„Das ist die perfekte Welle, das ist der (fast) perfekte Tag, lass dich einfach von Ihr tragen, denk am besten gar nicht nach…“
Nun ist es schon wieder vorbei, das zweite große Abenteuer, unser Start beim IM Frankfurt. All das Training, die Zuversicht, die Rückschläge, die Zweifel und die Freude auf den großen Tag!
Die Vorbereitung lief ja dieses Jahr für meine Verhältnisse recht gut. Ich war nur einmal kurz krank, ansonsten konnte ich durchtrainieren. Wenn im Januar nicht meine Schleimbeutelentzündung in der Schulter gewesen wäre, die mich zu einer langen Pause im Schwimmen zwang, wäre es tatsächlich perfekt gewesen.
Dann kam die MD Limmer, blöderweise war ich genau zwei Wochen vor dieser MD krank. Limmer lief für mein Empfinden im Schwimmen und Rad katastrophal. Ich hatte überhaupt keinen Druck auf dem Rad und meine Wattwerte waren unterirdisch, gefühlt „alle“ überholten mich. Das brach mich in der Tat schon ziemlich, ein „Hilfe-Anruf“ bei meinem Coach folgte, wobei ich alles in Frage stellte. Es waren nur noch zwei Wochen Training und zwei Wochen Tapering. Wie um alles in der Welt, sollte ich bis Frankfurt wieder fit sein. Mein Coach blieb wie immer ruhig, wir stellten das Training komplett um. Die Umfänge wurden runtergeschraubt, vorallem im Laufen. Es folgten Intervalle im Rad und Schwimmen zwei Wochen lang, dann Tapering. Was soll ich sagen, ich habe gelernt, dass in zwei Wochen noch „VIEL“ möglich ist. Mit jeder Einheit merkte ich wie alles wieder besser wurde, die Wattwerte wieder passten und ich auch im Schwimmen noch mal ordentlich zulegte, mein Selbstvertrauen kam wieder. Die leisen Zweifel blieben sicher noch, aber ich freute mich auf Frankfurt!
Durch Limmer war ich tatsächlich bereits sehr früh ziemlich aufgeregt, das Essen schmeckte mir schon sehr früh in der Rennwoche nicht mehr richtig, ein sicheres Anzeichen für Vorstartnervosität. Dann kam er, der Tag X und wir standen um 5 Uhr morgens in der langen Schlange für den Shuttlebus zum Langener Waldsee. Ich stöpselte meine Kopfhörer ein und hörte von nun an meine Playlist, die ich für die Fahrt mit dem Bus zusammengestellt hatte. Das Lied von Juli stimmte mich auf den Tag ein und bei Hall of Fame bekam ich bereits im Bus Gänsehaut und Tränen in die Augen.
Alles ging dann vorm Start recht schnell und ich stand in zweiter Reihe vor dem Auslass zum Rolling Start. Ohhhh nein, war ich schon bereit?? Ich weiß nicht…. Vielleicht sollte ich doch noch mal zurück? Nein, es gab kein zurück, es ging los. Unser Tag! Schwimmen lief bei mir ziemlich entspannt ab, ich sah wie alle gegen die Sonne rein gar nichts und schwamm einfach nach Gefühl. Ich hatte einen gefühlt guten Rhythmus, überholte viele Mitstreiter. Ich hätte jedoch gern mal von oben gesehen wie ich geschwommen bin, denn an jeder Boje wurde es total eng, nach den Bojen schwamm ich plötzlich allein. Rechts neben mir mit einigem Abstand die andere Meute. Ich schaute nach vorn, ich schwamm gerade auf die nächste Boje zu, meiner Meinung nach. So ging mir das bei jeder Boje! Und ja, ich schwamm ordnungsgemäß rechts vorbei. Keine Ahnung was das war Der Australien Exit war in der Tat viel schwerer als angenommen, ich hatte es zwar ein paar mal geübt aber irgendwie ging da trotzdem nichts. Ich bekam überhaupt keine Luft, so dass ich ging und auch ins Wasser langsam rein watete um wieder etwas Luft zu bekommen und dann ab auf die zweite Runde. Fand ich vom Kopf her recht angenehm zwei Runden zu schwimmen. Ich hatte das erste Mal keine Uhr beim schwimmen um, kannte daher auch nicht meine Zeit.
