Hallo allerseits,
danke an alle für die Teilnahme an unserem leicht schrägen Event! Danke auch hier im Forum für die wohlwollende Begleitung. Auf unserer Instagram-Seite gibt es ein paar Fotos und Videos zu sehen. In den nächsten Tagen werden es noch mehr – schaut also die Tage nochmal rein.
Ich versuche mich hier mal an einem persönlichen Rennbericht (
Strava). Vorausschicken möchte ich, dass ich das Zeitfahren als Rennen ernst genommen habe. Die Platzierung war mir wichtiger als die Zeit. Wenn ich sabine_g geschlagen hätte, wäre mir die Zeit egal gewesen.
Diese Einstellung hatte Auswirkungen auf meine Renntaktik: Ich hatte sabine_g als den stärkeren Zeitfahrer eingeschätzt, zumindest über eine so lange Strecke (183km). Immerhin hatte er das bereits in einem 40er Schnitt geschafft – ein echtes Brett. Auf einer kürzeren Strecke sah ich mich hingegen leicht im Vorteil.
Er würde zwei Minuten nach mir auf die Strecke gehen und mich daher auf der 10km Pendelstrecke stets vor der Flinte haben. Ich denke, es wäre ein taktischer Fehler gewesen, im Rennen zuzulassen, dass er früh diesen Abstand überbrückt und in Sichtweite meines Hinterrades vor sich hin cruist. Daher entschloss ich mich, meine konkurrenzfähigen Tempofähigkeiten auszuspielen und das Rennen recht hart anzugehen. Ich wolle auf den ersten 60 Kilometern ein Loch reißen und dann mal schauen, ob ich diesen Abstand verteidigen könnte.
Die ersten 60 Kilometer fuhr ich einen Schnitt von 41,3 km/h. Dafür musste ich 246 Watt leisten. Falls es stimmt, was manche sagen, dass meine Powertap-Nabe rund 20 Watt zu wenig anzeigt, wären es etwa 266 Watt gewesen. Mein Puls lag im Durchschnitt bei 163 Schlägen. Da mein FTP-Puls nur 4 Schläge höher liegt, zeigen diese Zahlen, dass ich mich für meine Verhältnisse wirklich sehr angestrengt habe.
Der Vorsprung auf sabine_g war trotzdem konstant innerhalb von nur 10-20 Sekunden zu meinen Gunsten. Ich wurde den Kerl einfach nicht los.
Die nächsten 60 Kilometer hämmerten wir mit nahezu gleichbleibender Leistung vorwärts. Nach drei Stunden Renndauer hatte ich einen Durchschnittspuls von 161 und nur 5 Watt an Leistung verloren. "Gib endlich auf!" rief ich lautlos im Inneren zu meinem Kontrahenten. 120 Kilometer. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war nur um 0,1 km/h gesunken. 41,2 km/h im Durchschnitt.
Meine ursprüngliche Taktik, auf den ersten 60 Kilometern ein Loch zu reißen, hatte nicht funktioniert. Doch es war mir gelungen, das hohe Anfangstempo weitere 60 Kilometer durchzuhalten. Ebenfalls ohne Erfolg. Zwei der bisher absolvierten sechs 20km-Runden gehörten zu den drei schnellsten, die ich auf dieser Strecke je gefahren bin. Mit anderen Worten: In all den Jahren, die ich auf dieser Strecke trainiere und auch Vereinszeitfahren bestritten habe, gab es nur eine einzige Runde, auf der ich schneller war, als das Tempo, das ich von Rennkilometer 20 bis 60 anschlug. 120 Kilometer hatten wir nun in den Beinen.
Mir war schon klar, dass sabine_g in dieser Abnutzungsschlacht jetzt die besseren Karten hatte. Andererseits dachte ich mir, spurlos an ihm vorbei wird dieser Ritt nicht gegangen sein. Also Kopf runter und weiter. Hammer the bike.
Bei 120 km ein kurzer Tankstopp. Dauer: wenige Sekunden. Als ich wieder auf der Strecke war, brauchte ich ungewöhnlich lange, um wieder meinen Rhythmus zu finden. Es begann zäh zu werden. Die nächsten 20 Kilometer fuhr ich im 40er Schnitt. Mein Vorsprung auf sabine_g betrug nun 0 Sekunden, wenn ich mich nicht vermessen habe. Minus 5 Watt im Vergleich zu den 20 Kilometern davor.
Bei Kilometer 150 wurde ich dann spürbar langsamer. Der Tank war leer. Natürlich hatte ich Schmerzen und litt, aber so sind Rennen nunmal, und Ihr kennt das alle. Ich brauche also hier keine Worte zu machen.
38,5 km/h für den nächsten Abschnitt. Auf der letzten Runde wurde ich dann von sabine_g überholt, ungefähr bei 165 km. Game over. Die letzten Kilometer fuhr ich dann Oberlenker (36 km/h) und fühlte mich komplett ausgelaugt. Die Schmerzen bekamen die Oberhand. Ich hätte mich gefreut, wenigstens noch die Marke von 40,5 km/h ins Ziel zu retten, aber das schaffte ich nicht. Ich hatte vier Stunden lang alles gegeben, und jetzt war ich breit wie der Buckingham Palace. 40,1 km/h waren es letztlich im Schnitt über 183 Kilometer.
Glückwunsch an den Sieger!
Geil war auch, die anderen Mitstreiter und Mitstreiterinnen auf der Strecke zu sehen. Es war ein magischer Tag. Das Wetter war perfekt und alle Menschen gut drauf. Es war schön, die Erschöpfung im Ziel mit allen anderen teilen zu können. Sie hatten ebenfalls ihr Letztes gegeben und saßen erschöpft im Schatten.
Es war ein harter Tag. Aber es war auch lustig, sich so einer bekloppten Sache zu widmen. Ein Bekannter von mir, Bergsteiger und Buchautor Malte Roeper, schrieb einmal über vierblättrige Kleeblätter. Sie bringen bekanntlich Glück. Aber Malte erkannte, dass das eigentliche Glück darin besteht, die Muße zu haben, nach ihnen suchen zu können.
Das stimmt genau und gilt auch für unser schräges Zeitfahren: Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir so etwas können. Das letzte Wort ist vielschichtig: "Können" bedeutet, dass wir uns die Fähigkeit dazu erarbeitet haben. Und dass wir außerdem das Glück in unserem Leben hatten, uns so etwas erarbeiten zu dürfen. Mann, geht’s mir gut, dachte ich vor dem Start. Und im Ziel noch viel mehr.
Spezieller Dank an Zeitnehmerin Sabine und die beiden Damen von Catering, Claudia und Sarah. Danke auch an hazelman für’s Anfeuern.
Arne