Das haben die Physiker beim Äther auch gesagt: Die am Besten Evidienz gesicherte Theorie aller Zeiten und ein grandioses Zeugnis der Überlegenheit empirischer Wissenschaft.
Solange bis es nicht mehr gepasst hat und verworfen wurde.
Die katholische Kirche erzählt seit fast 2000 Jahren praktisch dasselbe.
Das praktische Gesetz (grammatikalische Reflexion durch den Begriff "welches" auf eben jenes praktische Gesetz) verlangt also logisch ("gebietet") die Existenz des "summum bonum" (höchstes Gut).
Genau das ist der Irrtum Kants. Es bedarf eben nicht eines höchsten Guts irgendwo im Himmel, um eine Moral zu definieren. Stattdessen kann ich ganz simpel ein guter Mensch sein, wenn ich versuche, mit meinen Mitmenschen und -tieren klarzukommen.
An dieser Stelle wäre es interressant zu wissen, was Du unter Wirklichkeit verstanden haben willst. (Vorsicht, eine metaphysische Fragestellung!)
Das habe ich bereits zigmal ausgeführt. Es gibt unterschiedliche Realitätsbegriffe. Beispielsweise ist die Figur von Winnetou eine literarische Realität. Winnetou existiert unter Zugrundelegung des literarischen Wahrheitsbegriffs. Er existiert nicht unter Zugrundelegung des faktischen Wahrheitsbegriffs.
Kant hat sich zu der lebensanschaulichen Haltung geäußert, wenn Menschen leben, als ob es einen bestimmten Gott gäbe. Wir haben es mit einer fiktionalen, also nur gedachten und vorgestellten Realität zu tun. Daraus lässt sich keine Behauptung einer tatsächlichen Existenz dieses Gottes ableiten.
Ich stimme Dir zu, wenn Du schreibst:
"Deswegen verstehe ich persönlich nicht, weshalb Gottesgläubige auf die Idee kommen, man könne Erkenntnislücken mit Annahmen über einen Gott schliessen bzw. diesen mit solchen begründen."
Möchte aber gerne fortsetzen:
Deswegen verstehe ich persönlich auch nicht, wie Atheisten auf die Idee kommen, man könne mit naturwissenschaftlichen Argumenten einen Gläubigen davon überzeugen, dass er falsch liegt. Wie Du ja selbst schreibst, werden aktuelle und künftige physikalische Theorien ... nichts ... an der Einstellung ... zu Gott ändern.
Das kann man als Naturwissenschaftler bedauern, kritisieren oder was auch immer. Aber es ist wohl so.
Trotz der schon längeren Diskussion mit Jörn dazu, würde ich gerne noch mal kurz antworten.
Ich finde, es ergaben sich halt in der Geschichte bekannte Konflikte zwischen Naturwissenschaftlern und religiösen Institutionen, weil letztere bestimmte Erkenntnisse manchmal nicht akzeptierten und das Recht auf freie Forschung und freie Publikation erst erkämpft werden musste. Die Religionen mussten historisch ihren Primat- und Herrschaftsanspruch abtreten, was nicht freiwillig geschah, damit sich die Situation änderte. Heute beschränken sich solche Konflikte zum Glück deswegen nur noch auf wenige Bereiche, wie z.B. Stammzellenforschung.
Beim Kinderschutz erlebte ich in Einzelfällen Konflikte mit Eltern, die aus religiöser Überzeugung eine bestimmte medizinische Behandlung für ihr Kind ablehnten, und es bis zu Gerichtsentscheidungen kam. In den meisten Fällen fand man zum Glück aber einen geschickten Kompromiss, der sowohl die Glaubensbedürfnisse der Eltern wie die Gesundheit des Kindes sicherstellte. Ohne staatliche, gesetzliche Unterstützung würden in solchen Einzelfällen die Kinder allerdings ohne Behandlung bleiben.
Da ich kein echter Kenner der Wissenschaftsgeschichte bin, aber dein Argument in guter Tradition dennoch wenigstens einer ersten Prüfung unterziehen wollte, um es auch mit gebührendem Respekt zu würdigen, schlug ich, entgegen meiner üblichen Vorgehensweise in Wiki nach.
Dort lese ich, folgendes
Zitat:
Während britische Forscher relativ schnell die Theorie Maxwells übernahmen und weiterentwickelten (wie Joseph John Thomson, Oliver Heaviside, George Francis FitzGerald, John Henry Poynting, Joseph Larmor), verblieb man im deutschsprachigen Raum bei Fernwirkungstheorien im Sinne Webers und Neumanns. Das änderte sich erst 1888, als Heinrich Hertz die von Maxwell vorausgesagte endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Kräfte direkt nachwies. Er brachte die zeitgenössische Ansicht über den Äther auf den Punkt:[17]
„Nehmt aus der Welt die Elektrizität, und das Licht verschwindet; nehmt aus der Welt den lichttragenden Äther, und die elektrischen und magnetischen Kräfte können nicht mehr den Raum überschreiten.“
Hertz entwickelte dabei zwischen 1887 und 1890 seine Elektrodynamik bewegter Körper. Vor bzw. gleichzeitig mit Hertz war eine ähnliche Theorie auch von Oliver Heaviside entwickelt worden.[18] Wichtig war dabei die Formulierung der Maxwellschen Gleichungen, welche Hertz seiner Theorie als Postulat zugrunde gelegt hatte, und die später in der Form der „Maxwell-Hertzschen Gleichungen“ großen Einfluss hatten – wobei die Gleichungen ihre moderne Form schließlich durch Heaviside erhielten.
