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Zitat von carolinchen
Kenn ich ,hatte ich im Dezember,ich war wie festgeklebt auf dem Sofa....Hormone???
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Ähm, wie meinste das denn mit die Hormone? Soll dat heißen, dass ich schon in die Wechseljahre komme? Frechheit! Und das, wo ich gerade erst vor kurzem überlegte ob ich - in einem Alter, in dem andere zum ersten Mal Oma werden - noch Mutter werden sollte...
Heute will ich euch mal von meiner Arbeit im Altenheim berichten, die schon so lange Teil meines Lebens ist und die mich sehr geprägt hat.
Ich arbeite seit 20 Jahren in dem Altenheim. Auf die Idee brachten mich Susanne und Uwe, die ich im Freibad kennen lernte, wo ich damals als Rettungsschwimmerin den Sommer verbrachte, mit Shakira Bauch natürlich, versteht sich. Ich hatte damals gerade mein Tiermedizin-Studium abgebrochen und dümpelte etwas orientierungslos in der Gegend rum. Meine Eltern waren noch ganz entspannt und finanzierten mich, aber ich hatte schon mein erstes Pferd und musste arbeiten, um das zu finanzieren. Der Schwimmbad-Job war super: lässig und obercool die Baywatch-Pamela raushängen lassen, knusprig braun werden, nicht überanstrengen (und übrigens noch den Freund kennen lernen, der immer noch der meine ist). Der Sommer ging zu Ende und ich wusste immer noch nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Meine Planungen gingen nie weiter als bis zum nächsten Wochenende. Es war eine wilde Zeit mit durchtanzten Nächten und jede Menge abgeschleppter Männer. Susanne und Uwe erzählten mir von einem Job im Altenheim, wo man fest angestellt sein konnte, aber nur mit 10 Stunden in der Woche. Ich habe mich beworben, obwohl ich null Bock auf alte Leute hatte, aber ich brauchte das Geld und fand die Vorstellung einer festen Anstellung super, mit Lohnfortzahlung und Urlaub und so.
Erstaunlicherweise wurde ich genommen, obwohl ich von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte. Mir hat die Arbeit von Anfang an viel Spaß gemacht und nach kurzer Zeit habe ich viel dort gearbeitet, viele Überstunden gemacht und prima verdient, weil ich als Studentin, ich war für irgendwas eingeschrieben, keine oder kaum Steuern bezahlte. Dann begann ich mein Sozialpädagogik-Studium und blieb weiter im Altenheim, weil ich immer noch mein Pferd und mittlerweile noch einen Hund dazu hatte und ewig pleite war. Irgendwann war ich mit dem Studium fertig und blieb noch während meines Anerkennungsjahres im Altenheim. Danach wollte ich aufhören. Dann kam aber mein zweites Pferd dazwischen und auf einmal hatte ich zwei Zossen und den Dobermann zu füttern und war erst recht ständig pleite. So blieb ich weiter im Altenheim, mittlerweile längst Vollzeit in meinem eigentlichen Beruf. Das war anstrengend, weil ich immer maximal vier Tage im Monat frei hatte, oft genug auch nur zwei, weil ich an drei Wochenenden im Altenheim war.
Nach meinem Bandscheibenvorfall 2010 habe ich im Altenheim aufgehört, aber im Herbst 2011 wieder dort angefangen.
Die Arbeit dort liebe ich immer noch. Ich liebe alte Menschen, nicht alle natürlich, aber so wie andere Kinder mögen, mag ich halt Alte.
Was ich an der Altenpflege mag:
- Das Waschen der Menschen, weil ich es komischerweise sehr sinnlich finde. Ich finde es schön, sie zu berühren, einzucremen, schön anzuziehen. Ich pflege Frauen genauso gerne wie Männer. Frauen fühle ich mich verbundener. Ich mag es, sie hübsch zu machen, ihnen Komplimente zu machen, über die sie sich stets freuen. Männer versuche ich so anzufassen, wie sie es mögen, also nicht "geschäftsmäßig", nicht "nüchtern", sondern ich versuche, sie sanft zu berühren, aber nicht sanft wie man ein Kind berührt, eher so wie man einen Geliebten sanft berührt, damit sie merken, dass sie immer noch ein Mann sind. Sie mögen das und ich habe in all den Jahren nie die Erfahrung gemacht, dass sie es ausnutzen und grenzüberschreitend werden.
