"Es seien weitere Untersuchungen durchgeführt worden, die etwaige Zweifel beseitigt und schließlich auch, wie er sich schriftlich habe bestätigen lassen, seinen internen Kritiker aus Hannover überzeugt hätten. Der Fachkollege Arnold Ganser von der Medizinischen Hochschule Hannover hatte Nacharbeiten gefordert, und diese seien inzwischen erfolgt. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung würde demnächst folgen; sie soll dann veröffentlicht werden."
Welche Veröffentlichungen damit genau gemeint sind, und wo man sie findet, weiß ich nicht.
Dieser Text in der Stuttgarter Zeitung beruht aber ausschließlich auf den Aussagen Ehningers gegenüber einem Reporter der Zeitung und Ehninger hat sich mit seinen Aussagen und schriftlichen "Gutachten" soweit aus dem Fenster gewagt, dass seine gesamte wissenschaftliche Ehre und Reputation auf dem Spiel steht. Der kann gar nicht mehr zurückrudern.
Es wäre eine Frage der journalistischen Sorgfaltspflicht gewesen, dass die Stuttgarter Zeitung in Hannover bei Professor Ganser angerufen hätte und dort O-Töne eingeholt hat, ob der Fall wirklich mittlerweile von diesem komplett anders bewertet wird und die Zweifel an der Diagnose einer HS ausgeräumt seien.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei jemandem also eine HS ohne nachweisbaren Membrandefekt vorliegt sinkt damit auf 1:10 000 bis 1:20 000!
Auch diese Zahl spielt keine Rolle. Sie gilt, falls Du sie richtig dargestellt hast, woran ich nicht zweifle, für eine beliebige, zufällig ausgewählte Person. Wir haben es aber nicht mit irgendeiner Person zu tun, sondern mit einer, die ein sehr spezielles Merkmal aufweist.
Ausschlaggebend ist diese Wahrscheinlichkeit: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Person mit der bei Pechstein gefundenen Retikulozytenzahl und ihrer Dynamik an einer bestimmten Form der Kugelzellenanämie leidet?
Diese Wahrscheinlichkeit liegt vermutlich sehr viel höher.
Nach damaligem Reglement hat die ISU mit ihrer Sperre richtig gehandelt, weil die beobachtete Erhöhung der Retikulozyten dafür ausreichend war.
Moment mal! Die ISU ist nicht an ein von außen vorgegebenes Reglement gebunden gewesen, das sie lediglich umgesetzt hätte. Sondern sie hat diese Regeln selbst aufgestellt.
Genau diese Regeln sind jetzt Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Blutwerte Pechsteins sind heute die gleichen wie im beanstandeten Zeitraum. Sie hat dreimal Selbstanzeige deswegen erstattet, ohne gesperrt zu werden. Trotz unveränderter Blutwerte spricht niemand mehr von ihnen als Beweis für Doping.
Die ISU muss sich fragen lassen, ob die Kritierien für einen Dopingfall, die sie damals selbst aufgestellt hat, ausreichend waren.
Die Antwort kennen wir: Direkt nach Pechsteins Verurteilung wurden die Kriterien für einen Dopingfall verschärft.
Die "Dopinggeschichte" um C.P. wäre in meinen Augen ziemlich anders verlaufen, wäre die Sportlerin beim DEC Inzell u.a. Weltspitze geworden. Die Konfliktfronten bekamen IMHO ihre Konturen, die Gestalt auf dem Hintergrund der Wiedervereinigung und des Umgangs mit Sportlern und Trainern aus der ehemaligen DDR (und vor allem auch wie ausländische Konkurrenten das sahen) sowie des Umgangs mit der Dopinggeschichte der DDR. (Omerta versus Aufklärung)
Joachim Franke, Trainer von C.P. bis 2011, war ein sehr erfolgreicher Eisschnellauftrainer der DDR und nach der Wiedervereinigung Bundestrainer. Er erhielt das Bundesverdienstkreuz 2002. Bekannt ist, dass er Mitglied in der geheimen Forschungsgruppe "Zusätzliche Leistungsreserven im Sport" in der DDR war.
Ich bin nicht objektiv in der Sache, weil mir mein Bauchgefühl ziemlich eindeutig sagt, dass Pechstein gedopt hat (habe ich glaube ich schonmal geschrieben) und dass es mit der Sperre letztlich die Richtige erwischt hat.
Natürlich genügt mein Bauchgefühl nicht, um eine Sperre rechtswirksam zu begründen und Pechstein wäre bei einem Freispruch in einem wieder aufgerollten Prozess nicht die erste Dopingsünderin, die letztlich mit ihrer Lebenslüge davonkommt. Damit könnte ich leben und so wichtig ist Eisschenllauf für mich auch nicht.
Das was mich an dem Fall eigentlich am meisten stört, ist die auf Jahre wirksame Diskreditierung des indirekten Dopingbeweises ohne den die Blutpässe einfach keinen Sinn machen. Man hat sich von den Blutpässen (die es auch im Triathlon gibt!) ein wirksames Mittel gegen Doping durch unbekannte Substanzen, für die es noch kein direktes Nachweisverfahren und gegen all die epo-ähnlichen Substanzen, die im Urin nur ganz kurz nachweisbar sind versprochen.
Pechstein war der Präszendenfall, auf den auch alle anderen Fachverbände starren und wenn dieser Fall in einem millionenschweren Fiasko für den Eisschnellaufverband endet, dann kann man das sündhaft teure Blutpässe-Programm genauso auch wieder einstampfen, denn seit Pechstein gab es meines Wissens kein abgeschlossenes Verfahren mit indirektem Beweis mehr und wird es aufgrund des Verfahrensrisiko in zukunft vermutlich auch nicht mehr geben. Ob es tatsächlich seit Pechstein keinen Sportler mehr mit hochauffälligem Blutpasswerten gegeben hat, wage ich aber zu bezweifeln.
(Jetzt verreise ich aber auch , bzw. widme mich echter Arbeit)
Ausschlaggebend ist diese Wahrscheinlichkeit: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Person mit der bei Pechstein gefundenen Retikulozytenzahl und ihrer Dynamik an einer bestimmten Form der Kugelzellenanämie leidet?
Das bezieht sich allerdings nur auf Personen, die weder Motiv noch Gelegenheit für abnorme Blutwerte haben.
Denn ob gedopt oder nicht: wie schon von HaFu gesagt, muss sie als Teilnehmerin einer Hochdopersportart immer vor dem Hintergrund aller möglichen Manipulationen betrachtet werden. Das wird in ihrem Fall vermutlich weder zu einem klaren Ja oder Nein in der Frage Doping oder Krankheit führen, aber wenn es so ist, muss man es auch so darstellen.
Ansonsten möge sie doch einfach bitte auch für eine beliebige Zeit nach Karrieende diese Anomalien aufweisen, dann sind wir alle überzeugt.