Sonntag morgen
Das erste was ich nach dem Wachwerden hörte: Das Wetter. Windstill rief jemand. Kein Wunder im Hof, der von 3 Seiten abgeschlossen ist.
Anziehen war einfach. Wenn man mit dem Zug anreist, nimmt man nicht soviel mit, also zieht man das an was man hat und macht sich die Gedanken schon zu hause und nicht am frühen Morgen. Lediglich die Frage der Socken war noch nicht geklärt. Meine Sealskins, die ich seit ca einem Jahr hab, aber noch nie getestet hab, stachen meine heißgeliebten Wollsocken aus.
Frühstück, hektischer Aufbruch zum Start im Dunkeln. Rucksackabgabe am LKW. Das Einsortieren im Startblock war für mich einfach. Die Frauen nach vorne. Danach die schnellen Fahrer der letzten Jahre. Dann die Meute.
Dunkel wars
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Die schnellen Jungs im Nacken
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45 Frauen, davon 2 deutsche, Gazelle, die eigentlich Anneke heißt (und in Holland geboren wurde), und ich, waren am Start. Die meisten davon Locals, wie sich den Trikotaufdrucken entnehmen ließ. Schnell noch nen Druckvergleich zwischen den Reifen der anderen Mädels und meinen, und noch mal was ablassen.
Kurze Ansage für die Frauen: Ihr startet gleich ohne Startschuß, sonst fahren die Männer los. Leises Gekicher und los. Bevor ich mein Pedal gefunden hatte, war das Feld weg. Erst versuchte ich noch ein Hinterrad zu erwischen, beschloß aber, dass das nicht mein Tempo sei und ich mich nicht jetzt schon leer fahren muss, zumal ich eher Dieselqualitäten hab. Es crunchte ordentlich, ah die erste Muschelbank, es folgten unzählig viele.
Gerade als ich mich mit meinem Einzelkämpferschicksal abgefunden hatte, rollte von hinten lautlos das Männerfeld ran und zog links und rechts vorbei. Jetzt eine GoPro, das wär ne geile Einstellung. Viele feuerten mich an, ich feuerte zurück. Nach 9 Minuten stand der Erste mit Platten am Rand, dem noch unzählig viele folgen sollten. Als es etwas ruhiger wurde, kam auch schon das erste Schiebestück, dem einige folgen sollten.
Nach 17 Minuten war ich komplett naß. Inzwischen hatte ich eine Gruppe gefunden, die ein angenehmes Tempo fuhr. Einige von Lars Ausführungen kamen mir in den Sinn, Immer guggen wo man längs fährt. Schnell ist man im Wasser, wenn man zu weit links fährt, zu weit rechts ist der Sand zu locker. Manchmal teilt sich die Gruppe. Man weiss vorher nie welcher Teil besser ist, man kann Unmengen Umwege fahren, oder sich im lockeren Sand kräfteraubend vorwärtskämpfen, wenn man den falschen Teil erwischt. Nicht jeder Sand der nass ist, ist auch gut zu fahren. Es gibt Priele, von denen man nicht weiss wie tief sie sind. Und diese unzählig vielen kleinen Löcher, in die man rauschen kann, weil man einfach nur Wasser sieht, und wie tief sie sind, merkt man erst, wenn man drin steckt. Immer wieder gab es Schiebestücke durch lockeren Sand die Dünen hoch und runter. Etliche Stürze, von Fahrern die versuchten hoch bzw runter zu fahren. Für längere Zeit hatte ich eine gut funktionierende Gruppe, die so groß war, dass ich wieder einen von Lars Tipps umsetzten konnte: Nie nach vorne gehen. Nach zwei Stunden kamen immer öfter diese Feldzerpflücker, lockere Sandansammlungen, wo man ordentlich Kraft aufbringen musste um durch zu kommen und noch mal ordentlich Kraft aufbringen musste, um wieder ans Hinterrad zu kommen.
