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Zitat von Hafu
Ich erlebe es oft (auch im Kollegenkreis), dass gerade diejenigen die in der Vergangenheit von unserer (im Vergleich zu USA, Neuseeland oder Australien) offenen Asylpolitik bzw. in deinem Fall von den sehr humanen Spätaussiedlerregelungen profitiert haben und denen eine erfolgreiche Integration gelungen ist, sich auffallend strikt gegen weitere Zuwanderung aussprechen. Eigentlich ein Paradoxon. Auch bei z.B. italienischen oder türkischen Gastarbeitern, bzw. deren zweiter Generation ist mir das schon aufgefallen.
Die Spätaussiedler waren/ sind keine Kriegsflüchtlinge. Sie können selbstverständlich ihre Ausreise langfristig planen, können auch im Vorfeld z.B. noch in Russland Deutschkurse belegen und damit ihren Einstieg in unsere Gesellschaft planen. So haben es z.T. auch die osteuropäischen Ärzte und Pflegekräfte gemacht, die bei uns arbeiten.
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Ich bin zwar nicht beckerbongo, und will mich auch nicht mit seinen Posts identifizieren. Aber ich bin selber Spätaussiedler (gekommen 1980), und kann viellecht ein bißchen zum Paradoxon sagen (zumindest was mich betrifft).
Ich kam aus Rumänien, wo eines der Auswanderungsgründe ein drohender kultureller Identitätsverlust durch massive rumänische Besiedlungspolitik war: die deutschen und ungarischen Städte wurden durch massiven staatlich gesteuerten rumänischen Zuzug "romanisiert", und wir wurden Bürger zweiter Klasse in unserer Heimat. Das ist schon mal ein erstes Erlebnis, was uns Siebenbürger gegen unbegrenzte Zuwanderung von anderen Kulturen skeptisch macht.
Die Informationsmöglichkeiten über die Bundesrepublik waren damals übrigens unvergleichlich spärlicher, als heute. Den Einstieg in die Gesellschaft konnten wir nicht planen, da es eine Welt voller fremder Strukturen und Abläufe war, die wir mühsam erlernen durften. Wir haben uns die Integration erarbeitet. Uns war klar, daß hier niemand hurra schreit, weil wir kommen, bestenfalls interessiert es keinen. Wir waren aber dankbar, eine Chance zu bekommen; mehr habe ich nie erwartet, dies habe ich aber bekommen, und dafür bin ich dankbar. Ich glaube nicht daran, daß ich ein Recht habe, mich in einem beliebigen Land niederzulassen; ich bin einfach dankbar, wenn mich ein Land, wo ich gerne leben würde, aufnimmt. Wenn nicht, ist es sein gutes Hausrecht.
Wir haben uns auch damit abfinden müssen, daß unsere Ausbildungen ohne Prüfung grundsätzlich als minderwertig betrachtet und nicht anerkannt wurden. Wenn wir dazugehören wollten, mußten wir erst lernen, wie das Leben hier funktioniert und worauf die Menschen hier Wert legen, und dies mehr oder weniger zu Eigen machen. Wer das geschafft hat, gehört heute dazu. Ich kenne aber auch viele Familien, die nie "angekommen" sind, weil sie nie aufgehört haben, sich und ihre frühere Weltsicht mit "den Deutschen" zu vergleichen und zu beklagen, daß die Leute und das Leben hier anders ist, als was sie davor kannten. Je mehr Siebenbürger auf einem Haufen lebten, desto häufiger traf ich diesen Typus.
Diese Erfahrung hat mich gelehrt, daß Integration primär die Aufgabe des Zugegzogenen ist, und von den Einheimischen nicht mehr zu erwarten ist, als eine faire Chance auf Bewährung und reichlich verständlicher Vorbehalte. Ich habe mehrfach beobachtet, wie Menschen ohne den Integrationswillen, die zu stark an ihrem früheren Leben hingen, zwischen den Welten hängen blieben.
Meine Schlußfolgerung aus dem Ganzen ist: Meine Erwartungen an jeden, der irgendwo zuwandert, sind entsprechend hoch. Und ich glaube auch nicht, daß eine Gesellschaft eine beliebig große Zahl von Zuwanderern mit großen kulturellen Unterschieden problemlos aufnehmen kann. Ich bin weit davon entfernt, in D die Beste aller möglichen Welten zu sehen, aber es ist immerhin eines der Besten, die ich bisher erlebt habe, und wäre froh, wenn ich noch lange dieses Gefühl haben könnte.