Bring' dein Wissen in diesem Bereich mal auf den aktuellen Stand. Du argumentierst mit Angstszenarien vom Februar diesen Jahres, seitdem hat sich aber ziemlich viel getan.
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Gerade heute lese ich in meiner Tageszeitung, dass ein harter Gasstopp (Komplettlieferstopp) die deutsche Wirtschaft härter treffen würde als erwartet. Es geht um fast 13 Prozent Wertschöpfungsverlust und 5,6 Millionen davon beeinträchtigte Jobs. Diese Studie hat die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft erstellt.
(hinter Paywall, deshalb spare ich mir den Link).
Ich sehe es wie HerrMan: die deutsche Wirtschaft ist im Hinblick auf das Thema Gas viel robuster, als es Teile der deutschen Politik (oder auch vermeintliche Börsenexperten) glauben.
Als freundlicher Mitleser ohne eigene volkswirtschaftliche Kenntnisse geht hier bei mir eine kleine rote Lampe an. Die "vermeintlichen Börsenexperten" sind vermutlich Personen, die sich seit längerer Zeit professionell und gut ausgebildet mit den möglichen Entwicklungen unserer Wirtschaft beschäftigen. Sie warnen offenbar vor gewissen Risiken.
HerrMan und Du sind anderer Meinung, doch es stellt sich hier unwillkürlich die Frage nach Eurer Kompetenz, die hier in Kontrast zur "vermeintlichen" Kompetenz von Börsenexperten gebracht wird. Während die Börsenexperten vorsichtig von Risiken sprechen, also von möglichen oder wahrscheinlichen Entwicklungen, sprichst Du von Gewissheiten. ("Bring' dein Wissen in diesem Bereich mal auf den aktuellen Stand. ... Putin wird das Gas abdrehen ...Daran gibt es keinen Zweifel").
Müsste man solche Dinge nicht vorsichtiger formulieren, um nicht versehentlich ein Wissen vorzugeben, dass man nicht hat und nicht haben kann?
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Die Frage ist, wie lange sich der Staat das noch leisten kann bzw. wer das unterm Strich bezahlen wird/muss?! Im besten Fall die nachfolgenden Generationen...
Der Staat konnte/ kann sich die Hilfen deshalb so problemlos leisten, weil jeder auf der Welt stets bereit war/ ist Deutschland Geld zu leihen, weil man sich 100%ig sicher sein kann, das geliehene Geld auch wieder zurück zu bekommen. Und Zinsen hat Deutschland auch stets pünktlich bezahlt.
Deutschland muss für Staatsanleihen null Risikoaufschläge zahlen und kann es sich sogar leisten weniger Zinsen als jedes andere Land anzubieten und bekommt die Anleihen trotzdem gezeichnet. Wegen der aktuell hohen Inflation schmelzen darüberhinaus die Staatsverschuldung Deutschlands gerade rapide ein. Man hätte besser (im Rahmen von investitionen in die Energiewende) in der Vergangenheit noch viel mehr Geld für Windräder, Stromtrassen, PV auf öffentlichen Gebäuden aufnehmen sollen...
Das genaue Gegenteil ist die Lage für Putin. Kein Land weltweit ist aktuell mehr bereit russische Staatsanleihen zu zeichnen, auch nicht die vermeintlichen Verbündeten in China oder Indien, so dass Russland vom weltweiten Kapitalmarkt komplett abgekoppelt ist und nur noch aus laufenden Rohstoffverkäufen, den Staatshaushalt bestreiten kann.
Das geht aktuell zwar gerade noch gut, da die Preise für diese Rohstoffe kriegsbedingt so stark angestiegen sind, dass wegbrechende Verkäufe durch höhere Preise kompensiert werden, aber irgendwann werden die Preise auch wieder sinken (im rohstoffmarkt gibt es traditionell immer hohe Preisschwankungen, weil hohe Preise (mit Verzögerung9 zu Angebotsausweitung (Explorierung neuer Rohstoffquellen bzw. in-Betriebnahme von bei niedrigen Preisen unwirtschaftlichen Minen, Öl- und Gasquellen) und gleichzeitig Nachfragerückgängen durch Einsparungen in industrie und auf Verbaucherseite führen) und dann kollabiert absehbar die russische Wirtschaft und der Staat wird wegen seiner hohen Militärausgaben auch nach innen hin zahlungsunfähig, wie er das ausländischen Gläubigern gegenüber jetzt schon ist.
