Das finde ich nicht fair. Es liegt doch auf der Hand, dass wir beim Autoverkehr etwas ändern müssen. Einfach deshalb, weil er viel Treibhausgase produziert. Dasselbe gilt für den Fleischverzehr, Flugverkehr, aber auch für andere Bereiche. Dies vorzuschlagen oder politisch zu fordern, ist daher keineswegs "komisch", wie Du es formulierst.
Manche dieser Forderungen lassen sich ganz leicht sofort umsetzen, wie etwa der weitgehende Verzicht auf Fleisch und andere tierische Produkte.
Andere Forderungen hingegen enthalten nicht nur den Verzicht als Appell an den Einzelnen, sondern verlangen eine strukturelle Änderung: Beispielsweise müssen wir strukturell etwas an unserem Verkehrssystem ändern, wenn wir künftig den Autoverkehr einschränken wollen. Verbesserter ÖPNV, bessere Radwege, steuerliche Regelungen und so weiter.
Ein Beispiel sind unsere Trainingslager auf Mallorca. Ich könnte ohne weiteres diese Trainingslager in Freiburg durchführen. Die Trainingsbedingungen sind hier optimal, und das Wetter ist in den meisten Jahren im Frühjahr gut genug. Ich bin jedoch mit dem strukturellen Problem konfrontiert, dass ein Flug nach Mallorca und die dortigen Hotels extrem billig sind. Deshalb fliegen die Leute dorthin. Mit den Jahren hat sich dann auf Mallorca eine tolle Infrastruktur herausgebildet: Spezialisierte Hotels, geheizte Außenpools, zigtausend hochwertige Mieträder, jede Menge Anbieter von Trainingscamps für jeden Geschmack, ein hoher Wettbewerb bei den Preisen und so weiter. Wie soll ich dagegen anstinken?
Ein erster Schritt wäre vielleicht die deutliche Erhöhung der Flugpreise, wenn die realen Kosten berechnet werden inklusive der Umweltschäden. Dadurch würde ein in Deutschland durchgeführtes Camp zumindest preislich wettbewerbsfähiger. Ausreichen würde diese Maßnahme aber aus meiner Sicht wohl nicht. Ein andere denkbare Maßnahme wäre, dass jeder Bürger nur ein Emissionskontingent von soundsoviel Treibhausgas verbrauchen darf. Ist es verbraucht, bekommt er keinen Flug zu Urlaubszwecken. Sicher hast Du noch bessere Ideen. Mir kommt es hier auf das Argument an, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt, das ich nicht alleine lösen kann.
In gleicher Weise erwartet niemand von Dir, dass Du künftig einen Arbeitsweg von 50 Kilometern zu Fuß gehst. Sondern es sind Änderungen in den Strukturen gemeint, die es Dir ermöglichen, häufiger als heute auf das Auto zu verzichten. Und das Auto muss emissionsfrei werden.
Hi Arne
Deine Vorschläge sind sicher alle richtig und gut. Mir fehlen jedoch noch folgende Antworten:
- was machen wir wenn Appelle nichts nutzen, also sich nur eine Minderheit daran hält?
- wie viel kosten Deine angesprochenen Strukturänderungen bis 2030?
- wie finanzieren wir diese?
- angenommen wir könnten alles innerhalb der nächsten Jahre zu 100% umsetzen: um wie viel Prozent würde dann die weltweiten CO2 Emissionen sinken?
Klar, dass Du jetzt keine Angaben auf Heller und Pfennig machen kannst. Aber vielleicht so grob?
Ein persönliches Emissionskontingent halte ich für völlig unmachbar und auch nicht wünschenswert. Dazu wäre eine Art Super-Stasi nötig, die alles überwacht und registriert, was wir tun.
Das war nur eine Fiktion, um mein Argument zu verdeutlichen. Es ist nicht als konkreter Lösungsvorschlag gemeint.
