Bei meinem letzten Arbeitgeber musste ich gemeinsam mit meiner damaligen Chefin ein Bewerbergespräch führen. Ich trage einen dunkelblauen Hosenanzug, eine weiße Bluse und habe die blonden Haare zum straffen Pferdeschwanz im Nacken zusammen gebunden. Unter Kollegen nannten wir dies den "Hamburger-Zicke-Look", der an Langweiligkeit ja kaum zu überbieten ist.
Der Bewerber ist Anfang 40 und hat eine hervorragende Papierform aufzuweisen. Nach ein paar Sätzen ist mir klar: Der Typ ist blitzgescheit. Er erinnert mich an einen Freund, dessen IQ bekanntermaßen überirdisch ist. Ich mache also einen auf Know-how-Simulator und stelle Fragen, die mir klug vorkommen. Selbstverständlich rede ich ihn auch immer korrekt mit seinem Titel an. Das Gespräch plätschert so dahin und meine Chefin redet mal wieder und redet und redet. Da sie ohnehin nur und ausschließlich beim Reden denken kann, dauert´s mal wieder lange. In Gedanken schweife ich ab und entspanne ein wenig. Plötzlich geht die Tür auf, das Urgestein von Sekretärin kommt herein und faselt aufgeregt etwas von: "Da ist jemand am Telefon, der englisch spricht, da muss mal schnell jemand von Ihnen kommen." Und weil ich gerade so schön entspannt bin, schiebe ich meinen Stuhl vom Tisch weg, balle die linke Hand auf Hüfthöhe zur Faust, recke die rechte Faust mit fast gestrecktem Arm schräg vor meinem Körper nach oben, bohre mit Schmackes meine High-Heels in den Teppichboden und rufe: "Frau Ahlsen, ich komme!"
Nach Erledigung des Telefonats habe ich auf der Damentoilette ein paar Mal meinen Kopf gegen die Wand gehämmert und bin mit bemühtem Pokerface zurück ins Besprechungszimmer. Der Typ hat dann auch bei uns angefangen zu arbeiten, und die Geschichte wurde noch jahrelang zum Besten gegeben. Wir haben sogar ausgesprochen gern zusammen gearbeitet. Unser Sohn ist letzten Monat gerade fünf geworden

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