Andere mögen das wohl gleich besser erfassen als ich, aber ich hatte anfangs den Eindruck, dass die Sanktionen nach ein paar Monaten spührbar wirken würden (also kriegsverkürzend). Nun geht mal wohl davon aus, dass der Krieg Jahre dauern kann.
Natürlich betrifft der abgedrehte Gashahn durch Russlands keineswegs "alle Bereiche" sondern nur die wenigen Industrien, in denen überhaupt Gas benutzt wird.
Das ist leider falsch. Wenn Du die Rohstoffversorgung in der Wertschöpfungskette durch die Chemieindustrie nicht sicherstellen kannst, hast Du auch als nicht direkter Nutzer ein Problem.
Zitat:
Zitat von Hafu
Nur maximal 10% des in Deutschland genutzten Erdgases läuft in eine stoffliche Verwertung des Gases überwiegend in der chemischen Industrie. Nur hier wäre es wirklich kompliziert Gas von heute auf morgen zu ersetzen. Für diesen Bereich reichen die Gasspeicher in Verbindung mit dem ohnehin schon importierten Gas aus anderen Ländern schon heute problemlos aus.
90% des Erdgases in Deutschland wird einfach nur zur Wärmeerzeugung verfeuert. Entweder zur Erzeugung von Raumwärme (im privaten Bereich sowie beim Beheizen von Bürogebäuden) oder zur Erzeugung von Prozesswärme (in der Industrie). Für beides lässt sich Gas technisch problemlos ersetzen, indem man eben andere Wärmequellen nutzt (Öl, Kohle, Biogas,Strom, idealerweise natürlich Strom aus regenerativen Quellen).
Ach hier siehst Du das leider sehr blauäugig. Gehe einfach mal davon aus, dass die Industrie ähnliche Probleme wie Du in Deinem Einfamilienhaus hast, wenn Du den Gasbrenner plötzlich mit Kohle betreiben wolltest. Theoretisch kann man das umstellen. Praktisch sind das Investitionen, die a) sehr viel Geld kosten b) Planungs-und Ausführungszeit brauchen und c) von der Verfügbarkeit der Investgüter und Fachkräfte abhängen.
Das geht alles theoretisch, aber praktisch nicht so fix wie gedacht. Sonst hätten wir die Energiewende längst schon geschafft.
Zitat:
Zitat von Hafu
Die relativ große Rolle, die das Verfeuern von Gas in diesem Bereich gerade in Deutschland bisher hat, beruht alleine darauf, dass der Gaspreis in der Vergangenheit mit um die 1,5c/ kWh in den vergangenen Jahrzehnten so unverschämt günstig war und die Gasversorgung so trügerisch sicher schien.
Da beides jetzt nicht mehr gegeben ist (der Preis hat sich verdoppelt und wird sich mutmaßlich sogar vervierfachen und die traditionelle Versorgungssicherheit beim Gas ist nicht mehr gegeben) läuft der Umbauprozess weg vom Gas längst auf Hochtouren.
Aber niemand wird in neue Kohle- oder Ölbrenner investieren. Wer heute vom Gas weggeht, wird auch die Energiewende im Auge behalten. Von daher: ja - aber "Hochtouren" sehen sicher anders aus.
Zitat:
Zitat von Hafu
Ich sehe es wie HerrMan: die deutsche Wirtschaft ist im Hinblick auf das Thema Gas viel robuster, als es Teile der deutschen Politik (oder auch vermeintliche Börsenexperten) glauben. Wenn kein Gas mehr fließt, bzw. das Gas zu teuer ist und damit seinen kostenvorteil als Brennstoff eingebüßt hat, dann verfeuert man eben mehr Öl, Kohle oder Ammoniak
Nein. Alte Kohlekraftwerke kann man laufen lassen, das ist das kleinste Problem. Eine Glasschmelze, die Gasbrenner nutzt, stellst Du nicht mal fix auf Kohle um. Und Ammoniak? Wir aus Erdgas hergestellt. Das kannst Du streichen.
Zitat:
Zitat von Hafu
oder investiert (für Raumwärem) in Wärmepumpen, die neuerdings schneller rentabel sind.
