Toll gemacht und starke Leistung! Ich kenne fast jede Strecke, die ihr gefahren seid und bin ja auch momentan in der Nähe. Es beruhigt mich, dass ihr Hotels etc. gesucht und gefunden habt. Das ist keine Veranstaltung wo man im Dunkeln stundenlang rumgurkt und ein Powernap in einer Bushaltestelle machen kann.
In den nächsten Tagen oder Wochen würde mich nochmal detailliert interessieren welche Ausrüstung
- ihren Dienst perfekt erfüllt hat
- welche ihren Dienst hätte erfüllen können, aber diesmal nicht gebraucht wurde
- welche Ausrüstung überflüssig war
- was gefehlt hat oder zu wenig war
Teilweise hast Du ja schon Beispiele genannt, aber im Vorfeld wurden ja viele Optionen diskutiert und du bist nun der allwissende Experte hier.
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OUTING: Ich trage Finisher-Shirts beim Training, auf der Arbeit, in der Disco, auf Pasta-Partys, im Urlaub und beim Einkaufen
Gestern bei FB gesehen, dacht ich mir schon. Die ganzen Tage nie n Cervelo TT irgendwo im Bild gewesen, nur gestrn...
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Erinnerst du dich an die Zeit vorm Internet, als wir dachten, die Ursache für Dummheit wäre der fehlende Zugang zu Informationen? DAS war es jedenfalls nicht!
Eigentlich warte ich noch auf eine Story, speziell auf die Begriffe Kameradschaft, Einsamkeit, Verpflegungs- und Unterkunftsorga. Mich interessiert auch, wie es ist, tausende km ohne lenken zu fahren.
Eigentlich warte ich noch auf eine Story, speziell auf die Begriffe Kameradschaft, Einsamkeit, Verpflegungs- und Unterkunftsorga. Mich interessiert auch, wie es ist, tausende km ohne lenken zu fahren.
Ich bin noch unterwegs, daher ohne Tastatur, daher kurz:
Kameradschaft: viele kurze aber oft überraschend tiefgründige Gespräche mit Teilnehmern. Immer wieder die selben getroffen und ab und zu das Zimmer geteilt. Und die letzten 1 1/2 Tage ohne explizit ausgemacht mit zwei jungen Burschen, einem Schweizer und einem Franzosen, gemeinsam gefahren. Das waren die Tage wo jemand auf mich bei der Pinkelpause gewartet hatte, sonst kaum (ich hab nur eine Niere daher oft Pause).
Einsamkeit: lange Strecken alle , für mich kein Problem, da ich Ausfahrten über 150km meist allein fahre. Schwierig war es für meine Frau zu Hause, weil sie außer Fotos und Videos kaum Feedback von mir bekam, zu müde zum telefonieren.
Verpflegung: Supermarket/Tankstelle, Bananen, Joghurt, Gebäck, Süßigkeiten, Kekse... jeden zweiten, dritten Tag was Warmes. Wenn Frühstück im Hotel angeboten wurde habe ich das genutzt.
Unterkunft: booking.com und Telefon (via Google Maps), am besten in der Früh oder Vortag in Tagesziel Entfernung (300 bis 350km) gebucht, ohne auf den Preis zu schauen. An einem einzigen Tag hatte ich nichts gefunden, und dann direkt bei einer Pension "angeklopft" und eine Zimmer bekommen. Zimmer geteilt falls es sich ergeben hat.
Mehr wenn ich wieder im Büro bin und Arbeit abgearbeitet hab...
Ich bringe Sachen gerne zu Ende. Diesen Thread hier habe ich angefangen und dann aus guten Gründen und schweren Herzen nicht weiter geführt. Da es aber hier weiterhin viel Interesse an dem Thema zu geben scheint, möchte ich meinen Rennbericht mit euch teilen und diesen Thread damit aus meiner Sicht zu Abschluss bringen.
Bitte seht von Nachfragen ab, ich werde mich hier im Forum nicht mehr beteiligen. Seit Februar 2022 setzt Arne hier die Prioritäten in einer Weise, mit denen ich nicht einverstanden bin und denen ich mich nicht mehr unterwerfen werde. Von daher ist das hier mein letzter Beitrag im Forum.
