Carl R. Rogers schrieb, dass es nicht möglich ist, dass ein Mensch einen anderen zu 100 Prozent verstehen kann. Womöglich findet sich darin zumindest im Ansatz eine Antwort auf "die letzten Erkenntnisse", die dich brennend interessieren.
Meinetwegen. Wenn Du die „letzten Erkenntnisse“ nicht beschreiben kannst, dann geht auch dieser Punkt an mich.
Du hast behauptet, Religion würde uns über die „letzten Erkenntnisse“ erhellen. Auf Rückfrage konntest Du keine dieser Erkenntnisse vorweisen. Es ist wohl fair, wenn ich diesen Punkt für mich verbuchen darf.
Der geringere Grad der Vergesellschaftung erforderte zur Zeit der Entstehung der Bibeltexte mehr externe Kontrolle des Einzelnen sprich Gehorsam und geringere eigene Selbsteuerung im Vergleich zu heute. Erstere Bindungen gründeten auf Folgsamkeit, Treue, Gelübde, äusseren Zwang und Unterdrückung, Körper-, Folter- und Todesstrafen (Kreuzigung z.B.), was man alles in den Gesellschaften des späten Altertums und der Hochblüte des Christentums im Feudalismus des Mittelalters als sozialen Kitt vorfindet.
Du beschreibst, dass es damals eben notwendig war, die Leute zum Gehorsam zu zwingen.
Dem widerspreche ich. Es war lediglich für bestimmte Gauner ein gutes Geschäft. Es war nur nützlich für diese Gauner — nicht jedoch für die betrogenen Untertanen.
Mein Widerspruch findet auf zwei Ebenen statt. Erstens bestreite ich, dass man die Sache aufgrund ihrer „Nützlichkeit“ bewerten kann, denn dann stellt sich sofort die Frage, für wen es nützlich war.
Zweitens bestreite ich, dass es die beste Alternative war, also das meiste Wohl für die meisten Menschen. Sondern es war das meiste Wohl für sehr wenige, auf Kosten der Mehrheit. Die Römer und die Griechen hatten bereits bessere und gerechtere Systeme der Teilhabe.
Es ist außerdem unerheblich. Wir reden hier von einer göttlich verordneten Moral. Behauptet wird, dass dies das ultimative Ultimo darstellen würde. Ganz offensichtlich ist das aber nicht der Fall, weder damals noch heute. Oder bist Du anderer Meinung?
Zitat:
Zitat von qbz
Insofern geschenkter Punkt , weil Texte des späten Altertums mit heutigen ethischen Vorstellungen konfrontiert werden, unter Abstraktion der konkreten historischen Umstände. Von diesen abstrahieren jeweils auch die Kirchen in ihrer Lehre, um sie als universell und ewig zu behaupten.
Es steht den Kirchen frei, die Gültigkeit ihrer Lehren für die heutige Zeit zu widerrufen. Das tun sie jedoch nicht. Sie haben lediglich von ein paar Abartigkeiten aus der Bibel Abstand genommen, als der Staat es erzwang. Die Moral von der Geschicht‘ wird von den Kirchen jedoch aufrecht erhalten — das ist ja der Witz. Sie sagt: Natürlich würde Abraham seinen Sohn heute nicht auf einen Opferaltar legen; aber die Moral dieser Geschichte gilt weiterhin!
Es sind nicht die bösen Atheisten, die den Kirchen eine rückständige Moral unterstellen, die von den Kirchen gar nicht mehr vertreten wird. Sondern sie wird vertreten. Darin besteht der Vorwurf.
Weil sich diese Strategie naturgesetzlich von selbst entwickelt, finden alle Gesellschaften dieser Welt immer wieder zu diesem Gleichgewicht aus grundsätzlicher Friedfertigkeit (Kooperation) und Wehrhaftigkeit (Egoismus). Ganz unabhängig von den Religionen.
Dazu fällt mir eine - für mich - spannende Website ein, auf die ich vor ein paar Wochen gestoßen bin: The Evolution Of Trust
Du beschreibst, dass es damals eben notwendig war, die Leute zum Gehorsam zu zwingen.
Dem widerspreche ich. Es war lediglich für bestimmte Gauner ein gutes Geschäft. Es war nur nützlich für diese Gauner — nicht jedoch für die betrogenen Untertanen.
