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Zitat von hoppelhase1973
Selbst wenn das russische Militär nach Putins Geschmack langsamer als geplant ist (und das glaube ich einfach nicht) der Krieg ist erst 4 Tage alt.(
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Ich bin mir sicher, dass Putin viele seiner in unseren Ohren wirren Thesen selbst glaubt.
Und zu diesen Thesen gehört neben seiner Verachtung für die Staatsform Demokratie, die in seinem Weltbild Führungsschwäche hervorruft auch die Kernthese, dass die Ukraine von einer verbrecherischen und von der Mehrheit der Bevölkerung und insbesonder auch dem Militär verhassten Clique beherrscht wird.
Er hat mehrfach in seinen Ansprachen am Dienstag und Donnerstag versucht einen Keil zwischen ukrainische Bevölkerung, ukrainisches Militär und politische Führung des Landes zu treiben und faktisch zur Absetzung/ Auslieferung der Regierung aufgerufen.
Ich glaube durchaus, dass er mit einer Situation ähnlich wie beim Talibaneinmarsch in Afghanistan im Juni 2021 gerechnet hatte, als große Teile des eigentlich gut ausgerüsteten afghanischen Militärs einfach nicht bereit waren für ihre nicht legitimierte politische Führung zu kämpfen und sich deshalb einfach ergaben.
Der Großteil der von den US-Amerikanern protegierten afghanischen politischen Führung floh auch unmittelbar mit dem US-Truppenabzug aus dem Land.
Das ist einer der entscheidende Unterschied zur jetzigen Situation in Afghanistan. Selenskiy und seine Regierungscrew hat durch seine Krisenkommunikation und sein absolut bewundernswertes Verhalten, sowie sein explizites Verbleiben in Kiew trotz Evakuierungsangebot der US-Amerikaner enorm an Ansehen in der Bevölkerung gewonnen.
Weder das ukrainische Militär noch die ukrainische Bevölkerung sind in nennenswerter Zahl bereit überzulaufen oder sich zu übergeben. Und das wird es auch unmöglich machen, die Ukraine zu halten, selbst wenn es gelingen sollte Teile des Landes vorübergehend zu besetzen
Ich kann nur empfehlen @ZelenskyyUa auf Twitter zu folgen. Es ist absolut beeindruckend, wie dieser Mensch social media in einer solchen Situation mit Tweets fast im Stundentakt in der Lage ist zu seinem Vorteil zu nutzen. Dem hat Putin, dem dieses Instrument der Kommunikation und Machtstabilisierung komplett fremd ist und der sich seit Jahren in Russland komplett einigelt nichts auf dem Feld der Kommunikation entgegen zu setzen.
Selbst wenn es Putin noch gelingen sollte, einige seiner Kriegsziele noch (mit großer Verspätung) zu verwirklichen, wird der Preis, den er (und die russische Bevölkerung) dafür zahlen muss, absehbar viel größer sein, als von ihm intern projektiert
Zitat:
Zitat von hoppelhase1973
In 4 Tagen einfach so eine Millionenstadt wie Kiew einnehmen? Das geht faktisch nicht. Und so ist es auch bei den anderen Städten. Ich befürchte eher, dass es sich um Versuche handelt, den Verteidigungswillen der Bevölkerung hochzuhalten :-(
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Die Einnahme von Kiew war auch nicht das primäre Ziel. Putin wollte mit massiver militärische Drohgebärde die Ukraine (und ihre Verteidigungskräfte) so weit einschüchtern, dass es gelingen sollte über internen Militärputsch oder russiche Spezialoperationen im Regierungsviertel die alte Regierung abzusetzen und eine prorussisch orientierte "Ersatzregierung" nach dem Muster Weißrussland zu installieren.
Davon ist er himmelweit entfernt und wenn er an seinen ursprünglichen Kriegszielen weiter festhält, muss er immer mehr der ukrainischen Infrastruktur beschädigen bzw zu zerstören und auch derartig große zivile Schäden und zivile Toten im angegriffenen Land in Kauf nehmen, die ihm zwangsläufig die noch in Russland selbst vorhandene Zustimmung größerer Teile der eigenen Bevölkerung und das z.B. in China noch vorhandene Restverständnis für die russischen Interessen kosten werden.
Was soll Putin mit Zelensky machen, wenn er ihn erwischen sollte? Umbringen und einen ewigen Mythos für das ukrainische Volk damit produzieren? Ihn in ein russische Gefängnis stecken und damit auf Jahre jeglicher anderer von Russland installierter politischer Führung in Ukraine die Legitimation nehmen?
Mir ist bewusst, dass Putin sich soweit in den Schlamm hineinmanövriert hat, dass er aus der jetzigen Situation nicht mehr ohne massiven Reputationsverlust und unfassbaren Schaden für sich und die russische Bevölkerung herauskommt und ich sehe aktuell auch keine realistische Exit-Strategie für den begonnen Krieg, mit denen sich die absehbaren katastrophalen Schäden für Russland, aber auch für die Ukraine noch begrenzen ließen.
Aber ich sehe auch kein Szenario, in dem Putin den Krieg noch in einer Weise für sich entscheiden könnte, der von außen oder von innen betrachtet noch irgendeinen greifbaren Nutzen für ihn und Russland haben könnte.