So, dann legen wir mal los mit...Teil 1
Als Prolog meine persönliche kurze Geschichte der Ernährung:
Vor 17 oder 18 Jahren habe ich das letzte Mal Fleisch gegessen, Fisch vielleicht zwei, dreimal im Jahr, seit ein, zwei Jahren aber gar nicht mehr.
Um einen Eiweißersatz habe ich mich in aktiver Form nie gekümmert, zum einen weil mir das zu stressig war (und immer noch ist), zum anderen weil Eiweiß ja in vielen Sachen drin ist, die ich so esse, daher stehe ich diesem "Soja als Fleischersatz"-Thema auch schon immer ziemlich skeptisch gegenüber, denn Soja ist inzwischen eine klassische Industriepflanze mit den damit einhergehenden "Nebenwirkungen" für Umwelt und Gesellschaft, aber dazu später.
Als ich 2002 mit Sport, also Triathlon, begonnen habe, ging mir der Sport natürlich erst mal an den Magen.
(Ach so, mein Name hatte und hat übrigens nix mit meiner Figur zu tun, ich bin ein athletisch-muskulöser Typ mit 185cm und und hatte mit knapp 80kg nie Gewichtsprobleme, schon allein deshalb, weil ich keine Waage habe...;-))
Der Körper meinte auf einmal, nur weil er sich jetzt bewegt, auch richtig reinhauen zu müssen; legendär sind Essen, wo ich allein ein 1-Pfund-Packung Nudeln verdrückt habe und danach immer noch nicht satt war (bzw. meinte satt zu sein).
Das Essen ist ja bei unserem Sport generell ein Thema, da wir ja nicht nur in Trainingszeiten essen, sondern auch beim Wettkampf, vor allem wenn man wie ich überwiegend MDs und LDs macht.
Auf jeden Fall habe ich gemerkt, daß das mit der Ernährung nicht so der Hit ist, speziell bei WKs hatte ich den Dreh noch nicht raus. Da bekam ich 2003/2004 einen Hinweis auf das Buch "Natural Eating", nachdem ich davor schon jede Menge Bücher und Artikel zu dem Thema gelesen hatte.
Ich habe das Buch "verschlungen", sofort 100% umgesetzt, was nicht allzu schwer war, da ich schon immer gerne und viel Obst und Gemüse gegessen hatte. Und natürlich habe ich einiges an Erfahrungen gemacht
So habe ich z.B. gemerkt, daß
- man tatsächlich problemlos ohne Brot, Nudeln, Reis etc. auskommen kann,
- ein frugales Frühstück (also mit Früchten und Nüssen) mir viel besser getan hat als ein Müsli oder ein paar Brote,
- ein Apfel WÄHREND des Sportes Wunder wirkt
- und ein halbes Kilo Nüsse und Rosinen NICHT die ideale Verpflegung während des Radfahrens bei einer LD ist...
Im Lauf der Zeit habe ich einige Dinge wieder zurückgeschraubt, andere beibehalten und dabei etwas entwickelt, was ich die
"opportunistische Ernährung" nennen möchte (ich hoffe, alle kennen die eigentliche bzw. wissenschaftliche Bedeutung des Wortes "Opportunismus", denn ursprünglich und nach wie vor im wissenschaftlichen Gebrauch wird es nicht in einer negativen Bedeutung eingesetzt).
Im Prinzip funktioniert die so, daß ich
GRUNDSÄTZLICH (also zw. 50 und 100% des Tages)
- viel Obst, Gemüse, Nüsse (wir wohnen ja hier im Lindau direkt an der Quelle!)
- kaum Brot
- bißerl Käse, Eier, Butter, Sahne, Joghurt und Hüttenkäse
- keine Säfte, Tee oder Kaffee trinke, sondern nur Wasser (auch das eine Eigenheit von mir)
- und halt kein Fleisch/Fisch esse (wobei jetzt aber die Frage des Vegetarismus für eine "richtige" Ernährung nicht zur Diskussion stehen soll, das ist meine persönliche Entscheidung, auch wenn es natürlich viele gute Gründe gibt, sowohl auf Industriefleisch zu verzichten als auch die Zerstörung der Fischpopulationen weltweit nicht mitzutragen).
Ich sage grundsätzlich, denn nun kommen die opportunistischen Ergänzungen (NICHT Ausnahmen!). Opportunistisch deshalb, weil es Dinge gibt, die einfach wahnsinnig lecker sind, und Dinge, die ich im Rahmen des Sports nehmen muß, weil sie am besten für die Umsetzung meiner Leistungsfähigkeit funktionieren.
D.h., ich nehme
OPPORTUNISTISCH (also zw. 0 und 50% des Tages) zu mir:
- Nudeln, Reis, Kartoffeln, Brot
- Spezi
- selbstgemachte Süßigkeiten = Gebäck bzw. Frucht-Nußleckereien (dazu später)
- ab und zu Pommes, Pizza u.ä.
