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Zitat von tandem65
Hi Cruiser,
Du hast ja durchaus Recht. Alkohol dürfte tatsächlich nicht legal sein. Das ist die Einstiegsdroge Nr.1
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Da bin ich mir nicht so sicher. Ich mein', wenn man guckt, was lebensgeschichtlich zuerst war, dann ist es vielleicht so. Aber dann scheint mir Muttermilch die Einstiegsdroge Nr. 1 zu sein, denn suchtkranke Menschen haben überwiegend zuerst Muttermilch getrunken.
Die Frage ist ja, was eine Einstiegsdroge überhaupt ist und ob es so was in der Form überhaupt gibt. Wenn ich die heroinabhängigen Patienten auf unserer Entgiftungsstation zu ihrer Suchtentwicklung befrage, ist es schon so, dass bei den meisten Nikotin und Alkohol die ersten Suchtmittel waren, mit denen sie in Kontakt kamen. Manchmal auch Cannabis. Sehr viele von ihnen haben Alkohol aber zunächst relativ "normal" konsumiert, wenn auch häufig früher als vielleicht der Bevölkerungsdurchschnitt. Einige haben schon sehr früh exzessiv getrunken, aber sicher nicht die Mehrheit. Im Schnitt kamen sie im Alter von 13-16 Jahren in Kontakt mit Cannabis, also einem durchaus normalen Alter für den Erstkonsum dieser Droge. Nicht normal ist dann aber bei den meisten die Entwicklung des Konsums dieses Stoffes. Während ja doch viele nicht abhängige Jugendliche Cannabiskonsum auf die Wochenenden/Partys/Urlaub und ähnliches beschränken und auch mit der Menge nicht so übertreiben, haben die allermeisten unserer Patienten exzessiv gekifft: also täglich und große Mengen. Und den ganzen Tag über.
Wenn man also überhaupt von Einstiegsdrogen sprechen kann, erscheint meiner Erfahrung nach Cannabis doch häufiger der Einstieg in einen problematischen und süchtigen Konsum zu sein als Alkohol. Der wird dann bei den heroinabhängigen Menschen meist hinterher wieder wichtig, also nach dem Umstieg auf harte Drogen. Dann fangen sie auch oft an exzessiv zu trinken, vor allem während sie in Methadon-Substitution sind.
Bezüglich der Frage der Legalisierung, bzw. der Entkriminalisierung von Suchtmittelkonsum, insbesondere Cannabiskonsum bin ich zwiegespalten. Ich meine, immerhin ist Alkohol, ein Stoff mit einem enormen Suchtpotential legal und das funktioniert doch auch ganz gut. Denn wenn man mal davon ausgeht, dass die Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung (wohl irgendwas über 60 Millionen Menschen) in Deutschland Alkohol trinkt, finde ich die geschätzten Zahlen von alkolholabhängigen Menschen, die ja mit 1,3-2,5 Millionen stark differieren, nicht sooo hoch. Wenn man allerdings die ca. knapp 10 Millionen Menschen dazu zählt, bei denen man von riskantem Konsum ausgeht, sind es natürlich doch ganz schön viele.
In Wikipedia kann man unter dem Stichwort "Prohibition in den Vereinigten Staaten" nachlesen:
"Positive Auswirkungen
Der Alkoholkonsum sank infolge der Prohibition nachweislich. Alkoholpolitisch unbelastete Mediziner zitieren die Prohibition als Beispiel, wie durch eine Senkung des Konsums die alkoholbedingten Schäden, z. B. die Zahl der Todesfälle durch Leberzirrhose, vermindert werden konnten. Die Zahl der in die Illegalität gezwungenen Alkoholkonsumenten, die an der durch ihre Krankheit verursachten Leberzirrhose verstarben, hat also nicht die Höhe der verstorbenen Konsumenten zu Zeiten legalen Alkoholkonsums erreicht. So war eine deutliche Abnahme der alkoholbedingten Todesfälle in der Fastprohibition 1910–1920 festzustellen, ein Tiefstand 1920–1931 sowie ein langsames, aber stetiges Ansteigen seither."
Finde ich schon interessant.
Es werden aber natürlich auch negative Auswirkungen beschrieben, aber wenn der Artikel stimmt, ist es eben nicht richtig, wenn immer behauptet wird, die Prohibition in den USA sei das beste Beispiel für die Sinnlosigkeit von Suchtmittelverboten, was die Konsummenge und die Zahl der Abhängigen angeht.
Mmhh, ein weites Thema... Ich werde die Diskussion hier gespannt verfolgen und mich ansonsten wieder "der Front" widmen und diese Woche noch zwei, drei Therapieanträge für heroinabhängige Menschen stellen, die ich zu ihrem Einstieg befragen und euch davon berichten werde.
Viele Grüße, schönen Abend, ob mit Suchtmitteln oder ohne.
Ich ohne.
J.