Wie erreicht man Menschen, die keinen Diskurs wollen, sondern nur ihren Hass ausleben wollen? Ernste Frage, denn ich sehe mich gelegentlich tatsächlich außer Stande, in Diskussionen gelassen zu bleiben, wenn das Gegenüber pauschal wirklich alles negiert, ignoriert und ... nun ja... wie ein Kleinkind mit dem Fuß aufstampft. Wie geht man mit Hasskomentaren um? Auf sie irgendwie zu antworten, führt zu noch mehr Provokation, egal wie man antwortet. Aufklärung und Wissen wollen diese Leute gar nicht. Sie wollen hassen, so mein Eindruck. Wie erreicht man diese Leute?
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Ganz kurz, weil OT:
Aggressives Verhalten und ebenso Abwertungen kommen selten aus einer Position der Stärke. Mit dem lauten Auftritt bzw. der Abwertung wird Dir ein Spiel angeboten, das Dich aus der Reserve locken soll, Dich stark emotionalisieren soll (Empörung, Widerstand, Null/Neutralisation etc.) Nimmst Du das an, bist Du Teil davon. Die Frage für Dich muss lauten: Will ich so handeln, wie ich es möchte? Das würde ich Dir empfehlen. Oder will ich mich in meinem Verhalten von jemand anderem steuern lassen, in das Hineinziehen lassen, das ein anderer von mir will.
An Bezeichnungen wie "dumm und dünkelhaft" hänge ich mich tatsächlich etwas auf, auch wenn sie vielleicht richtig sind. Denn das hat was Arrogandes und Wegwischendes, so dass man sich damit nicht weiter beschäftigen muss.
Ich akzeptiere, dass man meiner Position auf den ersten Blick ebenfalls einen gewissen Dünkel vorwerfen kann, also die Überzeugung von der (vielleicht nur eingebildeten) Überlegenheit des eigenen Standes.
Als Vertreter eines aufgeklärten Weltbildes äußere ich alle meine Ansichten jedoch unter dem Vorbehalt, dass sie falsch sein könnten. Wir haben uns ja bereits im Reli-Thread ausführlich darüber ausgetauscht: Meinen Überzeugungen ist grundsätzlich zu misstrauen. Es ist stets das dahinter stehende Argument zu prüfen. Es können sich jederzeit Irrtümer zeigen, auch nachträglich. Konkret: Was ich über die Ehe denke, kann falsch sein.
Das Dünkelhafte in der Forderung der Pariser Demonstranten sehe ich nicht darin, dass sie anderer Meinung sind als ich. Hier wird mir etwas unterstellt, das nicht zutrifft. Es könnte sein, dass sich meine oder deren Meinung (oder beide) als falsch herausstellt. Dann hätten wir es mit einem Irrtum zu tun, was ich nicht schlimm fände.
Der Dünkel besteht darin, dass sie exakt jene Lebensweise für richtig halten, die sie selbst verkörpern oder idealisieren. Das ist die Grundlage ihres moralischen Urteils. Ich urteile zwar ebenfalls, mache mich aber nicht selbst zum Maßstab für andere. Ich verlange von niemandem, so zu leben wie ich selbst.
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Organisiert wurden die Pariser Proteste von einer konservativ-katholischen Bewegung. Wer in typisch katholischer Bescheidenheit glaubt, der Schöpfer des Universums habe die eigene Ehe gefügt, wird zwangsläufig auch ihre Unauflöslichkeit akzeptieren müssen. Es gilt demnach nicht nur die Homo-Ehe zu verhindern, sondern auch die Möglichkeit einer Ehescheidung wieder abzuschaffen. Das ist zahlenmäßig ein erheblich relevanteres Thema als die Eheschließung gleichgeschlechtlich liebender Menschen. Wo sind die Demonstranten, die sich selbst das Recht auf eine Scheidung der standesamtlichen Ehe nehmen wollen?
Hier hast Du den Dünkel vor Dir: Dass nämlich die eigene Lebensweise schon gut und richtig sei, ganz gleich was die reine Glaubenslehre hier fordert. Anderen wirft man hingegen die Bibel an den Kopf, redet von Moral, welche die Jahrtausende überblicke und so weiter. Verstehst Du in dieser verkürzten Darstellung, was ich meine?
aber... nun ja... da kann man schon mal in die Tischkante beißen.
Letztmalig OT: Es ist das Dilemma, aus dem wir nicht rauskommen, Vicky: Die Offenheit der Demokratie macht sie anfällig für Ihre erklärten Feinde (NPD etc.) und ebenso für Gruppen, die für die Meisten schwer erträglich sind. Halte es, wie es in einem Dilemma nur geht: Unanständigkeit kann ich nur mit Anständigkeit, Aggression nur mit friedfertiger Haltung entlarven.