Die Modelle gingen auch in die Biophysik über, so in Mesmers Annahme eines Animalischen Magnetismus (Mesmerismus).
Die Anzahl der dort genannten Physiker, die die Äthertheorie übernahmen, die ich mit >1 feststelle und die Aussage bzgl. Zeitgeist lassen mir keine andere Wahl als deine Behauptung für‘s erste als falsch zurück zu weisen.
Genau das ist der Irrtum Kants. Es bedarf eben nicht eines höchsten Guts irgendwo im Himmel, um eine Moral zu definieren. Stattdessen kann ich ganz simpel ein guter Mensch sein, wenn ich versuche, mit meinen Mitmenschen und -tieren klarzukommen.
Ich stimme dir vollkommen zu, dass es kein höchstes Gut benötigt um moralisch zu handeln.
Er hat aber nicht gesagt, dass das Summum bonum notwendig ist, um eine Moral zu definieren. Kant hat nie(!) versucht eine wie auch immer geartete Moral zu definieren. Was er diesbezüglich tat war, dass er ein Prüfkriterium für Handlungen herleitete: den kategorischen Imperativ. Alleine der Begriff definieren ist hoch problematisch in einem philosophischen Kontext. Kant postulierte das höchste Gut als Begriff, weil er - vereinfacht gesagt - irgendeine Motivation für das moralisches Handeln brauchte, welches er versucht a priori zu argumentieren. Er hat aber mWn nie gesagt: Es gibt dieses höchste Gut im Sinne von: Es existiert ein Gott im Sinne des Dings an sich.
Ich bin ja auch der Meinung, dass Kant am Ende es nicht geschafft hat seine Theorie voraussetzungsfrei, fehlerlos und konsistent zu Begründen. Allerdings möchte ich schon anmerken, dass es hinsichtlich Kant wohl ein Lebenswerk ist, dessen Werke zu verstehen und zu analysieren. Es gibt an der Uni Siegen ein „Zentrum für Kommentarische Interpretationen zu Kant“. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe die gesamte Kritik und die GMS bestimmt dreimal komplett gelesen. Dazu spezielle Kant Lexika gewälzt. Ich würde aber nicht sagen, dass ich mehr Ahnung von Kant habe als Grundlagen. Das ist zwar kein Argument für etwas, kann aber vielleicht andeuten wie schwer Kant ist.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Kant hat sich zu der lebensanschaulichen Haltung geäußert, wenn Menschen leben, als ob es einen bestimmten Gott gäbe. Wir haben es mit einer fiktionalen, also nur gedachten und vorgestellten Realität zu tun. Daraus lässt sich keine Behauptung einer tatsächlichen Existenz dieses Gottes ableiten.
Das sich Kant zur lebensanschaulichen Haltung geäußert hätte, wenn Menschen leben als ob es einen Gott gäbe Ist mir unbekannt.
Er hat in seiner Theorie dieses „als ob“ es einen Gott gäbe eingeführt, dass stimmt, dem stimme ich zu, auch das dies kein Beweis der Existenz Gottes ist, stimme ich zu. Darüber hinaus, hat er nicht mal die Existenz eines Gottes behauptet. Das hab ich aber bestimmt schon zwei oder dreimal geschrieben und auf den Unterschied zum Begriff hingeführt.
An der Stelle möchte ich mich aber aus der Interpretation der Kantschen Philosophie zurückziehen. Ich empfinde das als sehr anstrengend und (zu) aufwendig. Außerdem glaube ich, kann ich nichts mehr beisteuern. Man kann die Kritik und auch die GMS ja kaufen, dazu den Eisler und selbst sein Glück versuchen
schön das dieser Umweg über Kant jetzt beerdigt ist, den Weg wollen wir nicht gehen, er ist zu steinig und führt auch zu nichts.
Ein Nackklapp zur Ehrenrettung sei gestattet: die christliche Überformung des antiken summum bonum darf hier nicht in die Irre führen. Das "höchste Gut" ist ein technischer Ausdruck bei Kant und bedeute nichts irgendwie religiös "Außerweltliches", das ist nicht im Himmel (na ja nun, 2nd thought, auch das wäre nochmal Gegenstand einer Interpretation, die zu nichts führt)
m.
Geändert von merz (06.05.2019 um 22:02 Uhr).
Grund: 2nd thoughts ....
Das habe ich bereits zigmal ausgeführt. Es gibt unterschiedliche Realitätsbegriffe. Beispielsweise ist die Figur von Winnetou eine literarische Realität. Winnetou existiert unter Zugrundelegung des literarischen Wahrheitsbegriffs. Er existiert nicht unter Zugrundelegung des faktischen Wahrheitsbegriffs.
Kann man irgendwo nachlesen, was du persönlich unter Wirklichkeit verstehst ... ?