Ja, so hatte ich ihn auch verstanden. Es ist sein Menschenbild, das er heraus - oder hinein-interpretiert. Ich nehme an, dass Freuds analoge Sichtweise ohne göttlichen Offenbarungstext auskommt?
Er entwarf eine Triebtheorie mit den beiden Grundtrieben Libido-Aggressions-/Todestrieb, welche der kulturellen Zähmung bedürfen.
Die Frage stellt sich natürlich, weshalb haben die Menschen einen solchen Gott wie im AT geschaffen und weshalb glaubten sie an ihn.
@qbz: Ist es tatsächlich so, dass Lohfink in diesem PDF den Standpunkt der katholischen Kirche wiedergibt? Ich meine mich zu erinnern, dass Du deshalb auf ihn verwiesen hattest. Ist das tatsächlich so?
Er ist ein Repräsentant für katholische Theologen, die sich mit dem AT beschäftigen, weshalb ich ihn zur Frage: Monotheismus-Gewalt im AT anführte, und wird auch von anderen seines Faches zitiert.
Ein kirchenkritischer Bibelforscher würde an das Thema ganz anders herangehen, insofern vermute ich, dass er damit nicht im Widerspruch zur kath. Kirche steht, ohne es zu wissen, weil mir die Kenntnisse der einschlägigen Papstdekrete fehlen.
Er entwarf eine Triebtheorie mit den beiden Grundtrieben Libido-Aggressions-/Todestrieb, welche der kulturellen Zähmung bedürfen.
Freuds Denken und eine solche Theorie waren wohl auch nicht unbeeinflusst von seiner eigenen kulturellen Prägung.
Zitat:
Zitat von qbz
Die Frage stellt sich natürlich, weshalb haben die Menschen einen solchen Gott wie im AT geschaffen und weshalb glaubten sie an ihn.
Ja, das ist eine interessante Frage. Es ist vielleicht der Wunsch nach dem starken Mann, der für Ordnung sorgt und allen seinen Platz zuweist, in der Person des Oberhirten, aus der Perspektive von Ziegenhirten in rauher Natur und roher sozialer Umgebung in dieser Zeit.
Ich halte es für eine romantische Fiktion, wir Menschen seien von 0:00 bis 23:42 Uhr rasende Teufel gewesen und seien nun durch Religion etc. domestiziert.
Die Frage stellt sich natürlich, weshalb haben die Menschen einen solchen Gott wie im AT geschaffen und weshalb glaubten sie an ihn.
"Die Menschen" ist etwas ungenau. Es waren einige wenige. Ein kleines Volk am Ende der Welt, das im Kampf war mit anderen Völkern. Es schuf sich einen Gott, der ein starker Verbündeter war und seine Feinde in der Mythologie ausrottete.
Außerdem: Von den zahlreichen religiösen Strömungen und Varianten dieser Zeit schieden jeweils jene nach und nach aus, welche die eigene Verbreitung nicht zum Hauptziel hatten. Zwangsläufig ergab sich so ein eifersüchtiger, alleinherrschender Gott, der keine anderen Götter neben sich duldete und alle Zweifler und Andersdenkenden bedrohte.
Diese Radikalisierung bewährte sich nicht nur beim Christentum, sondern auch beim Islam. Beide sind heute diejenigen Religionen, die sich am weitesten verbreiten konnten, und die gegenüber anderen Religionen in tiefsitzender Weise intolerant sind.
Zweites Gebot: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“
Viertes Gebot: „Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.“
Noch deutlicher wird es, wenn man eine weniger bekannte Fassung der 10 Gebote betrachtet. Sie steht, als dritte Fassung, ebenfalls in der Bibel. Diesmal nicht in den Büchern Mose, sondern in Exodus:
Erstes Gebot: Du hüte dich aber, mit den Bewohnern des Landes, in das du kommst, einen Bund zu schließen; sie könnten dir sonst, wenn sie in deiner Mitte leben, zu einer Falle werden. Ihre Altäre sollt ihr vielmehr niederreißen, ihre Steinmale zerschlagen, ihre Kultpfähle umhauen.