- Das immer Gleiche in den Abläufen, das Klare, wodurch sich die Altenpflege so sehr von meiner Arbeit in der Klinik unterscheidet. Ich mag das Gleichförmige, das eine Abwechslung zum ständig Wechselnden mit meinen Drogenabhängigen ist.
- Die Weisheit und die Erfahrungen, die die alten Menschen haben. Die Lieder, die sie auswendig kennen, die Gedichte. Ihre guten Umgangsformen und ihre Höflichkeit. Ihre Dankbarkeit, die mich beschämt, weil ich doch Geld dafür kriege, dass ich Ihnen helfe.
- Die dementen, verwirrten Bewohner, für die mein Herz besonders schlägt.
- Die Zimmer aufzuräumen und hübsch zu machen, die Betten schön frisch zu beziehen.
- Meinen Kumpel, den Bewohner Herrn Schulten.
- Die Herausforderung, die diese Arbeit ist, die ich als die schwerste und anspruchsvollste von allen Tätigkeiten erlebe, die ich in meinem Leben gemacht habe.
So, genug Hohelieder auf die Altenpflege gesungen, ihr seht, es macht mir große Freude.
Hier nun noch schnell eine Vorstellung der Protagonisten des heutigen Morgens/Vormittages im Altenheim:
- Helga R.: Sie ist stets höflich und freundlich und ist dement. Sie ist körperlich sehr fit, aber sie braucht viel Orientierung und Zuwendung. Man hat eigentlich immer zu wenig Zeit für sie, weil sie sehr bedürftig ist.
- Resi H.: Lebt schon ewig bei uns im Heim, länger als ich dort arbeite. Sie zog damals gemeinsam mit ihrer Mutter ein, die sich um sie kümmerte, denn Resi H. ist minderbegabt und konnte nie alleine leben. Sie ist eine winzig kleine Frau, meistens gut gelaunt, sehr schlicht und einfach und liebt Stricken über alles. Den größten Gefallen kann man ihr machen, in dem man ihr Wolle schenkt. Sie ist manchmal auch sehr schutzbedürftig, weil sie sich zum Beispiel Männern gegenüber, bzw. ihren sexuellen Wünschen gegenüber, nicht abgrenzen kann. Ein anderer Bewohner, Karl-Heinz Sch., hat eine Zeitlang ihre Zuwendung auszunutzen versucht und wir mussten gut aufpassen, dass nix passiert, was Resi nicht wollte. Mittlerweile hat sich das Verhältnis wieder "platonisiert".
- Frau G.: Ist sehr selbständig, körperlich und geistig fit, keine Ahnung, warum sie ins Altenheim gezogen ist. Sie braucht kaum Hilfe.
- Herr B.: genauso. Sitzt im Rollstuhl, aber er kann sich noch alleine versorgen und ist geistig topfit. Er freut sich, wenn man mit ihm spricht, vielleicht ist er bei uns, um nicht einsam zu sein. Er hat ein riesiges, tolles Zimmer und ist ganz zufrieden.
- Ruth Sch.: Ein Drama! So eine liebe Frau, die seit ein paar Jahren bei uns wohnt, weil es wegen ihrer Alzheimer Erkrankung nicht mehr zu Hause ging. Sie hat nie ganz verstanden, dass sie für immer hier ist und dass ihr Mann zu Hause lebt. Mittlerweile lebt er auch bei uns, aber eine Etage tiefer. Er kommt sie täglich besuchen, aber es bricht ihm fast das Herz, sein Liebste so zu sehen, denn seit einigen Monaten spricht sie nicht mehr, kann nicht mehr laufen, ist oft apathisch, isst kaum noch, es ist so traurig. Dann sitzt er da, streichelt ihre Hand und ihr Gesicht und spricht liebevoll mit seiner Ruth. Die beiden sind seit mehr als 60 Jahren verheiratet, vor einigen Jahren haben sie ihre diamantene Hochzeit gefeiert. Als Frau Sch. noch sprach, hat sie stets von ihrem Mann gesprochen, dass er der liebste Mann der Welt sei und dass sie so ein großes Glück mit ihm hat.
Heute hat sie gar nicht gegessen und fast nichts getrunken. Nur einmal, als mein Kollege Thomas rein kam, um mir kurz zu helfen, das lächelte sie ihr schönes Lächeln. Mir gegenüber zeigte sie keine Regung.
- Frau A.: ist Spanierin und geistig topfit. Dreimal in der Woche muss sie zur Dialyse, sonst ist sie körperlich gut zurecht und könnte, wenn sie wollte, wohl auch noch zu Hause leben.
