Eine Trennung in verschiedene Welten habe ich auch nicht behauptet, sondern: Es gibt eine Wirklichkeit, die verschiedene Aspekte aufweist. Ein Aspekt dieser einen Wirklichkeit wird durch wissenschaftlich ermittelte Tatsachen beschrieben, ein anderer durch Kunst, wieder ein anderer durch Religion, usw.
Selbst wenn es um unterschiedliche Aspekte der gleichen Sache geht, dürfen sie sich dennoch nicht widersprechen, zumindest nicht in der Existenz der Sache.
Zitat:
Zitat von Zarathustra
Vielleicht wird gehandelt und gewirkt im Hier und Jetzt, aber eben nicht sichtbar und meßbar, also nicht überprüfbar, nicht empirisch. Das Handeln und Wirken kann daher auch kein gewöhnliches sein.
Deine Einteilung in „gewöhnlich und ungewöhnlich“ impliziert bereits das Ergebnis der Untersuchung, nämlich, ob überhaupt etwas „Ungewöhnliches“ existiert. Das gilt es aber erstmal nachzuweisen. Dass eine Sache nicht messbar ist, sagt nur, dass es nicht messbar ist. Man kann nicht einfach so behaupten, dass es daher „ungewöhnlich“ wäre.
Zitat:
Zitat von Zarathustra
Die Kirche nennt ihre Handlungen ein göttliches Wirken. Wir sehen nur die Handlungen der Kirche, ein göttliches Wirken selbst bleibt unsichtbar. Eine Wirklichkeit, zwei Aspekte.
Ist das womöglich eine nicht-falsifizierbare These? Wie willst Du herausfinden, ob ein (von mir aus Spaß erfundener) Aspekt überhaupt etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat? Wenn es nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, dann kann es auch kein Aspekt dieser Wirklichkeit sein. Deswegen muss zuerst bewiesen werden, dass es etwas mit der Wirklichkeit zu hat.
Vertrauen in die Glaubensinhalte. Deren Wahrheit, sofern davon die Rede, ist vorausgesetzt, wird nicht überprüft, ihr Gegenteil nicht in Erwägung gezogen. Sie kann daher nicht empirisch und von der Form des Für-wahr-Haltens sein, bei dem auch die mögliche Falschheit in Betracht kommen muß.
War das nicht bisher Deine Definition von Aberglauben?
A: Ich hätte gerne das Auto von meinem Nachbarn. Darum werde ich ihn erschlagen und es mir nehmen.
B: Das darfst Du nicht tun!
A: Warum nicht?
B: Weil unsere heutige Kultur im Laufe der Evolution erfolgreiche Strategien im Umgang miteinander hervorbrachte, die es nicht erlauben, daß Du ein solches Vorhaben in die Tat umsetzt.
A: Ach so...
Stimmt genau!
Solche Normen (nicht stehlen, nicht töten etc.) entwickeln sich von selbst. Darum finden wir sie in allen Kulturen, in Manhattan genauso wie im Dschungel des Amazonas. Aus dem gleichen Grund, warum auch im Tierreich kooperative Verhaltensweisen existieren, existieren sie beim Menschen. Weil eine bestimmte Balance von Kooperation und Aggression für eine Gesellschaft erfolgreicher ist als ein abweichendes Verhalten.
Hume und seine Zeitgenossen konnten nicht wissen, woher komplexe Verhaltensweisen und Normen, etwa im Umgang miteinander, kommen. Sie hielten das alles für eine Erfindung der Menschen. Wir sind heute klüger und können daher erkennen, dass Humes Feststellung nur in eng umgrenzten Fällen gilt, nicht aber allgemein gültig ist. Ich erwähne es bloß, weil es einem häufig wie ein allgemein gültiges Naturgesetz vorgehalten wird – was es nicht ist.
"Sind Einhörner innen hohl?" Jeder erkennt sofort, dass sich eine Antwort darauf erübrigt, da die Frage eine falsche Voraussetzung enthält, nämlich die Existenz von Einhörnern. Jede Antwort darauf ist Nonsense. "Die Materie/Evolution kann keine Verhaltensnormen hervorbringen – woher kommen sie dann?" Das ist ebenso eine Frage mit einer nicht zutreffenden Voraussetzung im ersten Halbsatz. Deshalb sind auch die Antworten auf die Frage falsch.
Vertrauen in die Glaubensinhalte. Deren Wahrheit, sofern davon die Rede, ist vorausgesetzt, wird nicht überprüft, ihr Gegenteil nicht in Erwägung gezogen. Sie kann daher nicht empirisch und von der Form des Für-wahr-Haltens sein, bei dem auch die mögliche Falschheit in Betracht kommen muß.
Dazu zwei Anmerkungen:
1. Du schreibst, es ginge rein um Vertrauen.
Warum gibt es dann die Bibel? Warum die vielen (angeblichen) Zeugenaussagen? Warum die Wunder? Diese Erzählungen wurden ja nur deswegen konstruiert, weil die Adressaten eben nicht vertrauen wollten, sondern weil diese nach Beweisen fragten. Würden die Gläubigen einfach nur glauben, dann hätten wir nicht ganze Bibliotheken von christlicher „Fachliteratur“, die Begründungen sind für ganz bestimmte Behauptungen. Wenn man einfach nur glauben würde, bräuchte es keine Begründungen. In den christlichen Bibliotheken finden wir aber nichts anderes als Begründungen.