Ich akzeptiere, dass man meiner Position auf den ersten Blick ebenfalls einen gewissen Dünkel vorwerfen kann, also die Überzeugung von der (vielleicht nur eingebildeten) Überlegenheit des eigenen Standes.
Organisiert wurden die Pariser Proteste von einer konservativ-katholischen Bewegung. Wer in typisch katholischer Bescheidenheit glaubt, der Schöpfer des Universums habe die eigene Ehe gefügt, wird zwangsläufig auch ihre Unauflöslichkeit akzeptieren müssen. Es gilt demnach nicht nur die Homo-Ehe zu verhindern, sondern auch die Möglichkeit einer Ehescheidung wieder abzuschaffen. Das ist zahlenmäßig ein erheblich relevanteres Thema als die Eheschließung gleichgeschlechtlich liebender Menschen. Wo sind die Demonstranten, die sich selbst das Recht auf eine Scheidung der standesamtlichen Ehe nehmen wollen?
Zum ersten Absatz antworte ich Dir mit Humboldt: "Ich halte die Selbsterkenntnis für schwierig und selten, die Selbsttäuschung dagegen für sehr leicht und gewöhnlich."
Zum zweiten Absatz: Es gibt diese Überzeugungen, die offenbar nicht die Deinen und die meinen sind. Gleichwohl ist es das gute Recht dieser Menschen, auf der Straße für Ihre Überzeugungen zu demonstrieren. Auch wenn ich den Inhalt nicht teile, ist das für mich letztlich mutiger, als sich unverbindlich im einem Forum darüber auszutauschen.
Gleichwohl ist es das gute Recht dieser Menschen, auf der Straße für Ihre Überzeugungen zu demonstrieren.
Ich finde, es wird generell nicht genügend honoriert, dass Demonstranten im Normalfall gesetzestreue Bürger sind, die versuchen, ihre Meinung in einer von der Verfassung geschützten Form öffentlich zu vertreten. Egal, wie absurd oder fremd mir diese Meinung nun vorkommen mag, so ist mir das immer noch sympathischer als "Gegendemonstranten", die mit Gewaltakten versuchen, die Meinungsäußerung zu unterbinden.
Schändlich finde ich, dass bei uns in der öffentlichen Meinung gerne mit zweierlei Maß gemessen wird: Ist die Meinung nahe am Mainstream, ist alles paletti, wenn nicht, dann stört man sich auch nicht daran, wenn die Demonstration angegriffen wird und nennt das "Zivilcourage".
Jeder muss das Recht haben, seine Meinung friedlich zu äußern. Je abstoßender man die Meinung selbst findet, desto mehr sollte man sich dafür einsetzen, dass sie vertreten werden darf. Daran muss man sich als Demokrat meiner Meinung nach selbst messen und messen lassen.
Niemand hat das Recht auf Demonstration bestritten. Niemand hat bestritten, bestimmte Inhalte vertreten zu dürfen.
Allerdings müssen sich die Teilnehmer der Demonstration damit abfinden, dass auch alle anderen Bürger ein Recht auf freie Meinungsäußerung haben, die auch darin bestehen kann, ihre Thesen für dumm zu halten.
Das ist nicht einfach eine Schmähung, sondern darin steckt der Vorwurf, dass die vorgebrachten "Argumente" nicht dem Niveau und Wissensstand entsprechen, den man heutzutage erwarten kann.
Ein Beispiel dafür aus diesem Thread wäre:
Zitat:
Zitat von Trimichi
Rationale vllt. nicht. Aber womöglich emotionale?
In dem zitierten Posting wird behauptet, dass es womöglich keine vernünftigen Argumente gegen die Elternschaft homosexueller Partner gäbe, aber eben "emotionale" Gründe, und diese wären ebenfalls valide. Beispielsweise, wenn jemand sagt: "Ich mag eben einfach keine Schwulen/Neger/Zigeuner, das ist eben so".
Diese Art der Argumentation ist natürlich legal, hat aber nicht die intellektuelle Höhe, die man bei so einem Thema erwarten kann. Folglich ist es auch erlaubt, ihr diese intellektuelle Höhe abzusprechen.
Zum ersten Absatz antworte ich Dir mit Humboldt: "Ich halte die Selbsterkenntnis für schwierig und selten, die Selbsttäuschung dagegen für sehr leicht und gewöhnlich."
Das sehe ich genauso. Darum plädiere ich dafür, dass wir uns an Argumenten orientieren, die sich objektivieren und belegen lassen. Und nicht das eigene Gutdünken zum Maßstab zu erheben. Im Unterschied zu Dir halte ich daher nichts davon, jeder Meinung das gleiche Gewicht zu geben. Gute Argumente zu haben ist etwas anderes, als dummes Zeug zu reden.