Woche der Demut - Teil 2
Mittwochabend. Vereinsausfahrt der Mountainbike-Gruppe. Zum ersten Mal mit F, weil der Bub ja vor der Bike-Transalp doch ein bissi MTB fahren sollte.
Wettervorhersage: Scheiße. Immer gefährlich, weil da normalerweise nur die Cracks kommen. Und Opfer. So ist es auch diesmal. Außer Opfer F. trudeln nur der Scheffe und ein Kleiner ein, den ich nicht kenne. Die Jungs brennen gleich los. Direkt aus der Innenstadt 200 Höhenmeter hoch. Quasi senkrecht. Die Kotzrampen kannte ich noch gar nicht. 20% und mehr, sagt der Tacho, solange ich die Zahlen noch ablesen kann. Dranbleiben um jeden Preis. Schnappatmung setzt ein. Leise atmen, damit es die da vorne nicht hören. Der Puls ist in Regionen entschwunden, die er das letzte Mal beim Sportabitur gesehen hat.
Endlich oben. Ich atme - genauer keuche geräuschlos - nach hinten und versuche "toll, hier war ich noch nie" hervorzustossen, ohne aus Sauerstoffmangel umzukippen. "Na, dann fahren wir kurz nach vorne zu Panoramawiese", sagt Scheffe. Hurra, mindestens 2 Minuten Pause erschlichen. Der Ausblick über Tübingen und die Schwäbische Alb ist wirklich atemberaubend. Unter uns führt ein sacksteiler Weg diretissima aus einem Wohnviertel zu unserem Standort. Etliche Wanderer mühen sich nach oben. Scheffe: "Gut, daß wir nicht die Wiese raufgefahren sind. Das hätte Streß gegeben mit den Leuten". Im stillen bin ich seiner Meinung, aber aus völlig anderen Gründen. Das Drecksding sieht noch steiler aus als unser Aufstieg.
Scheiße, wenn die so bergauf fahren, wie werden dann erst die Abfahrten? Eine Weile lang geht das eigentlich ganz gut, bis scharf rechts in einen Single-Trail eingebogen wird. Die Jungs surfen das Ding ab wie nix. Ich auch - bis zu einer Haarnadelkurve um einen Baum, hinter dem im rechten Winkel ein Steg kommt *ZONK* Haben es die Profis bemerkt? Nee, die fahren schon längst auf der anderen Seite des Tales ähnliche Serpentinen wieder nach oben. Ohne abzusteigen. Ich schaffe es natürlich nicht. Holy Fuck!
Mit der Zeit komme ich immer besser mit. Wir befahren in meinem Heimatrevier versteckte Wege, die ich noch nie gesehen habe. Klar, wenn man selbst beim MTB-fahren immer reintritt wie ein Ochse, nur um den dämlichen Schnitt zu halten
Kurz vor Ende geht es noch mal scharf nach rechts. Einen senkrechten Hang runter. Der Scheffe brettert mit dem Hardtail drüber wie nix, der Kleine elegant hinterher. F. schiebt das Metall in der Schulter, Verpflichtungen gegenüber seiner Familie und die Zahlungsunwilligkeit der Lebensversicherung bei Selbstmord vor - und schiebt. Fröhlich feixend kommen mir zwei Zwölfjährige entgegen, die Ihr Panzerbike den Hang hochschieben.
"Den letzten Absatz kann man umfahren" sagt der Scheffe. Als ich umfahrenderweise unten ankomme, diskutiert eine Gruppe Senioren (ohne Scheiß!) in Downhill-Outfits die beste Linie.
Ich weine still in mich hinein.
Morgen ist gottseidank fast Ruhetag. Nur Schwimmen. 