Ich versuche das mal zu kommentieren, so wie ich es verstehe.
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Danke für die ausführliche Kommentierung! Du hattest ja geäußerst nicht weiter über Kant diskutieren zu wollen. Dennoch erlaube ich mir noch eine kurze Anmerkung zum Schluß.
Du sagst:
Zitat:
Zitat von Helmut S
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Das ist doch genau der Kunstgriff, der bei Kant kritisiert wird, dass er eben genau dies von der praktischen Vernunft gebieten lässt (und dieses "gebietet" nicht hinterfragt) ...
und etwas später:
Zitat:
Zitat von Helmut S
... gerade das Stellen des Subjekts in das Zentrum der Erkenntnis ist schon tatsächlich [...] großartig.
Der von Dir und anderen kritisierte 'Kunstgriff', also der Vorrang der prakt. vor der theoret. Vernunft, gehört meiner Ansicht (und der namhafter Kant-Forscher wie Willaschek, Ameriks, u.a.) nach unbedingt zum 'Stellen des Subjekts in das Zentrum der Erkenntnis'.
An dritter Stelle der Liste des Theologen lesen wir:
Zitat:
Zitat von Jörn
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- Einheit
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Unter Einheit (unitas) ist in diesem Zusammenhang für gewöhnlich die Einfachheit (simplicitas) als unitas simplicitatis subsumiert. Wie diese natürlich mit der Vielfalt der Attribute vereinbar ist, bleibt eine andere Frage, die z.B. von Thomas von Aquin ausführlich beantwortet wird (Summa Theologiae, Prima Pars, Quaestio 3).
Mir scheint, dass Kant sich dagegen wehren würde, wenn man seine Spekulationen zugunsten eines christlichen Gottesbildes anführt.
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Du hast recht, der von ihm vertretene Vernunftglaube hat zwar wichtige Gemeinsamkeiten mit der christl. Lehre, aber eigentlich war er sicher Buddhist; nicht umsonst nennt man ihn den 'Chinesen vom Königsberge'.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Er scheint doch einen Willen zu haben, oder nicht?...
Ja, anders als beim Menschen sind bei ihm allerdings Wille, Ausführung und Beurteilung identisch, sowie er selbst mit diesen.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
... Bei der christlichen Vorstellung bedeutet "Nichts" immerhin noch die Anwesenheit eines allmächtigen und allwissenden Wesens, das einen Willen hat. Das ist alles andere als Nichts.
Nein, das ist nicht richtig. Das "Nichts" in der christlichen Vorstellung bezieht sich auf das Nichtvorhandensein eines "Baumaterials" für die Welt, wozu auch (physikalische) Anfangsbedingungen gehören würden.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
...
Das Argument der ersten Ursache als Beweis für einen göttlichen Schöpfungsakt taugt nichts.
Nur weil ein Argument eine Schlußfolgerung nicht unausweichlich erzwingt, heißt das noch lange nicht, daß es nichts taugen muß.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
... Ich erkenne fiktionale Wirklichkeiten an, außerdem natürlich reale Wirklichkeiten.
Fiktionale Wirklichkeiten sind Vorstellungen wie Winnetou, [...]. Reale Wirklichkeiten würde ich nach kurzem Nachdenken als etwas verstehen, das Physiker grundsätzlich messen können, also in irgend einer Form messbare Auswirkungen hat.
Danke für diese Ausführungen! Eine Frage und eine Anmerkung dazu: 1. Wie glaubst Du zu dieser (m. E. radikalen und etwas kategoriearmen) Einteilung gekommen zu sein? 2. Wenn nur was 'Physiker grundsätzlich messen können' wirklich sein soll, dann zählt Gott trivialerweise nicht dazu und alle Diskussion erübrigt sich schon allein aufgrund Deiner (metaphysischen) Vorannahme.
Ja, anders als beim Menschen sind bei [Gott] allerdings Wille, Ausführung und Beurteilung identisch, sowie er selbst mit diesen.