Kennst du die Lieferfristen für Wärmepumpen? Kennst Du die Vorlaufzeiten für Erdsondenbohrungen? Hast Du eine Firma, die jetzt noch Aufrtäge für dieses Jahr annimmt?
Wir reden über den Winter 22/23. Es gibt einen Grund, warum Habeck zähneknirschend Dinge sagt, die vor einem halben Jahr das Ende seiner politischen Karriere bedeutet hätten.
Sorry, dass ich Deinen Optimismus nicht teile. Die Industrie spielt übrigens gerade die Szenarien einer Gaszzuteilung ab Herbst durch. Wir werden sicher nicht zugrunde gehen. Aber es wird schmerzhaft.
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Wenn Ihr alle die Zeit, die Ihr hier im Forum vertüdelt, fürs Training nutzen würdet...
Gerade heute lese ich in meiner Tageszeitung, dass ein harter Gasstopp (Komplettlieferstopp) die deutsche Wirtschaft härter treffen würde als erwartet. Es geht um fast 13 Prozent Wertschöpfungsverlust und 5,6 Millionen davon beeinträchtigte Jobs. Diese Studie hat die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft erstellt.
(hinter Paywall, deshalb spare ich mir den Link).
Das ist die komplette Studie zu den Folgen der Gas-Lieferunterbrechungen:
Mir scheint, die weltweite Öl-Fördermenge ist mehr oder weniger konstant. Wenn wir kein russisches Öl mehr kaufen, werden wir es anderswo erstehen. Das geht letztlich wohl nur über einen höheren Preis, mit dem wir die bisherigen Käufer unserer neuen Lieferanten überbieten.
Die bisherigen Käufer stehen dann ohne Öl da, außer sie sehen sich auf dem Weltmarkt um und finden dort das russische Öl. Es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als es zu kaufen. Vor allem dann, wenn es sich um ärmere Länder handelt, welche in der globalen Bieterschlacht den Kürzeren ziehen.
Das russische Öl wird also seine Abnehmer finden, einfach deshalb, weil es unverzichtbar gebraucht wird. So verstehe ich das, ohne mich da näher auszukennen. Aus meiner Sicht ist mir daher nicht klar, wie wir verhindern wollen, dass Russland Einnahmen aus seinen Ölvorkommen generiert. Das Öl wird gebraucht und Kunden finden. Oder nicht?
Mir geht es hier in keiner Weise um unseren Wohlstand, der durch steigende Energiepreise gefährdet werden könnte oder auch nicht. Mir geht es nur um die Tauglichkeit des Öl-Embargos im Hinblick auf ein baldiges Kriegsende.
..."vermeintlichen Börsenexperten" sind vermutlich Personen, die sich seit längerer Zeit professionell und gut ausgebildet mit den möglichen Entwicklungen unserer Wirtschaft beschäftigen. Sie warnen offenbar vor gewissen Risiken.
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Ich beschäftige mich seit ich 18 bin und ein paar Aktien von meinem Papa geschenkt bekommen habe, ziemlich intensiv mit der Börse. Niemals würde ich mich trotz 35jähriger Erfahrung als Börsenexperten bezeichnen, aber ich habe in dieser Zeit immerhin mehr Geld gewonnen als verloren; im Gegensatz beispielsweise zu meinen Brüdern, die genauso viel Aktien bekommen hatten und die ihr "Spielgeld" beide irgendwann mit zu riskanten Käufen irgendwann in den Sand gesetzt haben (sorry für offtopic).
Der Ausdruck "vermeintliche Börsenexperte" ist sehr bewusst benutzt, denn wenn jemand, der im Fernsehen oder auf youtube über die Börse redet tatsächlich ein kleines bisschen besser als der Markt wäre, dann müsste er nicht mehr als "Experte" einem Beruf nachgehen, sondern könnte von seinem Wissen unmittelbar leben über Investitionen/ Börsenkäufe die er selbst tätigt, statt sie nur anderen zu raten und dafür Stundenlohn oder Tagessätze zu kassieren.
Die Kernkompetenz jedes "Finanzexperten" auf YT oder auch bei "Börse vor Acht" ist, dass er in der Lage ist, schlau zu reden und den Eindruck von Kompetenz und Eloquenz zu vermitteln. Tatsächlich besser Bescheid zu wissen und deshalb erfolgreichere investitionsentscheidungen zu treffen gehört nicht zu diesen Kompetenzen, bzw. schließt dies gerade zu aus.