Szenekenner
Registriert seit: 17.10.2006
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Knicklichtfinnish, feat Rambo III oder Scheiße, es geht noch langsamer
Der Titel lässt schon Fürchterliches erahnen, aber erst mal der Reihe nach.
Das Training: Im November habe ich meine letzte Langdistanz absolviert (12:13Std), da lag ein Sub12 Finnish recht nahe. Mitte Dezember, Anfang Januar begann ich mit dem Training, im März ein Trainingslager auf Mallorca, im Mai dann noch eins auf Lanzarote. Ich trainierte im Schnitt sicherlich 15std pro Woche, das gesetzte Ziel sollte also nicht allzu unrealistisch sein. Kleinere Rückenprobleme im Vorfeld zwangen mich auch nicht, von meinem sub12-Ziel Abstand zu nehmen müssen.
Am Donnerstag fuhren meine Eltern und ich gen Regensburg. Wir quartierten uns in einer kleinen Pension mit hauseigener Metzgerei in unmittelbarer Nähe zum Guggenberger See (nicht Guggenheimer) ein. 51Euro incl. Frühstück für 3 Personen ist sehr günstig, aber völlig ausreichend. Am gleichen Tag noch das Wasser im See getestet und dann noch die Startunterlagen abgeholt.
Freitag traf ich mich mit ein paar liebgewonnen Forumskollegen und Kurt Denk zu einem Eis, später gesellte sich noch Sonja Taisisch nebst Ehemann zu uns. Kurz danach begann auch schon die Wettkampfbesprechung. Die Location war ein Großzelt am Dultplatz. Im Zelt war es sehr heiß, aber glücklicherweise hat die Hitze meine Rückenverhärtung gelockert, so dass nach 1Std davon nichts mehr spürbar war. Ein Raunen ging durch die Menge, als Renndirektor Kai Walter einen Landstart verkündet hat. Landstart bedeutet, 2000 gekloppte laufen nach dem Startschuss zeitgleich ins Wasser, um ja keine Sekunde zu verschenken. Das kann ja heiter werden. Am frühen Abend begann gegen 19Uhr die Pastaparty, Fleischpflanzerl, gefüllte Tortelloni, Käsekuchen sollten genügen, denn ich hatte ja bereits ein Eis und auch noch einen Wurschtsalat aus dem Spitalgarten intus.
Samstag stand dann ein kurzes Einrollen über 30min und 2km Laufen auf dem Plan. Die Form und die Kraft waren da. Leider hatte ich aber auch ungelogen 8 Toilettenbesuche an diesem Tag zu überstehen. Ein Vormittagsschläfchen und ein Nachmittagsschläfchen sollten genügen, um etwaigen fehlenden Schlaf aufzufangen. Gegen 16Uhr checkte ich mit Sack und Pack am See ein, die Radabgabe war völlig problemlos.
Raceday:
Der Wecker stellte ich mir für 4:30Uhr, ich war allerdings schon wesentlich früher wach, 5Std Schlaf sollten genügen, 2 Toilettenbesuche und sah ich mich am Frühstückstisch sitzen. 2 Brötchen konnte ich essen, so viel wie noch nie vor einer Langdistanz. Heute ist also mein Tag, leerer Darm, voller Magen, so soll es sein.
Wir parkten im Neubaugebiet von Neutraubling, das war die kürzeste Entfernung zum See. Der See war seltsamerweise noch großräumiger abgesperrt als der Langener Waldsee. Spezialisten hatten die Teilnehmer schon am Samstag auf einem frischgemähten Stoppelfeld parken lassen. Wie heiß werden noch mal Katalysatoren? Das gibt ein Flächenbrand apokalyptischen Ausmaßes. Genauso hätte es aber auch regnen können, da hätte nur noch allradbetriebenes Auto geholfen. Dabei hatte der See sehr viele Parkplätze, ok, die Radstrecke führte am See vorbei und es hätte niemand mehr mit dem Auto wegfahren können.