Winnetou war der Blutsbruder von Old Shatterhand; seine Schwester hieß Ntschotschi. Das sind fiktive Wirklichkeiten. Ich habe überhaupt nichts dagegen, auf der Basis des fiktionalen Wahrheitsbegriffs über Vorstellungen von Gott oder Göttern zu diskutieren. Allerdings darf man das meiner Meinung nach nicht mit dem faktischen Wahrheitsbegriff vermischen. Was Du oben schreibst, ist reine Fiktion.
Zitat:
Zitat von Zarathustra
Nein, das ist nicht richtig. Das "Nichts" in der christlichen Vorstellung bezieht sich auf das Nichtvorhandensein eines "Baumaterials" für die Welt, wozu auch (physikalische) Anfangsbedingungen gehören würden.
Das sage ich ja: Die religiöse Vorstellung von der Erschaffung der Welt setzt an den Anfang einen Gott. Sie erklärt nicht die Erschaffung der Welt aus dem Nichts heraus. Gleichzeitig wird es aber als eine Schwäche der physikalischen Urknalltheorie dargestellt, dass sie den Beginn der Welt aus dem Nichts derzeit noch nicht komplett erklären kann. Jedoch kommt die physikalische Erklärung mit sehr einfachen Grundannahmen aus, aus denen sich ein komplexes Universum entwickelt. Bei religiösen Vorstellungen ist es umgekehrt: Am Anfang steht ein perfektes Wesen, das alles kann und weiß; daraus entwickelt sich eine Welt, die in allen Qualitäten hinter seinem Schöpfer zurückbleibt.
Zitat:
Zitat von Zarathustra
Danke für diese Ausführungen! Eine Frage und eine Anmerkung dazu: 1. Wie glaubst Du zu dieser (m. E. radikalen und etwas kategoriearmen) Einteilung gekommen zu sein? 2. Wenn nur was 'Physiker grundsätzlich messen können' wirklich sein soll, dann zählt Gott trivialerweise nicht dazu und alle Diskussion erübrigt sich schon allein aufgrund Deiner (metaphysischen) Vorannahme.
1. Durch nachdenken und beobachten. Was ist daran radikal? Es gibt Dinge, die wirklich existieren, und solche, die wir uns nur vorstellen. Ein Mensch ist real, aber ein König ist eine Fiktion, eine abstrakte Wirklichkeit.
2. Gott selbst muss keineswegs messbar sein, aber seine Auswirkungen. Entweder hat Gott Auswirkungen auf die Welt, oder er hat keine Auswirkungen auf die Welt. Falls er welche hat, kann ich sie in irgend einer Form feststellen ("messen"). Falls Gott keine Auswirkungen auf die Welt hat, dann ist diese Welt nicht unterscheidbar von einer, in der Gott nicht existiert. Es ist daher legitim, nach den Auswirkungen Gottes zu fragen.
Außerdem: Warum gehört Gott nach Deiner Meinung trivialerweise zur Welt des nicht Messbaren? Das versteht sich keineswegs von selbst, sondern Du legst das willkürlich fest. Es könnte ebenso gut sein, dass wir einen Gott, der ständig in die Welt eingreift und existiert, sehr leicht beobachten ("messen") könnten.
Du sagtest vor einigen Seiten, die Welt selbst sei eine Auswirkung Gottes. Ich halte das für ein schwaches Argument. Denn die Welt sieht keineswegs so aus, als sei sie von einem perfekten Gott christlicher Vorstellung erschaffen worden. Oder warum schuf Gott Milliarden Menschen mit einem Blinddarm, an dem sie zum Teil sterben?
Der von Dir und anderen kritisierte 'Kunstgriff', also der Vorrang der prakt. vor der theoret. Vernunft, gehört meiner Ansicht (und der namhafter Kant-Forscher wie Willaschek, Ameriks, u.a.) nach unbedingt zum 'Stellen des Subjekts in das Zentrum der Erkenntnis'.
Herzlichen Dank, für diesen wirklich sehr interessanten Gedanken. Das ist für mich genügend Denkstoff, wahrscheinlich für Wochen und Monate.
Ja, ich will im Thread nix mehr zu Kant sagen. Einerseits habe ich den Eindruck, es nervt die anderen und das möchte ich auch nicht. Andererseits stimme ich dir völlig zu: Nicht immer ist Leseschärfe und Formulierungsschärfe in der Ausprägung vorhanden, dass eine Basis für eine Diskussion überhaupt gegeben ist.
