Ich halte es für eine steile These, dass die Geschwindigkeit beim Verkehr die Hauptsache sei.
Warum? Für jeden Einzelnen ist es doch genau das, ich wähle meine Verkehrsmittel danach aus was ich transportieren muss und mit welchem ich schlicht am schnellsten bin.
Das ist auf Kurzstrecken bei mir oft zu Fuß, auf längeren dann meist das Auto. Ich kann direkt von A nach B, kein warten, kein Umsteigen, keine Verspätungen. Selbst mit Stau dazwischen kann der ÖPNV nicht ansatzweise mithalten. Leider.
Warum? Für jeden Einzelnen ist es doch genau das, ich wähle meine Verkehrsmittel danach aus was ich transportieren muss und mit welchem ich schlicht am schnellsten bin.
Es steht Dir frei, das Verkehrsmittel zu wählen, welches Dich am schnellsten an Dein Ziel bringt. Dennoch besteht darin nicht das Hauptziel des Verkehrs insgesamt.
Ein vorrangiger Aspekt ist die Sicherheit. Es dürfte den meisten Eltern egal sein, ob ihre Kinder 10 oder 11 Minuten für den Weg zu Schule brauchen. Weit wichtiger ist die Sicherheit dieses Weges. Das Sicherheitsinteresse überwiegt auch das Interesse einzelner Autofahrer, so schnell wie möglich irgendwo hin zu kommen.
Ferner hätten wir noch die Belastung jener Menschen, die gar nicht am Verkehr teilnehmen, sondern nur Anwohner sind. Wie laut darf der Verkehr sein, welchen Dreck darf er erzeugen? Auch hier geht es nicht nur um das Geschwindigkeitsinteresse der Autofahrer.
Und so weiter. Die Straßenverkehrsordung nennt gleich im ersten Paragraphen wichtige Einschränkungen für das Interesse, einfach so schnell wie möglich vorwärts zu kommen:
§ 1 Grundregeln
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Das ist auch ohne Befragung logisch: guter Verkehrsfluß, also wenig Ampelstopps, heißt schneller ankommen, weil die Zeit an den Ampeln die Zeitdifferenz zwischen 30 und 50 km/h deutlich übertrifft. Daher ist einfach Tempo 30 noch keine Lösung, wenn die Ampeln bleiben; Kreisverkehre, abgestimmte Ampelschaltungen, Abbiegespuren, u.ä. gehören dazu. Hauptziel des Verkehrs ist nun mal zügig ankommen, Nerven schonen ist höchstens eine Nebenfunktion, die bei Erfüllung der Hauptfunktion automatisch erfüllt wird.
Jein. Straßenbahn auf der Fahrbahn für Autos hemmt den Verkehrsfluß, Bushaltestellen, an denen man nicht vorbeifahren kann, wenn ein Bus drinsteht, auch. Radfahrer auf guten Radwegen hemmen den Verkehrsfluß nicht, wenn sie mit 1,5 m Abstand überholt werden müssen (nicht alle sind Triathleten, die Tempo 30 halten können) bei Gegenverkehr, hemmen auch. Nicht das Verkehrsmittel entscheidet über den Verkehrsfluß, sondern ihre Führung, also die jeweils passende Infrastruktur, Trennung, soweit möglich.
Da stimme ich zu.
Du setzt Verkehrsfluss gleich mit Autoverkehr.
Kann man machen.
Muss man aber nicht.
Erschließt sich Dir das ebenfalls rein logisch oder handelt es sich eher um eine freie Erfindung? Ich halte es für eine steile These, dass die Geschwindigkeit beim Verkehr die Hauptsache sei.
Es ist keine "Erfindung", sondern, einfach funktionales Denken, wie ich es in meiner Arbeit häufig antreffe und anwende, um sich der eigentlichen Ziele und Priorisierungen bewußt zu werden (und Meik es pragmatisch-praktisch beschreibt).
Jede Handlung hat gewisse Haupt- und Nebenfunktionen mit jeweils verschiedenen, teilweise konkurrierenden Funktionseigenschaften. Die Hauptfunktionen von Verkehr bzw. Mobilität ist, von A nach B zu kommen. Wesentliche , ggf. konkurrierende Funktionseigenschaften sind Wegdauer*, Komfort, Sicherheit, ggf. Ressourcenverbrauch u.a.m., deren Optimierung natürlich die "Güte der Funktionserfüllung" der Hauptfunktion beeinflussen.
Aus Sicht des Einzelnen ist das System das eigene Vorankommen mit allen Funktionseigenschaften, und dieses System wird optimiert. Aus Sicht der Gesellschaft als größeres System gibt es natürlich breitere Funktionen (Infrastruktur sicherstellen, Verkehrsströme lenken, ...), die dann ggf. in Konkurrenz zu den Funktionswünschen einzelner stehen können, und wofür es ein Balance ausgehandelt werden muß.
*ich schreibe bewußt "Wegdauer", nicht Geschwindikgeit; es geht nicht darum, mit welcher Geschwindigkeit man unterwegs ist, sondern darum, nicht länger als unbedingt nötig unterwegs zu sein, da das Ziel nicht der Weg ist, sondern das zu erreichende Ziel. "Der Weg ist das Ziel" als Funktion ist für nur einen sehr kleinen Teil der Mobilität richtig (z.B. für unsere Trainingsfahrten mit dem Rad).
