich aufgrund von Aufständen, Parteiengründungen etc. dahingehend entwickelt hat, sein Recht zu verändern.
Ich will damit ausdrücken, daß in jeder "vernünftigen" Gesellschaft um Moral und Recht in allen Bereichen des Lebens gerungen werden muß, da Moral und Recht nicht immer deckungsgleich sind.
Dabei gibt es Bereiche, wo beiden nahezu identisch sind, aber eben auch Bereiche, wo sie auseinanderklaffen.
Im Fall des Dopings heißt das, daß es derzeit evtl. eine Mehrheit gibt, die eine moralische Position einnimmt, die nicht der Rechtsposition entspricht.
Der gesellschaftliche Diskurs hat in den letzten Jahren sowohl an Breite als auch an Intensität zugenommen, so daß es gut sein kann, daß in naher Zukunft die Rechts- sich der moralischen Position annähert.
Nur: das kann in einer Generation schon wieder anders aussehen, wenn Eigentuning zum gesellschaftlich anerkannten "Grundrecht" wird - dann kann das Pegel wieder zurückschwingen = was heute als heavy Doping empfunden wird, ist in 25 Jahren lediglich der Aperitif...
Da Doping, wie oben geschrieben, nur ein Bereich des Lebens ist, in dem Moral und Recht evtl. nicht deckungsgleich sind, sollte man mit diesen üblichen "Was wäre wenn"-Transferargumenten zurückhaltend sein, also dem "was wäre, wenn ein Autofahrer etc...?".
Gutes Recht ist dann gut, wenn es differenziert - genauso, wie es die Moral tun sollte.
Langer Rede, kurzer Sinn:
Doping ist ein Bereich, in dem es HEUTE eine starke Meinung in der Gesellschaft (=Moral) dagegen gibt, also werden die verantwortlichen Organe überlegen müssen, ob sie die derzeit geltende Rechtsposition ändern wollen.
Und noch kürzer: Ja, ich bin bei Ulis Haltung.
Der gesellschaftliche Diskurs hat in den letzten Jahren sowohl an Breite als auch an Intensität zugenommen, so daß es gut sein kann, daß in naher Zukunft die Rechts- sich der moralischen Position annähert.
Welcher moralischen Position genau? Die des sportbegeisterten Bildungsbürgertums in Deutschland? Wollen die Deutschen in ihrer Mehrheit wirklich, dass Philipp Lahm wegen einer Substanz, die auch in Hustensaft enthalten ist, lebenslang gesperrt wird (fiktives Beispiel)? Und wie schaut es international aus: Berücksichtigen wir auch die moralische Bewertung der Spanier, Jamaikaner und Äthiopier zu den angemessenen Dopingsperren, die ja international gelten sollen?
Rechtlich sieht es in Deutschland so aus:
1. Für jede Sportart gibt es nur einen Verband, zum Beispiel den DFB beim Fußball. Dieser Verband hat ein Monopol; der Sportler kann nicht zwischen verschiedenen Verbänden wählen, sondern muss sich wohl oder übel den Regeln dieses einen Verbands unterwerfen. Auch als Berufssportler.
2. Der Staat hat darauf zu achten, dass die Regeln der Verbände nicht nur deren eigene, sondern auch die Interessen des Sportlers berücksichtigen. Daher darf der Verband immer nur die geringstmögliche Strafe verhängen, mit denen sich die Verbandsziele realisieren lassen. Sie müssen angemessen, in ihrer Schwere notwendig und zielführend sein. Diese drei Punkte werden vom Staat überwacht.
Lebenslange Sperren sind zwar zielführend im Sinne der Verbandsziele, aber sie sind nicht zwingend notwendig und nicht angemessen. Hier überwiegt daher das Interesse des Sportlers, das ebenfalls berücksichtigt werden muss.
3. Nach der Rechtsauffassung aller mir bekannten relevanten Autoren sind deshalb lebenslange Sperren in Deutschland nicht möglich.
Dude hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, in der morgigen Live-Sendung per Skype Video-Konferenz seine Haltung zu erläutern. Natürlich interessieren uns auch Hintergründe und Feedback, dass er erhalten hat.
Ich habe auch Michi Weiß gebeten, für eine Video-Schalte zur Verfügung zu stehen. Wir hatten diesbezüglich heute sehr netten Kontakt. Eine Antwort steht jedoch noch aus.
Falls es zustande kommt, werden die beiden nacheinander (nicht als Dreiergespräch) mit uns sprechen. Die Sendung beginnt wie immer um 19 Uhr, die Videoschaltungen dann ab ca. 19:15 Uhr.
Dude hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, in der morgigen Live-Sendung per Skype Video-Konferenz seine Haltung zu erläutern. Natürlich interessieren uns auch Hintergründe und Feedback, dass er erhalten hat.
Ich habe auch Michi Weiß gebeten, für eine Video-Schalte zur Verfügung zu stehen. Wir hatten diesbezüglich heute sehr netten Kontakt. Eine Antwort steht jedoch noch aus.
Falls es zustande kommt, werden die beiden nacheinander (nicht als Dreiergespräch) mit uns sprechen. Die Sendung beginnt wie immer um 19 Uhr, die Videoschaltungen dann ab ca. 19:15 Uhr.