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Im Unterschied zu heute spielten im späten Altertum und Mittelalter der Zwang zum Gehorsam und "Folgsamkeit" eine vollkommen andere Rolle. Das römische Reich gründete seinen Reichtum auf der Sklavenarbeit, die Zwang und Gewalt benötigte, um zu funktionieren. Heute bieten die Arbeitskräfte sich als freie Bürger auf dem Arbeitsmarkt an. Oder nimm die Rolle der Frauen z.B. in der Bibel und im Patriarchat im Unterschied zu heute. Oder Gehorsam und Treue im Feudalismus. Abstrakte Vergleiche mit heutiger Ethik unter Absehung des historischen Kontextes halte ich deswegen für problematisch.
Zitat:
Zitat von Jörn
Mein Widerspruch findet auf zwei Ebenen statt. Erstens bestreite ich, dass man die Sache aufgrund ihrer „Nützlichkeit“ bewerten kann, denn dann stellt sich sofort die Frage, für wen es nützlich war.
Zweitens bestreite ich, dass es die beste Alternative war, also das meiste Wohl für die meisten Menschen. Sondern es war das meiste Wohl für sehr wenige, auf Kosten der Mehrheit. Die Römer und die Griechen hatten bereits bessere und gerechtere Systeme der Teilhabe.
Sklavensysteme.
Ich beschrieb nur Auswirkungen der sozialen Verhältnisse im späten Altertum und Mittelalter auf die Psyche der Menschen, ob Menschen mehr oder weniger selbst-/fremdgesteuert und mehr oder weniger unter innerem, eigenem oder äusserem Gehorsam handeln. Treue und Folgsamkeit war doch in der feudalen Ordnung des Mittelalters der zentrale soziale Kitt.
Zitat:
Zitat von Jörn
Es ist außerdem unerheblich. Wir reden hier von einer göttlich verordneten Moral. Behauptet wird, dass dies das ultimative Ultimo darstellen würde. Ganz offensichtlich ist das aber nicht der Fall, weder damals noch heute. Oder bist Du anderer Meinung?
Es steht den Kirchen frei, die Gültigkeit ihrer Lehren für die heutige Zeit zu widerrufen. Das tun sie jedoch nicht. Sie haben lediglich von ein paar Abartigkeiten aus der Bibel Abstand genommen, als der Staat es erzwang. Die Moral von der Geschicht‘ wird von den Kirchen jedoch aufrecht erhalten — das ist ja der Witz. Sie sagt: Natürlich würde Abraham seinen Sohn heute nicht auf einen Opferaltar legen; aber die Moral dieser Geschichte gilt weiterhin!
Es sind nicht die bösen Atheisten, die den Kirchen eine rückständige Moral unterstellen, die von den Kirchen gar nicht mehr vertreten wird. Sondern sie wird vertreten. Darin besteht der Vorwurf.
Meine Kritik bezog sich allein auf den abstrakt unhistorischen Vorwurf, die Bibeltexte enthielten keine Moral / Ethik, gemessen im heutigen Sinne, sondern missioniere für eine Lehre der Folgsamkeit und Gehorsam, was sich IMHO durch die Zeitumstände erklärt.
Meine Kritik bezog sich allein auf den abstrakt unhistorischen Vorwurf, die Bibeltexte enthielten keine Moral / Ethik, gemessen am heutigen Sinne, sondern missioniere für eine Lehre der Folgsamkeit und Gehorsam, was sich IMHO durch die Zeitumstände erklärt.
Das Christentum behauptet, seine Lehren seien von Gott offenbart. Du sagst hingegen, die Lehren seien das Ergebnis des historischen Kontextes.
Wenn Deine Ansicht richtig ist: Bestreitet sie damit nicht gleichzeitig die göttliche Urheberschaft?
Das hätte zur Folge, dass das Christentum selbst sich nicht auf dieses Argument berufen könnte. Es kann die göttliche Urheberschaft nicht opfern, um die zeitgenössischen Unzulänglichkeiten der christlichen Moral zu erklären.
Meine Kritik bezog sich allein auf den abstrakt unhistorischen Vorwurf, die Bibeltexte enthielten keine Moral / Ethik, gemessen im heutigen Sinne, sondern missioniere für eine Lehre der Folgsamkeit und Gehorsam, was sich IMHO durch die Zeitumstände erklärt.
Du sagst, die Ethik der Bibel würden sich durch die Zeitumstände erklären.