Ach so Arne, ist mir gerade noch eingefallen. Sofern aus erfolglosen Appellen Gesetze folgen sollten, glaubst Du das es dafür Mehrheiten geben könnte? Ich wäre da eher skeptisch
Du meinst, es ist genauso wenig ernst zu nehmen, wie Roger Hallums Visionen gesellschaftlicher Umformung?. Wie soll ich denn entscheiden, was die Jungs und Mädels ernst meinen, und was nicht? Klingt wie "er will ja nur spielen" .
CO2 Kontingent ohne Kontrolle ist wie Steuern Zahlen als freiwillige Spende - das Ergebnis dürfte klar sein. Und ich bin in einem Land aufgewachsen, wo mir bewiesen wurde, daß Menschen zu sowas fähig sind, also ja, ich befürchte das auch, sollten diese Typen wirkliche Macht bekommen.
nein, ernstnehmen oder besser wahrnehmen sollte man das schon.
Aber, um bei deinem Beispiel zu bleiben:
Zitat:
„Menschen, egal welchen Alters, sollten nicht ständig vor die Wahl gestellt werden, sich zwischen Produkten oder Dienstleistungen zu entscheiden, die nur selten mit menschenrechtlichen und ökologischen Standards oder dem Erhalt der Lebensgrundlagen künftiger Generationen vereinbar sind. Es kann, soll und darf nicht jedem und jeder Einzelnen überlassen werden, sich bei seinen alltäglichen Handlungen immer entweder für oder gegen die Zukunft zu entscheiden“, schreiben Neubauer und Repenning.
Warum sollte ich mir bei jedem Kleidunststück raussuchen müssen ob es nach menschenrechtlichen und ökologischen Standards hergestellt wurde.
Nein ich will auch nicht die Mao Uniform, aber ein einfaches verbindliches Kennzeichen das mir garantiert, eben, dass gewisse Standards eingehalten wurden würde ich nicht als Rückfall in DDR Zeiten empfinden. Und da war ja auch nicht alles schlecht. Hab ich mir sagen lassen.
wenn Leute zufällig die Sachen vorschlagen die ihnen selbst am wenigsten weh tun oder sie sie eh schon umgesetzt haben (meist aus ganz anderen Gründen)
Ja, auf mich trifft das zu.
Als Städter habe ich beste Voraussetzungen, ohne Auto auszukommen. Das ist natürlich kein Maßstab für andere Leute, die nicht so gute Voraussetzungen haben.
Jedoch! Ich nehme als Städter auch die Nachteile in Kauf. Ich muss hohe Mieten bezahlen und eine Menge Straßenlärm ertragen.
Die Landbewohner müssen sich schon eher Gedanken um ihr Auto machen. Dafür sparen sie Geld bei den Mieten oder konnten sich fürs gleiche Geld ein Haus im Grünen kaufen. Merke: Man kann nicht nur die Vorteile wollen und sich bei den Nachteilen beschweren.
In den größeren Städten explodieren die Mieten. Auf dem Land wird nun das Autofahren etwas teurer. Ehrlich gesagt, meine Erschütterung hält sich in Grenzen.
Warum sollte ich mir bei jedem Kleidunststück raussuchen müssen ob es nach menschenrechtlichen und ökologischen Standards hergestellt wurde.
Warum sollte ich es überhaupt müssen? Ich soll dürfen, das reicht mir. Und dann liegt es bei mir, zu entscheiden, ob ich auch will.
Zitat:
Nein ich will auch nicht die Mao Uniform, aber ein einfaches verbindliches Kennzeichen das mir garantiert, eben, dass gewisse Standards eingehalten wurden würde ich nicht als Rückfall in DDR Zeiten empfinden.
Solche Qualitätslabels gibt es doch reichlich, das kannst du jetzt schon finden, wenn es Dir wichtig ist - und es wenn neue, aussagekräftigere dazu kommen, ist es auch nicht schlecht.
Zitat:
Und da war ja auch nicht alles schlecht. Hab ich mir sagen lassen.
Nee, und Hitler hat die Autobahnen gebaut, und Stalin hat die Dörfer elektrifiziert...Dafür waren die paar Unannehmlichkeiten im jeweiligen System doch Kinkerlitzchen, oder?
