Zitat:
Zitat von MatthiasR
Scheint mir auch so. Ich habe früher mein Rad und auch die meiner Kumpels immer an der Gabel eingespannt auf dem Autodach (!) zu Wettkämpfen gefahren.
|
Jou, hab ich früher auch immer gemacht.
Ehe ich oft genug mit Gutachtern und Sachverständigen zu tun hatte.
Da gibts auch nicht viel zu rechnen, bzw. man bräuchte dazu Angaben, die so gut wie nie vorliegen und die kein Hersteller rausrücken wird: Material, Verarbeitung, Nachbehandlung (Tempern bei Alu usw.), genaue Wandstärken, Berechnungsgrundlagen, aufgrund derer das Material konstruiert und gebaut wurde.
Natürlich unterliegt ein Fahrrad im Fahrbetrieb auch gewissen Kräften.
Die sind aber mittlerweile absolut bekannt und danach werden sie auch konstruiert.
Probleme treten vorallem bei Alu, aber auch bei Carbon auf, wenn Kräfte und Belastungen in ner Grössenordnung und Richtung vorkommen, die nicht vorgesehen und mit eingerechnet sind.
Natürlich spannen die Rennteams die Karren auch aufs Dach, aber sie blasen im Allgemeinen damit keine paarhundert Kilometer über die Autobahn und die Landstrasse, sondern gurken mit 40 Sachen hinterm Feld her und versuchen, dabei nicht einzuschlafen.
Da widerfahren den Rädern bei schnellen Tausch- oder Reparaturaktionen ganz andere Belastungen und wie einer schon schrieb, fliegen die Kisten nach n paar Rennen oder spätestens nach der Saison raus.
Gut, wo ist nun das Problem: die Seitenkräfte, die bei Kurvenfahrt am Rad zerren sind vielleicht noch das Geringste, aber auch bei nem guten Autofahrwerk treten Stossbelastungen beim Durchfahren von Bodenwellen oder Überfahren von Kanten usw. auf, die ne heftige Querbeschleunigung am Rad verursachen können.
Und die sind halt gerade inner Gabel weder vorgesehen noch berücksichtigt und eingerechnet.
Nu sind diese Belastungen geeignet, bei Carbon ne Delaminierung hervorzurufen, womit die Verklebung der Gabelbeine und Ausfallenden gefährdet ist, weil die nimmer von allen (miteinander verklebten) Faserlagen getragen wird, sondern nur noch von der obersten, wo der Kleber Kontakt hat.
Alu ist eh n Spezialfall mit seinem Elefantengedächtnis.
So bezeichnet man vereinfacht die Eigenart, dass Aluminium nur ne begrenzte Menge Belastungen nur begrenzt oft verträgt, auch wenn man ihm äusserlich keine Ermüdung ansieht.
Das Material "speichert" sämtliche, ihm jemals widerfahrenen Belastungen und man versucht (das gelingt auch, sofern man von bekannten Belastungen in einem Fahrrad- oder Bauteilleben ausgeht), den Zeitpunkt des Exitus´ konstruktiv soweit nach hinten zu verlegen, dass man davon ausgehen kann, dass das Bauteil oder Rad nicht mehr benutzt wird.
Es ist bei Alu NIE die Frage, ob es brechen/versagen wird, sondern nur WANN.
Daher spricht man bei Aluminiumkonstruktionen von "betriebsfest" (dh. man legt ne Zeitdauer fest, innerhalb derer ein Bauteil unter normalen Bedingungen betrieben wird, multipliziert nen bestimmten Sicherheitsfaktor für unvorhergesehene Belastungen und Betriebsdauerüberschreitungen und konstruiert das Bauteil, in unserm Fall ne Gabel oder n Fahrrad, so, dass es innerhalb dieser Spanne nicht versagt), während Stahlbauteile "dauerfest" (man wählt die maximalmögliche, normale Belastung aus, konstruiert so, dass das Bauteil dies ne bestimmte, ich glaub ne million Mal, aber das wissen Maschinenbauer sicher besser als ich, Menge an Malen aushält und kann davon ausgehen, dass das Bauteil diese Belastungen ne unendliche Anzahl von Malen länger aushält, wenn es die million Belastungszyklen aushält.
Das kann man durchaus auf nem Prüfstand testen, mittlerweile liegen aber auch ausreichende Erfahrungswerte vor, mit denen man da ganz gut arbeiten kann.