Nach einigen kleineren Ultrarennen hatten die Liebste und ich uns für 2025 zwei der ganz großen europäischen Rennen vorgenommen. Während die Liebste sich für das „Transcontinental Race“ entschieden hat, habe ich mich für die 8. Ausgabe des „Northcape 4000 (NC4k)“ angemeldet. Ab diesem Jahr gibt es beim NC4k zwei verschiedene Streckenlängen, einmal die volle Strecke von Rovereto am Gardasee ans Nordkap mit den Checkpoints München, Berlin, Gränna und Rovaniemi oder als kürzere Alternative den Start ab dem Checkpoint in Berlin. Ich habe mich für die kürze Variante entschieden; 3000 km war mir völlig ausreichend und die Strecke von Rovereto nach Berlin kenne ich in großen Teilen schon.
Vorbereitung
Meine Vorbereitung lief wirklich sehr gut. Nach Abschluss der 2024er Saison mit dem Frankfurt Marathon bin ich Anfang Dezember wieder ins ernsthafte Training eingestiegen. Ich habe konsequent den Fokus aufs Radfahren gelegt und Schwimmen und Laufen stark zurückgefahren. Mit einer Mischung aus kürzen intensiven Einheiten auf der Rolle und längeren Einheiten am Wochenende und steigenden Trainingsvolumen lief das Training prima. So sind bis zum Start Ende Juli 8500 km auf dem Rad zusammengekommen, so viel wie noch nie vorher. Trainingshöhepunkt war meine Ausfahrt in die Schweiz am Fronleichnamswochenende mit 900 km und 8000 Höhenmetern in 3 Tagen.
Material
Ultrarennen sich auch immer eine Materialschlacht – leider. Eigentlich braucht es gar nicht viel, aber man/ich habe dann doch dauernd optimiert. Welche Taschen nehme ich? Welche Ausrüstung, Ersatzteile, Werkzeug muss mit? Wie mache ich das mit dem Schlafen und so weiter. Endlos macht man sich Gedanken und drehe jedes einzelne Teil zig-mal im Kopf herum. Letztendlich habe ich mich gegen mein Zeitfahrrad und für mein normales Rennrad entschieden. Ich habe hier Komfort vor Geschwindigkeit gesetzt, und das war auch gut so.
Ziel und Strategie
Das NC4k ist, wie die Veranstalter immer wieder betonen, kein Rennen, sondern ein Adventure. Leider wie ich finde, so sind die Regeln doch sehr lasch und auch die bereit gestellte Trackinglösung Whip.live ist nur unterdurchschnittlich. Ich wollte aber wissen was geht und hab mir mein eigenes Ziel gesetzt. 3000 km in 10 Tagen, das war mein erklärtes Ziel, also 300 km am Tag. Spätestens nach meinem Testlauf an Fronleichnam war mir klar, dass das sehr anspruchsvoll für mich werden wird, aber in 12 Tagen sollte es auf jeden Fall klappen. Das Wetter wird hier auch ein erhebliches Wörtchen mitzusprechen haben.
Meine Strategie für’s Rennen war, früh zu starten, wenig Pausen zu machen und dann früh zu Stoppen. Ich hatte mich für feste Unterkünfte entschieden und nur für den Notfall ein Setup aus Liegematte und Schlafsack mitgenommen.
Das Rennen
Der Start der langen Strecke war am 26.7.25 in Rovereto, mein Start war erst am 31.7. ab Berlin; ich konnte also meinen Mitstreitern schon mal ein paar Tage zuschauen. Die schnelleren FahrerInnen waren nach 3-4 Tagen in Berlin; wo ich etliche von denen am Brandenburger Tor, dem 2. Checkpoint, getroffen habe. Das war schon mal ein schönes Erlebnis und habe mir die Zeit bis zum Start vertrieben. Alle berichteten von schlechtem Wetter auf dem Weg von Italien nach Berlin mit viel Regen – da hab ich also wirklich nicht viel verpasst.