Wennn es die Zeitumstände erklären, dann gibt mir das recht. Denn es ist unerheblich, warum die Bibel eine Lehre der Folgsamkeit und des Gehorsams lehrt. Entscheidend ist alleine, dass sie es tut. Nur dies steht zur Debatte.
Folgsamkeit ist außerdem keine (alte) Form der Moral. Sondern es ist überhaupt keine Moral. Es ist ganz im Gegenteil die Abschaffung von Moral. Moral wird durch Folgsamkeit ersetzt. Genau das macht Religionen seit Jahrtausenden zum ununterbrochenen Unruhestifter auf der Welt.
Die Bibel enthält keine moralischen Erläuterungen, weder für die damalige Zeit, noch für die heutige Zeit. Sie enthält eine Unmenge an absurden Geboten (und stets deren Gegenteil). Erläuterungen finden nicht statt. Hätten die Autoren der Bibel ihre Gebote begründen müssen, wäre der Schwindel sofort aufgeflogen.
Wir befinden uns hier übrigens auf jenem Territorium, welches das Christentum für sich beansprucht wie kein zweites: die Moral. Hier müssten die Gläubigen im Forum eine Fülle von eindrucksvollen Argumenten und Beispielen aufbieten können. Wenn das nicht gelingt, ist der Fall verloren.
Und sehen wir etwa eine Fülle von Argumenten und Beispielen? Ich sage voraus, dass es nicht gelingen wird, ein stimmiges (nicht widersprüchliches) Moralkonstrukt in der Bibel zu finden, mit einer schlüssigen Begründung (in der Bibel), warum dieses Moralkonstrukt das beste von allen sein soll. Dazu würde mir ein Zitat aus der Bibel bereits reichen, sofern es die genannten Anforderungen erfüllt. Aber wir werden es niemals sehen.
Moral ist ein Maßstab. Aber die Religion entzieht sich jedem Maßstab und siedelt sich unantastbar darüber an. Moral könnte und würde die Religion eventuell infrage stellen und zu Fall bringen. Das ist natürlich unerwünscht. Religion kann sich den Luxus einer Moral nicht leisten.
Meinetwegen. Wenn Du die „letzten Erkenntnisse“ nicht beschreiben kannst, dann geht auch dieser Punkt an mich.
Du hast behauptet, Religion würde uns über die „letzten Erkenntnisse“ erhellen. Auf Rückfrage konntest Du keine dieser Erkenntnisse vorweisen. Es ist wohl fair, wenn ich diesen Punkt für mich verbuchen darf.
Schon wieder zwei Unterstellungen in einem Satz. Womöglich möchte ich diese Erkenntnisse auch nicht beschreiben? Außerdem habe ich nicht behauptet, dass sich die letzten Erkenntnisse aus der Religion speisten.
...so lange es nur um Punkte geht, die du dir selbst zusprichst, und nicht um bare Münze...- hat aber Unterhaltungswert.
Natürlich kann uns die Religion um letzte Erkenntnisse erhellen. Es gibt, wie gegenüber Klugschnacker bemerkt wurde, auch andere "Modelle" - mit Wissenschaft als Spezialfall - die die Realität abbilden. Klugschnacker hat dieses nachvollziehen können. Jörn, du offensichtlich nicht? Stichwort Korpuskularstrahlung / Welle-Teilchen Dualismus.
Die Wissenschaft kennt keine Moral. Darum geht es mir. Daher müssen moralische Entscheidungen aus anderen Quellen geschöpft werden. Religion ist eine, allerdings natürlich nicht die einzige.
Ob Jesus über das Wasser wandeln konnte muss nach state-of-the-art bezweifelt werden. Man kann aber auch daran glauben, dass Jesus das konnte. Natürlich müsste man das über das Wasser laufen replizieren experimentell. Womöglich ist die Wissenschaft noch nicht so weit... Womöglich wird die Wissenschaft auch nie so weit sein...
Wie schon gesagt, womöglich reden wir aneinander vorbei, weil wir unterschiedliche Wahrheitsbegriffe meinen. Vorredner hatten dieses mit Nachdruck bemerkt.
Klugschnacker, auf die Frage warum das Seiende ist und nicht vielmehr das Nichts hattest du geschrieben, dass "vorher" die Subquantenebene existierte. Woher kommen aber die Subquanten? Warum gab und gibt es überhaupt Subquanten und nicht vielmehr das Nichts?