Ich hab, als ich noch Rahmen gebaut hab, auch nedd rumgerechnet oder -getestet, sondern die Rohrsätze verwendet, für die Columbus - sachgerechte Verarbeitung vorausgesetzt- die erforderlichen Werte angibt und die mit den Loten verarbeitet, von denen bekannt ist, dass sie den Anforderungen genügen) konstruiert werden können.
Äusserlich manifestiert sich das so, dass man davon ausgehen kann, dass ein Stahlbauteil nicht beschädigt und unbegrenzt weiter einsatzfähig ist, solange es nicht durch Überlastung bleibend verformt wurde und dass man Alu im Extremfall gar nix ansieht, ehe es unvermittelt und ohne Vorwarnung versagt.
Man stelle sich einfach ein Fass vor: der Konstrukteur hat die benötigte Grösse berechnet und nu füllt es sich Tröpfchen für Tröpfchen. Gehsteig rauf, runter, sanftes Dahinrollen, hups, ein Umkipper, autsch, voll aufn Lenker...
Jedesmal n paar Tropfen oder Schlücke mehr.
Dummerweise sieht man nicht, wie voll das Fass ist, aber sicher ist: es wird irgendwann vollsein und auf unser Alubauteil bezogen: es wird irgendwann brechen.
Die Profiteams verchecken halt die Tonne, wenn sie erst zur Hälfte voll ist, während ein Durchschnittsfahrer dafür 10 Jahre reinhalten muss.
Oder sie aufs Autodach spannt und jedes Wochenende damit über die Bahn oder Landstrassen zu RTFs oder Wettkämpfen schaukelt...
Ok, nu passiert ja meistens genau gar nix, aber ich würde daraus keine Unbedenklichkeitsbescheinigung ableiten.
Erstens hab ich selbst genug mit Leuten zu tun, denen irgendein Bauteilversagen am Rad zum Verhängnis wurde und zweitens kenne ich genug, die sich beruflich damit befassen, dieses Versagen aufzuklären und ich schwöre: das ist kein Spass.
Ich sauge mir den Mist hier nicht aus den Fingern, um mich aufzuspielen, sondern um jene vor eventuell Schlimmerem zu bewahren, die sich mangels Überblick und (Fach-)Wissen eventuell ner Gefahr für Leib und Leben aussetzen.
Nur, dass ein Hersteller keine explizite Warnung ausspricht (oder es auch nur vergisst;- es gibt sehr wenige, die wirklich gute "Betriebsanweisungen" zu ihren Rädern oder Bauteilen dazupacken), bedeutet nicht, dass es keinen Grund für ne Warnung gäbe.
Wer n Vierteljahr auf Reha war, seine Familie nur noch sieht, wenn sie zur Grabpflege kommt oder seinen Job aufgrund eines Unfalls nicht mehr ausüben kann, kann sich vor dieser harten Realität dann nicht damit herausreden und befreien, er(sie) habe es nicht gewusst.
Es ist noch nicht allzulange her, dass ich hier relativ alleine damit dastand, gegen die 'Spinergy Rev X' zu wettern und vor ihnen zu warnen.
Dann haben einige angefangen, den Link zu den ganzen Unfällen wirklich mal zu lesen und haben nachgedacht, später kamen welche hinzu, die nen Unfall mit den Dingern selbst erlebt oder im Bekanntenkreis hatten und mittlerweile wird jeder, der so Dinger anbieten will, niedergebügelt.
Das ist für den zwar nicht schön, aber er lebt noch und ist noch gesund und ein potentieller Käufer ist es vielleicht auch noch.
Mir isses prinzipiell vollkommen wurscht, wenn jemand sein Rad an der Forke aufs oder ins Auto spannen mag;- die Wahrscheinlichkeit, dass mich einer infolgedessen mal abräumt, wenn die Gabel brechen sollte, ist sicher geringer, als dass mich irgendwann der Blitz trifft oder ne Wildsau zu Fuss plattwalzt, aber viele geben einerseits unglaublich Kohle für irgendwelche Versicherungen aus, die ihre Familien, Hütten oder sonstwas durchbringen sollen, wenn ihnen was passiert, gehen aber andererseits ein derartig sinnloses Risiko mit solch banalen Gefahren ein.
Es liegt mir fern, das nun zum Totschlagargument stilisieren zu wollen, aber der Fred hier ist in seinem Verlauf auch wieder ein Tropfen in dem Fass, mit dessen zunehmender Füllung mir ebenso zunehmend die Lust vergeht, mich hier einbringen und engagieren zu wollen.
Aber danke fürs Durchhalten bis hierher und allseits gute Fahrt mitm Rad und mitm Auto mit Rad darin oder darauf.