Lieber Jörn, ich habe erst gestern gesagt, dass es den Mitgliedern meiner muslimischen Nachbargemeinde wohl nicht nur um Wahrheit und Logik geht, sondern um
- Tradition
- Gemeinschaft
- Kultur
- Heimat
usw.
Das ist ein Fehlschluss. Hier wird Gemeinschaft usw. verknüpft mit der faktischen Überzeugung, dass es im Universum nicht mit rechten Dingen zugeht. Beides hat aber nichts miteinander zu tun. Man kann auch Gemeinschaften pflegen, ohne an den Osterhasen oder 72 Jungfrauen zu glauben. Du selbst fühlst Dich ja mit der kath. Kirche verbunden, ohne auch nur einen Krümel ihrer Lehre für wahr zu halten.
Ebenso könnte ein Laie, der auf den Mount Everest klettern möchte, und den man auf die Gefahren hinweist, entgegnen: "Was hast Du gegen frische Luft und den tollen Ausblick?"
Logischerweise hat niemand etwas gegen frische Luft, ebenso wie niemand etwas gegen Gemeinschaft hat. Niemand hat je vorgeschlagen, man solle den Leuten ihre Gemeinschaft nehmen. Ich sage aber voraus, dass Du schon in kürzester Zeit erneut behaupten wirst, jemand wolle den Leuten ihre Gemeinschaft wegnehmen.
Es ist zudem faktisch (d.h. objektiv prüfbar) falsch, dass Gemeinschaft ausschließlich durch Religion zustande käme. Ebenso könnten Iraker sich zum Grillen treffen, weil sie Iraker sind, und nicht, weil sie religiös sind. Vielleicht haben sie auch einfach Spaß am Grillen.
Religionen beuten diese Bedürfnisse aus und missbrauchen sie. Menschen mögen Gemeinschaft. Menschen treffen sich zum Singen. Die Kirchen reden ihnen ein, dies ginge nur im Rahmen der Religion. Das ist falsch.
Zitat:
Zitat von keko#
du wolltest Religionen komplett abschaffen
Auf den letzten Seiten habe ich dem mehrmals widersprochen. Und kaum sind 30 Minuten vergangen, wird es erneut behauptet. Und obwohl ich hier erneut widerspreche, wirst Du es schon bald erneut behaupten.
Die CDU will die SPD nicht abschaffen. Dennoch tut die CDU alles dafür, um möglichst viele SPD-Wähler ins eigene Boot zu holen. Will die CDU also eine Diktatur?
Ich möchte die Leute davon überzeugen, dass sie betrogen wurden, ebenso wie die Anhänger von Zeus, Osiris, Jupiter oder Romulus betrogen wurden. Dazu verwende ich Argumente. Ob die Leute sich davon überzeugen lassen, ist ihre Sache.
Wenn Du das nicht verstehst, musst Du damit leben, es nicht zu verstehen.
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Man hat den Eindruck, als hättest Du noch nie etwas von Religionskritik gehört, und als würdest Du aus allen Wolken fallen, wie jemand auf so eine schreckliche Idee kommen könnte. Wo die Leute doch alle so friedlich um den Grill herum sitzen und orientalischen Tee trinken; und wo die Christen doch so schön singen, alle gemeinsam.
Ist das in einer religionskritischen Debatte auf Seite 1700 nicht ein bisschen dünn?
Es ist zudem faktisch (d.h. objektiv prüfbar) falsch, dass Gemeinschaft ausschließlich durch Religion zustande käme. Ebenso könnten Iraker sich zum Grillen treffen, weil sie Iraker sind, und nicht, weil sie religiös sind. Vielleicht haben sie auch einfach Spaß am Grillen.
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Man hat den Eindruck, als hättest Du noch nie etwas von Religionskritik gehört, und als würdest Du aus allen Wolken fallen, wie jemand auf so eine schreckliche Idee kommen könnte. Wo die Leute doch alle so friedlich um den Grill herum sitzen und orientalischen Tee trinken; und wo die Christen doch so schön singen, alle gemeinsam.
Ist das in einer religionskritischen Debatte auf Seite 1700 nicht ein bisschen dünn?
Ich habe schon vor Monaten hier gesagt, dass Religionskritik Mainstream ist. Dass wir schon vor über 35 Jahren in Bayern Religionen im Religionsunterricht kritisch betrachtet haben. Ich habe hier an dieser Stelle Bücher über Kritik an Religionskritik zitiert.
Ich habe auch nicht behauptet, dass Gemeinschaft, Tradition und Kultur zwangsläufig oder ausschließlich mit Religion verknüpft sei.