2. Der Staat hat darauf zu achten, dass die Regeln der Verbände nicht nur deren eigene, sondern auch die Interessen des Sportlers berücksichtigen. Daher darf der Verband immer nur die geringstmögliche Strafe verhängen, mit denen sich die Verbandsziele realisieren lassen. Sie müssen angemessen, in ihrer Schwere notwendig und zielführend sein.
Gelegentlich (jedenfalls hier) entsteht der Eindruck, Du verwechselst die "Interessen des Sportlers" mit den "Interessen des Dopers". Doper sind für mich keine Sportler - jedenfalls nicht in Bereichen, wo Doping nicht quasi Pflicht ist.
Das Interesse der sauberen Sportler muss doch eigentlich fast zwangsläufig sein, dass Doper so lange wir irgend möglich aus dem Verkehr gezogen werden. Und das äußern auch viele so.
Als einziges (allerdings sehr gravierendes) Problem sehe ich die Gefahr von Fehlurteilen. Es gibt leider viel zu viele Dopingfälle, die nicht wirklich eindeutig.
Aber es ist eigentlich recht sinnarm, jetzt (schon wieder) über die Verlängerung von Sperren zu diskutieren, da diese ja gerade erst beschlossen ist und wir dann erst mal sehen werden, ob 4 Jahre vor Gericht Bestand haben werden und vielleicht auch, ob sie eine stärker abschreckende Wirkung haben.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Dude hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, in der morgigen Live-Sendung per Skype Video-Konferenz seine Haltung zu erläutern. Natürlich interessieren uns auch Hintergründe und Feedback, dass er erhalten hat.
Ich habe auch Michi Weiß gebeten, für eine Video-Schalte zur Verfügung zu stehen. Wir hatten diesbezüglich heute sehr netten Kontakt. Eine Antwort steht jedoch noch aus.
Falls es zustande kommt, werden die beiden nacheinander (nicht als Dreiergespräch) mit uns sprechen. Die Sendung beginnt wie immer um 19 Uhr, die Videoschaltungen dann ab ca. 19:15 Uhr.
Cool!
Noch besser wär natürlich ein direktes Aufeinandertreffen (zur Sicherheit aller Beteiligten natürlich mit Panzerglasscheibe dazwischen).
Welcher moralischen Position genau? Die des sportbegeisterten Bildungsbürgertums in Deutschland? Wollen die Deutschen in ihrer Mehrheit wirklich, dass Philipp Lahm wegen einer Substanz, die auch in Hustensaft enthalten ist, lebenslang gesperrt wird (fiktives Beispiel)? Und wie schaut es international aus: Berücksichtigen wir auch die moralische Bewertung der Spanier, Jamaikaner und Äthiopier zu den angemessenen Dopingsperren, die ja international gelten sollen?
@Arne:
Anscheinend hast Du mein Post nicht verstanden (oder was ich eher vermute, da mir das in Diskussionen mit Dir schon öfters aufgefallen ist: Du willst es nicht so verstehen, wie der andere es formuliert hat), denn ich habe genau darauf verwiesen, daß Moral und Recht immer in einem dialektischen Spannungsverhältnis stehen - gerade in demokratischen Gesellschaften.
Und ja, dann bekommt man evtl. Mehrheiten, die einem persönlich nicht schmecken.
Was das Philipp Lahm Beispiel betrifft: naja, natürlich kann man mit Beispielen dieser Art alles ins Absurde ziehen.
@moralische Bewertung anderer Nationen: Wir sollten zuerst einmal hier in D unsere Moral- und Rechtsvorstellungen zu diesem Thema in Einklang bringen (oder annähern).
Zumal es uns nicht ansteht, unsere Vorstellungen in diesen Bereichen anderen Ländern aufzuzwingen.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
3. Nach der Rechtsauffassung aller mir bekannten relevanten Autoren sind deshalb lebenslange Sperren in Deutschland nicht möglich.
Wie schon oben gesagt: Lies mein Post dazu, wo ich schrieb:
Eine Rechtsauffassung ist immer nur ein vorläufiges Ergebnis des gesellschaftlichen Diskurses zwischen Moral- und Rechtspositionen.
Rechtsauffassungen verändern sich. Jedoch nicht aus sich selbst heraus, sondern aufgrund von gesellschaftlichen Bewegungen.
Natürlich unterstützt das DERZEITIGE Recht keine lebenslange Sperre.
Aber sollte die Legislative glauben, eine entsprechende Regelung sei opportun (im Sinne eines gesellschaftlichen Zuspruchs, ob Mehrheit oder Lobby spielt hier keine Rolle), dann wird sie das dahingehend ändern - und die Rechtsauffassung wird sich dem anpassen müssen (sofern vom GG gedeckt).
Und logischerweise könnte es auch in die andere Richtung gehen, wenn sich eine Mehrheit dafür fände = Doping wird komplett erlaubt und schwupps, haben wir eine wiederum andere Rechtsauffassung.
Kurz: Alles ist im Fluß, ob wir das wollen oder nicht.