Dann rauf aufs Rad. Die ersten 10-12km bis nach Frankfurt rein war die Radstrecke recht voll und schön flach. Ich fuhr sehr kontrolliert nach Watt und drosselte mich dadurch, nicht hier schon zu überpacen. Die Beine fühlten sich Bombe an und auch an den ersten Anstiegen ging es sehr gut durch. Den Wind nahm ich nicht so schlimm war, ein Zeichen das es mir gut ging. Ich fuhr sehr kontrolliert nach Watt und konnte diese auch tatsächlich ohne Probleme bis zum Schluss durchhalten. Bei „The Hell“ – der Kopsteinpflasterpassage - dachte ich, ich wäre tatsächlich in der Hölle angekommen… What the f… ist das bitte? Ich hatte größte Mühe mein Rad zu halten, mir dabei nicht die Zunge durchzubeißen und meine ganze Verpflegung schwappte in unkontrollierten Mengen aus dem Trinkschlauch meiner Trinkbombe… Ordentlich durchgerüttelt freute ich mich danach wieder auf einer „normalen“ Teerstraße weiterfahren zu dürfen. Die Stimmungsnester waren der Wahnsinn, echt super Stimmung an der ganzen Strecke! Als ich in Bad Vilbel einfuhr und die Mengen sah die mich den Berg hochpeitschten hatte ich tatsächlich mehr als Gänsehaut und Tränen in den Augen! Was will man mehr!!
Fast oben angekommen überholte ich eine Mitstreiterin, hinter mir kam ein Athlet in dritter Reihe und wollte uns beide überholen, er kam nur leider wegen der Zuschauer nicht vorbei, fuhr hinten an mein Rad, wir kankelten, verhakten uns und fielen zusammen um!!!! Yes, super!! Nun lag ich da und war völlig neben mir. Zuschauen hoben uns auf, entwirrten unsere Räder. Der andere Teilnehmer fuhr ohne mich zu fragen wie es mir ging weiter. Vor Schock habe ich das in dem Moment aber überhaupt nicht realisiert, ich weiß weder seine Startnummer noch seine Nationalität. Ich zitterte irgendwie am ganzen Körper vor Schreck und plapperte nur immer vor mich hin, ich müsste weiter. Sie ließen mich jedoch nicht gleich los, da ich scheinbar total blass im Gesicht war. Nachdem ich kurz durchgeschnauft hatte und merkte dass ich zum Glück außer einem blutenden Knie nicht viel abbekommen hatte und auch mein Rad keinen großen Schaden hatte, machte ich mich wieder los. Nun hieß es durchatmen, runterkommen und auf das weitere Rennen konzentrieren. Irgendwann schlug meine Laune von Schock in Wut um und ich trat ordentlich in die Pedalen. Alles lief danach recht gut und nach 185 km fuhr ich die Wechselzone an, yeahhh jetzt laufen!
Schnell gewechselt, ich hatte ja schon Zeit liegen lassen und ab auf die Laufstrecke. Die ersten Meter hier waren auch eine Wahnsinnstimmung. Unsere Leute standen gefühlt überall und schrien, klatschten ab, feuerten uns an. Der Wahnsinn! Alles fühlte sich gut an, wie immer viel zu schnell, aber das sollte sich noch einpendeln. Bei ca km 2 kam am Gerippten eine Wende, ich lief, blieb an einer Straßenbahnschiene hängen und lag heute nun schon zum Zweiten Mal am Boden. Nun war das andere Knie blutig, der Schmerz verteilte sich zumindest.
