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Zitat von ziel
Meine frage an Dich Jörn. Wie stehst Du zur Bibel bzw. zu Jesus bzw Gott? Gruß Martin
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ziel, Du fragst mich nach meiner Haltung zur Bibel. Ich habe mich intensiv und über viele Jahre mit der Bibel, ihrem Inhalt und ihrem geschichtlichen Zustandekommen beschäftigt.
Die Bibel ist nicht vom Himmel gefallen. Sondern die Bibel ist das Ergebnis eines jahrhundertelangen Prozesses. Das weiß man, weil man die vielen Zwischenstufen gefunden hat. Nach und nach wurden also Texte ergänzt, geändert, umgeschrieben, entfernt, und so weiter. Die Bibel ist also nicht göttlich.
Sie
kann auch gar nicht göttlich sein, weil in der Bibel vor allem dummes Zeug steht. Der historische Teil ist größtenteils falsch. Der ethische Teil ist haarsträubend. Der naturwissenschaftliche Teil (über die Entstehung der Welt und der Lebewesen, oder über die vielen Wunder) ist leicht zu widerlegen.
Die Bibel ist genau das, was man erwarten würde, nämlich das Machwerk von (aus heutiger Sicht) fürchterlich ungebildeten religiösen Eiferern, etwa vergleichbar mit den heutigen Taliban. Sie offenbart keine göttliche Weisheit, sondern das, was die unwissenden Menschen damals für wahr hielten, oder was sie benötigten, um ihre Macht zu erhalten.
Das Alte Testament ist ein Sammelsurium aus religiösen Schriften von meist ägyptischen Ursprung (daher heißt der große Held auch "Moses", was ein ägyptischer Name ist). Viele Erzählungen und Lieder sind Kopien aus ägyptischen Schriftrollen (die Du in diversen Museen mit eigenen Augen überprüfen kannst).
Das Alte Testament wurde erweitert um den "Gründungsmythos" der Israeliten. Praktisch jede Kultur oder jedes Volk hat einen solchen Gründungsmythos. Sehr bekannt ist beispielsweise der Gründungsmythos der Römer: Romolus und und Remus wurden von einer Wölfin aufgezogen, und so weiter. Natürlich nimmt das niemand mehr wörtlich.
Wichtiger Teil eines Gründungsmythos ist meist eine Rechtfertigung für eine Landnahme. Man konstruiert einen Beweis dafür, dass einem das besetze Land tatsächlich gehört, und dass der herrschende König zu Recht auf dem Thron sitzt. Praktisch jedes Volk hat eine solche Geschichte parat, bei der ein König angeblich von Gott auf den Thron gesetzt wurde. Ein bekanntes Beispiel sind die ägyptischen Pharaonen. Aus dieser Zeit stammt auch das Alte Testament.
Deswegen besteht das Alte Testament zu weiten Teilen aus der Schilderung von Völkermorden und Überfällen auf andere Stämme und Städte. Die Israeliten wollten mit diesen Märchen ihre Landnahme und ihren Besitzanspruch rechtfertigen, indem sie sagten, Gott selbst hätte ihnen dieses Land gegeben.
Die vielen Gebote und Verbote aus dem Alten Testament sind größtenteils
älter als das Alte Testament und wurden immer wieder geändert und ergänzt. Das kann man klipp und klar beweisen, weil man die entsprechenden Schriften gefunden hat. Beispielsweise stammen die Regeln aus den Möses-Büchern 1-4 aus einer anderen Zeit als das 5. Buch. Oft wurden mehrere frühere Werke zusammengefügt, was erklärt, warum es manche Geschichten gleich doppelt gibt (etwa die Schilderung über die Schöpfung der Welt).
Manchmal hört eine Geschichte in der Mitte plötzlich auf, und es folgen einige Kapitel mit Regeln für Opfergaben oder den Militärdienst, oft in einer ganz anderen Ausdrucksweise. Danach geht die Geschichte weiter. Daran kann man erkennen, dass hier einfach zwei Schriften zusammengefügt wurden.
Durch dieses Zusammenfügen gab es irgendwann die viel zu große Menge an exakt 613 Geboten. Der herrschende Machthaber kam zu dem Schluss, dass sich keine normaler Mensch so viele Regeln merken konnte, die selbst kleinste Details festlegten. Deswegen beauftrage man damals eine Art "Kommission" (bestehend aus Priestern und Gelehrten), die aus diesen 613 Geboten die wichtigsten 10 destillieren sollten, sodass auch einfache Bauern sich diese Regeln merken konnten. So entstanden die Zehn Gebote.
Natürlich konnte man nicht sagen: "Hey, wir haben mal zehn irre Regeln aufgeschrieben, wie findet ihr das?" Stattdessen musste man diesen Regeln eine besondere Autorität verleihen, und so entstand der Mythos von den Steintafeln, die angeblich von Gott beschrieben wurden. Das war eine Finte, die man auch aus anderen Religionen bereits kannte. Heilige Steintafeln gibt's wie Sand am Meer.
Kein ernst zu nehmender Theologe, auch nicht der Papst, behauptet heute noch, dass Moses tatsächlich gelebt hat, oder dass die Israeliten tatsächlich aus Ägypten ins "Gelobte Land" gezogen wären. Sogar der Papst gibt zu, dass die Geschichte mit Adam und Eva nicht wahr sein
kann.
Ich kann gerne noch was zur Entstehung des Neuen Testaments schreiben, falls es überhaupt jemanden interessiert.