Das kann nicht mehr lange gut gehen. Laß dich rausfallen, dachte ich mir als gerade ein Priel kam. Ein Holländer, mit dem ich seit einiger Zeit immer gleich auflag und wir uns immer wieder gemeinsam an unsere Hinterräder kämpften, und ich fuhren parallel in den Priel. Er erwischte die flache Seite, ich die tiefe. Er war kurz vor mir seitlich versetzt, als er durchtreten wollte um den Prielhang hoch zufliegen. Ein Schrei, das Pedal flog durch die Luft und er landete, den Kopf komisch verdreht, gerade ausserhalb des Wassers. Vor Schreck vergaß ich das Treten, kam den Hang nicht hoch, liess das Rad fallen und lief zu ihm rüber. Er bewegte sich nicht. Seine Kollegen kamen zurück und wollten sich kümmern. Leicht benommen fuhr ich alleine weiter.
Irgendwann kamen die Wacky Racers und luden mich in ihre Gruppe ein. Kurze Zeit später kam die erste Verpflegung und dann gings durch das elendig lange Hafenstück in Ijmuiden. An Ampeln musste man stehen bleiben, den Radweg benutzen, Vorfahrten achten. Es hatte sich mittlerweile eine große Gruppe gebildet, wo man so mitrollen konnte.
Kaum war der Strand erreicht, löste sich die Gruppe auf. Ich fuhr eine Weile allein weiter, versuchte auch nicht an andere Hinterräder zu kommen. Ich guggte mir die Landschaft an, die Kyter, die mit dem Wind spielten. Hunde, die versuchten BeachRacer zu jagen. Kinder, die abgeklatscht werden wollten.
Als ich in meine Trikottasche griff, um Riegel zu holen, merkte ich dass der komplette Rücken wund war, nicht nur der, auch der Allerwerteste. Irgendwann fuhr ich auf den Gazellenmann auf und wir plauderten, so dass die Zeit recht schnell verging. Kurz vor Petten ging die Strecke über dicke Basaltbrocken auf den Deich. Die Fahrer vor uns fuhren hoch, nur einer stürzte. Ich schaltete auf nen kleinen Gang und trat ordentlich. Puk, flog das Vorderrad weg. Ich kippte nach links, also Deichabwärts. Mit dem linken Fuß versuchte ich noch Halt auf den Steinen zu finden. Nix, ich flog auf den Rücken. Das Rad auf mich drauf. Meine rechte Socke verhedderte sich zwischen Kettenblatt und Kette. Toll, selbständig konnte ich mich aus dieser misslichen Lage nicht befreien. Zum Glück standen dort einige Zuschauer, von denen einer beherzt über die Brocken nach unten geklettert kam und ohne große Erklärung, wußte was er tun mußte. Inzwischen vermißte mich auch der Gazellenmann und kam mir entgegen gefahren.
Weiter gings recht flott auf dem Deich. Auf einmal standen überall Menschen, Flatterband sperrte die Strecke ab, Ordner hatten alle Hände voll zu tun, um uns eine Gasse freizuhalten. Da sah ich es: Ein gestrandetes Fischerboot war der Magnet, nicht wir. Kurz darauf kam die zweite Verpflegung. Weil Uwe auftanken mußte, hielt ich auch und aß ne Waffel. 20 km noch sagte der Helfer. Wenn ich so locker rollte, hatte ich immer das Gefühl jetzt könnte ich nochmal zum Endspurt ansetzen. Sobald aber ne Sandbremse kam, merkte ich meine müden Beine. Wieder ging es ab in die Dünen. 2 km noch, sagte die Helferin. Bevor ich zu Ende überlegen konnte, ob sie meint 2 km durch den Sand oder 2 km bis zum Ziel, sah ich Uwe schon aufs Rad springen und davon sprinten. Die kürzesten 2 km meines Lebens brachte ich in 3 Minuten hinter mich. Nach 5:18:04 Std erreichte ich das Ziel, im hinteren Drittel zwar, aber nicht als Letzte
Beim Ausziehen merkte ich dann erst wie gut es war, das ich die Sealskinz an hatte. Das Kettenblatt hatte ordenlich Spuren in Form einer Triangel an der Socke hinter lassen. Wenn ich mit der Wade auf das Kettenblatt gekommen wär, wärs deutlich blutiger ausgegangen. So sinds nur blaue Flecken und ein paar Schrammen geworden.
Ach, und Wetter hatten wir auch: Den absoluten Traum. Sonne, 14°C und Rückenwind.
Ich begleite Jeronimo zur Dusche
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Einen schicken Bus für die Schiedsrichter
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