Ich habe mir jetzt beide Reportagen angeschaut und muss sagen, dass es schon Angst macht, sich auf diese Art und Weise bewusst zu machen, was für eine Szene es da gibt.
Selbst, wenn es sich eigentlich prozentual gesehen um eine sehr, sehr kleine Minderheit handeln sollte, handelt es sich in meinen Augen um eine Bedrohung, mit der ich mich eigentlich nicht so gerne intensiver auseinandersetzen würde, einfach weil dadurch in mir Ängste in den Vordergrund rücken würden, die jetzt ziemlich untergründig da sind und mit denen ich mich infolgedessen kaum beschäftige, denn dann würde ich sie unwillkürlich mehr an die "Oberfläche" holen.
Auf jeden Fall bewundere ich die Menschen, die da Gegendemonstrationen u.ä. organisieren oder sich daran beteiligen.
Davor würde ich wohl zurückschrecken, denn ich möchte nicht zum Feind werden, von Leuten, die bereit sind Angst und Schrecken zu verbreiten und da selbst vor Gewalt nicht zurückschrecken.
Was soll man gegen solche Auswüchse tun?
Da bin ich auch ziemlich ratlos.
Ich habe mich gedanklich noch nicht intensiver oder länger damit auseinandergesetzt, aber ich finde es prinzipiell eher ziemlich schlecht, wenn das verbreiten bestimmter Ansichten wie z.B. das Leugnen des Holocaust unter Strafe steht.
Das kann dann leicht so dargestellt werden, als würde es bestraft, weil man befürchte argumentativ nicht degegen ankommen zu können, sei es aus einem Mangel an der Fähigkeit entsprechend zu argumentieren oder sei es, weil daran zumindest ein Funken Wahrheit oder gar mehr steckt.
Das bitte nicht falsch verstehen:
Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass es den Holocaust gab.
Leider muss ich aber auch eingestehen, dass ich mich ungern auf eine Debatte mit einem rechtsradikalen Menschen einlassen würde, ganz besonders nicht, wenn der in der Lage ist einiges in den Raum zu stellen, wo diesbezüglich relativ schlecht gebildete Menschen nur schwer spontan eine angemessene Antwort parat haben.
Auf jeden Fall finde ich es ganz schlecht AfD-Wähler, Sympathisanten oder AfD-Politiker ohne angemessene Prüfung ihrer Gesinnung mit Leuten aus einer solchen Szene in einen Topf zu werfen.
Das wäre ja auch extremst erschreckend, wenn das zulässig wäre, denn wenn man sich einer Ideologie dermaßen verschrieben hat, dass man z.B. auffällige Tatoos trägt, dann ist es äußerst wahrscheinlich, dass ein solcher Mensch kaum noch davon abzubringen ist in dieser Szene zu bleiben und entsprechend zu leben und auch zu handeln.
Angenommen Du wärst verantwortlicher Wahlkampfleiter einer Partei. Würdest Du da nicht auch einzelne soziodemografische Auswertungen des Wahlverhaltens für die Planung des Wahlkampfes zuhilfe nehmen?
Ich habe über diese Frage etwas länger nachgedacht. Fazit: Nein, würde ich nicht. Ich halte Wahlkampf, so wie er jetzt gestaltet wird, für eine Aushöhlung der Demokratie und mehr noch: für einen indirekten Entzug der politischen Gestaltungsmöglichkeit über den Entzug des Wahlrechts. Wahlkampf ist nämlich nichts anderes als PR für Berufspolitiker, deren Verbindung zum politischen Diskurs in der Gesellschaft aus Gründen der "Suche nach Wählerstimmen" stattfindet und nicht aus Gründen des demokratischen Diskurses über Inhalte bzw. der demokratischen Einflussnahme über diese Verbindung. Im Fehlen dieser Verbindung besteht ursächlich der oben angesprochene Entzug der Gestaltungsmöglichkeit.
Ich würde den Politikern empfehlen Zukunft zu wagen und ganz ehrlich die Herausforderungen des 21 Jahrhunderts anzusprechen. Auch würde ich empfehlen, die Wahrheit darüber zu sagen, dass niemand ganz genau weiß wie denn Lösungen genau aussehen könnten und eine gesellschaftliche Transformation genau gehen könnte. Ich würde den Politikern "meiner Partei" empfehlen den Bürgern zu erklären, warum aber genau diese Partei und die Menschen der Partei genau die richtigen sind um die Ärmel hoch zu krempeln und die Zukunft zu gestalten.
Ich würde den Politikern "meiner Partei" empfehlen den Bürgern zu erklären, warum aber genau diese Partei und die Menschen der Partei genau die richtigen sind um die Ärmel hoch zu krempeln und die Zukunft zu gestalten.