2. Du schreibst, die Falschheit wird nicht in Erwägung gezogen.
Um einen Glauben für wahr zu halten, muss es einen konkreten Inhalt geben. Dieser Inhalt muss sich von anderen Inhalten abgrenzen. Man muss also in der Lage zu sein, zu sagen: „Dieser Inhalt gehört dazu, und dieser nicht“. Der Glaube kommt also nicht ohne eine Abwägung von Falsch und Richtig aus.
Das lässt sich übrigens an den vielen religiösen Konflikten demonstrieren, die auf den Konzilien ausgefochten wurden, und die keineswegs zu einer Einigung führten, sondern die dauernd weitere Aufspaltungen der Kirche zur Folge hatten. Hier in Deutschland kennt man vor allem den katholischen und den evangelischen Zweig, aber tatsächlich gibt es noch zahlreiche weitere Abspaltungen.
Martin Luther hatte eine sehr konkrete Vorstellung davon, was der „richtige“ Glaube sei und was „falsch“ wäre. Man kann also nicht behaupten, im Glauben würde die eventuelle Falschheit nicht in Erwägung gezogen.
Damit das Thema künstliche Intelligenz nicht ganz austrocknet, ein Hinweis auf ein Buch, das vom einem prominenten, frühen Opfer des technologischen Fortschritts geschrieben wurde.
Selbst wenn es um unterschiedliche Aspekte der gleichen Sache geht, dürfen sie sich dennoch nicht widersprechen, zumindest nicht in der Existenz der Sache.
Vergleiche ein Gemälde und eine Photographie, die beide diesselbe Sache abbilden. Auf dem Gemälde können sich ohne weiteres Farbpunkte von einer bestimmten Farbe befinden, die an der entsprechenden Stelle auf der Photographie nicht existieren.
Zitat:
Zitat von Jörn
Deine Einteilung in „gewöhnlich und ungewöhnlich“ impliziert bereits das Ergebnis ...
Ich hätte auch schreiben können: Es kann kein Handeln im eigentlichen Sinne sein. Das bedeutet auch nicht die Existenz eines uneigentlichen Handelns.
Zitat:
Zitat von Jörn
Ist das womöglich eine nicht-falsifizierbare These?
Natürlich ist das nicht falsifizierbar. Eine These ist es ja auch nicht.
Zitat:
Zitat von Jörn
Wie willst Du herausfinden, ob ein (von mir aus Spaß erfundener) Aspekt überhaupt etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat?
Die Frage ist schlecht gestellt. Ich muß gar nichts herausfinden, sondern mir nur bewußt machen: daß ich die Welt jeweils durch eine Brille (oder mehrere) betrachte, z.B. eine wissenschaftliche oder eine religiöse. Solltest Du eine andere erfinden und damit für Dich gute Ergebnisse erzielen, ist es genug Verbindung mit der Wirklichkeit.
Zitat:
Zitat von Jörn
Wenn man einfach nur glauben würde, bräuchte es keine Begründungen.
Das stimmt. Aber auch wenn vieles von dem von Dir Genannten in der Form einer Begründung auftreten mag, kann dies nicht seine Funktion sein, denn diese kann es gar nicht erfüllen. Wenn etwas außer der persönlichen religiösen Erfahrung wirklich als Begründung gebraucht oder verstanden wird, liegt m.E. ein Irrtum vor.
Zitat:
Zitat von Jörn
Man muss also in der Lage zu sein, zu sagen: „Dieser Inhalt gehört dazu, und dieser nicht“. Der Glaube kommt also nicht ohne eine Abwägung von Falsch und Richtig aus.
Ja, der zugehörige Inhalt ist richtig, der andere falsch. Die Abwägung darüber stellt aber anders als etwa in der Wissenschaft einen Sonderfall dar und findet im normalen Modus des Glaubens nicht oder sehr selten statt. Auch nicht alle Tage werden neue Kirchen gegründet.
War das nicht bisher Deine Definition von Aberglauben?
Nein, dazu fehlt z. B. das Merkmal der gedachten, hinzukommenden Wirksamkeit.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Stimmt genau!
Ich fürchte A wäre nicht überzeugt und würde sich zu Recht von seinem Vorhaben so nicht abbringen lassen. Eine Norm muß einen Handlungsgrund liefern, sonst ist es keine. Regelmäßigkeiten im Verhalten liefern aber nicht automatisch Handlungsgründe, darum sind sie etwas Anderes als Normen.
Selbst wenn man Deiner Erklärung auch für die Entstehung von Normen zustimmen würde, wäre die Bedingung nicht erfüllt, denn eine Entstehungsgeschichte liefert auch keine Handlungsgründe; die Erklärung der Entstehung ist nicht die Erklärung der Geltung.