Am 31.7. ging es dann für mich und ca. 110 andere StarterInnen es dann um 8.00 Uhr morgens los. Das Wetter war okay, die Stimmung gut. Wir sind zusammen aus Berlin rausgefahren und schon ging vorne im Feld die Post ab. Die ersten zwei Stunden bin ich noch mitgefahren, habe dann die Schnellen ziehen lassen. Eigentlich war es ja auch total sinnlos so los zu ballern, weil die erste Etappe nur 240km zur Fähre nach Swinnemünde hatte, die beiden Fähren praktisch gleichzeitig um 23 Uhr fuhren und das schaffen nun die meisten FahrerInnen eh. Eigentlich hatte man so einen neutralisierten Start, wo sich das Feld am Fährterminal wieder gesammelt hat. Ich hab es dann ruhiger angehen lassen und war entspannt um 18 Uhr in Swinnemünde. Die Fährüberfahrt war unauffällig und ich habe prima in meiner Kabine geschlafen.
Frisch ausgeruht ging es dann gegen 6.45 Uhr auf die zweite Etappe durch Schweden. Der Tag war ein Traum. Tolles Wetter, kleine ruhige Straßen und ein krasser Rückenwind aus Süden haben ein sehr hohes Tempo erlaubt. Für mich ging es darum, erstmal in den Rhythmus zu kommen. Ich habe gar nicht erst versucht, mit anderen zu fahren, das wollte ich ohnehin nicht. Das Hotel in Jönköping in 325km hatte ich schon vorab gebucht; total überraschend bin ich dort schon um 21 Uhr angekommen; damit hätte ich vorher nie gerechnet. Das war dann auch der schnellste Tag im Rennen mit einem Schnitt von fast 26km/h.
Wie geplant bis ich früh in Tag 3 gestartet. Um 4 Uhr ging’s los, erstes Zwischenziel war der Checkpoint in Gränna. Ich war natürlich viel zu früh dort, das Museum hatte noch geschlossen und so bin ich ohne Stempel einfach weitergefahren. Dann ging es weiter über kleine Straßen bis Örebro, dass am Nachmittag nach rund 200km erreicht war. Da hatte ich dann einen ersten richtigen Tiefpunkt, warum auch immer – durch den Einsatz von Kaffee, Eis und Schokolade ging es dann aber wieder. Nach Örebro kann ein Stück mit wenig Infrastruktur und ich hatte größere Schwierigkeiten eine Unterkunft zu finden. Erste das dritte AirBNB hat mir zugesagt und das lag dann noch 7km neben der Strecke. Das Wetter war aber kalt und regnerisch und da wollte ich dann doch auf keinem Fall draußen schlafen. Die verbleibenden 80km waren hart, vor allem bei einsetzendem Regen. Das absolute Highlight kam dann aber noch. Ich einer kleinen Ansammlung von typischen Schwedenhäusern hatte eine schwedische Familie für die Nordkap-Fahrer einen privaten Verpflegungspunkt mit kostenlosen Bananen aufgebaut. Ich war total gerührt und bin extra zurück gefahren um mich bei den Leuten zu bedanken nur um dann auch noch zum Abendessen geladen zu werden. Ein wirklich tolles und völlig unerwartetes Erlebnis.
Tag 4 habe ich dann wieder früh begonnen. Es war neblig und kalt und so richtig warm sollte es auch die weiteren Tage nicht werden. Tageshöchsttemperaturen von 18-20 Grad waren der Standard; am Morgen und Abend waren es eher 10-12 Grad. Das wirklich Gute an diesen Temperaturen ist die optimale Lagerbedingung für Schokolade in Fahrradtaschen; schmilzt nicht und ist schön knackig ohne zu hart zu sein. Und so sollte ich in den nächsten Tagen viel Schokolade essen, sehr viel Schokolade. Geschätzt habe ich mindestens ein Drittel meiner Kalorien über Schokolade zu mir genommen. Schokolade ist mein Race-Fuel. Nach 309 km war das Grand Hotel in Bollnäs erreicht. Das Hotel ist zwar schon länger nicht mehr „Grand“, aber völlig gelangweilte Rezeptionist hatte nichts dagegen, dass ich mein Rad mit aufs Zimmer nehme, was einfach unheimlich praktisch ist und viel Zeit spart.