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“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Deine Vorschläge sind sicher alle richtig und gut. Mir fehlen jedoch noch folgende Antworten:
- was machen wir wenn Appelle nichts nutzen, also sich nur eine Minderheit daran hält?
- wie viel kosten Deine angesprochenen Strukturänderungen bis 2030?
- wie finanzieren wir diese?
- angenommen wir könnten alles innerhalb der nächsten Jahre zu 100% umsetzen: um wie viel Prozent würde dann die weltweiten CO2 Emissionen sinken?
Klar, dass Du jetzt keine Angaben auf Heller und Pfennig machen kannst. Aber vielleicht so grob?
Ich bin dafür, wesentliche Punkte mit Gesetzen durchzusetzen. Das machen wir auch in anderen Fällen, bei denen es um das Gemeinwohl geht. Beispielsweise werden Steuern nicht auf freiwilliger Basis erhoben.
Was die strukturellen Veränderungen kosten, etwa der Ausbau der Verkehrswege für den ÖPNV oder von Radwegen etc., weiß ich nicht. Es gibt gewiss Schätzungen für verschiedene Szenarien, aber sie sind mir nicht bekannt. Selbstverständlich legen uns die Kosten Grenzen auf. Allerdings liegen die voraussichtlichen Folgekosten eines deutlichen Temperaturanstiegs ebenfalls sehr hoch.*
Zu Deiner letzten Frage: Deutschland hat einen Anteil von 2% der weltweiten Klimagasemissionen. Wenn wir in Deutschland auf eine Null kämen, würden also global 2% eingespart. Das entspricht der aktuellen jährlichen globalen Zunahme an Emissionen. Daher ist es notwendig, dass auch andere Länder (möglichst alle) mitmachen. Das wiederum muss durch internationale Verträge geregelt werden.
* Eines scheint mir noch wichtig zu sein: Kohlendioxid in der Atmosphäre wirkt wie ein Dämmmaterial. Je mehr wir davon haben, desto wärmer wird es. Das gilt auch dann, wenn wir in Zukunft eine Temperaturerhöhung von zwei, drei, vier, fünf, sechs oder mehr Grad erreicht haben. Mehr Kohlendioxid, mehr Wärme. Das bedeutet: Früher oder später müssen wir mit den Emissionen aufhören. Es stellt sich nicht die Frage, ob wir die Emissionen stoppen, sondern wann.
Warum sollte ich es überhaupt müssen? Ich soll dürfen, das reicht mir. Und dann liegt es bei mir, zu entscheiden, ob ich auch will.
Wird das nicht langsam etwas viel? Um heutzutage einzukaufen, muss man ja ein Experte sein in Viehzucht, Lebensmittelrecht, Medizin, internationale Arbeitnehmerrechte, Bodenbelastung, CO2-Ausstoß, Transportstrecken, und so weiter.
Was einer herkömmlichen Wurst drinsteckt, wo sie entstanden ist, welche Transporte den Tieren zugemutet wurden, wie die Tiere aufwuchsen, und so weiter: das ist für einen normalen Verbraucher überhaupt nicht herauszufinden. Stammt die Thüringer Bratwurst wirklich aus Thüringen? Stammt der Landliebe-Joghurt wirklich von glücklichen Kühen auf grünem Gras? Haben diese Kühe überhaupt je Gras gefressen?
Ich persönlich würde befürworten, dass wir als Gesellschaft bestimmte Mindeststandards aushandeln, die dann vom Staat durchgesetzt werden. Der Staat kann Betriebe kontrollieren und die Einhaltung von Standards überwachen. Der Verbraucher kann das nicht.
Darüber hinaus könnte es ja noch weitere Etiketten geben für besonders vorbildliche Produktionsmethoden. Hier könnte der Verbraucher entscheiden, was es ihm wert ist. Aber so wie ich davon ausgehe, dass Leitungswasser in Deutschland sauber ist, gehe ich auch davon aus, dass ich beim Hemdenkauf nicht zum Komplizen werde für Kinderarbeit.