Bevor ich mich dem sportlichen 2005 widme, ein kurzer Hinweis auf meine allgemeine Lebenssituation dieser Jahre:
Ich war Vater von drei Kindern (zu Beginn des Sportes in 2001 waren sie 14, 7 und 4 Jahre alt), Ehemann, Inhaber einer Firma mit 30-35 Mitarbeitern und damit komplett verplant. 1999 oder 2000 machte ich nach zehn Jahren den ersten Urlaub in der Zeit meiner Selbständigkeit/Firma: volle zwei Wochen …
Schon 2000/2001 begann sich etwas in mir zu bewegen, was sicherlich auch dazu geführt hat, dass ich einen Teil meiner Energie in den Sport gesteckt habe:
Ich wollte das alles nicht mehr.
Ich hatte drei wunderbare Kinder - und bekam sie höchstens am Wochenende zu sehen (sofern ich nicht in der Firma war).
Ich hatte eine tolle Frau - und dito.
Ich hatte zig Ideen im Kopf - und keine Sekunde Zeit sie umzusetzen.
Und ab 2001 stellte ich fest, dass ich auch noch einen Körper hatte, in dem (für mich) Erstaunliches steckte - und keine Zeit, das herauszufinden.
Diese Bewegung im Kopf führte zu einer schrittweisen Erosion, die unser Leben als Familie komplett veränderte = wir brachen unsere Zelte in München ab und zogen im August 2005 nach Gran Canaria - eine Entscheidung, die in einem Punkt unglaublich negative Auswirkungen auf unser Leben bis heute haben sollte, auch wenn es trotzdem im Ganzen richtig war so zu handeln (über den Zusammenhang von Triathlon und meine persönliche Entwicklung werde ich sicher in den nächsten Jahren was schreiben).
2005 sah das alles noch hübsch rosa aus, ich beschäftigte mich intensiver denn je mit Ernährung, hatte sich diese doch in den WKs als mein zentrales Problem herauskristallisiert, vor allem das Buch „Natural Eating“ vom Geoff Bond hat mich fundamental beeinflusst und zu lustigen Experimenten bei der ersten LD in 2005 geführt, denn:
Ich hatte einen PLAN!
Das „Hawaii war nix“-Erlebnis zwang zur Wiederholung, also brauchte ich eine Quali, parallel dazu wartete ja noch das Sub9-Ding auf Erfüllung, womit die Saisontermine fixiert waren:
Lanzarote für die Quali.
Roth für die Eitelkeit.
Hawaii für die Ewigkeit.
Da sich die „Wir ändern mal unser Leben“-Sache schon Ende 2004 angekündigt hatte, wollten wir in den Osterferien 2005 Gran Canaria checken, u. a. die Deutsche Schule für die Kinder, die Wohnsituationen etc.
Dass das Ganze zu einer Art Trainingslager wurde, versteht sich von selbst: Ich radelte morgens (meist zwischen 2-4h) und nachmittags/abends (kurz und intensiv), hatte also schon im April ganz gute Beine und freute mich auf Lanzarote, vor allem aufgrund meiner neuen, völlig einzigartigen Ernährungsweise, die ich dort umsetzen würde.
Es lohnt sich wieder mal ein Blick in das Trainingstagebuch vom WK-Tag, das folgendes notiert:
„Vor WK: 1 Grapefruit, 1 Orange, 1 Birne + Handvoll Nüsse mit Rosinen. Während Rad 2 Äpfel, Handvoll Nüsse (die im WK nix taugen) und ca. 7-8 von den Keksen sowie 1 Banane. Beim Wechsel hatte ich überhaupt keine Lust auf weitere Kekse, während Laufen 2 Äpfel, 1 Orange, 1 Banane und dann ab KM15 Cola.“
Das war „Natural Eating“ in Reinkultur!
(Die angesprochenen Kekse bestehen aus Hafer- und Kokosflocken, Rosinen, Mandeln, Zartbitterschoko, Butter, Mehl, Eier und Buttermilch - und sind sehr lecker und nahrhaft, wurden allerdings bis dato in keinem Triathlonbuch erwähnt, wenn es um Ernährung ging …)
Das Beste an dem Ganzen war, dass ich mich „trotzdem“ mit 57min, 5.34 und 3.39 und einer Gesamtzeit von 10.19 um ganze 14 Plätze auf Platz 30 Overall/Platz 4 AK verbesserte, und die Marathonzeit die 65beste war - Lanza zeigte sich an diesem Tag von seiner schönsten Seite, es gab nur drei Marathonzeiten unter 3h sowie vier unter 3.10!
Ticket für Hawaii war also klargemacht, konnte ich mich in Ruhe Roth zuwenden, waren ja noch sechs Wochen hin.
Ich folgte wieder dem Rezept vom Vorjahr = eine Woche Ruhe nach dem IM, 548km Rad in der zweiten Woche und dann … dann stockte das Maschinlein: das Wetter wurde ein, zwei Wochen kühler, meine Nase voller, ich hatte nicht genügend Zeit, verlor den „Zug“ (im Sinne der Konsequenz) und holte mir nahezu erwartungsgemäß am Donnerstag vor Roth bei einer kurzen Ausfahrt mit meinem nagelneuen Quintana Roo Typhoon (DANKE noch einmal an Herbert Krabel für dieses Sponsoring!) eine grandiose Erkältung, aber mit allem Drum & Dran.