Auch der nächste Tag begann wieder früh um 5 Uhr mit mäßigen Wetteraussichten. Mein Hintern tat mir mittlerweile doch schon ordentlich weh. Eine kleine offene Stelle brennt und der Druckschmerz vom Sitzen ist nicht ohne. Es machen sich Zweifel bemerkbar, wie das noch weitere 5 Tage gehen soll. Das wechselhafte Wetter steigert die Laune auch nicht gerade, aber die Zufuhr von ausreichend Schokolade lässt dann die Maschine doch weiter rollen. In Sundsvall endet der GPS-Track und ich lade den nächsten. Ich vertrödele relativ viel Zeit und buche mir ein Zimmer für 5 Leute in einem AirBNB mitten in der schwedischen Pampa. Nach 260 km komme ich dort in einer merkwürdigen Behausung an, aber ich habe viel Platz für wenig Geld und schlafe trocken und geduscht ein.
Ich beschließe, dem gepeinigten Hintern etwas mehr Regenerationszeit zu gönnen und starte erst um 6 Uhr in den wieder regnerischen Tag 6. Was anfangs nur leichter Nieselregen ist, wächst sich im Laufe des Vormittags zu einem kräftigen Dauerregen aus. Mittlerweile bin ich schon deutlich im Norden, was man nicht nur an der Vegetation sieht, sondern auch an den langen Distanzen zwischen den Ortschaften. Da fährst du gerne mal 50km zwischen zwei Versorgungspunkte, wie auch an diesem Morgen. Ich ergebe mich in mein Schicksal und fahre in vollen Regenmontur weiter. Die wenigen Nordkap-Fahrer, die ich hier treffe, sind auch eher schweigsam und strampeln vor sich hier. Ich schleppe mich die 120km in den nächsten Ort, dessen Namen ich längst vergessen habe und stürme klatschnass in die Pizzeria am Ort. Wie immer sind die Menschen sehr freundlich und ich bekomme Pizza, Limo und Kaffee um meine Reserven aufzufüllen und ein bisschen abzutrocknen. Recht frustriert über das Wetter buche ich ein Zimmer in Federika, nur 90km entfernt und damit weit weg vom meinem Tagesziel von 300km. Was soll nur werden, wenn es weiter so regnet? Da komme ich doch nie ans Nordkap. Aber egal erstmal weiterfahren und völlig überraschend legte sich der Regen. Bei bestem Sonnenschein und Rückenwind fliege ich regelrecht zum Hotel in Federika; was ein Unterschied zum Vormittag. Das Jagd-und-Fischerei-Hotel in Federika wird von einem Österreicher geführt, der vor 47 Jahren nach Schweden ausgewandert ist. An diesem Abend war das Hotel fest in der Hand von Radfahrern. Ich war eigentlich doch viel zu früh dort, aber was sollte ich machen. Ich hab die Chance genutzt und ein zweites warmes Essen an diesem Tag bekommen, meine Sache gewaschen und nette Gespräche mit den anderen Radlern geführt.
Auch wenn es im Hotel extra für uns schon um 5 Uhr Frühstück gab, habe ich der Verlockung widerstanden und bin um 4 Uhr auf die nächste 85km lange Etappe nach Lycksele gegangen. Die beiden kürzen Tagen haben aber gerade meinem Hinter gutgetan, so dass es an diesem Tag wieder besser voran ging und die Sitzbeschwerden deutlich nachgelassen hatten. Das Wetter war ok und so war ich nach 316km und einem recht ereignislosen Tag auf dem Campingplatz in Älvsbyn, wo ich ein Zimmer in einer Holzhütte für mich hatte.
Nachdem ich erst recht spät in Älvsbyn war, bin ich auch erst um 5:30 Uhr wieder auf die Straße gerollt. Das große Ziel für diesen Tag war Finnland und der Checkpoint in Rovaniemi. Das erste Teil des Tages lief recht ordentlich, die schwedisch-finnische Grenze war am Nachmittag erreicht. Im Grenzort gab es dann wieder einmal Pizza, Limo und Kaffee und ich fühlte mich gut gestärkt für die verbleibenden 120 km bis Rovaniemi. Ich hatte ein Hotelzimmer ca. 20 km vor Rovaniemi direkt am Weg gebucht, da ich mir sämtliche Sucherei abends in der Stadt ersparen wollte. Eigentlich also keine große Aufgabe, aber diese folgenden 100km war dann so ziemlich die zähesten auf der ganzen Reise. Es ging so gar nichts mehr und mein Hintern tat unfassbar weh. Der Mitstreiter, mit dem ich anfangs noch zusammengefahren war, hat sich dann verabschiedet und ist mit unfassbarer Geschwindigkeit am Horizont verschwunden während ich mich mühsam einen, eigentlich lächerlich flachen, aber langen Anstieg hochgequält habe. Die Strecke zog sich immer länger und als die Sonne dann verschwunden war, wurde es auch noch richtig kalt. Nach 6,5 endlosen Stunden war ich dann völlig fertig in meinem, wirklich schönen und gemütlichen Hotel. Ich beschließe, mir 6 Stunden Schlaf und das Hotelfrühstück zu gönnen, ich brauche einfach ein wenig Erholung.