Kurz nach 6Uhr war ich in der Wechselzone, alles vorbereiten, zurechtlegen etc. Einpaar Bekannte grüßen und rein in den Neo, einschwimmen und hinten einsortieren. Man will ja nicht Gefahr laufen, schon nach 20m aufgeben zu müssen. Um 7Uhr ein Schüsschen, wer mal im Kraichgau gestartet ist, weiß was es für ein Bums bei Hells Bells gab. Es gab für mich kein Halten mehr, rein ins Getümmel. Wo bin ich hier nur rein geraten, ach du liebes bisschen. Ich fand überhaupt keinen Rhythmus. Ich hatte ein beklemmendes Gefühl in der Brust, was nicht an der Enge des Neo lag, sondern an 1800 Mitschwimmern. Als Rechtsatmer, mit tiefstehender Sonne auf der rechten Seite hatte ich sehr große Probleme. Ich schwamm kreuz und quer, obwohl ich mich mittig einsortierte, fand ich mich auf einmal sehr weit links wieder. Ca 20m von den Bojen weg. Die Bojen waren von außen sichtbar, aber im See kamen sie einem sehr klein vor und gelbe Bojen vor heller Sonne ist nicht so optimal gelöst. Nach 1,9km sollten die Bojen jetzt links sein, die Bojen war gelb mit weißem Aufdruck, also auch nicht viel besser gelöst. Auf dem halben Rückweg war ich plötzlich mitten auf dem See, auch wieder sehr weit weg von den richtungsweisenden Bojen.
Fazit Schwimmen: 1:22Std war jetzt schon mal langsamer als geplant und auch langsamer als es die Trainingsergebnisse vermuten ließen. Aber kein Problem, Mund abputzen, weiter geht’s.
Das Radfahren, meine Lieblingsdisziplin:
Was habe ich nicht alles von der Radstrecke gehört, von sehr hart bis geschenkt. Mir hat es gelangt, steiler hätte es nicht sein dürfen, sonst hätte ich schieben müssen. Die Abfahrt war toll und die Gegenwindpassagen zum Heulen.
Nach dem See ging es erst mal 10km flach bis auf Autobahn- und Donaubrücke bis zum ersten Anstieg. Ich habe ja mit allem gerechnet, aber so hart hatte ich mir den Anstieg nicht vorstellt. Beim Training gehe ich ja keinem Anstieg aus dem Weg, aber das war irgendwie anders an dem Tag, irgendwie unbeschreiblich. Ich nahm mir vor, an jeder Verpflegungsstelle 1 Gel zu essen, dazu noch pro Rennstunde ein BiFi und eine Tüte Powerbar Gums und noch eine halbe Banane, bis zur 2ten Verpflegungsstelle hat das auch funktioniert, danach allerdings ging wie bei den 5 Ironman zuvor nichts mehr rein. Der erste Anstieg ging gerade noch so, bis nach Brennberg hinauf brauchte ich bis KM30, 1:10Std für die Höhemeter war das völlig in Ordnung. Voller Adrenalin und Scheißegalhaltung fuhr ich so schnell wie noch nie auf dem Auflieger, 75km/h. Einfach der Wahnsinn, das hat richtig Spaß gemacht und ich hatte überhaupt gar keine Angst. Unten begannen die Gegenwindpassagen, teilweise 24km/h, dann wieder 35km/h, irgendwie seltsam hier. Nach 2:45Std war die erste Runde vorbei und ab hier setzte das große Leiden ein. Mit Ach und Krach quälte ich mich ein 2tes Mal nach Brennberg hinauf, nur im Wiegetritt und mich großer Anstrengung für meinen unteren Rücken habe ich es geschafft ohne abzusteigen. Was war los, noch langsamer hätte ich nicht fahren können, dann wäre ich umgekippt und schneller ging es auch nicht. Neben dem Ernährungsproblem musste ich mich ab KM 100 ständig mit Wasser kühlen, Helm, Gesicht, Arme, Beine, alles musste ich kühlen, nur es half nichts. Ich war jetzt an einem Punkt, an dem ich mehr Kühlung was Getränke brauchte. Die Rückenschmerzen in der Ebene wurden immer schlimmer, so dass ich fast nur noch Oberlenker fuhr und dem Sattel ging. Bei KM 120, war dann Schluss mit Lustig. Das Bananen-Erdbeer-Gel schoss in meinen Mund und genauso schnell wieder raus. Hätte der Schluckreflex eingesetzt, hätte ich vom Rad kotzen müssen. Aber hier war es also vorbei mit der Nahrungsaufnahme. So langsam stiegen mir die Tränen in den Kopf und erste Zweifel kamen auch, warum schon wieder, warum ich, was habe ich getan. Nützt ja alles nichts. An der letzten Verpflegung hielt ich an, ich wollte keine 2:1 Cola trinken, wenn schon das eklige Gebräu Pepsi, dann eine richtige. Ich schnappte mir eine Flasche Pepsi und füllte sie in eine Radflasche. Hier machte ich einen ersten persönlichen Kontakt mit den bayrischen Helfern. Die waren alle so nett und machten sich Sorgen, ich war vermutlich der erste, der überhaupt mal für ein Schwätzchen angehalten hat. Nach kurzer Zeit versuchte ich mein rechtes Bein über den Sattel zu heben, leider ohne Erfolg, die Schmerzen waren so stark, es ging nicht. Ich bat also einen Helfer, mein Rad so zu kippen (quasi fast auf den Boden zu legen), dass ich mein Bein rüber schwingen konnte. Ich sage noch, wenn ich die Kurbel nicht rum bekomme, falle ich hin, er soll doch bitte aufpassen. Die Kurbel ging rum und ich quälte ich weitere 40km bis ins Ziel. Landschaftlich toll, besonders der Teil im Bayrischen Wald. Die Streckenabsicherung war einzigartig, an jedem Feldweg, sei er noch so ruppig, saß ein Ordner oder 2/3. Viele hatten eine Kühlbox dabei und machte ein Happening, teilweise wurde gegrillt, teilweise aber auch nur geschlafen oder gelesen.
