Der Hochglanz-Prospekt hatte einen See versprochen, der keine Wünsche offen lässt. Natürlich hatten wir auf so ein Werbegeschwätz nichts gegeben, aber überrascht hatte uns das Ganze dann doch.
Als wir am See ankamen, war alles wie immer. Während eine ganze Meute nicht-schwimmender Triathleten sich in den allerneuesten und Teflon-beschichteten Neos im hüfttiefen Wasser tummelte, lag Mrs Waldorf, geborenes Wagnerli, geschiedene Statler, in einem Liegestuhl im Beach-Club und hatte die Meute fest im Blick. Wir begrüßten sie erfreut und erkundigten uns nach Hazelman. „Der ist ´ne Runde ballern“, meinte der Coach und setzte hinzu „apropos ballern, wollt ihr auch einen?“ und dabei hob Mrs Waldorf ihr Caipirinha-Glas mit dem kecken Papierschirmchen auf Schulterhöhe. „Reines Vitamin C, besser als jeder Äppelwoi, ich sag´s euch“, fügte der Coach noch hinzu. Bevor wir antworten konnten, musste Mrs Waldorf aber schon wieder einen Rookie im Wasser beruhigen: „Des Maultäschle hat´s geschafft, die Ente hat´s geschafft und du kleine Gans wirst auch 3,8 Kilometer schaffen. Einfach immer schön locker bleiben und keine Schnappatmung, hörst du?!!“ Da der Coach dringend gebraucht wurde, gingen wir runter zum Ufer, um uns das Spektakel aus nächster Nähe anzusehen.
Der See war an diesem Tag auf „Monster-Bedingungen“ eingestellt. Die Wasser-Temperatur lag bei 9 Grad Celsius, und wer wollte, konnte sogar von der von Cruiser gestifteten Eidfjord-Fähre springen, die er damals von seinem 20. Norseman mitgebracht hatte. Die Schwimmstrecke war ein aufwendiger Zick-zack-Kurs, vor den Bojen gab es besonders geschultes Personal, das sich kurzfristig unter die Schwimmer mischen und den Senioren mit gezielten Schlägen und Tritten ein unvergessliches Waschmaschinen-Revival-Feeling vermitteln sollte. Gegen einen Aufpreis konnte man sich sogar die Brille vom Kopf hauen lassen. Wem es weniger um die Zeit als viel mehr um den körperlichen Nahkampf ging, hatte außerdem das „Britische-Triathleten-bringen-mich-vom-Kurs-ab“-Package gebucht.
Für den Fall, dass einer tatsächlich mal zu viel auf die Kappe bekommen sollte, hielt sich ein orange-farbenes Baywatch-Team bereit: Soloagua und Icey, die beide versuchten, in Zeitlupe zu laufen. Was im Film so einfach aussieht, ist in Wahrheit gar nicht so leicht. Zumal, wenn man dabei gleichzeitig versucht „I´ve been looking for Freedom“ zu singen. Aber die beiden machten das wirklich ganz ausgezeichnet.
Um den Community-Gedanken unter den Bewohnern zu stärken, hatte die Heimleitung sich etwas ganz Besonderes für den Massen-Start ausgedacht. Es wurde nicht runtergezählt, sondern alle riefen gemeinsam: „Alles ist gut, so lange du wild bist“ und dann ging die Post ab. Gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht, fanden wir.
Nachdem wir uns ein wenig umgeschaut hatten, entschieden wir uns, am Nachmittag wieder zu kommen, wenn der See auf „Cappuccino-Bedingungen“ eingestellt sein würde: mittlere Strecke in lauwarmen Wasser mit hübsch anzusehende Schaumkronen. Das klang gut. Um uns bis dahin die Zeit zu vertreiben, gingen wir zurück in unser Appartement, machten uns einen Iso-Drink und checkten unsere E-Mails. Dann plötzlich entdeckten wir die Enthüllung des Tages auf triathlon-szene.de. Lange schon hatte es Gerüchte gegeben, nun war es Gewissheit. Die große Schlagzeile lautete:
Keko gesteht: Ich kann gar nicht schwimmen.
Und mit diesem beruhigenden Gedanken sind wir dann sehr schnell in unseren Mittagsschlaf gedöst