Es war zum *otzen.
Ich fühlte mich hundeelend, einmal körperlich, zum anderen seelisch und delirierte bis Dienstag der Folgewoche herum, fühlte mich aber am Mittwoch fit genug, um meinen Vater zu konsultieren, der als Chirurg sicherlich kompetenten Rat geben konnte, denn:
Am Sonntag, den 10, Juli 2005 fand der IM Germany in Frankfurt statt!
Mein Vater meinte, wenn ich in der Lage sei, meine Leistung auf maximal 70-80% zu begrenzen und ich bis Freitag nicht weiter herumrotzen würde, könnte ich es ja probieren, aber empfehlen würde er es nicht.
Das war ganz eindeutig „Grünes Licht“ aus ärztlicher Sicht - und jetzt kam das Beste - bitte in Erinnerung rufen, dass wir Mittwoch, den 06. Juli haben, es sind nur noch vier Tage bis zum WK:
Ich hatte in meiner Verzweiflung am Dienstag oder Mittwoch eine Mail nach Frankfurt geschickt, meine klägliche Situation geschildert und bekam ein zweites grünes Lämpchen, denn es hatte anscheinend eine ganze Gruppe von Leuten ihre Teilnahme canceln müssen = ein Startplatz für mich.
Freitagvormittag fuhr ich mit mehreren Taschentuchpaketen nach FFM (die waren bei Ankunft alle verbraucht), bekam ein erstaunlich günstiges Zimmer in einem Vier-Sterne-Hotel direkt in der City und setzte mich nachmittags in einen Park beim Hotel und hielt meinen Rüssel in die Sonne.
Blitzgenesung war nix dagegen, der Ironman konnte kommen!
Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Rad zum See, deponierte mein Zeug in der Wechselzone und schlief einen glücklichen Schlaf.
Schwimmen bewegte sich am Sonntag mit 57min im üblichen Bereich, der Wechsel zog sich ein wenig, da ich wieder alles anziehen musste, was mich vor bösen Winden schützte (Halstuch, Stirnband, Ärmlinge), so dass ich erst als 170ster auf das Radl stieg.
Für die ersten 100km benötigte ich lt. Aufzeichnungen 2.31, aber dann machte sich halt doch die Woche Erkältung bemerkbar und mich verließen logischerweise die ersten Kräfte, so dass es „nur“ zu einer 4.48 reichte (immerhin nur 20min langsamer als der Gewinner Normann Stadler und nicht mehr 1h, wie in Hawaii).
Zudem waren nur 14 Leute vor mir auf der Laufstrecke, ich hatte also freie Bahn, die ich nutzte, denn mein Tagebuch vermerkt: „L die erste Stunde super (2 Gels).“
Indeed, ich rannte die ersten 14km in 1.01 - keine Ahnung, was ich mit diesem hohen Tempo bezweckte, aber anscheinend fühlte ich mich danach…
Die Quittung folgte prompt in Form eines 5er-Schnitts für die zweite Runde, einem inzwischen üblich gewordenen Dixiegang (Dauer = Abstand zu Platz 2 in der AK) und trotzdem kam ich mit einer 9.19 (damals Bestzeit) auf Platz 28 und Vierter meiner AK ins Ziel.
Das war zwar nicht Sub9, aber ich fühlte mich so, denn ich hatte bis km100 (auf Rad) und km14/15 (beim Lauf) gespürt, was drin war, aber dann war halt Flasche leer ...
Bei dem Rennen nahm übrigens auch unser Fuxx teil, Gruß Tobias!
Das Blöde an Frankfurt war, dass sich die irgendwie „unterdrückte“ Erkältung im Lauf des Juli bis Mitte August zu einer Lungenentzündung entwickelte, an Sport also nicht zu Denken war, wir außerdem komplett im Hausverkauf und Umzug abtauchten und ich bis zu unserer Ausreise nach Gran Canaria am Sonntag, den 28. August nicht trainierte.
Und GC konnte es auch nicht richten, denn mit Wochenstunden von 16 - 18 - 20 - 12 - 14 - 8 bis zum Abflug kommst Du in Hawaii nicht weit.
Dementsprechend verlief auch das Rennen, wo ich lt. Tagebuch „kraftlos auf dem Rad“ unterwegs war (die 4.52 war 26min langsamer als die Zeit vom Gewinner Faris) und mir beim Laufen ab Meile 17 „schwindlig und schlecht“ wurde, aber immerhin kam ich „total entspannt“ ins Ziel (das erste Mal mit Nike Free 4.5 über die komplette Maradistanz).
Irgendwie war das also ok, auch wenn es mit einer Zeit oder Platzierung für die „Ewigkeit“ nix wurde (sogar Fuxx, den ich in Frankfurt trotz Erkältung 23 Plätze hinter mir gelassen hatte, kam vor mir ins Ziel), aber jetzt würde tatsächlich alles besser werden, denn ich hatte mein komplettes bisheriges Leben zurückgelassen und sah einer völlig neuen Zeit als „Familienvater, Ehemann & Sportler“ entgegen!
