Noch bevor ich überhaupt daran dachte, einen Marathon zu laufen, hat mich der Marathon du Médoc fasziniert. Irgendwann vor 3 Jahren etwa lief ein Bericht über ihn im Fernsehen. Hey, die haben da Spaß! Laufen total bekloppt verkleidet durch die Gegend, es gibt Wein und Leckereien - cool! Einen Marathon dabei laufen? Für mich unvorstellbar. Ein Jahr später bin ich dann meinen ersten Marathon gelaufen. Und habe mich mit meinem Schwager über den Médoc Marathon unterhalten - er wollte ihn auch schon immer mal laufen. 2010 haben wir dann ausgemacht. Tja, und das war nun.
Die wichtigste Frage „was ziehe ich an???“ war nicht so leicht zu klären. Immerhin wollte ich in dem Kostüm ja gute 42 km hinter mich bringen. Zunächst fielen mir im Faschingsverkauf die Sonnenblumen ins Auge. Was das für ein Kostüm werden sollte, wusste ich zwar nicht, aber ich fand sie lustig. Und habe sie zum Frankfurt Halbmarathon dann auch schon mal probegetragen. Allerdings hatte ich immer noch keine komplette outfit-Idee. Beim Bummel durch ein neu eröffnetes Billig-Klamotten-Kaufhaus stand ich dann schreiend vor einem Ständer mit affenscheußlicher Unterwäsche. Wer um Himmels Willen zieht sowas denn an??? Und der nächste Gedanke: ICH! Beim Médoc Marathon. Gedacht, 7 € investiert, gekauft. Als ich das Bild einer Lauffreundin geschickt habe, die auch zum Médoc Marathon kommen wollte, schrieb sie gleich zurück: „oh, kannst du mir auch so eins besorgen? Da noch pinkfarbene Uschisocken dazu und das outfit ist perfekt!“. Klar doch. Die Investition in die pinkfarbenen CEPs war zwar etwas höher aber was tut man nicht alles für ein schickes outfit… Und dann sah ich ihn im Schaufenster: pinkfarbenen Fellplüsch. Uaaaaah… Ob man damit die Laufschuhe verzieren könnte? Mhmmm… Meine Mama ist eine Künstlerin an der Nähmaschine, also Fellplüsch gekauft und ab zu Mama. Die schüttelte sich vor Lachen, meinte aber, sie bekommt das hin.
Dann kam der Sommer und ich hatte erst mal nur Triathlon im Kopf. Marathon? Gaaaaanz weit weg. So Dinge wie „wie überlebe ich 1500 m im See ohne Panikattacke?“ waren viel wichtiger. Doch das Saisonende nahte mit riesigen Schritten, und eine Möglichkeit, mein Médoc outfit zu testen, mit der Austragung des Hazelman. Dort also das erste Mal in das pinkfarbene Gewand, die Uschisocken (Leute, wer tut denn sowas in T1 oder T2 freiwillig???) und die Schuhe an und los. Mein schickes Fellplüschtäschchen, das aus den Stoffresten entstanden war, hüpfte am Nummernband auf und ab, gut, das muss also noch optimiert werden. Aber ansonsten: Top! Was ich noch nicht probiert hatte, war das Laufen mit Rotweintrinken zu verbinden - so isoliert voneinander klappt beides ganz gut, aber in Kombination? Mangels Trainingsmöglichkeiten (Mädelz, das müssen wir demnächst besser planen!) musste ich also das auf mich zukommen lassen.
Donnerstags kamen wir in Bordeaux an, kurz nach der langen Fahrt die Beine gelockert und dann ab ins Städtchen, was essen. Austern. Jaaaaa! Am Freitag sind wir dann nach Arcachon gefahren, wo Göga ein Teil seines Studiums zugebracht hat. Mittagessen nach einer Bootsfahrt nach Cap Ferret - frische Austern aus dem Bassin d‘Arcachon - klar! Abends nochmal Essen in Bordeaux und Samstag früh ging es dann auch schon los nach Paulliac zum Marathon Start.
In Paulliac dann buntes Treiben - ein ganzer Bus voll Mini Mouses, Schlümpfe wohin das Auge blickt, mehr oder weniger schrille Verkleidungen - unglaublich. Es gab ein offizielles „Motto“, nämlich Comicfiguren, für die die eine Idee für ihr outfit brauchten. Aber es war insgesamt schrill. Einige Teams mit Wagen waren auch dabei, von Bauunternehmen bis hin zu Männern in Tütüs. Ich war mit 3 Lauffreunden verabredet, die ich da treffen wollte. Mein Handy fest umklammert fragte ich mich, wie ich die um Himmels Willen denn finden soll. Aber es hat geklappt.

Foto, einsortieren in die Menge und da kam auch schon der Startschuss. Hä? Viel zu früh! Bis wir die Startlinie erreichten, war es aber auch dann 9:30 und los. Ein paar Meter laufen, dann stopp. Wieder ein paar Meter und stopp. À l‘Accordéon. So ging das die ersten 4 km. Auch nett. Dann ließ es sich mehr oder weniger laufen. Schön gemütlich, wir haben es ja nicht eilig. Es ging durch die Wein“berge“, von Château zu Château. Bei manchen gab es Wein in Plastikbechern, einige schenkten im Glas aus. Es war bockheiß, keine Wolke am Himmel, kein Schatten, aber genügend Verpflegungsstellen mit Wasser in praktischen 0,5-l-Flaschen, das Standardbuffet umfasste Orangenschnitze, Bananen, Früchtebrot, Kekse, Zuckerwürfel, später auch Chips und Cola. Die Buffets mussten natürlich ausgiebig inspiziert werden und dann im Gehen essen und trinken. Wir haben es ja nicht eilig. Auch wenn es in ein Château hineinging (meist über Kieswege), bin ich lieber gegangen, denn dann kam gleich Musik, Buffet und ein Klumpen Leute.