Zumindest war ich nun wachgerüttelt, das die Koordination wohl doch nicht mehr die beste war und ich bei dem anspruchsvollen Untergrundwechsel achtgeben musste. Bis zur Hälfte lief alles gut durch, aber irgendwie fühlte sich das laufen trotzdem sehr zäh an, durch den Untergrund mit viel Kopfsteinpflasterpassagen, Bergabpassagen und Schienen kam ich nie richtig in meinen Flow, konnte Kopfmäßig nicht abschalten und einfach nur Laufen. Die Strecke war unheimlich voll, man musste ständig Zick Zack laufen, ausweichen, schauen das man keinem in die Hacken läuft, der aprupt stehen blieb. Auch die Verpflegung an den Getränkestationen wurde zunehmend anstrengender, ich lief eigentlich wenn es ging immer durch und trank Wasser im Laufen. Das war jedoch irgendwann fast gar nicht mehr möglich weil es sich dort total staute. Hier war ich dann auch ein paar Mal gezwungen zu stoppen und zu gehen um mich ordentlich verpflegen zu können. Bei km 21 wollte ich dann mein Special Need aufnehmen, kam mit ordentlichem Schwung dort an…suchte und suchte in den Reihen meiner Nummernfolge, keine 822 zu sehen. Die netten Helferinnen suchten mit, doch mein Beutel war einfach nicht zu finden. Nach einer gefühlten Ewigkeit, begleitet von lautem Fluchen meinerseits fanden wir ihn dann in einer komplett anderen Reihe einsortiert. Was solls, kann passieren. All das ließ mich irgendwie nörgelnd über die Strecke laufen, wenn ich grad dran denke muss ich selbst lachen, war vermutlich ziemlich witzig als Außenstehender.
Unseren Supportern rief ich irgendwann in Runde drei zu, ich hätte jetzt auch irgendwie wenig Lust noch zwei mal im Kreis zu rennen. Aber ich tat es trotzdem! Die Beine wurden immer schwerer und ich wusste immer noch keine Zeit wo ich nun eigentlich stand. Ich wusste nur ungefähr, dass ich keine Zeit zum bummeln hatte, wenn ich unter 12h bleiben wollte. Bei Km 34 rief mir eine Freundin zu, wenn du jetzt so durchziehst schaffst du unter 12h und läufst unter 4… Ohhh neeee, jetzt noch weiter durchziehen? Ich war eher geneigt dem Drang nachzugeben ein wenig erholend zu gehen. Puhhh, dann musste ich mich jetzt tatsächlich noch mal ordentlich zusammen reißen, aber die letzten km zogen sich ins unermessliche.
Dann das letzte Bändchen, der letzte Wendepunkt, die letzte Brücke rauf und runter…. Die letzten Meter, Schritt für Schritt voran… und dann…. rechts abbiegen, endlich! Man kann einfach nie beschreiben was das für ein Gefühl in einem auslöst, nach so einem langen Tag. Es ist atemberaubend, unvergleichlich, man ist erfüllt von Stolz, den Tränen nah. Abklatschen mit den Supportern, abklatschen mit dem Kommentator, feiern lassen! Yes i did it again!!!
Im Ziel ein Blick zurück auf meine Endzeit: 11:49h, Marathin in 03:55h – 50Minuten schneller insgesamt als letztes Jahr und allein 21min schneller gelaufen. Einen nie erträumten Platz 9 in meiner AK. Unglaublich…. Das war in der Tat „die (fast) perfekte Welle, mein (fast) perfekter Tag!!!!
Ich ahne nun ein wenig nach meinem zweiten Ironman was es heißt, durch vielen mentale Auf und Ab`s zu gehen. Ich habe sie auf der Laufstrecke mehrfach kennengelernt. Und auch habe ich eine Ahnung bekommen warum es heißt, auf der LD kann alles passieren!
Das Rennen in Frankfurt gefiel mir wirklich gut, tolle Radstrecke, Unmengen an überaus freundlichen und hilfsbereiten Helfern. Ein top organisiertes Rennen, ich komme sicher wieder.
In diesem Sinne plane ich trotz der aktuellen Schmerzen schon wieder neue Abenteuer!
Hütchen
PS: Es hat eine Menge Vorteile den Triathlonsport zusammen mit seiner besseren Hälfte zu bestreiten, jedoch ist es in solchen Momenten auch schwierig. Wenn es dem anderen nicht gut erging, ärgert man sich mit, ist ebenso traurig, hat ein schlechtes Gewissen sich über seine eigene Leistung zu freuen. Aber vielleicht ist geteiltes Leid auch halbes Leid? Vielleicht kann man auch die Enttäuschung besser verstehen? Vielleicht sich besser wieder gegenseitig ermutigen? Ich weiß dass meine ganzen Ermutigungen im Moment schwer aufzunehmen sind, die Enttäuschung muss erst mal sacken. Aber ich freue mich über euren Zuspruch für Chmiel, ich glaube der tut grad ziemlich gut.