Fazit: so langsam bin ich während eines Ironmans noch nicht gefahren, 6:39Std, einfach unterirdisch, eigentlich war ich auf 1 Std schneller eingestellt, nach 7std wollte ich auf der Laufstrecke sein.
Meine Lieblingsdisziplin, das Laufen
Im Wechselzelt angekommen, fragte ich einen Rettungssanitäter ob ein Arzt in der Nähe sei. Ich zog mich um und schälte mich in meine Skin Ice Kompressionsklamotten. Im Anschluss noch bei einer Ärztin vorbei. Ich wollte Pillen, min 800mg Dicloflenac oder Ibuprofen. Pillen gab es keine, ich hätte eine Spritze bekommen können, da wäre das Rennen aber vorbeigewesen. Den Gefallen wollte ich der Ärztin aber nicht tun. Also rannte ich los, natürlich viel zu schnell, aber da ich wusste, dass der Akku bald sehr schnell, sehr leer sein würde. 12km/h also einen 5er Schnitt. Es war einfach unbeschreiblich, mit so vielen Leuten hätte ich nicht gerechnet. Und alle haben wie wild gejubelt. Ob es an dem einzigartigen Outfit lag, ich war sicherlich der erste Triathlet, der in dem Outfit einen Ironman bestritten hat. Die Menschen an der Strecke, besonders im Innenstadtbereich waren so zahlreich, überall wurde mein Name gerufen. Zu Beginn sicherlich wegen meines Outfits und meines Tempos, später wohl nur noch wegen meines Outfits und hin und wieder wegen meines jämmerlichen Daseins. Bei KM 8 war der Akku letztendlich leer, bis dahin habe ich ja nur noch kleinste Schlucke Pespi getrunken und schon seit 2 Stunden nichts mehr gegessen. Der radikale Einbruch war nur verständlich. Während der nächsten Runden ging mir so viel durch den Kopf, man denkt über Gott und die Welt nach. Wieso, warum, was habe ich falsch gemacht, was kommt als Nächstes etc. Ab und zu habe ich wieder versucht anzutraben, aber ich bekam wieder recht schnell ein Übelkeitgefühl, Schweißausbrüche etc. Es ging 4 mal an dieser ehemaligen Armenküche vorbei und mein Magen rebellierte immer stärker, dieser furchtbare Geruch, der sich in der Altstadt festsetzte war grausam.
Permanent musste ich an die warmen Worte von Ute und Dieter Bremer denken, alles nur nicht aufgeben. Ich hatte mir natürlich ein paar Strategien zurechtgelegt. Da ich ein DNF noch von 2008 kannte und mir das immer noch im Kopf rumschwirrte, war eine Aufgabe zu keiner Zeit ein Thema. Unterwegs traf ich sehr viele „Geher“, so viele wie noch nie. Ein späterer Blick in die Ergebnisliste zeigte, so viele dnfs gab es selten, weit mehr als 10%. Die kleinen Schwätzchen vertrieben mir die Zeit gerade auf den langweiligen Passagen. Die Strecke wurde immer leerer und es wurde dunkel. Zum 4ten Mal am Westweiher angekommen lagen schon Knicklichter auf dem Boden. Zu dem Zeitpunkt war ich schon nicht mehr in dieser Welt. Wasser- und Kohlenhydratmangel kamen deutlich zum Tragen. Beim genaueren Hinschauen der Knicklichter merkte ich, dass die neongelben Lichter am Rand rot blinkten. Das ist natürlich Quatsch, aber ich habe die tatsächlich Blinken gesehen.