- Herr R.: erzählte mir heute von seinen Kriegserlebnissen, er war mit 18 Jahren in Russland und wurde schwer verletzt. Er ist meistens nett, aber manchmal auch zickig und nervig. Heute hat es Spaß gemacht mit ihm.
Hannelore H.: Unser schlimmster "Fall". Sie lebt seit mehr als 30 Jahren bei uns, auch sie kam mit ihrer Mutter, weil sie dann nicht mehr alleine leben konnte, da sie eine paranoide Schizophrenie hat. Früher ging es ihr phasenweise noch ganz gut, aber seit vielen Jahren ist sie bettlägerig, halluziniert permanent und hat einen sehr starken Leidensdruck. Jede pflegerische Handlung ist für sie Gewalt, gegen die sich sich bis zum letzten Jahr massiv körperlich gewehrt hat, so dass man immer sehr auf der Hut sein musste, nicht von ihr geschlagen, gekratzt oder bespuckt zu werden. Psychopharmaka hilft ihr so gut wie gar nicht mehr. Mittlerweile hat sie Krebs und ein riesiges Geschwür ist offen in der Leiste und aufgebrochen. In Absprache mit ihren Ärzten und ihrer Betreuerin wird sie nur noch mit Schmerzmitteln behandelt, Heilung ist eh nicht realistisch und Krankenhausbehandlungen sind für sie die absolute Hölle, danach war sie stets in noch schlechterer Verfassung.
Während man sie pflegt, beschimpft sie einen ununterbrochen mit den krassesten Schimpfworten und betet zu Gott, "herunter" zu kommen und uns "in die Fresse zu hauen", uns "miesen, dreckigen Schweinen". Es ist so unglaublich traurig, diese Frau so zu sehen, der ich seit Jahren von Herzem wünsche, dass sie stirbt und dann vielleicht bei ihrem Gott ist, an den ich nicht glaube.
- Frau A.: unser Sonnenschein. Hübsch dement, aber stets lieb und gut gelaunt. Sie kann schon lange nicht mehr laufen, ist aber nicht bettlägerig. Sie liebt Süßigkeiten und Musik und verteilt immer Küsschen. Sie ist schon uralt, fast 100, sie hat aber eine Haut wie eine 50 jährige, die zu berühren sehr sinnlich ist. Leider hat sie selbst keinen Sinn dafür, sonst würden wir sie sicher massieren und verwöhnen. Sie wirkt aber ganz und gar "unweiblich", so als hätte sie nie Freude an Körperlichkeit und an ihrem schönen Körper gehabt, der bis heute schön ist. Schade. Sie zu betreuen ist unkompliziert und macht Spaß. Das einzige, das nervt ist, dass sie so unglaublich langsam isst. Sie kaut auf allem ewig rum, bis sie es runter schluckt. Ihr das Essen anzureichen, dauert eine halbe Stunde, was echt nervt, weil wir eh so wenig Zeit haben. Alleine essen tut sie nicht mehr.
Herr M.: ist ein echter Ruhrpöttler, mit Kodderschnauze und dem Herzen am rechten Fleck. Er ist Alkoholiker und wenn er zu viel getrunken hat, wird er aggressiv. Aber jetzt ist er schon einige Monate bei uns und trinkt nur noch sehr wenig. Er hat es weitestgehend aufgegeben, sich selbst Alkohol zu kaufen und von uns kriegt er nur mal zum Essen ein kleines Glas Bier. Dann meckert er, wenn er nicht mehr kriegt. Er ist leicht dement (keine Ahnung, ob vom Trinken oder nur so), aber er kommt noch gut klar und braucht wenig Hilfe.
Ich glaube, das waren sie, Herr W. ist im Krankenhaus.
Heute war ein guter Tag im Altenheim, gestern auch schon. Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit, habe keine großen Fehler gemacht und war nett und aufmerksam mit den Bewohnern. Es ist eine schwere Arbeit und oft bin ich nicht zufrieden mit meiner Leistung, weil ich einen hohen Anspruch an mich habe. Heute bin ich zufrieden.
Ich hoffe, ihr hattet Spaß an diesem Einblick in meine schöne Wochenendarbeit.
Sollte ich mal im Lotto gewinnen höre ich da trotzdem auf zu arbeiten. Freie Wochenenden fände ich noch schöner.
Viele Grüße, bis die Tage
J.