Eigentlich bin ich ja gar nicht so ein großer Fan von Bordeaux Weinen, ich finde, sie haben oft so ein komisches „Hosenlatz“-Aroma. Das ging mir durch den Kopf, als ich mich so in den Reben umschaute, denn alle paar Meter standen da die Jungs und pissten in die Weinberge. Das schönste Bild war eine Gruppe von ca. 7 Schlümpfen, die einträchtig pissend nebeneinander standen. Ja und wir Mädels? So bei km 22 fanden wir einen hübschen Schuppen, in dessen Schatten wir dann auch mal „en nature“ gehen konnten. Doch da hatten wir dann die beiden Jungs verloren. Die waren bestimmt noch am Rotweinstand und wir laufen denen sowieso zu langsam, also weiter. Bei der nächsten Verpflegung trödele ich wieder etwas länger herum, es gibt Chips und Cola, das finde ich klasse und meine Lauffreundin ist weg. Ich sehe noch ihr pinkfarbenes Negligé ca. 200 m vor mir wehen, aber ich habe keine Lust mich zu hetzen. Dann kommt der Park von Lafite-Rothschild, mit klassischer Musik beschallt - Gänsehautatmosphäre pur. Ich gehe und genieße es. Dann weiter. Etwa bei km 23 steht Göga, Küsschen und weiter. Die Jungs scheinen wohl doch vor mir zu sein, eigentlich müssten die mich doch schon eingeholt haben. Also laufe ich meinen gemütlichen Schlappschritt und verfalle bei unbequemen Untergrund wie Kies oder Wurzelwege ins borten. An einem Blumenfeld überlege ich, ob ich mir da eine passend pinkfarbene Blüte pflücke. Es muss so etwa bei km 30 sein, da höre ich wie ein Neandertaler vor mir zu einer Neandertalerin, die auch gerade bortet sagt: „los, komm, bis km 35 laufen wir, dann wird gegangen“. Hmmmm… Warum gehe ich eigentlich? Mir geht es gut, es ist zwar tierisch heiß und die Beine sind schwer, aber ich kann noch laufen. Die Massagestationen, die jetzt in immer kürzeren Abständen kommen, sind gut besucht. Nein, mir geht es echt gut, also lauf‘ bis zur nächsten Verpflegungsstation. Am Straßenrand ruft eine Frau ihrer Freundin zu "Regarde! Les pantoufles!" und zeigt auf meine Füße. Etwa bei km 36,5 denke ich dann, „jetzt nur noch gut 5 km - der nächste Rotwein wird probiert“. Und ich habe Glück, es wird im Glas ausgeschenkt und er schmeckt gut. Danach kommt dann auch der kulinarisch ergiebigste Teil der Strecke: Schinken, Austern und dazu ein Glas Weißwein? Unbedingt! Entrecôte? Hmmm, lecker rosé gebraten, perfekt. Käse, Weintrauben und dazu ein kühler Rosé - klar doch. Tomaten? Ach nee. Dann stehen da große Spiegel und man kann sich nochmal für den Zieleinlauf „hübschen“ - och, das geht auch so. Das Laufen macht gerade wieder Spaß. Hey, wo haben die alle um mich rum das Eis her? Mist, das hab‘ ich verpasst. Und dann kommt auch schon das Ziel, 42,2 km Straßenparty sind zu Ende. Geil.
Im Ziel gibt es eine Rose, einen Rucksack und eine Flasche Wein. Ich mache mich zum Zielverpflegungszelt auf und halte Ausschau nach meinen Laufkumpels. Nix. Hmmm. Also erst mal eine Scheibe Brot mit Pâté. Und ein Glas Wein. Die Schlange am Bierstand ist unglaublich lang. Ich suche erst mal Göga, finde ihn und wir setzen uns in den Schatten und schauen noch eine Weile die bunte Karawane an, die gen Ziel strebt, bis wir zum Bus müssen, wo uns ein kühles Bier erwartet. Dann geht es zurück nach Bordeaux. Abends gönnen wir uns ein leckeres Essen in einem Restaurant mit traumhaften Blick auf die Stadt und außer dass meine beiden großen Fußzehennägel rot leuchten und ich wieder mal Blasen an den Fußsohlen habe, geht es mir wunderbar.
Sonntag gab es dann zur Erholung die Weinwanderung, die „Balade de Récupération“, ca. 7,5 km von Château zu Château mit Dégustation. Und im Anschluss Grande Fête, mit Menu, Wein à volonté, Musik und Tanz. Eine tolle Stimmung, super location und Tanzen in Wanderstiefeln ist mal was ganz anderes… Wieder zurück in Bordeaux wollen wir dann aber nochmal an den Atlantik, fahren nach Lacanau-Océan und schauen uns dort den Sonnenuntergang am Strand an, bevor wir uns noch mit meinen Lauffreunden zu Après-Moules-Frites treffen. Kinners, was war dat schön.
Ja, und Montags ging es dann weiter Richtung Mittelmeer, in die Nähe von Perpignan, Urlaub, Ausspannen, weiter lecker Wein trinken und lecker essen.