- Schokolade sehr selten und wenn, dann nur Zartbitter, da mir die Vollmilch inzwischen viel zu süß ist
- ab und zu Bier/Wein/Schnaps
- und was es noch so an vermeintlich "bösen" Sachen gibt
Da werden sich vielleicht manche den Kopf kratzen und fragen, was denn nun daran besonders sein soll (außer vielleicht fehlender Fleisch/Fisch).
Besonders ist daran gar nix, es geht nur um die Mengen der ersten (grundsätzlich) und ihr Verhältnis zur zweiten Gruppe (opportunistisch).
Ich will das an paar Beispielen verdeutlichen:
- Im Frühjahr 2004 habe ich mit einem Freund fünf Tage lang hardcore trainiert und nur Obst und Gemüse gegessen. Das war schwierig und wären wir nicht in der Schweiz gewesen, wo es leckere Nüsse mit Schokolade gibt, dann wäre ich die eine Nacht, in der ich vor Hunger aufwachte, elendlich zugrunde gegangen...;-). Soll heißen: Es gibt Situationen, in denen MUSS ich (evtl. ist das bei anderen Menschen anders) DICHTE Kohlenhydrate mit einer hohen Energiezahl zu mir nehmen, da ich meinen Körper entsprechend gefordert habe
- Wenn ich von einer härteren Radausfahrt heimkomme, der noch eine Laufeinheit folgen soll, dann liebe ich zwar meinen Apfel oder anderes Obst als Zwischensnack, aber es gibt auch wiederum Situationen, da "brauche" ich z.B. eine Spezi/Almdudler/Rivella, um das beim Radfahren entstandene Defizit SCHNELL aufzufüllen
- Wenn ich z.B. samstags eine knackige Radausfahrt unternehmen will, dann ist es für mich das Beste, im klassischen Sinne ordentlich zu frühstücken (das ist bei uns am Samstag zwischen 11.00 und 12.00 Uhr, weil wir vorher einkaufen gehen etc.), also Semmeln mit Butter, Marmelade, Honig etc.. Damit kann ich problemlos drei Stunden die Berge rauf- und runterknallen, ohne daß ich mich ums Essen kümmern muß (bitte jetzt keine Hinweise darauf, daß man auf dem Rad das Essen trainieren soll...ja, es gibt Radeinheiten, da kann man den Fokus darauf legen, aber von diesen spreche ich hier nicht). Ich könnte übrigens auch Haferflocken mit Nüssen etc. vor so einer Tour zu mir nehmen, hat einen ähnlichen Effekt.
- Ich habe hart trainiert und Hunger und KANN danach nicht sofort Salat oder Gemüse essen, weil mein Magen anscheinend Probleme hat, wenn ich ihm gleich mit Grünzeug komme. D.h. ich esse in diesen Fällen (wenn ich das Gefühl habe) erst einmal einen Hüttenkäse und ein bißerl Reis, Nudeln oder ein, zwei Kartoffeln (was halt gerade zuhause ist) oder auch ein paar Cracker - und erst dann gibt's, was es halt so gibt.
Meine inzwischen in Alltag, Beruf und Sport als tauglich befundene Ernährung richtet sich also vor allem danach, was ich gemacht habe, was ich machen will. in welchem Zeitraum ich es machen will und wie viel ich von der jeweiligen Gruppe schon gegessen habe.
Eine Karotte ist nicht "richtig", wenn ich danach ordentlich sporteln will, wohingegen eine Cola oder Gummibärchenzeug genau "richtig" sein können.
Ich denke, ein Punkt ist wichtig, und dieser wird vielleicht auch von den meisten hier so akzeptiert:
Was der Mensch in den letzten paar Tausend Jahren erfunden hat, ist maßgeblich dafür verantwortlich, daß er sich in seinem Sinne erfolgreich entwickeln konnte.
Das bedeutet aber noch lange nicht, daß es deshalb auch gut und richtig war bzw. heute noch gut und richtig ist. Ein krasses Beispiel, weil ich neulich ein Buch dazu in der Hand hielt:
DDT hat viel geholfen, aber schlußendlich haben die drastisch negativen Folgen zu seinem Verbot geführt.
Und ohne Zweifel ernähren sich immer mehr Menschen in der westlichen Welt komplett falsch, weil sie die im Supermarkt und in Restaurants angebotenen Nahrungsmittel ohne Backgroundwissen essen.
Wie sich ja schon im bisherigen Verlauf des Threads ergeben hat, is/ßt jeder Mensch anders, reagiert anders und ist anders erzogen worden.
Daher kann es keine EINE Ernährung für jeden geben, sondern meiner Meinung nach "nur" einen E
rnährungsrahmen, in dem sich jeder Tag für Tag situationsbedingt, eben opportunistisch, heraussucht, was für ihn in diesem Moment paßt und gut ist.
Meiner Auffassung nach sollte dieser Rahmen vor allem aus pflanzlichen Bestandteilen bestehen und mit tierischen Extras sowie industrialisierten "Leckerlis" geschmückt sein.
Im zweiten Teil gehe ich nun endlich auf die Grundsätze der als natürlich propagierten Ernährung ein, aber ich wollte erst einmal meine Philosophie VORAB klären, damit nicht wieder die üblichen Plattitüden kommen.
Gruß: Michel