Außerdem hätte ich gerne eine Ausarbeitung über die Einflüsse auf (und die Einflüsse verursacht durch) den Feminismus unter Berücksichtigung der jeweiligen Macht- und Einflussstrukturen im Verlauf der Zeit.
@captainbeefheart
Du verwendest eine mir nicht geläufige Fachterminologie. Insofern bin ich unsicher, ob ich deine Frage überhaupt verstehe. Fast vermute ich, dass du die Antwort auf deine Frage kennst?
Wenn es dir nicht zuviel Aufwand bereitet, würde mich eine Version in einer etwas alltäglicheren Sprache interessieren
Mir scheint, captainbeefheart wollte in erster Linie sagen, dass "fiktiv" keine ganz passende Bezeichnung für all das ist, was Klugschnacker aufgezählt hat.
Keine Ahnung, warum er das so kompliziert ausdrückt.
Oder er wollte was ganz anderes sagen, von dem ich keine Ahnung habe.
Worauf es mir ankommt ist die Feststellung, dass es sich bei diesen Wertesystemen um verabredete, von Menschen festgelegte Systeme handelt.
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wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir zahlreiche fiktive Systeme pflegen
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Wichtig scheint mir zu sein, dass solche fiktiven Systeme sich ihrer fiktiven Wurzeln bewusst sind
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wird Sinn zu Unsinn
Die von Dir beschriebenen Systeme (Glaubensgemeinschaft, GmbH) und alle weiteren Systeme (Sportverein etc.) sind soziale Systeme und prinzipiell gleich konstruiert:
Sie grenzen sich gegenüber anderen Systemen ab, die Systemelemente sind Menschen, die interagieren. Die Interaktionen sind immer Kommunikation, die konstituierend für das Entstehen und die Erhaltung des jeweiligen Systems ist. Es gibt auch jeweils Kommunikation, die den Eintritt und den Austritt aus dem System bedingen. Und: jedes System differenziert sich funktional aus.
Und hier liegt der einzige inhaltliche (nicht strukturelle) Unterschied: die Systeme bilden unterschiedliche Funktionen aus, die sich jeweils an einer prinzipiellen Unterscheidung festmachen und das System formen. Das Wirtschaftssystem entlang von Allokation/Nicht-Allokation von Ressourcen, das Rechtssystem entlang von Recht/Unrecht, das Glaubenssystem entlang von Immanenz/Transzendenz, das Wissenschaftssystem entlang von wahr/unwahr usw.
Entlang dieser Unterscheidungen bilden die Systeme Formen aus und grenzen sich gegenüber den anderen ab. Es sind dann prinzipiell geschlossene, "autopoietische" Systeme. Insofern ist die Zuweisung von Sinn und Unsinn über die Systemgrenzen hinweg nicht wirklich zielführend, weil jeweils andere Codes und Kommunikationen das System bedingen, die Sinnzuweisung also nur "aus dem System heraus" nachvollziehbar und erklärbar wird.
In meiner Wahrnehmung war das auch Teil der Argumentation von Zarathustra in der Zarathustra-Jörn-Debatte.
Meine Überlegungen haben also nichts damit zu tun, dass ich Gedanken verbieten will, sondern zielen in eine andere Richtung. Mir geht es um Denkstrukturen: lerne ich, Dinge unhinterfragt zu glauben, weil sie mir so gesagt werden? Wir alle haben als Kinder so gelebt, als unsere Eltern uns gesagt haben: „Fass nicht auf den Herd, sonst verbrennt Dir die Hand, spring nicht aus dem Fenster, sonst verletzt Du Dich tödlich“. Mit der Zeit können wir kritisches Denken erlernen und autoritäre Anweisungen hinterfragen.
Als Kinder sind wir genetisch darauf programmiert, unseren Eltern oder anderen Autoritäten zu glauben. Wir machen als Kinder normalerweise nicht mehr am eigenen Leib die Erfahrung, dass man Krokodile nicht streicheln darf oder manche rote Beeren nicht essen soll. Sondern wir erfahren es von den Erwachsenen. Weniger folgsame Kinder starben aus nachvollziehbaren Gründen aus.
Als Kinder können wir nur schwer zwischen wahren und fiktiven Geschichten unterscheiden. Dass Jesus in einem Stall zur Welt kam und später von den Toten auferstand, ist für die Religionslehrerin eine Metapher, für die Grundschüler aber eine wahre Begebenheit. Wenn die Kinder erwachsen werden, erkennen sie gelegentlich dieses Missverständnis. Dies jedoch meistens nur mit dem Verstand, nicht mit dem Herzen. Wer als Kind religiös erzogen wurde, wird nur schwer die Überzeugung wieder los, dass es "da oben" irgend etwas geben müsse. Religiöse Menschen sind fast immer die Kinder religiöser Eltern.
Ich bin einer Verfechter der Religionsfreiheit. Jeder soll glauben, was er für richtig hält und diesen Glauben auch ausleben, sofern er nicht andere Menschen beeinträchtigt. Wie steht es aber mit dem Recht der Kinder, frei von religiöser Beeinflussung, gegen die sie sich nicht wehren können, aufzuwachsen? Eltern haben zweifellos das Recht, ihren Kindern auch ihre Religion zu vermitteln. Als Gegengewicht sehe ich die Schulen in der Pflicht, den rein mythologischen Charakter der Religionen zu lehren. Der Staat würde dadurch die Rechte der Kinder vertreten, frei von ideologischer Beeinflussung aufzuwachsen.
Als Kinder sind wir genetisch darauf programmiert, unseren Eltern oder anderen Autoritäten zu glauben.
Ich wüsste nicht, wo für den genetischen Code "Elternautorität anerkennen" oder allgemeiner "Autoritäten anerkennen" eine nachvollziehbare Herleitung existiert.
Womit Kinder tatsächlich geboren werden ist "Urvertrauen" und dass wir dieses gegenüber dem "next relevant other" (das müssen nicht zwingend die Eltern sein) zeigen. Auf dieser Basis kann sich dann im sozialen System "Familie" Autorität herausbilden.
Autorität ist im Kern eine soziale und dann, erst davon abgeleitet, auch eine personenbezogene Kategorie.
Wikipedia dazu: "Autorität ist im weitesten Sinne eine soziale Positionierung, die einer Institution oder Person zugeschrieben wird und bewirken kann, dass sich andere Menschen in ihrem Denken und Handeln nach ihr richten. Sie entsteht (durch Vereinbarungen oder Herrschaftsbeziehungen) in gesellschaftlichen Prozessen (Lehrer/Schüler, Vorgesetzter/Mitarbeiter) oder durch vorausgehende Erfahrungen von Charisma (nach Max Weber beruhend auf charakteristischen Charismatisierungsquellen, wie Stärke, Kompetenz, Tradition oder Offenbarung).
Autorität entsteht also in gesellschaftlichen Prozessen, genetisch ist da nix.
@captainbeefheart: Ich habe momentan keine Zeit zu antworten, danke aber für die verständlicheren Ausführungen und die Antwort auf die selbst gestellte Frage.
... Insofern ist die Zuweisung von Sinn und Unsinn über die Systemgrenzen hinweg nicht wirklich zielführend, weil jeweils andere Codes und Kommunikationen das System bedingen, die Sinnzuweisung also nur "aus dem System heraus" nachvollziehbar und erklärbar wird.
In meiner Wahrnehmung war das auch Teil der Argumentation von Zarathustra in der Zarathustra-Jörn-Debatte.
Ja, darauf wollte ich unter anderem auch hinaus. Danke für das Weiterführen dieser Argumentationslinie!