Aber sei´s drum, lieber Jörn. Deine Sichtweise ist eine andere und sie sei dir unbenommen.
Ein paar KM von hier plant DITIB eine neue Zentralmoschee für Stuttgart. Ein paar hundert Jahre wird also das Thema auch hier noch präsent sein, wenn wir beide längst vergessen sind. Religion ist mehr als falsche Argumentationsketten und die Suche nach lupenreiner Wahrheit. Allein damit wirst du sie weder erreichen noch verscheuchen.
in der Zwischenzeit, bis Keko darauf antwortet, darf ich vielleicht einen grundsätzlichen Artikel zu Schriften und Erklärungsansätzen namhafter Autoren zitieren, die ich in meiner Jugend las und mich u.a. zum Kirchenaustritt und zu einem atheistisches Leben bewogen. Auch kritische Distanz zu diesen religionskritischen Schriften führt eher zur Weiterentwicklung der Gedanken als zurück zu Religionen. Die Lektüre in den Originaltexten lohnt sich IMHO, weil man damit ein Stück Zeitgeschichte miterlebt, die viele von uns prägt.
Um auf Freud einzugehen :
(Bisher hatte ich mich vor allem mit seinen metapsychologischen Schriften befaßt. Die Schriften zur Sexualtheorie und Schlüsselphänomenen (Traum, Fehlleistung, Witz) rangieren in der Literaturliste eigentlich auch noch vor den kulturtheoretischen)
Dem Text entnehme ich, daß der Mensch laut Freud die Religion "er-findet" zum Zwecke der Wiederherstellung des im Trennungsprozeß zwischen Innen- und Außenwelt verlorenen Gefühls infantiler Einheit. Eine quasi zwangsläufige Verletzung des Seelenlebens, die sich Heilung verschaffen will. Desweiteren gibt es einen gewissen Antrieb zur Verdrängung oder Überwindung des Todes, einer postulierten Endlichkeit des Seins. Kann man das so ausdrücken ?
Gehst du persönlich damit konform, siehst du das Phänomen damit erschöpfend beschrieben oder existiert deiner Meinung nach darüber hinaus im Menschen noch etwas, das man mit "spirituellem Bedürfnis" bezeichnen könnte ?
Um auf Freud einzugehen :
(Bisher hatte ich mich vor allem mit seinen metapsychologischen Schriften befaßt. Die Schriften zur Sexualtheorie und Schlüsselphänomenen (Traum, Fehlleistung, Witz) rangieren in der Literaturliste eigentlich auch noch vor den kulturtheoretischen)
Dem Text entnehme ich, daß der Mensch laut Freud die Religion "er-findet" zum Zwecke der Wiederherstellung des im Trennungsprozeß zwischen Innen- und Außenwelt verlorenen Gefühls infantiler Einheit. Eine quasi zwangsläufige Verletzung des Seelenlebens, die sich Heilung verschaffen will. Desweiteren gibt es einen gewissen Antrieb zur Verdrängung oder Überwindung des Todes, einer postulierten Endlichkeit des Seins. Kann man das so ausdrücken ?
Zwischenruf: "Warum - zum Teufel - kann der Mensch nicht endlich erwachsen werden? Kein Zweifel, der Herr dieser Welt ist der Teufel." C.G. Jung
Aber sei´s drum, lieber Jörn. Deine Sichtweise ist eine andere und sie sei dir unbenommen.
Bitte lass es, Karsten. Du betreibst oder unterstützt in den sozialen Netzen aktives Mobbing gegen diesen Thread und seine Teilnehmer. Auch in den letzten Tagen. Zusammen mit Jürgen Sch. betreibst Du klassische Internethetze gegen Menschen, die eine andere Meinung vertreten als Du.
Um auf Freud einzugehen :
(Bisher hatte ich mich vor allem mit seinen metapsychologischen Schriften befaßt. Die Schriften zur Sexualtheorie und Schlüsselphänomenen (Traum, Fehlleistung, Witz) rangieren in der Literaturliste eigentlich auch noch vor den kulturtheoretischen)
Dem Text entnehme ich, daß der Mensch laut Freud die Religion "er-findet" zum Zwecke der Wiederherstellung des im Trennungsprozeß zwischen Innen- und Außenwelt verlorenen Gefühls infantiler Einheit. Eine quasi zwangsläufige Verletzung des Seelenlebens, die sich Heilung verschaffen will. Desweiteren gibt es einen gewissen Antrieb zur Verdrängung oder Überwindung des Todes, einer postulierten Endlichkeit des Seins. Kann man das so ausdrücken ?