Tag 9 beginnt mit einem schönen Hotelfrühstück, gemeinsam mit 2 weiteren Mitstreitern. So komme ich erst um 8.30 Uhr auf die Straße, völlig entgegen meiner Strategie. Das Gute daran ist, dass ich dadurch zu den Öffnungszeiten am Checkpoint im Santa Claus-Village in Rovaniemi war. Wer unbedingt will, kann hier den Weihnachtsmann besuchen; ich wollte nicht, sondern nur meinen Stempel und weiterfahren. Das Wetter war gut, warm und sonnig; die Strecke war es leider nicht. Nordfinnland ist sehr langweilig. Das Land ist flach, mit viel Wald, so dass man eigentlich den ganzen Tag nur Bäume sieht. Also außer den Lastern, Wohnmobilen und Autos, die ständig an einem vorbei brausen. Hier im Norden gibt es nicht mehr so viele Straßen und unsere Route ging über die E75 Richtung Norden, Richtung Norwegen. Von Rovaniemi sind es noch 700km an Nordkap, die im mir einteilen muss. Ich entscheide mich für die weniger aggressive Variante und plane 3 Tage ein, es ist schließlich kein Rennen. Nach 238km mache ich einen Übernachtungsstopp in Vuotso bei einer recht strengen Vermieterin. Auf gar keinen Fall darf ich mein Rad mit aufs Zimmer nehmen und meine Bemerkung, dass ich das Frühstück nicht in Anspruch nehmen werde, wurde mit einem tadelnden Kopfschütteln quittiert. Gut sei’s drum, das Zimmer war prima und ich hab gut geschlafen.
Ich starte um 4.30 Uhr in den neuen Tag, endlich bin ich wieder in meinem Rhythmus. Es ist ein schöner Morgen, aber es ist saukalt. Ich ziehe mir alles an und hole sogar die dicken Winterhandschuhe raus, die ich nur für den Notfall eingepackt hatte. So geht es erstmal weiter nach Norden durch die finnische Einöde in Richtung Norwegen. Es ist Tag 10; ich wollte es doch in 10 Tagen schaffen, aber was heißt das jetzt genau. Ich überlege lange hin und her, ob ich die verbleibenden 490 km vielleicht doch durchfahren kann, um die 10 Tage zu unterbieten. Aber dann hätte in von den verbleibenden 28 Stunden 25 im Sattel sitzen müssen. Ich sehe ein, dass das nicht zu machen ist und arrangiere mich mit einem Finish an Tag 11. Die Strecke in Finnland bleibt langweilig, nur dass immer mehr doofe Steigungen dazu kommen, ohne dass jemals eine schöne Aussicht da ist. Ich bin froh, als ich am Nachmittag die norwegische Grenze erreiche. Ich esse in Karasjok einen Lachsburger (eine vegetarische Ernährung ist hier wirklich eine Herausforderung) und buche ein AirBNB in Lakselv. Die 80km bis dorthin sind zwar auch mit Kletterei verbunden, aber die Landschaft wird immer abwechslungsreicher je weiter ich fahre. Es tut gut, endlich eine Abwechselung zu haben. Nach 307 km erreiche in mein AirBNB-Zimmer bei einer sehr netten norwegischen Familie und schlafe prima, bis ich um 3.30 Uhr von alleine aufwache.