Ich sehe es genauso. Es ist ernüchternd und traurig, dass dieses Vorgehen mittlerweile ein fast revolutionärer Ansatz ist. Die Idee, die eine Partei antreibt, ist in den Hintergrund getreten und hat Platz gemacht für Stimmungsbarometer, PR-Nebelmaschinen und Dreckschleudern.
Das Spektrum an Zugeständnissen, das die meisten Parteien zum Machterhalt oder zur Machterlangung bereit sind zu machen, deckt im Normalfall fast das vollständige Parteiprogramm ab.
Ich sehe es genauso. Es ist ernüchternd und traurig, dass dieses Vorgehen mittlerweile ein fast revolutionärer Ansatz ist. Die Idee, die eine Partei antreibt, ist in den Hintergrund getreten und hat Platz gemacht für Stimmungsbarometer, PR-Nebelmaschinen und Dreckschleudern.
Das Spektrum an Zugeständnissen, das die meisten Parteien zum Machterhalt oder zur Machterlangung bereit sind zu machen, deckt im Normalfall fast das vollständige Parteiprogramm ab.
Die hat sich nicht breit gemacht, das war schon immer so.
Schon vor 20 Jahren sagte eine CDU Frau (Arbeitskollegin) zu mir, was ich mir da vorstellen würde. Im Wahlkampf geht es nur darum gewählt zu werden und danach geht es nur darum, dass es 4 Jahre später wieder so ist.
Spätestens da hab ich völlig ausgeblendet, dass es in der Politik um Überzeugungen und echte Inhalte gehen würde.
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Was soll man gegen solche Auswüchse tun?
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Ganz entscheidend ist für mich im Alltag das Handeln der Polizei und der Justiz. Man muss sich, wird man unmmittelbar Zeuge von Übergriffen oder Beschimpfungen, Beleidigungen, 100 % darauf verlassen können, dass die Polizei schnell vor Ort ist, einen notfalls schützt, den Sachverhalt korrekt ermittelt und die Anzeigen aufnimmt. Das erfordert eine gewisse Zivilcourage, aber sonst würde man solchen Neonazis das Feld überlassen. Deswegen fände ich z.B. Innenminister der AFD katastrophal. Dass viele Bürger Angst haben, als Zeuge eine Aussage zu machen, ist leider ein grosses Problem und gerade die Absicht der Einschüchterung der Neonazis im Alltag. Persönlich braucht es schon eine grosse Portion Überwindung, nicht nur anonym die Polizei zu rufen, sondern den Mund aufzumachen und die Personalien anzugeben. fragt die Polizei, wer etwas gehört bzw. gesehen hat, Auch die Beschäftgten des ÖPNV sind da gefragt, nicht einfach die Augen zuzumachen. Das gilt natürlich für alle Gruppen, egal von wem im Alltag jetzt Drohungen, Beleidigungen, Angriffe ausgehen.
Zum Thema Holocaust-Leugner, Verbot des öffentlichen Tragens von Nazisymbolen und Volksverhetzung habe ich eine ganz andere Meinung. Ich möchte in der Öffentlichkeit nicht mit abscheulichster Nazi-Propaganda konfrontiert sein, mit der ein Raub- und Völkermmord an Millionen von Menschen geleugnet und die Opfer wie Überlebenden verhöhnt werden. Diese Verbote stammen alle aus der Nachkriegszeit, wo es mehr Anhänger der Nazi-Ideologie gab wie heute. Ich glaube schon, dass sie sich bewährten und dazu beitrugen, die Demokratie zu schützen.
aus Deiner Antwort auf meine Frage entnehme ich, dass Du die "soziodemografischen Auswertungen" doch für soweit realistisch hälst, dass sie für eine erfolgreiche zielgruppenspezifische Parteien-PR-Arbeit dienen und nützlich sind. D.h. man kann durchaus innerhalb bestimmter Fehlertoleranzen realistische Aussagen über die Wahlpräferenzen bestimmter Schichten / Zielgruppen machen.
In der kritichen Betrachtung des zu grossen Einflusses dieser soziodemografischen Instrumente auf den politischen Gestaltungswillen stimme ich mit Dir überein.
Ich möchte in der Öffentlichkeit nicht mit abscheulichster Nazi-Propaganda konfrontiert sein, mit der ein Raub- und Völkermord an Millionen von Menschen geleugnet und die Opfer wie Überlebenden verhöhnt werden.
Das sehe ich ebenso. Jedes Recht hat Grenzen, nämlich dort, wo berechtigte andere Interessen beeinträchtigt werden. Beispielsweise setzen wir dem Recht auf freie persönliche Entfaltung Grenzen, wenn wir Sex mit Kindern unter Strafe stellen.
Ich halte die Leugnung des Holocaust nicht für eine "Meinung". Ebenso ist es keine Meinung, ob Deutschland an Frankreich grenzt oder nicht. Es ist einfach Bullshit. Es ist zudem eine barbarische Zumutung für die Opfer des Holocaust, die wir als Gesellschaft nicht durch die Meinungsfreiheit schützen müssen.