Zweites Gebot: Du darfst dich nicht vor einem andern Gott niederwerfen. Denn Jahwe trägt den Namen «der Eifersüchtige»; ein eifersüchtiger Gott ist er.
Drittes Gebot: Hüte dich, einen Bund mit den Bewohnern des Landes zu schließen. Sonst werden sie dich einladen, wenn sie mit ihren Göttern Unzucht treiben und ihren Göttern Schlachtopfer darbringen, und du wirst von ihren Schlachtopfern essen. Du wirst von ihren Töchtern für deine Söhne Frauen nehmen; sie werden mit ihren Göttern Unzucht treiben und auch deine Söhne zur Unzucht mit ihren Göttern verführen.
Lesenswert, hier aber offtopic, ist das zehnte Gebot: Beim Schlachten sollst du das Blut meines Opfers nicht über gesäuertes Brot fließen lassen und vom Schlachttier des Paschafestes darf nichts bis zum Morgen liegen bleiben. Von den Erstlingsfrüchten deines Ackers sollst du die besten in das Haus des Herrn, deines Gottes, bringen. Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen.
Die Frage stellt sich natürlich, weshalb haben die Menschen einen solchen Gott wie im AT geschaffen und weshalb glaubten sie an ihn.
Hast Du selbst dazu eine Vermutung oder kennst Du eine schlüssige These?
Interessant finde ich auch die Frage, weshalb so viele Menschen heute noch an der Bibel mit dem gewalttätigen Gott festhalten. Das funktioniert oft mit entwaffnender Naivität und Fähigkeit zum Ausblenden. In der heutigen FAS wird Eintracht Frankfurts Trainer Niko Kovac interviewt. Da sagt er u.a. "...wenn man versucht, sich an der Bibel entlang zu hangeln, dann hat man alles was man braucht: Ehrlichkeit, Offenheit, Freundlichkeit, Respekt, Toleranz ... Man hört aus der Bibel auch immer nur Gutes. Nur der Mensch, der es umsetzen muss, interpretiert viele Dinge immer wieder etwas anders, als es in der Bibel oder auch im Koran steht." Er hat offensichtlich die besten Motive und führt, soweit ich es mitbekomme, ein ethisch vorbildliches Leben. Aber die Bibel kennt er offensichtlich nur in Auszügen. Nach eigenen Angaben geht er immerhin 40mal im Jahr sonntags in die Kirche.
Dort wird er offensichtlich über die Bibel informiert in einer Weise, wie es uns beispielsweise Lohfink zeigt: das "Zwei-Eins" aus AT und NT wird solange hin- und hergeknetet, bis das, was wir heute für ein ethisch gutes Leben halten, als göttlliches Gebot dargestellt werden kann.
Ich respektiere dabei übrigens die guten Folgen, die es hat, einmal in der Woche in sich zu gehen, und sich darauf zu besinnen, offen, ehrlich, freundlich respektvoll und tolerant zu handeln. Offensichtlich gibt es auch viele Menschen, die das so für sich aus den Gottesdiensten herausziehen, und das gehört zu der guten Wirkung.
Mir selbst fällt es allerdings schwer, so mit dem vorhandenen Wissen umzugehen. Bereits in vielen formelhaft aufgesagten Sätzen der Liturgie regt sich in mir soviel Widerspruch... und es fällt mir schwer, darüber hinwegzugehen. Im sonstigen Leben akzeptieren wir das auch nicht. Hinterfragen und kritisches Denken gelten als positiv, wenn es um andere Bereiche des Lebens geht. Und der Hinweis auf "heilige" Texte hilft mir angesichts des Wissens über die Entstehung auch nicht weiter.