Die Sonne steht schon deutlich über dem Horizont und es ist Hell. Wie geil ist das denn? Genau dafür bin ich hergekommen. Schnell einen Kaffee, zusammenpacken und los geht’s. 193km trennen mich noch vom Ziel; nicht mehr viel, aber auch die müssen gefahren werden. Das Wetter ist super, blauer Himmel und angenehme Temperaturen begleiten mich als ich nach wenigen Kilometern das Meer erreiche. Das haut mich total um und ich muss bei dem Anblick ein paar Tränchen verdrücken. Mareen und Hiub, die ich in Berlin getroffen hab, überholen mich. Eigentlich hatten wir uns verabredet, aber ich hab keinen Bock auf Gequassel und lasse die beiden fahren; sie werden 2 Stunden vor mir am Nordkap sein – egal. Ich genieße den Morgen. Mit jedem Kilometer wird die Landschaft aufregender. Der Fjord öffnet sich immer weiter zum Meer hin, die Ausblicke werden immer aufregender. Das ist der mit Abstand beste Tag der Tour, ich hab nur zu wenig zu Essen. Die Supermärkte an der Strecke haben noch zu. Ich bekomme ein Frühstück an eine Raststation, nehme aber nichts mit und verlassen mich darauf, dass es solche Stationen später auch noch geben wird. Das war leider falsch. Ich teile mir meine verbleibende Verpflegung also ein und fahre diese tolle Straße immer am Meer lang weiter Richtung Nordkap. Ich bin nicht sehr schnell, komme aber kontinuierlich voran, hin und wieder überholen mich andere Fahrer. 60km vor dem Ziel steht die vermeintlich letzte Herausforderung an, der berühmt-berüchtigte Nordkap-Tunnel. Wir waren gewarnt, das Ding ist laut, kalt und klamm und es gibt keinen Fahrradweg. Fast 7 km lange und ein krasser Höhenunterschied von 212 Metern warten. Das heißt, man fährt erstmal steil bergab um dann genauso steil wieder hoch zu fahren, während von hinten Fahrzeug mit einer irren Lautstärke ankommen. Eine richtige Fahrrad-Hölle. Da hilft nur Nerven behalten und kräftig treten; irgendwann ist man dann wieder raus. Es geht weiter bis Hönningsvag, der letzten größeren Ansiedlung vor dem Nordkap. Hier würde ich sicher was zum Essen bekommen, aber es ist schon 14 Uhr und noch nach 30km zum Kap. Ich entscheide mich, mit den zwei kleinen Schokoriegeln, die ich noch habe auf die letzte Etappe zu geben. Was soll schon sein, 30 km sind anderthalb Stunden – eigentlich. Hier halt nicht.
Das letzte Stück hat es ordentlich in sich. Mehrere lange Anstiege sind zu überwinden, insgesamt hunderte Höhenmeter, mit denen ich nicht mehr gerechnet habe. Die Stimmung schwindet noch schneller als die wenige verbleibende Schokolade. Ich weiß, dass es am Nordkap ein Restaurant gibt, also quäle ich mich die letzten Kilometer die Steigungen hoch, immer wieder angefeuert von Mitstreitern, die bereits gefinished haben und nun auf dem Rückweg sind. Nach zweieinhalb Stunden Kampf bin ich endlich da. Als Northcape4000-Starter muss ich freundlicherweise kein Parkticket lösen, sehr wohl aber eine Zutrittskarte für das Besucherzentrum in dem das Orgateam auf mich wartet. Der Empfang ist freundlich aber doch etwas unterkühlt. Von italienischem Temperament ist bei den drei Organisatoren wenig zu spüren, aber vielleicht sind die auch nur müde. Ich bekomme meinen Stempel und verabschiede mich erstmal ins Restaurant. Auf den letzten Kilometern hatte ich mich doch tatsächlich in einem veritablen Hungerast gefahren und bin etwas wackelig auf den Beinen. Nach einer Stärkung ging es dann aber wieder ganz gut und ich hab mit dem Fotographen den obligatorischen Fotos an der Weltkugel gemacht.
Mit zunehmender Sättigung kann ich mich auch freuen. Glückwünsche von Leuten, die mir gefolgt sind, trudeln per WhatsApp ein und ich stehe bei bestem Sommerwetter am Nordkap. Dieses Glück haben nicht alle und ich bin vor allem erleichtert, dass ich es geschafft habe. 10 Tage, 8 Stunden und 45 Minuten sind seit meinem Start in Berlin vergangen – eine Zeit, mit der ich wirklich sehr zufrieden bin.