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“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Du setzt Verkehrsfluss gleich mit Autoverkehr.
Kann man machen.
Muss man aber nicht.
In diesem Thread geht es um Tempolimit für Autos, und ich spielte auf konkrete Beispiele davor an. Die weiter oben beschriebene Funktionsbetrachtung (zügig von A nach B kommen, Verkehrsfluß) betrifft jegliche Mobilität, unabhängig vom Fahrzeug. Auf jeden Fall ist Verkehrsfluß umso gewichtiger, je weiter und je schneller sich je mehr Fahrzeuge/Verkehrsteilnehmer bewegen, daher ist es sicherlich für Autos in der STadt oder in Urlaubszeiten auf den Autobahnen das größte Thema, für Fahrräder mehr in der Stadt als auf dem Land (außer an Vatertag), für Fußgänger am wenigsten, da die am flexibelsten sind innerhalb ihren Bereiches.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
... Dennoch besteht darin nicht das Hauptziel des Verkehrs insgesamt.
Ein vorrangiger Aspekt ist die Sicherheit.
Dieses Denken entspricht dem Zeitgeist, bei dem Sicherheit in allen Bereichen zunehmend so hoch gewichtet wird, daß die eigentliche Hauptfunktion darunter wesentliche Einbußen erleidet. War am auffälligsten unter den teilweise überzogenen Corona-Maßnahmen (Schulschließungen, alte allein sterben lassen) zu sehen, aber auch täglich in den Sicherheitsprozessen in den Firmen, durch die Projekte wesentlich verzögert und teuer werden. Ich teile diese überhöhte Priorisierung von Sicherheit unter den Funktionseigenschaften nicht, da sie zu oft kontraproduktiv ist. Was nicht heißt, daß Sicherheit egal ist, aber der Aufwand dafür darf die Hauptfunktionen nicht beliebig einschränken. Ein Restrisiko, das dem Einzelnen überlassen wird, wird und sollte in allen Lebensbereichen immer bleiben.
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“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Es ist keine "Erfindung", sondern, einfach funktionales Denken, wie ich es in meiner Arbeit häufig antreffe und anwende, um sich der eigentlichen Ziele und Priorisierungen bewußt zu werden (und Meik es pragmatisch-praktisch beschreibt).
Die Geschwindigkeit des Autoverkehrs unterliegt auch in Deutschland auf allen Straßen außer Autobahnen Geschwindigkeitsbeschränkungen, weil das schnelle Vorankommen sich anderen Aspekten unterzuordnen hat.
Das gilt bei Tempo 100 auf Landstraßen ebenso wie bei anderen Geschwindigkeiten, etwa 50 oder 30 in der Stadt. Bei allen diesen Geschwindigkeitsbeschränkungen könnte mit dem Argument, eine kurze Fahrzeit sei das Wichtigste im Verkehr, für höhere Geschwinigkeiten plädiert werden. Es überwiegen aber andere Aspekte wie Sicherheit, Lärm und Dreck, faire Teilhabe schwächerer Verkehrsteilnehmer an den Straßen und so weiter.
Ferner hätten wir noch die Belastung jener Menschen, die gar nicht am Verkehr teilnehmen
Sorry, die gibt es nicht.
Jeder nimmt am Verkehr teil. Selber mit unterschiedlichsten Verkehrsmitteln. Dazu produziert er auch Verkehr angefangen von Post, Lieferverkehr, Zulieferer zu den Geschäften in denen er einkauft, ... ohne Verkehr geht es nirgendwo.
Und ja, da geht es in weiten Teilen schlicht um Zeit und damit Geld. Die Leute wollen/müssen zur Arbeit, Kunden beliefern, Dienstleistungen erbringen und vieles mehr. Es ist immer ein abwägen zwischen schnell und sicher - bzw. letztlich auch bezahlbar.
Leider haben wir viel zu lange gepennt Alternativen zum Auto zu schaffen und uns völlig einseitig auf individuelle Mobilität mit immer unsinniger großen Fahrzeugen festgelegt.
Dieses Denken entspricht dem Zeitgeist, bei dem Sicherheit in allen Bereichen zunehmend so hoch gewichtet wird, daß die eigentliche Hauptfunktion darunter wesentliche Einbußen erleidet. […] Ein Restrisiko, das dem Einzelnen überlassen wird, wird und sollte in allen Lebensbereichen immer bleiben.
Ein zu schneller Autofahrer gefährdet nicht nur sich selbst, sondern in hohem Maße seine Mitmenschen. Gerade in Städten sind die Toten auf den Kreuzungen oftmals Fußgänger und Radfahrer. Darum handelt es sich nicht um Risiken, die "dem Einzelnen überlassen" werden.
Beeinträchtigungen der Lebensqualität für Anwohner und andere Verkehrsteilnehmer ergeben sich durch Lärm, Dreck und Abgase. Es ist also keineswegs so, dass Du die selbst eingegangenen Lebensrisiken selbst ausbadest. Den Schaden haben andere.