An der letzten Verpflegungsstelle, ca 2km vor dem Ziel, schnupperte ich noch mal Dixi-Luft und bekam sofort einen Brechreiz. Der Brechreiz ist was besonderes, denn ohne Mageninhalt gibt es nichts zu kotzen, die Folge ist ein Absacken des Pulses auf unter 50. Beim letzten Male, wurde ich in einen Krankenwagen eingeliefert bzw, bekam Infusionen und Spritzen. Ich dachte, ich würde die letzten Meter nicht mehr schaffen, ich bat also einen Helfer mich bis ins Ziel zu begleiten, wer weiß wo ich gelandet wäre, Danke Ungekannter.
Ab Stadtamhof konnte ich sprinten, es sollen erst mal die letzten Meter gewesen sein. Im Ziel wurde mir dann direkt schlecht und es ging in den SAN-Bereich. Ich war im Ziel 14:58Std, egal, die Hauptsache gefinnisht.
Das SAN-Zelt war leer und so genoss ich die Aufmerksamkeit sämtlicher Ärzte und Helfer. Ich bekam 2 Infusionen und 2 Spritzen gegen die Übelkeit. Der Behandlung hätte ich mich in Zürich beim IM Switzerland locker über 1000Euro gekostet. Die Auflage des Veranstalters war, ab 23Uhr den SAN-Bereich zu schließen, wer die Liege nicht verlassen konnte, musste ins Krankenhaus. Ich musste dem Arzt zeigen, dass ich was trinken konnte und es auch drin blieb, zum Glück musste ich nur einen kleinen Becher trinken. Mein erstes nennenswertes Getränk seit 10Std was den normalen Weg über die Speiseröhre nahm. Das nächste Essen sollte aber noch ein paar Stunden warten müssen, Leberkässemmel, Frikadellenbrötchen, Fleischwurstbrötchen als das habe ich mir verkniffen, obwohl ich in der Pension mehrfach an der Theke vorbeigelaufen bin.
Noch was zu meinem Outfit. Es mag zwar für viele komisch ausgesehen habe, aber Fakt ist, das Ding kühlt ungemein und das war mir wichtig. Die Kompression funktioniert auch, die Infusion ging nicht so einfach in die Vene wie ohne Kompression. Ich hätte das Oberteil schon beim Radfahren anziehen sollen, im Laufe des Radfahrens habe ich mehrere Liter zur Kühlung gebraucht.
Am Montag stand dann das Awarddinner an. Das Essen war zum Teil identisch mit der Pastaparty, aber ich war schon von den diversen Leckereien aus der Metzgerei gesättigt. Die Siegerehrung war toll, sehr emotional, die nicht nur manchen Athleten zu Tränen gerührt hat.
Gesamtfazit:
Der Ironman Regensburg ist eine sehr schöne und sehr gut organisierte Veranstaltung. Von der Herzlichkeit und der Begeisterungsfähigkeit der Leute noch höher anzusiedeln als der Ironman in Frankfurt. Die Strecke, besonders das Radfahren ist anspruchsvoller als das Hügelreiten in der Wetterau. Das Höhenprofil ist sehr stark geschönt und spiegelt in keinster Weise die tatsächlichen Qualen und Strapazen wider. Meine Leistung von 14:58Std war unterirdisch, mal wieder wurde ich trotz hohem Trainingsaufwand mit einer angemessenen Zeit belohnt. Die nächsten Jahre werde ich erst mal keine Langdistanz machen.
An dieser Stelle möchte ich mich bei diversen Leuten bedanken:
Meinen Eltern, die mich mal wieder bei einer Langdistanz begleitet haben. Auch wenn es für Nicht-Triathleten kaum nachvollziehbar ist und die Angst bei den eigenen Eltern am größten ist, nein ich will mich nicht umbringen
Ute meine Trainerin, Danke, es ist toll unter Deiner Anleitung zu trainieren.
Die vielen unbekannten Helfer und Zuschauer. Dem Veranstalter für den tollen Wettkampf, es war wieder mal einzigartig, besser konnte nicht laufen.
Den Jungs und Mädels aus dem Forum, es hat mich sehr gefreut, ein paar bekannte Gesichter an der Strecke zu treffen.
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