Letztlich ist mir dann das Thema Kant über Grundlagen hinaus auch zu schwer. Ich bin gelernter Informatiker mit NF Mathematik und kein Philosoph; allerdings „stets bemüht“
Du scheinst aber tatsächlich wenigstens eine philosophische Grundausbildung zu haben? Bist du gelernter Nachdenker?
Unter Einheit (unitas) ist in diesem Zusammenhang für gewöhnlich die Einfachheit (simplicitas) als unitas simplicitatis subsumiert. Wie diese natürlich mit der Vielfalt der Attribute vereinbar ist, bleibt eine andere Frage, die z.B. von Thomas von Aquin ausführlich beantwortet wird (Summa Theologiae, Prima Pars, Quaestio 3).
Meiner Meinung nach hat er das nicht beantwortet. Er hat zwar eine Menge darüber geschrieben. Eine überzeugende Antwort im Sinne einer Erklärung hat er jedoch nicht gegeben. Wie sollte er auch? Sein Wissen über die Götter war schließlich exakt Null.
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2. Wenn nur was 'Physiker grundsätzlich messen können' wirklich sein soll, dann zählt Gott trivialerweise nicht dazu und alle Diskussion erübrigt sich schon allein aufgrund Deiner (metaphysischen) Vorannahme.
Mir ist schon klar: Es ging um die Frage: Gott schafft die Welt aus dem Nichts versus die Welt entsteht aus Naturgesetzen und um die Frage von Wirklichkeitsdefinitionen.
Ich nutze die Gelegenheit nur für eine assoziative Randbemerkung, die mir dazu halt einfällt:
Das Christentum selbst sieht in meinen Augen vor allem im Messias den Beweis für Gottes Existenz: Der christlichen Erzählung (Lehre) nach erschien Gott der Welt real als Messias. Er soll real durch den Heiligen Geist gezeugt und als einziger Mensch ganheitlich nach dem Tode wieder auferstanden und mit Gott vereinigt sein. (Trinität). Damit zeigte sich Gott der Welt real, behauptet das Christentum. (Die kath. Kirche nimmt bis heute heute die Realpräsenz des Leib-Christi in der Monstranz an.).
Unter Einheit (unitas) ist in diesem Zusammenhang für gewöhnlich die Einfachheit (simplicitas) als unitas simplicitatis subsumiert. Wie diese natürlich mit der Vielfalt der Attribute vereinbar ist, bleibt eine andere Frage, die z.B. von Thomas von Aquin ausführlich beantwortet wird (Summa Theologiae, Prima Pars, Quaestio 3).
Danke, jetzt verstehe ich besser, aus welcher Richtung Du argumentierst. Hättest Du Thomas von Aquin früher erwähnt, hätten wir die Debatte abkürzen können. Ich sag's Dir ganz unverblümt: Thomas von Aquin schreibt einen dermaßen monumentalen Unsinn zusammen, dass Raum und Zeit nicht ausreichen, um es angemessen zu diskutieren. Die Menge an frei erfundenen Definitionen, Zirkelschlüssen und simplen Hirngespinsten ist zu gewaltig.
Du sprichst seine "3. Frage" an, also Questio 3. Dort geht es um die Eigenschaften Gottes. Unter anderem erfahren wir dort, dass Gott sitzt (und nicht steht).
Was ist mit Frage 50 und folgenden? Dort geht es über "die stoffliche Substanz der Engel". In Frage 53 geht es darum, wie Engel sich von Ort zu Ort bewegen. In Frage 56 geht es darum, was Engel über das "Unstoffliche" wissen. Frage 58 klärt, wie sie zu diesem Wissen gelangt sind.
Tipp für die Mitleser: Wer die Texte nebeneinander auf Latein und Deutsch lesen möchte, kann dies auf folgender Webseite tun (Navigation auf der rechten Seite beachten, da die einzelnen Thesen/Fragen in mehrere "Artikel" aufgeteilt sind. Langatmige Einleitungen/Überleitungen kann man dort überspringen): http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel2.htm