Ja, zumindest einen Teil seiner Ansichten. Ich würde es ergänzen mit dem sog. "Vaterkomplex" aus "Dem Unbehagen der Kultur".
"In meiner Schrift "Die Zukunft einer Illusion" handelte es sich weit weniger um die tiefsten Quellen des religiösen Gefühls, als vielmehr um das, was der gemeine Mann unter seiner Religion versteht, um das System von Lehren und Verheißungen, das ihm einerseits die Rätsel dieser Welt mit beneidenswerter Vollständigkeit aufklärt, anderseits ihm zusichert, dass eine sorgsame Vorsehung über sein Leben wachen und etwaige Versagungen in einer jenseitigen Existenz gutmachen wird.
Diese Vorsehung kann der gemeine Mann sich nicht anders als in der Person eines großartig erhöhten Vaters vorstellen. Nur ein solcher kann die Bedürfnisse des Menschenkindes kennen, durch seine Bitten erweicht, durch die Zeichen seiner Reue beschwichtigt werden. Das Ganze ist so offenkundig infantil, so wirklichkeitsfremd, dass es einer menschenfreundlichen Gesinnung schmerzlich wird, zu denken, die große Mehrheit der Sterblichen werde sich niemals über diese Auffassung des Lebens erheben können. - . . . Wir kehren zum gemeinen Mann und zu seiner Religion zurück, der einzigen, die diesen Namen tragen sollte."
Heute spielt der freud´sche Vaterkomplex bei uns nicht mehr so eine vorherrschende Rolle meiner Meinung nach, wo in den Familien die gleichberechtigte Partnerschaft statt einer streng patriarchalen Struktur dominiert.
Zitat:
Zitat von Flow
Gehst du persönlich damit konform, siehst du das Phänomen damit erschöpfend beschrieben oder existiert deiner Meinung nach darüber hinaus im Menschen noch etwas, das man mit "spirituellem Bedürfnis" bezeichnen könnte ?
Ich sehe Freud´s Ideen zur Religionskritik, in denen er sich mit den Zusammenhängen zwischen der Psyche, patriarchalen Gesellschaften und abrahamitischen Religionen beschäftigte, als einen Teil unserer Kulturgeschichte. Die Menschen sollen weder unter einem zu starken Über-Ich noch unter verdrängten Triebwünschen oder infantilen Sehnsüchten leiden und über ein lebenstüchtiges Ich verfügen. Damit trug er zur Emanzipation des Indivdiduums bei. Dabei handelt es sich um eine Perspektive von mehreren, also nicht erschöpfend.
Wiederum eine andere Perspektive zur Erklärung von Religionen neben den philosphischen Perspektiven (Feuerbach, Marx) sehe ich in den indivualpsychologischen, die religiöse Handlungen und Gedanken mit den Entwicklungsstufen der menschlichen Wahrnehmung und speziellen Formen der Informationsverarbeitung erklärt. https://www.triathlon-szene.de/forum...ostcount=12385
Zwischenruf: "Warum - zum Teufel - kann der Mensch nicht endlich erwachsen werden? Kein Zweifel, der Herr dieser Welt ist der Teufel." C.G. Jung
(Genaue Quellenangabe ... ? )
Bringt mich zu einem weiteren Aspekt des von qbz oben verlinkten Artikels. Obgleich mein ursprüngliches Interesse ja auf das Wesen eines vermeintlichen "spirituellen Bedürfnisses" einerseits, sowie dessen Ursprung andererseits abzielte, nehme ich zur Kenntnis, daß Freud wohl Angaben macht, wie mit diesem von ihm skizzierten Gefühl nun umzugehen sei.
Auf der einen Seite wäre der quasi kreative Akt der Religions-"Erfindung", was ich als eine "Erschaffung" interpretiere, in dem Sinne daß diese Religion(sinhalte) ursprünglich nicht existent waren und erst durch den Menschen in die Welt gebracht wurden, was ich wiederum recht interessant im Hinblick auf das Menschenbild finde, dem damit ja gottähnliche Schöpfungsfähigkeit zugebilligt wird.
Auf der anderen Seite die rationale Erfassung, Verarbeitung und damit Überwindung dieses Gefühls, was dann einem Erwachsenwerden entspricht, sofern ich das richtig interpretiere.
Damit einhergehend wohl auch eine Wertung, die den zweiten Weg in irgendeinem Sinn "richtiger", "besser", "erstrebenswerter" einstuft.
Wie könnte diese Wertung begründet werden ?